TE OGH 2005/1/13 15Os147/04

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.01.2005
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Jänner 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Pablik als Schriftführer, in der Strafsache gegen Christian M***** wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs l und 4 erster Fall StGB, AZ 3 U 79/04, des Bezirksgerichtes Lienz, über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck als Beschwerdegericht vom 15. Oktober 2004, AZ 21 Bl 370/04 (ON 21), nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Seidl, jedoch in Abwesenheit des Beschuldigten und seines Verteidigers zu Recht erkannt:

Spruch

In der Strafsache AZ 3 U 79/04g des Bezirksgerichtes Lienz verletzt der Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck als Beschwerdegericht vom 15. Oktober 2004, AZ 21 Bl 370/04 (ON 21), das Gesetz in der Bestimmung des § 90h Abs 5 StPO.

Gemäß § 292 letzter Satz StPO wird dieser Beschluss aufgehoben und in der Sache selbst dahin erkannt, dass der Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Lienz vom 29. April 2004, GZ 3 U 79/04g-17, nicht Folge gegeben wird.

Text

Gründe:

Im Verfahren AZ 3 U 79/04g des Bezirksgerichtes Lienz wurde Christian M***** mit Bestrafungsantrag vom 26. Jänner 2004 ein von der Staatsanwaltschaft als Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs l und 4 erster Fall StGB beurteiltes Verhalten zur Last gelegt. In der Hauptverhandlung vom 11. März 2004 unterbreitete der Einzelrichter dem Beschuldigten den Vorschlag auf Verfahrenseinstellung gemäß §§ 90 b und 90 c StPO gegen Bezahlung eines Geldbetrages von 600 Euro (hievon 100 Euro Pauschalkosten). Christian M***** nahm diesen Vorschlag an, die Bezirksanwältin gab zunächst keine Erklärung ab. Am l. April 2004 teilte die Staatsanwaltschaft schriftlich mit, dass einer diversionellen Vorgangsweise nicht zugestimmt wird. Mit Schreiben vom 2. April 2004 übermittelte das Bezirksgericht Lienz dem Beschuldigten einen Erlagschein über 600 Euro mit dem Hinweis, dass das Verfahren bei Bezahlung des Geldbetrages binnen 14 Tagen ungeachtet der ablehnenden Stellungnahme der Staatsanwaltschaft eingestellt werde. Es müsse jedoch mit einer Beschwerde gegen den Gerichtsbeschluss gerechnet werden. Nach Bezahlung des geforderten Geldbetrages am 23. April 2004 stellte das Bezirksgericht Lienz das Verfahren mit Beschluss vom 29. April 2004 gemäß §§ 90b und 90c Abs 5 StPO ein. Der dagegen von der Staatsanwaltschaft Innsbruck erhobenen Beschwerde gab das Landesgericht Innsbruck mit Beschluss vom 15. Juni 2004, AZ 21 Bl 172/04, Folge, hob den angefochtenen Beschluss auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens auf. Mit Beschluss vom 21. Juni 2004 wies daraufhin das Bezirksgericht Lienz den Rechnungsführer an, den Betrag von 600 Euro an den Beschuldigten rückzuüberweisen. Am l. Juli 2004 wurde Christian M***** in Abwesenheit (§ 459 StPO) des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs l und 4 erster Fall StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer gemäß § 43 Abs l StGB unter Bestimmung einer Probezeit von zwei Jahren bedingt nachgesehenen Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 12 Euro verurteilt. In der Hauptverhandlung wurden nach Verkündung des Urteils für den Fall der Rechtskraft die Pauschalkosten mit 120 Euro bestimmt, wobei sich der Verteidiger ausdrücklich damit einverstanden erklärte, dass in Abänderung der Auszahlungsanordnung ON 13 unter Berücksichtigung der zu vereinnahmenden Pauschalkosten nur ein Betrag von 480 Euro an den Beschuldigten rücküberwiesen werde (S 117). Mit Beschluss vom 13. September 2004 erließ das Bezirksgericht Lienz eine entsprechende Anweisung an den Rechnungsführer (ON 17). Der dagegen erhobenen Beschwerde der Staatsanwaltschaft gab das Landesgericht Innsbruck mit Beschluss vom 15. Oktober 2004, AZ 21 Bl 370/04 (ON 21), Folge und hob den angefochtenen Beschluss ersatzlos auf. Gemäß § 90h Abs 5 letzter Satz StPO sei eine Rückzahlung nach § 90c StPO geleisteter Geldbeträge im Gesetz nur für den Fall vorgesehen, dass der Verdächtige freigesprochen oder sonst außer Verfolgung gesetzt werde. § 90h Abs 5 StPO sei auch auf den Fall anzuwenden, in dem - wie vorliegend - nach einer Verfahrenseinstellung durch das Erstgericht auf Grund einer Rechtsmittelentscheidung die Fortsetzung des Verfahrens erforderlich wird.

Rechtliche Beurteilung

Wie der Generalprokuratur in der gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt, steht der letztgenannte Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Die Bestimmungen des § 90h Abs 5 StPO, denen zufolge die für den Fall der nachträglichen Einleitung oder Fortsetzung des Verfahrens vom Verdächtigen im Zusammenhang mit der Diversion erbrachte Leistungen bei der allfälligen Strafbemessung zu berücksichtigen und nach § 90c StPO geleistete Geldbeträge nur im Fall des Freispruches oder sonstiger Verfahrenseinstellung zurückzuzahlen sind, stellen ausschließlich auf die Fälle nachträglicher Einleitung oder Fortsetzung des Strafverfahrens nach § 90h Abs 2 StPO ab, deren Voraussetzung im Zusammenhang mit einer Geldbuße (§ 90c StPO) ist, dass die Diversion entweder dadurch vereitelt wird, dass der Verdächtige die ihm auferlegten Zahlungen nicht vollständig oder nicht rechtzeitig leistet (Z 1), oder dass gegen ihn wegen neuerlicher Delinquenz bereits vor Zahlung ein (anderes) Strafverfahren eingeleitet worden ist (Z 3).

Der hier vorliegende Fall einer vollständigen und rechtzeitigen Leistung einer Geldbuße in Erwartung der diversionellen Beendigung des Verfahrens, die aber aufgrund einer erfolgreichen Anfechtung durch die Staatsanwaltschaft (§ 90 l Abs 3 StPO) entfällt, wird von § 90h Abs 5 StPO nicht erfasst. § 90l StPO sieht eine dem § 90h Abs 5 StPO entsprechende Regelung nicht vor. Anhaltspunkte für eine planwidrige Gesetzeslücke bestehen nicht, sodass auch eine analoge Anwendung dieser Bestimmung nicht in Betracht kommt (aM Einführungserlass [zweiter Teil] zur Strafprozessnovelle 1999 ["Diversion"], JMZ 578.015/35-II 3/1999, S 49).

Es sind daher die bereicherungsrechtlichen Grundsätze des ABGB (§§ 143l ff) anzuwenden, wonach eine durch Wegfall des Rechtsgrundes ungerechtfertigte Vermögensverschiebung rückgängig zu machen ist (condictio causa finita; vgl Rummel in Rummel, ABGB3, § 1435 Rz 3).Es sind daher die bereicherungsrechtlichen Grundsätze des ABGB (§§ 143l ff) anzuwenden, wonach eine durch Wegfall des Rechtsgrundes ungerechtfertigte Vermögensverschiebung rückgängig zu machen ist (condictio causa finita; vergleiche Rummel in Rummel, ABGB3, § 1435 Rz 3).

Leistet also der Verdächtige den vollständigen Geldbetrag nach gerichtlicher Mitteilung (§ 90c Abs 4 StPO) in Erwartung der diversionellen Beendigung des Verfahrens, so ist der Betrag zurückzuzahlen, wenn infolge erfolgreicher Anfechtung des Beschlusses gemäß § 90c Abs 5 StPO durch den Staatsanwalt (§ 90 l Abs 3 StPO) die Rechtsgrundlage für die Zahlung entfällt.Leistet also der Verdächtige den vollständigen Geldbetrag nach gerichtlicher Mitteilung (§ 90c Abs 4 StPO) in Erwartung der diversionellen Beendigung des Verfahrens, so ist der Betrag zurückzuzahlen, wenn infolge erfolgreicher Anfechtung des Beschlusses gemäß § 90c Abs 5 StPO durch den Staatsanwalt (Paragraph 90 &, #, 160 ;, l, &, #, 160 ;, A, b, s, &, #, 160 ;, 3, StPO) die Rechtsgrundlage für die Zahlung entfällt.

Die Gesetzesverletzung war daher festzustellen und es war - infolge deren für den Beschuldigten nachteiliger Wirkung - der Beschluss des Beschwerdegerichts zu beheben sowie die Beschwerde der Staatsanwaltschaft abzuweisen.

Textnummer

E75969

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2005:0150OS00147.04.0113.000

Im RIS seit

12.02.2005

Zuletzt aktualisiert am

15.10.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten