Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Dr. Baumann, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Veith als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Maria P*****, vertreten durch Reinisch & Wisiak, Rechtsanwälte OEG in Leibnitz, und des der klagenden Partei beigetretenen Nebenintervenienten Dr. Peter S*****, gegen die beklagten Parteien 1.) Erwin W*****, 2.) U***** AG, *****, beide vertreten durch Dr. Helmut Destaller und andere Rechtsanwälte in Graz, wegen EUR 20.046,94 sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 16. Juli 2004, GZ 3 R 72/04i-74, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 4. Februar 2004, GZ 14 Cg 17/01t-68, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Am 21. 12. 1985 ereignete sich aus dem Alleinverschulden des Erstbeklagten ein Verkehrsunfall, bei dem die Klägerin schwer verletzt wurde. Sie musste sich wegen der Folgen dieses Unfalles in den Jahren danach mehrfachen Operationen unterziehen, das Rehabilitationsprogramm erstreckte sich bis zum 9. 10. 1990.
Strittig ist nur mehr die Verjährungsfrage für den für die Zeit vom 1. 7. 1990 bis 16. 9. 1993 begehrten, der Höhe nach mit EUR 20.046,94 außer Streit stehenden Verdienstentgang.
Mit der am 27. 10. 2000 eingebrachten Klage begehrte die Klägerin neben der Bezahlung anderer Ansprüche (wie Schmerzengeld, Sachschäden, Fahrtkosten und Pflegeaufwand) auch den Ersatz des Verdienstentganges für den nunmehr noch strittigen Zeitraum. Zu dem von den Beklagten erhobenen Verjährungseinwand brachte die Klägerin im Wesentlichen vor, dass die Rechtsvorgängerin der Zweitbeklagten am 28. 12. 1989 in Kenntnis der eingebrachten Feststellungsklage auf die Einrede der Verjährung, befristet mit 30 Jahren wie in einem Feststellungsurteil, verzichtet habe. Überdies habe die Schadensreferentin der Zweitbeklagten noch am 17. 4. 1997, also zu einem Zeitpunkt, zu dem nach dem Prozessstandpunkt der Beklagten bereits längst Verjährung eingetreten gewesen wäre, mit dem Nebenintervenienten konkret auch über die Verdienstentgangsansprüche verhandelt.
Die Beklagten wendeten Verjährung der Verdienstentgangsansprüche für jene Zeiträume, die länger als drei Jahre vor Klagseinbringung zurücklagen, ein. Die Verjährungsverzichtserklärung habe lediglich eine Wirkung wie ein Feststellungsurteil; danach verjährten die Ansprüche auf Verdienstentgang nach herrschender Rechtsauffassung nach drei Jahren.
Das Erstgericht sprach der Klägerin den Verdienstentgang für den oben genannten Zeitraum zu. Es ging hiebei im Wesentlichen von folgenden Feststellungen aus:
Am 11. 3. 1986 stellte der Nebenintervenient namens der Klägerin erstmals Ansprüche gegen die Rechtsvorgängerin der zweitbeklagten Partei als Haftpflichtversicherer (kurz: Versicherer).
Mit Schreiben vom 5. 8. 1986 forderte der Nebenintervenient den Versicherer auf, die Ansprüche der Klägerin mit einem Betrag von S 50.000,-- zu akontieren, da dieser an Fahrtkosten und darüber hinausgehenden Spesen ein erheblicher Aufwand erwachsen sei. Auf Grund dieses Schreibens überwies der Versicherer am 29. 8. 1986 einen Betrag von S 20.000,-- an den Klagevertreter.
Eine weitere Teilzahlung in Höhe von S 150.000,-- erfolgte am 9. 8. 1988, eine Zahlung von S 300.000,-- am 19. 12. 1989 und eine Zahlung von S 200.000,-- am 18. 4. 1997. Eine ausdrückliche Widmung gegenüber dem Klagevertreter oder der Klägerin ist anlässlich der Zahlungen nicht erfolgt.
Mit Schreiben vom 29. 12. 1986 bot der Versicherer der Klägerin einen Betrag von S 165.000,-- als Schmerzengeldentschädigung an, dies auf der Grundlage eines medizinischen Sachverständigengutachtens.
Mit Schreiben vom 7. 1. 1987 wies der Nebenintervenient namens der Klägerin dieses Anbot zurück und verwies auf die bei der Klägerin eingetretene psychische Alteration, die mit einem Betrag von 100 % des zu errechnenden Schmerzengeldkataloges abzugelten sei. Des weiteren wurde im Schreiben vom 7. 1. 1987 aus dem Titel des § 1326 ABGB ein Betrag von S 70.000,-- geltend gemacht.Mit Schreiben vom 7. 1. 1987 wies der Nebenintervenient namens der Klägerin dieses Anbot zurück und verwies auf die bei der Klägerin eingetretene psychische Alteration, die mit einem Betrag von 100 % des zu errechnenden Schmerzengeldkataloges abzugelten sei. Des weiteren wurde im Schreiben vom 7. 1. 1987 aus dem Titel des Paragraph 1326, ABGB ein Betrag von S 70.000,-- geltend gemacht.
Mit Schreiben vom 29. 11. 1988 wies der Nebenintervenient gegenüber dem Versicherer darauf hin, dass laut Auskunft des behandelnden Chirurgen eine weitere Nachoperation der Klägerin notwendig würde, der Schmerzengeldanspruch daher derzeit der Höhe nach nicht feststehe. Da auch der Anspruch aus dem Titel der Fortkommensminderung derzeit nicht abschätzbar sei, die Ansprüche der Klägerin jedoch am 21. 12. 1988 verjähren würden, ersuchte der Nebenintervenient den Versicherer der Einfachheit halber seiner Kanzlei bis spätestens 5. 12. 1988 eine Verjährungsverzichtserklärung zu übersenden, wobei er vorschlug, dass diese Erklärung befristet bis 30. 12. 1989 abgegeben werde.
Der Versicherer gab diese Erklärung mit Schreiben vom 6. 12. 1988 ab, die folgenden Wortlaut hat: "Im Rahmen des Versicherungsvertrages erklären wir, dass wir Ihren unfallskausalen Forderungen die Einrede der Verjährung bis zum 31. 12. 1989 nicht entgegenhalten". Dieselbe Erklärung gab der Erstbeklagte ab.
Wegen der drohenden Verjährung nahm der Nebenintervenient Ende 1989 neuerlich Kontakt mit dem Versicherer auf und besprach mit der Schadensreferentin Dr. Hilde D***** die Notwendigkeit der Erwirkung eines Feststellungsurteiles.
Da die Klägerin auch im Jahr 1989 auf Grund des langen Heilungsverlaufes nicht in der Lage war, ihre Schmerzengeldansprüche abschließend zu beziffern und auch die Verdienstentgangsansprüche schon deshalb nicht konkretisiert werden konnten, weil die Ausbildung der Klägerin zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht abgeschlossen gewesen wäre, ersuchte der Nebenintervenient die Sachbearbeiterin des Versicherers neuerlich um die Abgabe eines Verjährungsverzichtes. Mit Schreiben vom 28. 12. 1989 kam diese der Bitte nach und hielt wörtlich fest: "Wir bestätigen Ihnen nochmals schriftlich hinsichtlich der Schadenersatzforderungen der Frau Maria H*****, befristet mit 30 Jahren wie in einem Feststellungsurteil auf die Einrede der Verjährung zu verzichten. Unter einem verständigen wir unseren Versicherungsnehmer, dass von Ihnen Feststellungsklage eingebracht wird".
Die betreffende Klage wurde am 19. 12. 1989 beim BG Radkersburg eingebracht; am 16. 1. 1990 erging ein Veräumungsurteil gegenüber den beiden Beklagten mit folgendem Wortlaut: "Es wird festgestellt, dass die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand schuldig sind, der Klägerin sämtliche künftigen Ersatzansprüche, die aus dem Verkehrsunfall vom 21. 12. 1985 resultieren, zu ersetzen, wobei die Haftung der zweitbeklagten Partei durch ihre Leistungspflicht aus dem im Unfallszeitpunkt für den PKW der erstbeklagten Partei ... abgeschlossenen Haftpflichtversicherungsvertrages begrenzt ist".
Mit Schreiben vom 30. 4. 1991 wies der Nebenintervenient gegenüber dem Versicherer darauf hin, dass in der Zwischenzeit neuerlich Nachoperationen erfolgt seien und neuerlich eine Begutachtung der Schmerzperioden zu erfolgen hätte. In diesem Schreiben ist überdies festgehalten, dass die Klägerin nunmehr die Ausbildung abgeschlossen hätte und daher auch die Frage des Verdienstentganges nunmehr zu klären sei; er ersuchte in diesem Schreiben um telefonischen Rückruf zur Vereinbarung eines Besprechungstermines.
Anfang des Jahres 1994 erstattete ein Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie im Auftrag des Versicherers ein Nachgutachten, in dem darauf hingewiesen wurde, dass wegen arthrotischer Veränderungen im Bereich der beiden Kniegelenke ein weiterer operativer Eingriff erfolgen werde. In seinem Gutachten wies der Sachverständige darauf hin, dass im neurologischen Gutachten davon ausgegangen werde, dass wegen der subtoralen Effusion direkt nach dem Unfall eine posttraumatische Epilepsie noch nicht ausgeschlossen werden könne und hiefür ein Beobachtungszeitraum von bis zu 10 Jahren erforderlich sei.
Mit Schreiben vom 29. 3. 1994 verwies der Versicherer gegenüber dem Nebenintervenienten auf dieses Gutachten und das neurologische Gutachten; bekannt gegeben wurde auch, dass nunmehr eine detaillierte Antragstellung durch die Klägerin erwartet würde. Schließlich ist in diesem Schreiben auch festgehalten, dass bisher Akontierungen für Schmerzengeld in Höhe von insgesamt S 450.000,-- erfolgt sind. Der Nebenintervenient hat zum Inhalt dieses Schreibens keine Stellung genommen.
Mit Schreiben vom 24. 10. 1994 wandte sich der Nebenintervenient neuerlich an den Versicherer und stellte fest, dass ihm nunmehr Unterlagen hinsichtlich des Verdienstentganges zur Verfügung stehen. Bei Berechnung des Schmerzengeldes und Berücksichtigung der psychischen Alteration erscheine ihm ein Betrag in der Größenordnung von S 1,2 Mio realistisch. In diesem Schreiben ersuchte er den Versicherer einen weiteren Betrag von S 300.000,-- zu akontieren. Er erklärte weiters, nach einem Urlaub neuerlich Kontakt zum Zweck einer außergerichtlichen Erledigung der Angelegenheit aufnehmen zu wollen.
Am 17. 4. 1997 führte der Nebenintervenient ein letztes Gespräch mit der zuständigen Sachbearbeiterin Dr. Hilde D*****. Bei diesem Telefonat sprach der Nebenintervenient mit Frau Dr. D***** über die Schwierigkeit der Abgeltung des "verlorenen" Jahres im Rahmen der Schulausbildung und erwähnte, dass die Klägerin eine Schwester hat, die die gleiche Ausbildung eingeschlagen habe, welche die Klägerin ursprünglich machen wollte. Anhand ihres Werdeganges könnte ein Ansatzpunkt für eine Abgeltung des Verdienstentganges gefunden werden. Besprochen wurde auch ausdrücklich die Problematik, wie der Verlust dieses Jahres finanziell bewertet werden sollte. Anlässlich dieses Gespräches war der weitere berufliche Werdegang der Klägerin noch unklar, die Klägerin hatte zu diesem Zeitpunkt immer nur kurzfristige Beschäftigungen inne gehabt; auch eine Folgeoperation stand damals noch in Aussicht; medizinischerseits konnte noch immer nicht mit Sicherheit beurteilt werden, welchen Gesundheitszustand die Klägerin nach Absolvierung dieser Operation erreichen würde. Bei dem Gespräch vom 17. 4. 1997 kamen der Nebenintervenient und Dr. D***** überein, dass noch immer nicht sämtliche Ansprüche der Klägerin erledigt werden könnten und das Schmerzengeld jener Anspruch sei, der zum damaligen Zeitpunkt am einfachsten im Sinne einer vergleichsweisen Erledigung zu bereinigen ist, weil sich zum Zeitpunkt des Gespräches bereits abzeichnete, dass sich hier keine maßgebliche Verschlechterung mehr ergeben kann. Der Nebenintervenient wies darauf hin, dass der Klägerin ein wesentlich höherer Betrag zustehen würde, als bis dahin gezahlt wurde. Bei diesem Gespräch war zwischen dem Nebenintervenienten und Dr. D***** davon die Rede, dass man den Verlust des Ausbildungsjahres mit einer Pauschalsumme abgelten würde, ein konkreter Betrag wurde weder bezüglich der Pauschalabgeltung des verlorenen Ausbildungsjahres, noch bezüglich des Verdienstentganges genannt. Frau Dr. D***** wandte gegenüber dem Nebenintervenienten ein, dass nicht sicher wäre, ob die Klägerin die schulische Ausbildung auch ohne den Unfall erfolgreich abgeschlossen hätte; der Nebenintervenient wies darauf hin, dass die Klägerin mehrere Geschwister habe, die alle eine gute Ausbildung erhalten hätten.
Der Nebenintervenient ging davon aus, dass Frau Dr. D***** namens des Versicherers in weiterer Folge eine Präzisierung der Verdienstentgangsansprüche der Klägerin durch ihn erwarte. In einem Aktenvermerk vom 17. 4. 1997 hielt er fest: "Mit Frau Dr. D***** wird der gesamte Sachverhalt durchbesprochen, insbesondere die Themenkreise Schmerzengeld, Verlust eines Ausbildungsjahres und Verdienstentgang. Frau Dr. D***** gibt zu erkennen, dass sie an einer Gesamtbereinigung der Angelegenheit, mit Ausnahme des medizinischen Kalküls interessiert wäre und dass naturgemäß der Verlust des einen Jahres nur pauschal abgegolten werden kann. Weiters kann sie sich durchaus vorstellen, dass im Sinne dieser Dreiteilung Teilabrechnungen erfolgen, sie wird S 200.000,-- akontieren".
Am 18. 2. 1999 nahm der Nebenintervenient, nachdem Frau Dr. D***** in den Ruhestand getreten war, mit dem neuen Sachbearbeiter der Zweitbeklagten S***** Kontakt auf; dieser erklärte, er werde sich den Akt anschauen und bat den Nebenintervenienten, sich nach der Rückkehr aus seinem Urlaub mit ihm in Verbindung zu setzen.
Nach einem Urlaub im Sommer 2000 nahm der Nebenintervenient neuerlich Kontakt mit der Zweitbeklagten auf. Ihm wurde mitgeteilt, dass nunmehr Dr. B***** als Sachbearbeiter zuständig sei, nach seiner Urlaubsrückkehr im August 2000 würde er mit dem Nebenintervenienten Kontakt aufnehmen. Mit Schreiben vom 28. 8. 2000 wandte sich Dr. B***** namens der Zweitbeklagten an den Nebenintervenienten und schlug diesem vor, für sämtliche in der Vergangenheit und Zukunft liegende Ansprüche einen einmaligen Pauschalbetrag von S 200.000,-- zuzüglich Kosten zu bezahlen. In diesem Schreiben wurde erstmals darauf hingewiesen, dass trotz des Feststellungsurteiles einzelne Ansprüche der dreijährigen Verjährungsbeurteilung unterliegen und ein möglicher kausaler Verdienstentgang nie belegt und bewiesen wurde.
Dieses Schreiben wurde mit Schreiben des nunmehrigen Klagevertreters vom 11. 10. 2000 beantwortet, in dem dieser darauf hinwies, dass der Inhalt des Schreibens vom 28. 8. 2000 als Widerruf des mit Schreiben vom 28. 12. 1989 abgegebenen Verzichtes auf den Einwand der Verjährung hinsichtlich der schon bezifferbaren Ansprüche angesehen werden könnte. Da er den Akt erst am 10. 10. 2000 übernommen habe, sei er nicht in der Lage, die Verdienstentgangsansprüche sowie die weiteren noch nicht abgegoltenen Sach- und Vermögensschäden bis 31. 10. 2000 vollständig zu beziffern. Der Klagevertreter schlug der Zweitbeklagten einen bis 30. 6. 2001 befristeten Verzicht auf den Einwand der Verjährung insofern vor, als die Ansprüche der Klägerin unter besonderer Berücksichtigung des Schreibens vom 28. 12. 1989 am 28. 8. 2000 noch nicht verjährt waren. Eine derartige Erklärung müsste ihm bis längstens 20. 10. 2000 zugehen; mangels Abgabe dieser Erklärung müsse er unmittelbar nach Fristablauf, somit am 23. 10. 2000 eine Klage überreichen.
Mit Schreiben der Zweitbeklagten vom 19. 10. 2000 gerichtet an den Klagevertreter, wurde das Vergleichsanbot vom 28. 8. 2000 bis zum 31. 1. 2001 aufrecht erhalten.
Rechtlich folgerte das Erstgericht, dass die Zweitbeklagte zunächst eine bis 31. 12. 1989 befristete Verjährungsverzichtserklärung abgegeben habe. In der weiteren Erklärung vom 28. 12. 1989 sei jedoch der Verzicht auf die Einrede der Verjährung unbefristet zum Ausdruck gebracht worden. Damals sei auf Grund der geführten Gespräche und der Korrespondenz klar gewesen, dass die Klägerin eine Mehrzahl von Forderungen geltend machen wolle. Im April 1997 sei noch außergerichtlich über die Ansprüche der Klägerin verhandelt worden. Die Referentin der Zweitbeklagten sei selbst davon ausgegangen, dass die im Jahr 1989 abgegebene Erklärung auch jene Ansprüche der Klägerin umfasse, die der dreijährigen Verjährungsfrist unterlägen. Der Inhalt der Erklärung vom 28. 12. 1989 könne nur als genereller Verzicht auf die Erhebung der Verjährungseinrede verstanden werden. Die Klägerin habe auf den am 28. 8. 2000 erfolgten Widerruf jener Erklärung mit Schreiben vom 11. 10. 2000 und der am 27. 10. 2000 eingebrachten Klage reagiert. Ihre noch strittigen Verdienstentgangsansprüche seien daher nicht verjährt.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Parteien nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision - mangels über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung der Entscheidung - nicht zulässig sei. Es führte im Wesentlichen folgendes aus:
Es entspreche der ständigen Rechtsprechung, dass ein Verdienstentgangsanspruch als Rentenanspruch zu beurteilen sei und auch bei Vorliegen eines Feststellungsurteiles über die Haftung für zukünftig fällig werdende Rentenbeträge diese künftig nach dem Feststellungsurteil verfallenen Renten neuerlich der dreijährigen Verjährung des § 1480 ABGB unterlägen. Der Beginn der Verjährungsfrist sei grundsätzlich an die objektive Möglichkeit der Rechtsausübung geknüpft, das heißt die Verjährungsfrist beginne zu laufen, sobald der Geltendmachung des Anspruches kein rechtliches Hindernis entgegenstehe. Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung beginne die dreijährige Verjährungsfrist zu laufen, wenn die Gewissheit über den Eintritt des Schadens, die Person des Schädigers sowie den Ursachenzusammenhang zwischen Schaden und schadensstiftenden Verhalten einen solchen Grad erreiche, dass eine Klage mit Aussicht auf Erfolg angestellt werden könne.
Gemäß § 1502 ABGB sei ein Verzicht auf die Einrede der Verjährung vor Ablauf der Verjährungsfrist oder die Vereinbarung einer längeren Verjährungsfrist unwirksam. Wirksam sei hingegen der Verzicht auf die bereits eingetretene, also in ihrem vollen Wert erkennbare Verjährung; ein solcher Verzicht könne auch stillschweigend erfolgen. Dass gemäß § 1502 ABGB der Verjährung im Voraus nicht wirksam entsagt werden könne, bedeute jedoch nicht, dass jede in diese Richtung abgegebene Erklärung des Schuldners ohne Wirkung sei. Verhalte sich der Schuldner so, dass der Gläubiger mit Recht annehmen dürfe, der Schuldner werde sich im Fall einer Klagsführung nach Ablauf der Verjährungsfrist auf sachliche Einwendungen beschränken und die Einrede der Verjährung nicht erheben, dann könne nach herrschender Lehre und Rechtsprechung der Gläubiger der vom Schuldner dann doch erhobenen Verjährungseinrede die Replik der Arglist, des Handelns wider Treu und Glauben entgegensetzen.
Die Verjährung werde unter dem Gesichtspunkt redlicher Rechtsausübung durch Vergleichsverhandlungen gehemmt, wenn nur nach deren Scheitern der Geschädigte innerhalb angemessener Frist Klage erhebe; dabei handle es sich um eine Ablaufhemmung.
Wende man diese rechtlichen Grundsätze auf den festgestellten Sachverhalt an, so ergäbe sich zunächst, dass die Erklärung über den Verzicht auf die Einrede der Verjährung vom Dezember 1989 keine unmittelbare Wirkung auf den nunmehr noch strittigen Verdienstentgang haben könne, weil diese Ansprüche noch nicht entstanden gewesen seien. Diese Erklärung sei jedoch im Zusammenhang mit dem weiteren chronologischen Ablauf geradezu ein Indiz dafür, dass zwischen der Klägerin und der Zweitbeklagten außergerichtliche Vergleichsverhandlungen geführt wurden. Wenn auch zwischen den einzelnen Schritten nicht unerhebliche Zeiträume von teilweise etwa drei Jahren lägen, so sei hier wesentlich, dass die Zweitbeklagte letztlich noch ein bis 31. 1. 2001 befristetes Vergleichsanbot erstattet habe. Sie habe damit zu erkennen gegeben, auch an einer Bereinigung der Verdienstentgangsansprüche der Klägerin nach wie vor interessiert zu sein. Unter dem Gesichtspunkt der redlichen Rechtsausübung sei daher davon auszugehen, dass der Ablauf der Verjährungsfrist durch die Vergleichsverhandlungen gehemmt gewesen sei. Da die Klägerin während der für das Vergleichsanbot der Zweitbeklagten letztlich eingeräumten Frist die Klage eingebracht habe, sei ihr geltend gemachter Anspruch auf Verdienstentgang nicht verjährt.
Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der beklagten Parteien wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagsabweisenden Sinne abzuändern.
Die Klägerin und der Nebenintervenient beantragen in den ihnen freigestellten Revisionsbeantwortungen, der Revision nicht Folge zu geben. Der Nebenintervenient stellt überdies primär einen Zurückweisungsantrag.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist im Interesse der Rechtssicherheit zulässig, sie ist im Sinne des im Abänderungsantrag enthaltenen Aufhebungsantrages auch berechtigt.
Die Rechtsmittelwerber machen zusammengefasst geltend, es sei zu keiner Verjährungshemmung gekommen.
Hiezu wurde erwogen:
Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass ein Verdienstentgangsanspruch als Rentenanspruch zu beurteilen ist und dass auch bei Vorliegen eines Feststellungsurteils über die Haftung für zukünftig fällig werdende Rentenbeträge diese neuerlich der dreijährigen Verjährung unterliegen (RIS-Justiz RS0030928, RS0034202, zuletzt 2 Ob 58/02x = ecolex 2003/332; M. Bydlinski in Rummel3 § 1480 Rz 4, § 1489 Rz 7 mwN). Weder das Feststellungsurteil vom 16. 1. 1990 noch die auf die Wirkung eines Feststellungsurteiles bezugnehmende Erklärung der Zweitbeklagten vom 28. 12. 1989 hindern daher die Heranziehung der dreijährigen Verjährungsfrist für den strittigen Verdienstentgang aus der Periode 1. 7. 1990 bis 16. 9. 1993. Vor dem tatsächlichen Schadenseintritt könnte diese Frist freilich nicht zu laufen beginnen (RIS-Justiz RS0083144).
Es entspricht weiters der ständigen Rechtsprechung, dass Vergleichsverhandlungen eine Ablaufshemmung bewirken (RIS-Justiz RS0034518, RS0034450; M. Bydlinski aaO § 1501 Rz 2a mwN). Voraussetzungen der verjährungsrechtlichen Relevanz von Vergleichsverhandlungen ist allerdings, dass diese ernsthaft und ohne Zögern (zielstrebig) geführt werden (vgl RIS-Justiz RS0034599). Davon kann aber hier angesichts mehrjähriger Verhandlungsunterbrechungen nicht mehr die Rede sein. Zu den Verhandlungspausen vor 1997 lässt sich noch die Auffassung vertreten, dass im festgestellten Gespräch vom 17. 4. 1997 ein stillschweigender Verzicht auf eine allenfalls bereits zuvor eingetretene Verjährung gelegen sein könnte (vgl RIS-Justiz RS0032401 T 4 und 5; M. Bydlinski aaO § 1502 Rz 1 mwN). Für die folgende Verzögerung bis 2000 gibt es aber keinen überzeugenden Grund, zumal die Ausbildung der Klägerin bereits 1991 abgeschlossen war. Im Schreiben vom 28. 8. 2000 hat die Zweitbeklagte bereits auf die mögliche Verjährung von einzelnen Ansprüchen trotz Feststellungsurteil hingewiesen; im Schreiben vom 19. 10. 2000 hat sie lediglich das Vergleichsanbot vom 28. 8. 2000 wiederholt. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes war die neuerliche Vergleichsbereitschaft der Zweitbeklagten nur unter dem Vorbehalt der bereits eingetretenen Verjährung einzelner Ansprüche zu verstehen. Aus der damals geführten Korrespondenz kann daher kein neuerlicher Verzicht auf eine - mangels ernsthafter und zielstrebiger Vergleichsverhandlungen zwischen 1997 bis 2000 - eingetretene Verjährung abgeleitet werden. Der Klägerin kommt somit die vom Berufungsgericht angenommene Ablaufhemmung nicht zugute.Es entspricht weiters der ständigen Rechtsprechung, dass Vergleichsverhandlungen eine Ablaufshemmung bewirken (RIS-Justiz RS0034518, RS0034450; M. Bydlinski aaO Paragraph 1501, Rz 2a mwN). Voraussetzungen der verjährungsrechtlichen Relevanz von Vergleichsverhandlungen ist allerdings, dass diese ernsthaft und ohne Zögern (zielstrebig) geführt werden vergleiche RIS-Justiz RS0034599). Davon kann aber hier angesichts mehrjähriger Verhandlungsunterbrechungen nicht mehr die Rede sein. Zu den Verhandlungspausen vor 1997 lässt sich noch die Auffassung vertreten, dass im festgestellten Gespräch vom 17. 4. 1997 ein stillschweigender Verzicht auf eine allenfalls bereits zuvor eingetretene Verjährung gelegen sein könnte vergleiche RIS-Justiz RS0032401 T 4 und 5; M. Bydlinski aaO § 1502 Rz 1 mwN). Für die folgende Verzögerung bis 2000 gibt es aber keinen überzeugenden Grund, zumal die Ausbildung der Klägerin bereits 1991 abgeschlossen war. Im Schreiben vom 28. 8. 2000 hat die Zweitbeklagte bereits auf die mögliche Verjährung von einzelnen Ansprüchen trotz Feststellungsurteil hingewiesen; im Schreiben vom 19. 10. 2000 hat sie lediglich das Vergleichsanbot vom 28. 8. 2000 wiederholt. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes war die neuerliche Vergleichsbereitschaft der Zweitbeklagten nur unter dem Vorbehalt der bereits eingetretenen Verjährung einzelner Ansprüche zu verstehen. Aus der damals geführten Korrespondenz kann daher kein neuerlicher Verzicht auf eine - mangels ernsthafter und zielstrebiger Vergleichsverhandlungen zwischen 1997 bis 2000 - eingetretene Verjährung abgeleitet werden. Der Klägerin kommt somit die vom Berufungsgericht angenommene Ablaufhemmung nicht zugute.
Allerdings ist im vorliegenden Fall neben der Ablaufhemmung durch Vergleichsgespräche auch auf die Fortlaufshemmung gemäß § 27 Abs 2 KHVG 1994 Bedacht zu nehmen, die bei ausreichendem Tatsachensubstrat nicht ausdrücklich geltend gemacht werden muss (RIS-Justiz RS0102109). Der erkennende Senat ist zu 2 Ob 223/04i eben erst unter Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung zur Auffassung gelangt, dass die Meldung des Schadenersatzanspruches beim Versicherer im Sinne des § 27 Abs 2 KHVG 1994 nicht der Höhe nach beziffert sein muss (vgl auch 2 Ob 247/04v). Dem Grunde nach - wenn auch ohne Bezifferung - hat die Klägerin aber nach den vorinstanzlichen Feststellungen Verdienstentgangsansprüche in den Schreiben des Nebenintervenienten vom 29. 11. 1988, 30. 4. 1991 und 24. 10. 1994 geltend gemacht; das erste Anspruchsschreiben stammt vom 11. 3. 1986. Eine dadurch bewirkte Verjährungshemmung hätte nach dieser Gesetzesstelle nur durch die Zustellung einer schriftlichen Ablehnungserklärung des Versicherers beendet werden können.Allerdings ist im vorliegenden Fall neben der Ablaufhemmung durch Vergleichsgespräche auch auf die Fortlaufshemmung gemäß § 27 Abs 2 KHVG 1994 Bedacht zu nehmen, die bei ausreichendem Tatsachensubstrat nicht ausdrücklich geltend gemacht werden muss (RIS-Justiz RS0102109). Der erkennende Senat ist zu 2 Ob 223/04i eben erst unter Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung zur Auffassung gelangt, dass die Meldung des Schadenersatzanspruches beim Versicherer im Sinne des § 27 Abs 2 KHVG 1994 nicht der Höhe nach beziffert sein muss vergleiche auch 2 Ob 247/04v). Dem Grunde nach - wenn auch ohne Bezifferung - hat die Klägerin aber nach den vorinstanzlichen Feststellungen Verdienstentgangsansprüche in den Schreiben des Nebenintervenienten vom 29. 11. 1988, 30. 4. 1991 und 24. 10. 1994 geltend gemacht; das erste Anspruchsschreiben stammt vom 11. 3. 1986. Eine dadurch bewirkte Verjährungshemmung hätte nach dieser Gesetzesstelle nur durch die Zustellung einer schriftlichen Ablehnungserklärung des Versicherers beendet werden können.
Um die Parteien mit dieser Rechtsansicht nicht zu überraschen und ihnen im Hinblick auf die erwähnte Judikaturänderung Gelegenheit zu ergänzenden Vorbringen und Beweisanboten zu geben, war die Rechtssache unter Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.Die Kostenentscheidung beruht auf Paragraph 52, ZPO.
Textnummer
E76058European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2005:0020OB00246.04X.0120.000Im RIS seit
19.02.2005Zuletzt aktualisiert am
25.03.2011