TE OGH 2005/1/20 2Ob281/04v

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Veröffentlicht am 20.01.2005
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Dr. Baumann, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Veith als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karin R*****, vertreten durch Dr. Wetzl & Partner, Rechtsanwälte in Steyr, gegen die beklagte Partei Dr. Peter Z*****, vertreten durch Hasch & Partner, Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, wegen EUR 14.534,57 sA (Rekursinteresse EUR 14.178,47 sA), über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 6. September 2004, GZ 15 R 143/04s-55, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 16. April 2004, GZ 29 Cg 112/01g-51, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes wird aufgehoben und in der Sache selbst erkannt, dass das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 1.354,68 (hierin enthalten EUR 225,78 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung sowie die mit EUR 677,34 (hierin enthalten EUR 112,89 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rekurses an den Obersten Gerichtshof zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist Hundezüchterin der Rasse Bullmastiff-Terrier; der Beklagte ist Tierarzt.

Mit der am 13. 9. 2001 eingebrachten Klage begehrte die Klägerin die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von insgesamt S 200.000 (EUR 14.534,57) samt 4 % Zinsen seit 18. 5. 2001 an Schadenersatz (Verkehrswert ihrer nach Behandlung durch den Beklagten am 30. 3. 2001 verendeten Zuchthündin; Verdienstentgang für den Entgang zumindest dreier weiterer Würfe sowie tierärztliche Behandlungskosten). Der Beklagte habe aufgrund fehlerhafter und nicht ausreichender Untersuchung eine zum Tod des Tieres führende Erkrankung nicht rechtzeitig erkannt.

Der Beklagte bestritt das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach. Er habe weder eine Fehldiagnose noch eine Fehlbehandlung zu vertreten.

Das Erstgericht sprach der Klägerin einen Betrag von EUR 356,10 sA (rechtskräftig) zu und wies das Mehrbegehren von EUR 14.178,47 sA ab. Es traf folgende Feststellungen:

Am 24. 9. 1998 erwarb die Klägerin (mit ihrem Gatten) um S 50.000 (EUR 3.633,64) eine am 22. 4. 1996 geworfene Hündin, eingetragen im österreichischen Hundezuchtbuch, welche auf nationalen und internationalen Ausstellungen des österreichischen Kynologenverbandes die Formwerte "Sehr gut" und "Vorzüglich" sowie bei der nationalen Hundeausstellung Stockerau den Titel "Rasse- beste" erhalten hatte. Die Hündin hat in der Folge bei der Klägerin zweimal geworfen, und zwar am 5. 3. 1999 12 Welpen (von denen neun aufgezogen wurden) und am 27. 5. 2000 ebenfalls 12 Welpen (von denen fünf aufgezogen wurden). Am 1. 3. 2001 wurde bei ihr eine künstliche Befruchtung durchgeführt. Aufgrund dieser künstlichen Insemination vereinbarte die Klägerin mit dem Beklagten für 26. 3. 2001 einen Termin für eine Ultraschalluntersuchung, um zu klären, ob das Tier tatsächlich trächtig geworden ist. Da die Hündin am 23. 3. 2001 die Nahrung verweigerte, was für sie völlig atypisch war, und sich zurückzog sowie eine auffallende Müdigkeit (ohne erhöhte Körpertemperatur) aufwies, fuhr die Klägerin bereits an diesem Tag zum Beklagten und berichtete ihm von der Fressunlust, einem von ihr konstatierten Ausfluss sowie der vorhandenen Müdigkeit.

Der Beklagte nahm trotz dieses Vorberichtes keine Untersuchung der Scheide und des Muttermundes mit einem Spekulum vor, sondern zog lediglich die Vulva auseinander und untersuchte den Scheidenvorhof. Eine Blutsenkung oder eine vollständige gynäkologische Untersuchung wurde von ihm ebenfalls unterlassen. Bei einem derartigen Vorbericht wäre eine vollständige gynäkologische Untersuchung, insbesondere eine Untersuchung mit einem Spekulum, jedoch angezeigt gewesen. Eine derartige Untersuchung hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit zu weiteren Untersuchungen Anlass gegeben, sodass der Gesundheitszustand des Hundes abgeklärt hätte werden können. Tatsächlich litt das Tier bereits an diesem Tag an einer eitrigen Gebärmutterentzündung (Pyometra). Dies wurde vom Beklagten jedoch aufgrund der unzureichenden Untersuchungsmethoden nicht erkannt. Der Beklagte führte lediglich eine Ultraschalluntersuchung bei der Hündin durch, wobei seine Ehefrau den Ultraschall bediente und er die Ergebnisse auswertete. Bereits das vorliegende Ultraschallbild hätte aber jedenfalls Zweifel an der Trächtigkeit ergeben müssen, da eine Doppelwandigkeit aus Ampullenwand und Gebärmutterwand fehlte und die Ampullenerweiterungen nicht echofrei schwarz waren. Auch aufgrund des vorliegenden Ultraschallbildes wäre also jedenfalls eine gynäkologische Untersuchung angezeigt gewesen. Das Unterbleiben derselben ist als Behandlungsfehler zu werten.

Der Beklagte vermutete, dass die Hündin trächtig ist und teilte dies auch der Klägerin mit. Er schlug ihr auch einen Gebärmutterabstrich vor, was aber von der Klägerin abgelehnt wurde, da sie aufgrund der Informationen des Beklagten davon ausging, dass die Hündin trächtig wäre. Der Beklagte wies die Klägerin nicht auf das Risiko hin, das mit einem Unterlassen eines Gebärmutterabstriches verbunden ist. Insbesondere wies er nicht auf die Möglichkeit einer ampullenbildenden Pyometra (Gebärmutterentzündung) hin.

Am 26. 3. 2003 begann die Hündin schwer zu atmen bzw kurzatmig zu hecheln und hoch zu fiebern. Weiters war ein rotbrauner Ausfluss ersichtlich. Die Klägerin fuhr daher mit ihrem Tier wiederum zum Beklagten, welcher nun einen Vaginalabstrich, eine vaginoskopische Untersuchung und eine Blutuntersuchung vornahm. Der Beklagte konstatierte nunmehr das Vorliegen einer Pyometra, führte an der Hündin jedoch lediglich eine konservative Behandlung mittels Infusionen mit einem Breitbandantibiotikum, einem Vitaminpräparat und Novasul durch. Eine Operation wurde vom Beklagten der Klägerin nicht vorgeschlagen. Der Beklagte erwähnte ihr gegenüber zwar, dass möglicherweise manche Früchte noch zu retten wären, dies jedoch noch vor der Untersuchung, dh bevor er feststellen musste, dass die Hündin nicht trächtig war, sondern eine eitrige Pyometra aufwies. Bei dem Gesundheitszustand der Hündin hätte der Beklagte der Klägerin jedenfalls vorschlagen müssen, eine Operation (Gebärmutterentfernung) vorzunehmen, um das Leben des Tieres zu retten. Die vom Beklagten gewählte konservative Behandlung mittels Breitbandantibiotikum, Vitaminpräparat und Novasul war bei einer derart weit fortgeschrittenen Pyometra, wie sie bei der Hündin der Klägerin bereits vorlag, aus tiermedizinischer Sicht nicht ausreichend.

Am 27. 3. 2001 war die Klägerin erneut beim Beklagten, wobei dieser dem Tier weitere Infusionen verabreichte. Der Ausfluss hatte sich zu diesem Zeitpunkt etwas gebessert.

Die Klägerin zahlte dem Beklagten für seine tierärztlichen Leistungen insgesamt einen Betrag von S 4.200 (EUR 305,23).

Am 29. 3. 2001 suchte sie mit dem kranken Tier den Tierarzt Dr. Leopold P***** auf, welcher eine hochgradige eitrige Gebärmutterentzündung mit unterarmdicken Eiterungen beider Gebärmutterschlingen konstatierte. Dr. P***** teilte der Klägerin mit, dass die Hündin konservativ, dh ohne Operation nicht mehr zu retten sei und riet zu einer sofortigen Gebärmutterentfernung. Er wies darauf hin, dass die Hündin allenfalls sterben würde. Die Operation war zu diesem Zeitpunkt jedenfalls notwendig; eine konservative Behandlung nicht mehr möglich. Die Operation (Gebärmutterentfernung) hätte zum Verlust der Zuchtfähigkeit des Hundes geführt, was der Klägerin bekannt war. Sie wollte aber die Zuchtfähigkeit des Tieres erhalten und erbat sich daher Bedenkzeit, sodass am 29. 3. 2001 durch Dr. P***** keine Operation durchgeführt wurde. Die Kosten einer solchen hätten einschließlich Narkose rund S 8.000 (EUR 581.38) exklusive Umsatzsteuer betragen. Tatsächlich bezahlte die Klägerin Dr. P***** für seine Leistungen S 700 (EUR 50,87). Dabei handelte es sich um einen üblichen Preis für die von ihm vorgenommenen Leistungen und Untersuchungen, dies insbesondere im Hinblick darauf, dass auch Dr. P***** eine Ultraschalluntersuchung der Hündin vorgenommen hat. Die Untersuchung durch Dr. P***** war für den Behandlungserfolg aus tiermedizinischer Sicht als zielführend einzuschätzen.

Am 29. 3. 2001 war nur mehr eine Gebärmutterentfernung möglich; die Operation wäre unbedingt notwendig gewesen, um eine Überlebenschance für den Hund zu eröffnen. Selbst bei einer Operation an diesem Tag hätte der Hund jedoch lediglich mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % überlebt. Die Deckfähigkeit wäre jedenfalls verloren gewesen, da ja die Eierstöcke und die Gebärmutter entfernt worden wären.

Tatsächlich verendete der Hund am 30. 3. 2001.

Der Beklagte ist bei der Behandlung der Hündin der Klägerin nicht entsprechend dem tierärztlichen Wissensstand vorgegangen. Seine Behandlungsmethoden waren nicht ausreichend. Da bei Vorliegen einer Pyometra die Lebensgefahr für die Hündin durch Endotoxine aus dem Uterusinhalt verursacht wird, welcher starke Schäden, besonders in den Nieren, verursacht, muss der Uterusinhalt möglichst rasch entfernt werden. Das geschieht am gründlichsten und mit sehr hohen positiven Erfahrungswerten durch eine operative Entfernung der in diesem Fall mit Eiter und Entzündungsprodukten gefüllten Gebärmutter samt den Eierstöcken (Ovario Hysterektomie). Eine Uterusentleerung durch Anwendung von Prostaglandinen ist zwar gleichfalls möglich, jedoch mit Unwägbarkeiten und Risiken verbunden. In Österreich ist kein Prostaglandinpräparat für Hunde zugelassen. In Notfällen wäre die Behandlung eines Hundes mit Prostaglandinen dennoch als lege artis anzusehen, wenn der Tierbesitzer die Deckfähigkeit erhalten möchte und über diese Risiken aufgeklärt wird. Die vom Beklagten durchgeführte antibiotische Breitbandbehandlung mit Novosul- und Serovitgaben entsprach nicht dem tierärztlichen Wissenstand, weil dabei die Entfernung oder Entleerung des eitrigen und entzündlichen Gebärmutterinhaltes vom Beklagten nicht in Angriff genommen wurde. Bei richtiger Vorgehensweise hätte der Beklagte der Klägerin am 23. 3. 2001 zu einer Operation (Gebärmutterentfernung) raten müssen. Hätte die Klägerin auf einer Erhaltung der Deckfähigkeit des Hundes bestanden, so hätte der Beklagte auch die Behandlung mit Prostaglandinen vorschlagen können; dabei hätte er die Klägerin aber auf die damit verbundenen Risiken und Unwägbarkeiten hinweisen müssen.

Es ist nicht feststellbar, dass bei einer Entleerung der Gebärmutter ohne Totaloperation durch Prostaglandine die Gebärfähigkeit der Hündin am 23. 3. 2001 noch zu erhalten gewesen wäre. Wäre bereits an diesem Tag eine richtige konservative Behandlung ohne Operation durchgeführt worden, so wäre es gleich wahrscheinlich, dass der Hund überlebt hätte oder gestorben wäre. Es ist also nicht feststellbar, dass die Hündin der Klägerin bei einer derartigen Behandlungsmethode überlebt hätte. Es ist wahrscheinlich, dass das Tier bei einer Totaloperation am 23. 3. 2001 überlebt hätte. Die Deckfähigkeit wäre aber verloren gegangen. Bei den vom Beklagten gewählten Behandlungsmethoden bestand keine Chance, die Gebärfähigkeit des Hundes zu erhalten. Dem Beklagten sind am 23. 3. und 26. 3. 2001 damit mehrere gravierende Fehler unterlaufen; es handelt sich dabei jedoch um Fehler, die auch einem erfahrenen Tierarzt gelegentlich passieren können.

Der Verkehrswert der knapp fünfjährigen Bullmastiff-Hündin der Klägerin betrug im März 2001 ohne Zucht- bzw Gebärfähigkeit der Hündin S 2.500 (EUR 181,68); wäre die Zuchtfähigkeit (Gebärfähigkeit) voll erhalten geblieben, so hätte der Verkehrswert S 25.000 (EUR 1.816,82) betragen. Es ist nicht feststellbar, dass durch ein richtiges Vorgehen des Beklagten die Deckfähigkeit der Hündin zu erhalten gewesen wäre. Feststeht aber, dass bei richtiger Vorgehensweise durch eine am 23. 3. 2001 vorzunehmende Gebärmutterentfernung das Leben des Hundes mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gerettet hätte werden können. Dabei wäre allerdings die Deckfähigkeit verloren gegangen, sodass der Verkehrswert der überlebenden Hündin bloß S 2.500 (EUR 181,68) betragen hätte. Die mit einer derartigen Operation verbundenen Kosten hätten S 8.000 (EUR 581,38) inklusive Umsatzsteuer betragen. Die für die Erhaltung der Hündin notwendigen Operationskosten hätten damit den Wiederbeschaffungswert bei weitem überstiegen.

In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt (zusammengefasst) dahin, dass der Verlust der Deckfähigkeit der Hündin nicht auf ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten des Beklagten zurückzuführen sei, sei doch das Tier (aus welchen Gründen immer) unabhängig vom Zutun des Beklagten erkrankt und habe diese Krankheit zum Verlust der Deckfähigkeit bzw zum Tod geführt. Der Klägerin sei es nicht gelungen, nachzuweisen, dass bei einer lege artis-Behandlung die Deckfähigkeit des Tieres erhalten hätte werden können. Ihre Verdienstentgangsansprüche seien daher jedenfalls abzuweisen gewesen. Zum Verkehrswert des Tieres führte das Erstgericht aus, dass aufgrund des festgestellten Sachverhaltes samt Beweislastregeln davon auszugehen sei, dass bei richtiger Vorgehensweise des Beklagten lediglich das Leben der Hündin, allerdings ohne deren Deckfähigkeit, zu retten gewesen wäre. Damit wäre aber lediglich ein Verkehrswert von S 2.500 (EUR 181,68) für die Klägerin in ihrem Vermögen zu erhalten gewesen. Um diesen Vermögenswert zu erhalten, hätte sie allerdings S 8.000 (EUR 581,38) zuzüglich Umsatzsteuer aufzuwenden gehabt. Durch die Gebärmuttereiterung der Hündin sei also ein sog "wirtschaftlicher Totalschaden" entstanden, da die Operationskosten den Restwert des Hundes weit überstiegen hätten. Bei einem rechtmäßigen Alternativverhalten des Beklagten, dh bei einer lege artis-Behandlung, hätte die Klägerin also lediglich die Möglichkeit gehabt, mit einem Vermögensaufwand von ca S 9.600 (EUR 697,66) einen Vermögenswert von S 2.500 (EUR 181,68) zu erhalten. Durch den Behandlungsfehler des Beklagten sei der Klägerin damit kein vermögenswerter Schaden entstanden. Nun könne keinesfalls ausgeschlossen werden, dass die Klägerin aufgrund der persönlichen Beziehung zum Hund diese Aufwendung vorgenommen hätte, doch sei bereits ohne das Fehlverhalten des Beklagten beim Hund ein "wirtschaftlicher Totalschaden" eingetreten, sodass durch das Fehlverhalten des Tierarztes kein weiterer Schaden bei der Klägerin eintreten habe können. Weiters sei es unerheblich, ob der Schaden im vorliegenden Fall abstrakt oder konkret zu berechnen sei, wobei jedoch dem Beklagten nach dem festgestellten Sachverhalt lediglich leichtes Verschulden zur Last zu legen sei. Für Fälle der Tierarzthaftung lasse sich auch eine Umkehr der Beweislast wie bei Behandlungsfehlern im Bereich der Humanmedizin nicht rechtfertigen. Der Klägerin seien damit weder für den Verkehrswert der Hündin noch für den als Verdienstentgang bezeichneten Schaden aus dem Verlust künftiger Würfe ein Schadenersatz zuzusprechen. Allerdings stehe ihr aus dem Titel des Schadenersatzes ein Anspruch auf Rückzahlung der an den Beklagten geleisteten Honorare zu und aus demselben Rechtsgrund auch der für die weiteren Untersuchungen bei Dr. P***** aufgewendeten S 700 (EUR 50,87). Hätte der Beklagte lege artis gehandelt und seinen Behandlungsvertrag ordnungsgemäß erfüllt, so wären diese Kosten nicht angefallen, sodass sie von ihm zu ersetzen seien.

Das Berufungsgericht gab der gegen den klageabweislichen Teil erhobenen Berufung der Klägerin Folge und hob die bekämpfte Entscheidung unter Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht auf. Es sprach weiters aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht (zusammengefasst) aus:

Das Berufungsgericht könne sich der Auffassung des Erstgerichtes nicht anschließen, dass der entscheidende Grund für die von ihm zitierte "Beweislastumkehr" bei ärztlichen Behandlungsfehlern der besondere Schutz des hochrangigen Rechtsgutes der Integrität des menschlichen Körpers sei und daher auf die Behandlung von Tierärzten nicht übertragen werden dürfe. "Wenn auch die höchstgerichtlichen Entscheidungen die entscheidenden Gründe meist nicht ausführlich darlegen", so müsse doch als unbestreitbar angesehen werden, dass der hypothetische Verlauf von Krankheitsbildern besonders schwer abzuschätzen und nachträglich zu rekonstruieren sei. Dies gelte sowohl für den menschlichen wie auch für den tierischen Körper. Im vorliegenden Fall habe das gegen den Behandlungsvertrag verstoßende schuldhafte Verhalten des Tierarztes dazu geführt, dass dieser hypothetische Verlauf nicht mehr rekonstruiert werden könne, weil der für die Behandlungsaussichten entscheidende Punkt, nämlich der Fortschritt der Pyometra am 23. 3. 2001, mangels einer ausreichenden Untersuchung durch den Tierarzt nicht mehr festgestellt werden könne. Es erscheine daher dem Berufungsgericht unangebracht, mit dem dadurch hervorgerufenen Beweisnotstand den schuldlosen Vertragspartner, also die Klägerin, zu belasten. Nach der Rechtsprechung habe der Geschädigte danach zu beweisen, dass der ärztliche Behandlungsfehler die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintrittes nicht bloß unwesentlich erhöht habe; gelinge dies, so obliege dem Schädiger der volle Beweis, dass die erwiesene Vertragsverletzung im konkreten Fall für die nachteiligen Folgen mit größter Wahrscheinlichkeit unwesentlich geblieben sei. Wäre die lege artis angezeigte vollständige gynäkologische Untersuchung vorgenommen worden, so hätte der Beklagte der Klägerin zwei Behandlungsmöglichkeiten vorschlagen können, nämlich die operative Gebärmutterentfernung (die mit Sicherheit zum Verlust der Deckfähigkeit geführt hätte) oder die konservative Behandlung mit Prostaglandinen, die riskanter gewesen wäre, aber die Deckfähigkeit möglicherweise erhalten hätte. Hätte sich die Klägerin für die operative Behandlung entschieden, so läge (bei isolierter Betrachtung allein des gemeinen Wertes der Hündin) der vom Erstgericht angenommene "wirtschaftliche Totalschaden" vor, doch schlösse dies die Annahme eines (bei der "Totalschadensberechnung" ebenfalls zu berücksichtigenden) Verdienstentganges nicht aus; bei der konservativen Behandlung mit Prostaglandinen wäre der Verkehrswert des Hundes mit den (voraussichtlich niedrigeren) Behandlungskosten zu vergleichen. Das angefochtene Urteil weise allerdings zu diesen Fragen keine Feststellungen auf, was im zweiten Rechtsgang nachzuholen sein werde. Gleiches gelte zum Verdienstentgang der Klägerin, beruhten doch die Ausführungen des Erstgerichtes hiezu offenbar auf einer Verwechslung mit dem Begriff des entgangenen Gewinns. Früher habe der Oberste Gerichtshof diesen schlechthin zum positiven Schaden gerechnet; jetzt werde darauf abgestellt, ob der Geschädigte eine rechtlich gesicherte Position auf Verdienst gehabt habe oder der Verdienst mit hoher Wahrscheinlichkeit eingetreten wäre, mag die Ersatzhöhe auch unter Zuhilfenahme des § 273 ZPO festgesetzt werden. Nichts anderes gelte hinsichtlich künftiger Früchte. Eine rechtlich gesicherte Position auf Verdienst habe die Klägerin schon nach ihren eigenen Behauptungen nicht; positiver Schade komme somit nur bei Einnahmen in Betracht, die mit hoher Wahrscheinlichkeit eingetreten wären. Die Ersatzfähigkeit anderer Einnahmen (sofern sie überhaupt gegeben sei) setze grobes Verschulden voraus. Auch diese Frage werde im zweiten Rechtsgang noch näher zu erörtern sein, wobei aber eine Doppelentschädigung nicht in Betracht komme. Der Wert der Hündin habe nämlich bei voller Erhaltung der Zuchtfähigkeit S 25.000 (EUR 1.816,82), andernfalls S 2.500 (EUR 181,68) betragen. Nun stehe fest, dass die Zuchtfähigkeit für die Klägerin als Hundezüchterin von wesentlicher Bedeutung gewesen sei. Sie könne daher nicht einerseits den vollen Wert der Hündin (also unter Annahme der vollen Zuchtfähigkeit) verlangen, gleichzeitig aber den vollen Verdienstentgang als Züchterin. Andererseits sei dieser Verdienstentgang aber auch bei der Prüfung der Frage zu berücksichtigen, ob ein "wirtschaftlicher Totalschaden" vorliege. Was die Annahme nur leichter Fahrlässigkeit betreffe, habe sich das Erstgericht auf die Feststellung gestützt, es handle sich dabei um Fehler, die auch einem erfahrenen Tierarzt gelegentlich passieren könnten; diese wiederum beruhe auf dem Ergänzungsgutachten des Sachverständigen, der allerdings in seiner Begründung die Einschränkung "in Stresssituationen" mache. Eine Begründung, warum dies auch außerhalb von Stresssituationen gelten solle oder dass sich der Beklagte in einer solchen befunden habe, sei dem Ersturteil nicht zu entnehmen; auch dies werde im zweiten Rechtsgang nachzuholen sein. Aus allen diesen Gründen sei dessen Urteil im Umfang der Anfechtung aufzuheben gewesen.

Die Zulassung des Rekurses begründete das Berufungsgericht damit, dass der Oberste Gerichtshof, soweit überblickt werden könne, die Beweislast bei ärztlichen Fehlern auf dem Gebiet der Tierheilkunde noch nicht zu beurteilen gehabt habe.

Gegen diesen Aufhebungsbeschluss richtet sich der auf den Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Rekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, das Ersturteil wiederherzustellen.

Die klagende Partei beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, dem gegnerischen Rechtsmittel keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, weil es der vom Berufungsgericht aufgetragenen Verfahrensergänzungen nicht bedarf; er ist auch berechtigt.

Zwischen den Streitteilen war am 23. 3. 2001 ein (Tier-)Behandlungsvertrag geschlossen worden. Die Klägerin hatte ihren Hund mit - nach einer künstlichen Befruchtung aufgetretenen - Krankheitssymptomen (Fressunlust, Müdigkeit, Ausfluss) in die Ordination gebracht, welche den Beklagten nach dem Stand der tierärztlichen Wissenschaft zur vollständigen gynäkologischen Abklärung (mit Spekulum) veranlassen hätten müssen. Bei einem solchen Behandlungsvertrag hat nämlich der Eigentümer des Tieres (grundsätzlich nicht anders als ein Patient in der Humanmedizin) Anspruch auf Anwendung der nach dem Stand der Wissenschaft zu fordernden Maßnahmen (zur vergleichbaren Rechtslage in der BRD vgl etwa BGH in NJW 1977, 1102; VersR 1980, 652 und NJW 1982, 1327) und liegt ein (gemäß § 1299 ABGB haftbarer) Verstoß vor, wenn die vom (Tier-)Arzt gewählte Maßnahme hinter dem in Fachkreisen anerkannten Standard zurückbleibt (RIS-Justiz RS0026368; 6 Ob 73/00d). Im vorliegenden Fall lag der Behandlungsfehler des Beklagten im Unterlassen entsprechend dem tierärztlichen Wissensstand diagnostisch richtigen Handelns. Dass solche Fehler nach den Feststellungen des Erstgerichtes "auch einem erfahrenen Tierarzt gelegentlich passieren können", vermag den Beklagten ebenfalls nicht zu exkulpieren, sondern nur unter Umständen den Grad seiner Fahrlässigkeit auf jenes bloß leichter Fahrlässigkeit zu mindern, handelt doch leicht fahrlässig, wer ein Verhalten setzt, das gelegentlich auch einem sorgfältigen Menschen unterläuft, grob fahrlässig hingegen, wer eine Sorgfaltswidrigkeit setzt, die einem ordentlichen Menschen in der konkreten Situation keinesfalls unterlaufen würde (Koziol/Welser II12 300; RIS-Justiz RS0030477, RS0038120, RS0030438). Entgegen dem Auftrag des Berufungsgerichtes im Aufhebungsbeschluss bedarf es hiezu allerdings deshalb keiner Präzisierung und Verdeutlichung (Klarstellung allfälliger "Stresssituationen"), steht doch bereits jetzt (unstrittig) fest, dass das Nichterkennen der Krankheit infolge Unterlassung der gebotenen Untersuchungen nicht kausal für den Tod des Hundes war, weil - bei der gebotenen hypothetischen Betrachtung - die Klägerin auch bei pflichtgemäßem Verhalten wegen der von ihr auch noch später verfolgten Absicht, trotz der lebensbedrohenden Erkrankung die Deckfähigkeit des Hundes zu erhalten, der operativen Entfernung der Gebärmutter nicht zugestimmt hätte. Dass (nach den Feststellungen) auch noch eine andere konservative (also ohne Operation, jedoch mit „Unwägbarkeiten und Risiken" verbundene) Methode durch Anwendung von Prostaglandinen zur Verfügung stand, hat der Beklagte zwar ebenfalls (zufolge Nichterkennens des tatsächlichen Krankheitszustandes des Hundes) nicht als (mögliche) Behandlungsvariante vorgeschlagen; dies ist ihm jedoch deshalb nicht (ebenfalls) als Behandlungsfehler vorzuwerfen, weil es sich hiebei um ein in Österreich nicht zugelassenes Präparat handelte, und die Wahrscheinlichkeit, dass der Hund überlebt hätte oder verstorben wäre, dabei gleich hoch gewesen wäre, sodass eine Pflicht, eine solch riskante Heilbehandlung vorzuschlagen, der (zufolge des Einsatzes eines nicht einmal zugelassenen Heilmittels) damit keineswegs der Charakter einer nach der tierärztlichen Wissenschaft gebotenen Standardbehandlung, sondern wohl eher eines „Experimentes" zugekommen wäre, nicht bestand. Dass der Hund dadurch, wenn er nicht ohnehin verendet wäre, die Deckfähigkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit behalten hätte, ist medizinisch ebenfalls nicht abgesichert.Zwischen den Streitteilen war am 23. 3. 2001 ein (Tier-)Behandlungsvertrag geschlossen worden. Die Klägerin hatte ihren Hund mit - nach einer künstlichen Befruchtung aufgetretenen - Krankheitssymptomen (Fressunlust, Müdigkeit, Ausfluss) in die Ordination gebracht, welche den Beklagten nach dem Stand der tierärztlichen Wissenschaft zur vollständigen gynäkologischen Abklärung (mit Spekulum) veranlassen hätten müssen. Bei einem solchen Behandlungsvertrag hat nämlich der Eigentümer des Tieres (grundsätzlich nicht anders als ein Patient in der Humanmedizin) Anspruch auf Anwendung der nach dem Stand der Wissenschaft zu fordernden Maßnahmen (zur vergleichbaren Rechtslage in der BRD vergleiche etwa BGH in NJW 1977, 1102; VersR 1980, 652 und NJW 1982, 1327) und liegt ein (gemäß § 1299 ABGB haftbarer) Verstoß vor, wenn die vom (Tier-)Arzt gewählte Maßnahme hinter dem in Fachkreisen anerkannten Standard zurückbleibt (RIS-Justiz RS0026368; 6 Ob 73/00d). Im vorliegenden Fall lag der Behandlungsfehler des Beklagten im Unterlassen entsprechend dem tierärztlichen Wissensstand diagnostisch richtigen Handelns. Dass solche Fehler nach den Feststellungen des Erstgerichtes "auch einem erfahrenen Tierarzt gelegentlich passieren können", vermag den Beklagten ebenfalls nicht zu exkulpieren, sondern nur unter Umständen den Grad seiner Fahrlässigkeit auf jenes bloß leichter Fahrlässigkeit zu mindern, handelt doch leicht fahrlässig, wer ein Verhalten setzt, das gelegentlich auch einem sorgfältigen Menschen unterläuft, grob fahrlässig hingegen, wer eine Sorgfaltswidrigkeit setzt, die einem ordentlichen Menschen in der konkreten Situation keinesfalls unterlaufen würde (Koziol/Welser II12 300; RIS-Justiz RS0030477, RS0038120, RS0030438). Entgegen dem Auftrag des Berufungsgerichtes im Aufhebungsbeschluss bedarf es hiezu allerdings deshalb keiner Präzisierung und Verdeutlichung (Klarstellung allfälliger "Stresssituationen"), steht doch bereits jetzt (unstrittig) fest, dass das Nichterkennen der Krankheit infolge Unterlassung der gebotenen Untersuchungen nicht kausal für den Tod des Hundes war, weil - bei der gebotenen hypothetischen Betrachtung - die Klägerin auch bei pflichtgemäßem Verhalten wegen der von ihr auch noch später verfolgten Absicht, trotz der lebensbedrohenden Erkrankung die Deckfähigkeit des Hundes zu erhalten, der operativen Entfernung der Gebärmutter nicht zugestimmt hätte. Dass (nach den Feststellungen) auch noch eine andere konservative (also ohne Operation, jedoch mit „Unwägbarkeiten und Risiken" verbundene) Methode durch Anwendung von Prostaglandinen zur Verfügung stand, hat der Beklagte zwar ebenfalls (zufolge Nichterkennens des tatsächlichen Krankheitszustandes des Hundes) nicht als (mögliche) Behandlungsvariante vorgeschlagen; dies ist ihm jedoch deshalb nicht (ebenfalls) als Behandlungsfehler vorzuwerfen, weil es sich hiebei um ein in Österreich nicht zugelassenes Präparat handelte, und die Wahrscheinlichkeit, dass der Hund überlebt hätte oder verstorben wäre, dabei gleich hoch gewesen wäre, sodass eine Pflicht, eine solch riskante Heilbehandlung vorzuschlagen, der (zufolge des Einsatzes eines nicht einmal zugelassenen Heilmittels) damit keineswegs der Charakter einer nach der tierärztlichen Wissenschaft gebotenen Standardbehandlung, sondern wohl eher eines „Experimentes" zugekommen wäre, nicht bestand. Dass der Hund dadurch, wenn er nicht ohnehin verendet wäre, die Deckfähigkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit behalten hätte, ist medizinisch ebenfalls nicht abgesichert.

Dies führt zum Ergebnis, dass der Klägerin jedenfalls nur die ohnedies bereits vom Erstgericht rechtskräftig zugesprochenen frustrierten Behandlungskosten als ersetzbarer Schaden zuzuerkennen sind. Das darüber hinausgehende Mehrbegehren wurde vom Erstgericht damit ebenfalls (im Ergebnis) zutreffend abgewiesen, ohne dass es der vom Berufungsgericht (zufolge angenommener fehlender Spruchreife) für erforderlich erachteten Feststellungs- und Verfahrensergänzungen bedarf.

In Stattgebung des Rechtsmittels war daher das Ersturteil wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Textnummer

E76221

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2005:0020OB00281.04V.0120.000

Im RIS seit

19.02.2005

Zuletzt aktualisiert am

25.03.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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