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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
B-VG Art130 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des S, vertreten durch Mag. German Bertsch, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Saalbaugasse 2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 22. März 2007, Zl. Fr-4250a-324/04, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein serbischer Staatsangehöriger, reiste am 4. Juli 2002 illegal in das Bundesgebiet ein. Der in der Folge gestellte Asylantrag wurde mit Berufungsbescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 27. Februar 2007 rechtskräftig abgewiesen. Am 15. Juni 2005 hatte der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsangehörige geheiratet.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 22. März 2007 erließ die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg (die belangte Behörde) gegen den Beschwerdeführer gemäß § 86 Abs. 1 und § 87 iVm § 60 Abs. 1 Z 5 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von zehn Jahren.
Die belangte Behörde stellte dazu fest, der Beschwerdeführer sei mit Urteil des Amtsgerichtes Kempten vom 14. Juli 2004 wegen des gewerbsmäßigen gemeinschaftlichen Einschleusens von Ausländern in drei Fällen sowie des gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt worden. Der Wiedergabe des Urteilsspruches im angefochtenen Bescheid lässt sich - zusammengefasst - entnehmen, der Beschwerdeführer habe am 10. Oktober 2003 und am 15. Oktober 2003 jeweils (von zwei Mittätern ausgeführte) Schleusungsfahrten von Graz nach Deutschland betreffend vier bzw. fünf "jugoslawische" Staatsangehörige organisiert. Am 19. Februar 2004 habe er (mit einem dafür gewonnenen Mittäter als Fahrer) eine "jugoslawische Person" illegal von Vorarlberg nach München und am 28. Februar 2004 (allein) zwei albanische Staatsangehörige unerlaubt von Österreich nach Deutschland befördert, wobei er dafür EUR 200,-- bzw. EUR 400,-- erhalten habe. Der Beschwerdeführer habe in sämtlichen Fällen in der Absicht gehandelt, sich durch die wiederholte Begehung derartiger Straftaten eine fortlaufende Einnahmequelle "von einigem Umfang und einiger Dauer" zu verschaffen.
In der weiteren Begründung ging die belangte Behörde unter Bedachtnahme auf die in § 86 Abs. 1 iVm § 87 FPG normierten Voraussetzungen für ein Aufenthaltsverbot gegen Angehörige von österreichischen Staatsbürgern davon aus, es sei vorliegend der als Orientierungsmaßstab geltende Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 5 FPG (Begehung oder Mitwirkung an Schlepperei) verwirklicht. Daraus folgerte die belangte Behörde erkennbar, das dem Schuldspruch zugrundeliegende persönliche Verhalten des Beschwerdeführers stelle - insbesondere wegen der gewerbsmäßigen Begehung, seiner führenden Rolle und der umfangreichen Planungen, die auf eine hohe kriminelle Energie hinwiesen - eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Aufgrund der mehrfachen Tatwiederholung und des Vorhandenseins einer hohen kriminellen Energie sei von einer großen Rückfallsgefahr auszugehen. Verstärkt werde die negative Gefährdungsprognose auch durch den Umstand, dass sich der Beschwerdeführer seit der rechtskräftigen Erledigung des Asylverfahrens unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte.
Das Aufenthaltsverbot stelle - so begründete die belangte Behörde unter dem Gesichtspunkt der Interessenabwägung nach § 66 iVm § 60 Abs. 6 FPG - einen "gewissen" Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers dar. Bei der Interessenabwägung sei zu Gunsten des Beschwerdeführers sein Aufenthalt seit 2002 zu berücksichtigen, den er sich aber nur durch eine (nicht berechtigte) Asylantragstellung habe verschaffen können. Der Beschwerdeführer sei zwar mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet, doch lebe er von dieser seit Ende August 2006 getrennt und er habe am 29. August 2006 auch telefonisch bekannt gegeben, sich scheiden lassen zu wollen. Es sei daher davon auszugehen, dass mit seiner Ehefrau kein gemeinsames Familienleben mehr "stattfindet". Demgegenüber handle es sich bei gerichtlich strafbarer Schlepperei der vorliegenden Art - mehrfach organisierte gewerbsmäßige Schleppungen, die zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten geführt hätten - um schwere Verstöße gegen die Rechtsordnung und gegen die öffentlichen Interessen an einer überwachten und kontrollierten "Wanderungsbewegung". Es bestehe in diesem Bereich ein gewichtiges Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und an der Verhinderung derartiger Straftaten. Demzufolge sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten. Dazu komme, dass sich der Beschwerdeführer nunmehr auch unrechtmäßig in Österreich aufhalte. Aufgrund dieser Umstände ergebe sich, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wiegen würden als die Abstandnahme von dessen Erlassung. Davon ausgehend erachtete die belangte Behörde die Erlassung eines mit zehn Jahren befristeten Aufenthaltsverbotes für zulässig und eine Ermessensübung im Sinne einer Abstandnahme von dieser Maßnahme nicht für gerechtfertigt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Der Beschwerdeführer ist als Ehemann Familienangehöriger (§ 2 Abs. 4 Z 12 FPG) einer Österreicherin. Gemäß § 87 zweiter Satz FPG gelten für diese Personengruppe die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach den §§ 85 Abs. 2 und 86 FPG FPG. Der im vorliegenden Zusammenhang maßgebliche § 86 Abs. 1 FPG lautet (auszugsweise) samt Überschrift:
"Sonderbestimmungen für den Entzug der Aufenthaltsberechtigung und für verfahrensfreie Maßnahmen
§ 86. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen freizügigkeitsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig."
Bei der Beurteilung, ob die angeführten Voraussetzungen der zitierten Bestimmung gegeben sind, kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf den Katalog des § 60 Abs. 2 FPG als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom 24. April 2007, Zl. 2007/21/0132). Gemäß § 60 Abs. 2 Z 5 FPG hat als bestimmte, eine Gefährdungsannahme im Sinn des Abs. 1 rechtfertigende Tatsache zu gelten, wenn ein Fremder Schlepperei begangen oder an ihr mitgewirkt hat, wobei unter Schlepperei die wissentliche Förderung der rechtswidrigen Einreise oder Durchreise eines Fremden in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Nachbarstaat Österreichs zu verstehen ist (vgl. § 114 Abs. 1 FPG).
Die Beschwerde tritt den Feststellungen der belangten Behörde zu den der strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers zugrundeliegenden Tathandlungen nicht entgegen. Sie bestreitet auch nicht, dass der Beschwerdeführer dadurch Schlepperei im genannten Sinn begangen habe und demzufolge der (als Orientierungsmaßstab geltende) Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 5 FPG verwirklicht worden sei (vgl. zur inhaltsgleichen Fassung des § 36 Abs. 2 Z 5 FrG 1997 das hg. Erkenntnis vom 12. März 2002, Zl. 2001/18/0128; hinsichtlich des für die Beurteilung maßgebenden Zeitpunktes siehe noch die abschließenden Ausführungen im hg Erkenntnis vom 11. Dezember 2003, Zl. 2002/21/0087).
Gegen die darauf gegründete Prognose im Sinne des § 86 Abs. 1 FPG - tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt - führt die Beschwerde nur ins Treffen, die zur Last gelegten Übertretungen bzw. die Verurteilung lägen lange zurück. Dem ist zu erwidern, dass der Zeitraum des Wohlverhaltens (seit der Haftentlassung) noch zu kurz ist, um schon deshalb eine günstige Prognose erstellen zu können. Vielmehr hat die belangte Behörde zu Recht auf die Verübung der Straftaten durch den Beschwerdeführer in führender Rolle mit der Absicht auf gewerbsmäßige Gewinnerzielung und auf die weitgehend im arbeitsteiligen Zusammenwirken mit Mittätern vorgenommene Tatausführung hingewiesen. Dass sie angesichts dessen auf das Bestehen einer hohen kriminellen Energie und eine dadurch gegebene Rückfallgefahr geschlossen hat, kann somit nicht beanstandet werden. Der seit der letzten Tathandlung Ende Februar 2004 bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides Ende März 2007 verstrichene Zeitraum von etwa drei Jahren, in dem sich der Beschwerdeführer aber auch eine erhebliche Zeit in Haft befunden haben muss, kann an dieser Beurteilung nichts ändern (vgl. in diesem Zusammenhang das hg. Erkenntnis vom 21. November 2006, Zl. 2003/21/0105). Angesichts der festgestellten Tatumstände kann somit der behördlichen Annahme nicht entgegen getreten werden, das persönliche Verhalten des Beschwerdeführers stelle eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre (vgl. dazu auch Punkt II.1.2. der Entscheidungsgründe des hg. Erkenntnisses vom 27. März 2007, Zl. 2007/18/0135).
Die Beschwerde macht weiters geltend, das Asylverfahren "behängt" derzeit beim Verfassungsgerichtshof, sei somit noch nicht rechtskräftig abgeschlossen und es sei daher die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im derzeitigen Stadium unzulässig. Auf Anfrage des Verwaltungsgerichtshofes wurde dieses Vorbringen vom Beschwerdeführer in der Stellungnahme seines Rechtsvertreters vom 30. Mai 2007 dahin konkretisiert, dass der Beschwerdeführer an den Verfassungsgerichtshof mit Schreiben seines Vertreters vom 10. April 2007 lediglich einen Antrag auf Verfahrenshilfe in vollem Umfang zur Bekämpfung des am 27. Februar 2007 zugestellten Berufungsbescheides im Asylverfahren gestellt habe, über den noch nicht entschieden worden sei. Angesichts dessen ist die belangte Behörde bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (Zustellung an den Beschwerdeführer am 28. März 2007) aber jedenfalls zutreffend von der rechtskräftigen Beendigung des Asylverfahrens ausgegangen. Der Beschwerdeführer war somit kein Asylwerber mehr, gegen den nur die Erlassung eines Rückkehrverbotes nach § 62 FPG in Betracht gekommen wäre, und demnach kam ihm - anders als die Beschwerde meint - auch keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz mehr zu.
Der Beschwerdeführer räumt in der Beschwerde ein, dass er von seiner Ehefrau getrennt lebe. Er verweist allerdings darauf, dass die Ehe aufrecht sei und sie "ständig" in Kontakt seien. Auch wenn man Letzteres einbezieht, vermag dies jedoch das persönliche Interesse an einem Verbleib in Österreich nicht derart zu verstärken, dass es das - von der belangten Behörde zutreffend als hoch bewertete (vgl. dazu aus der letzten Zeit etwa das schon zitierte Erkenntnis Zl. 2007/18/0135) - öffentliche Interesse an der Unterbindung von Schlepperei und der damit verbundenen Folgen überwiegen könnte. Daran kann weder der weitere Aufenthalt von (in der Beschwerde nicht näher genannten) "Verwandten" des Beschwerdeführers noch der unsubstantiiert bleibende Hinweis, er arbeite hier legal und sei sozial integriert, etwas ändern. Selbst wenn man diese wenig konkreten Umstände unterstellte, wären sie in ihrem Gewicht dadurch deutlich relativiert, dass sie - auch das hat die belangte Behörde zu Recht angemerkt - erst nach illegaler Einreise während des durch einen unberechtigten Asylantrag ermöglichten Aufenthaltes begründet wurden. Der belangten Behörde, die ohnehin von einem durch das Aufenthaltsverbot bewirkten "gewissen" Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers ausgegangen ist, kann somit nicht entgegen getreten werden, wenn sie trotz des knapp mehr als fünfjährigen Aufenthalts des Beschwerdeführers in Österreich die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im besagten öffentlichen Interesse für zulässig angesehen hat. Der Verwaltungsgerichtshof hegt daher keine Bedenken gegen die von der belangten Behörde im Grunde des § 66 (iVm § 60 Abs. 6) FPG vorgenommene Interessenabwägung.
Der Behörde ist zwar auch bei einem auf § 86 Abs. 1 FPG gestützten Aufenthaltsverbot Ermessen eingeräumt (vgl. das Erkenntnis vom 27. Juni 2006, Zl. 2006/18/0165), doch vermag der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen keine besonderen Umstände aufzuzeigen, welche die belangte Behörde unter diesem Gesichtspunkt zu einer Abstandnahme von der aufenthaltsbeendende Maßnahme hätte veranlassen müssen
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 28. Juni 2007
Schlagworte
Ermessen besondere RechtsgebieteErmessen VwRallg8European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2007210170.X00Im RIS seit
26.07.2007Zuletzt aktualisiert am
26.01.2009