TE OGH 2005/1/20 2Ob7/05a

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Veröffentlicht am 20.01.2005
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Dr. Baumann, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Veith als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Erika P*****, vertreten durch Dr. Stefan Duschel und Mag. Klaus Hanten, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei A*****, vertreten durch Borns & Partner, Rechtsanwälte-Kommandit-Partnerschaft in Gänserndorf, wegen EUR 9.000,-- sA, über den "Revisionsrekurs" (richtig: Rekurs) der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 29. September 2004, GZ 36 R 221/04y-25, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 16. März 2004, GZ 20 C 538/03z-19, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Aufhebungsbeschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst zu Recht erkannt, dass das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei zu Handen ihrer Vertreter binnen 14 Tagen die mit EUR 971,04 (hierin enthalten EUR 161,84 USt) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung sowie die mit EUR 665,66 (hierin enthalten EUR 110,94 USt) bestimmten Kosten des Rekurses zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 15. 11. 2001 wurde die Tochter der Klägerin als PKW-Lenkerin bei einem vom alkoholisierten Lenker eines bei der beklagten Partei haftpflichtversicherten LKWs allein verschuldeten Verkehrsunfall so schwer verletzt, dass sie am Folgetag verstarb.

Durch die Benachrichtigung vom Tod ihrer Tochter erlitt die am 7. 6. 1956 geborene und somit damals 45-jährige Klägerin, die mit ihrer Tochter eine besonders enge Gefühlsbeziehung verband, eine seelische Erschütterung schwersten Ausmaßes, als deren Reaktion es zu posttraumatischen Belastungsstörungen mit Angstzuständen und Depressivität kam. Diese psychiatrische Störung verursachte auch Appetitlosigkeit, sodass die vor dem Unfall - bei einer Körpergröße von 1,62 m - rund 75 kg wiegende Klägerin innerhalb eines Jahres rund 15 kg verlor. Vor dem Unfall hatte sie ein frisches, pralles Gesicht mit geringer Faltenbildung aufgewiesen; durch die rasche, unkontrollierte und ungewollte Gewichtsreduktion wandelte sich ihr Gesicht in ein fahles, schlaffes, hängendes und faltenreiches Gesicht mit tiefen, stark ausgeprägten Furchen von den Nasenflügeln abwärts zu den Mundwinkeln und den Unterrändern der Wangen (Nasolabialfalten), weiters kam es zu beidseits schlaff über den Kieferknochen herabhängenden Wangen, die sich als Falte Richtung Hals hin fortsetzten. Die vordere Halspartie spannte sich segelartig auf, der Hals begann bereits weit vorne am Kinn und knapp hinter dem Kinnknochen fiel die Haut bereits zum Hals hinab. Weitere Verschlechterungen in der optischen Erscheinung des Gesichtes ergaben sich dadurch, dass die Wangenerhebungen kaum noch sichtbar waren, der Übergang von den Schläfengegenden nach unten in nahezu einer Linie erfolgte, die Wangenpölsterchen abflachten und sich nach unten verlagerten. Zudem kam es zu einem Aufliegen der Haut der Oberlider direkt auf den Wimpern, was einen müden, abgekämpften und nahezu ausdruckslosen Gesichtsausdruck bewirkte. Zusammengefasst verursachte der Unfalltod der Tochter eine (angesichts der kurzen Zeitspanne von rund einem Jahr) außergewöhnlich starke vorzeitige Alterung der Klägerin in ihrer optischen Erscheinung, bezogen auf ihr Gesicht. Die Klägerin hatte nicht vor, ihr Körpergewicht bewusst zu verringern. Auf Grund ihrer psychischen Beeinträchtigung konnte sie sich ihrer Appetitlosigkeit nicht erwehren. Ohne derart rasche und unkontrollierte Gewichtsabnahme hätte sich das Aussehen der Klägerin im Gesicht innerhalb eines Jahres durch natürliche Alterung nicht erheblich verändert.

Gegen Weihnachten 2002 wurde die Klägerin, die als Friseurin arbeitet, häufig von Kunden hinsichtlich ihres schlechten Aussehens angesprochen. Zudem war sie berufsbedingt über die im Frisiersalon vorhandenen Spiegel ständig mit der Veränderung ihres Aussehens konfrontiert. Es entstand neben dem noch immer nicht verarbeiteten Tod ihrer Tochter dadurch ein selbständiger psychischer Leidensdruck, der so stark war, dass sich die Klägerin letztlich einer Facelifting-Operation bei einem plastischen Chirurgen unterzog, wofür sie ein angemessenes Honorar in Höhe von EUR 9.000,-- bezahlte. Durch diese Operation erlitt die Klägerin (gerafft) zwei Tage starke, sieben Tage mittelstarke und 12 Tage leichte Schmerzen. Die kosmetische Operation verlief komplikationslos und hinsichtlich der Verbesserung des äußeren Erscheinungsbildes des Gesichtes der Klägerin auch erfolgreich. Durch die Operation wurde in etwa jener optische Eindruck des Gesichtes der Klägerin wiederhergestellt, der auch vor dem Unfalltod der Tochter bestand. Geringfügige Verbesserungen durch Glättung von schon damals vorhandenen Falten werden durch den Nachteil, dass die vorteilhaften Auswirkungen der kosmetischen Operation zeitlich begrenzt sind, bei weitem aufgewogen.

Mit der am 28. 2. 2003 eingebrachten Klage begehrt die Klägerin den Ersatz dieser Operationskosten samt 4 % Zinsen seit 22. 1. 2003. Durch den schweren Schicksalsschlag des plötzlichen Todes ihrer Tochter sei sie depressions- und dadurch auch gewichtsabnahmebedingt insbesondere in ihrem Gesicht auffallend vorzeitig gealtert, weshalb ihr die Facelifting-Operation ärztlicherseits empfohlen worden sei. Das ihr auf Grund der bisherigen psychischen Beeinträchtigung zustehende Schmerzengeld sei von der beklagten Partei außergerichtlich bereits reguliert worden (EUR 22.000,-- zuzüglich EUR 890,-- Behandlungskosten und Kosten ihrer rechtsfreundlichen Vertretung). Die durch die kosmetische Operation erzielte Verbesserung ihres Aussehens wirke nicht bloß nach außen hin, sondern auch auf ihre Psyche und sei daher auch als "therapeutische Maßnahme" anzusehen. Auf Grund ihrer durch den natürlichen Alterungsprozess bedingten Veränderungen ihres Aussehens allein hätte sie niemals eine kosmetische Operation erwogen, weshalb die ihr im konkreten Fall erwachsenen Kosten als "vorfallskausal anzusehen" seien. Im weiteren Verfahren wurde das Begehren "aus Gründen prozessualer Vorsicht" auch auf einen ihr zustehenden Anspruch auf Bezahlung eines angemessenen Schmerzengeldes für die im Zusammenhang mit dieser Operation und deren Nachwirkungen erlittenen Schmerzen gestützt, wobei für diese Schmerzen ein Schmerzengeld in Höhe von zumindest EUR 2.250,-- angemessen sei.

Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach. Der von ihrem Versicherungsnehmer allein verschuldete Verkehrsunfall sei für die Faltenbildung im Gesicht der Klägerin, deren Gewichtsreduktion und vorzeitige Alterung nicht adäquat ursächlich gewesen und der Klageanspruch daher "weder aus Gesetz noch Judikatur ableitbar". Außerdem sei zwischen den Streitteilen ein Vergleich über die aus diesem Vorfall resultierenden Schadenersatzforderungen geschlossen worden, den die beklagte Partei vollständig erfüllt habe. Durch diese Zahlungen seien sowohl die psychischen Leiden der Klägerin als auch die daraus resultierenden organischen Veränderungen (so insbesondere auch eine allfällige vorzeitige Alterung) abgegolten worden. Die Schönheitsoperation sei auch kein adäquates Mittel gewesen, um die durch den Verkehrsunfall verursachten psychischen Beschwerden essentiell zu verbessern. Im Gegenteil wäre durch die Schönheitsoperation die psychische Situation der Klägerin verschlechtert worden, weil sie im Ausmaß der vom Sachverständigen ermittelten Schmerzen beeinträchtigt worden wäre, wobei diese schon durch den normalen Verlauf der Schönheitsoperation verursacht worden seien. Die beklagte Partei hafte daher nicht für die Kosten derselben oder für anlässlich der Operation entstandene Schmerzen. Die Wiederherstellung eines jugendhaften Aussehens sei vom Unfallsgeschehen derart weit entfernt, dass eine Haftung nicht bestehen würde. Die psychische Beeinträchtigung, um deren Milderung es gegangen sei, sei ohnehin bereits durch das bezahlte Trauerschmerzengeld abgegolten.

Die Klägerin replizierte, dass es sich beim zitierten Vergleich um keinen Generalvergleich gehandelt und sie sich die Geltendmachung weiterer Ersatzansprüche ausdrücklich vorbehalten habe.

Das Erstgericht, das im Rahmen seines Beweisverfahrens auch ein Gutachten eines Facharztes für plastische Chirurgie einholte, verurteilte die beklagte Partei zur Zahlung von EUR 9.000,-- samt 4 % Zinsen aus EUR 6.750,-- vom 22. 1. 2003 bis 12. 1. 2004 und aus EUR 9.000,-- seit 13. 1. 2004 und wies das Zinsenmehrbegehren von weiteren 4 % Zinsen aus EUR 2.250,-- vom 22. 1. 2003 bis 12. 1. 2004 (rechtskräftig) ab. Über den eingangs bereits wiedergegebenen Sachverhalt hinaus traf es noch folgende weitere Feststellungen:

Der vorzeitigen Alterung des Gesichtes der Klägerin ist Krankheitswert zuzumessen. Hätte die Klägerin Normalgewicht ohne vorhergehende rasche und unkontrollierte Gewichtsreduktion gehabt, so hätte ihr Gesicht naturgemäß eine etwas stärkere Faltenbildung aufgewiesen als mit rund 15 kg Übergewicht. Es kann daher nicht die gesamte Veränderung im Aussehen der Klägerin nach dem Verlust der Tochter als krankheitswertige vorzeitige Alterung beurteilt werden, wohl aber der überwiegende Teil, sodass 75 % der Veränderung des Erscheinungsbildes der Klägerin krankheitswertig sind. Da die Klägerin weiterhin durch den Tod ihrer Tochter psychisch belastet war und zudem weiterer psychischer Leidensdruck über ihr verändertes Aussehen hinzu kam, war es zur Verbesserung ihrer psychischen Situation sinnvoll, durch eine ihr vom Facharzt empfohlene Facelifting-Operation eine kosmetische Verbesserung ihres Aussehens anzustreben.

In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, dass die Klägerin durch den vom Versicherungsnehmer der Beklagten grob fahrlässig verschuldeten Unfall samt Tod ihrer Tochter seelische Schmerzen mit Krankheitswert, sohin eine Gesundheitsschädigung im Sinne des § 1325 ABGB erlitten habe; diese psychische Beeinträchtigung habe wiederum organische Veränderungen im Sinne einer vorzeitigen Alterung verursacht, der gesonderter Krankheitswert zuzumessen wäre. Diese hätte durch die Facelifting-Operation erfolgreich behandelt werden können, wobei neben dem angemessenen Honorar von EUR 9.000,-- für die dabei erlittenen Schmerzen ein Schmerzengeld in Höhe von EUR 3.000,-- angemessen sei. Die beklagte Partei, die als Haftpflichtversicherer für die beim Verkehrsunfall vom 15. 11. 2001 verursachten Schäden hafte, habe daher nach der zitierten Gesetzesstelle sowohl die Heilbehandlungskosten als auch ein angemessenes Schmerzengeld für die anlässlich dieser Heilbehandlung erlittenen Schmerzen zu bezahlen, wobei allerdings nur 75 % der vorzeitigen Alterung der Klägerin Krankheitswert zugemessen werden könne, sodass ihr bloß drei Viertel der Behandlungskosten und drei Viertel des Schmerzengeldes, insgesamt sohin EUR 9.000,--, zuzusprechen wären.

Das Berufungsgericht gab der von der beklagten Partei erhobenen Berufung Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sprach weiters aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Nach Auffassung des Berufungsgerichtes stelle es eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz dar, dass das Erstgericht entgegen dem Antrag beider Parteien und dem ursprünglichen Prozessprogramm zur Frage, ob die Durchführung der kosmetischen Operation bei der Klägerin eine geeignete psychotherapeutische Maßnahme gewesen sei, kein psychiatrisches Sachverständigengutachten eingeholt habe. Es sei nicht ausreichend, einen Kausalzusammenhang zwischen der vorzeitigen Alterung und der Operation herzustellen, sondern müsse sich die Notwendigkeit der Operation aus dem psychischen Leidensdruck der Klägerin ergeben, zumal Grundlage für die von ihr behaupteten Ansprüche § 1325 ABGB sei. Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung gebühre nahen Angehörigen eines Getöteten für einen ihnen verursachten Schockschaden mit Krankheitswert Schmerzengeld, weil diese Dritten durch das Erleiden eines Nervenschadens in ihrem absolut geschützten Recht auf körperliche Unversehrtheit beeinträchtigt und als unmittelbar geschädigt anzusehen seien. Die durch den starken Leidensdruck bei der Klägerin aufgetretenen körperlichen Veränderungen, nämlich die ungewollte rasche Gewichtsabnahme, die zu einer vorzeitigen Alterung führte, seien auch als adäquate Unfallsfolgen anzusehen, zumal starker seelischer Schmerz durchaus geeignet sei, zu starker Gewichtsabnahme bzw Verschlechterung des optischen Aussehens einer Person und eben auch zu vorzeitiger Alterung zu führen. Die dadurch bedingte zusätzliche psychische Belastung werde jedoch grundsätzlich mit dem bezahlten Trauerschmerzengeld abgegolten, es sei denn, durch diese körperliche Veränderung entstehe ein solcher zusätzlicher psychischer Leidensdruck, dass diesem ein eigener Krankheitswert zukomme. Da grundsätzlich weder eine Gewichtsreduktion von Übergewicht auf Normalgewicht - wie dies bei der Klägerin der Fall gewesen sei - noch eine vorzeitige Alterung an sich eine Gesundheitsschädigung darstellten, komme ein Ersatz der Kosten einer Facelifting-Operation als Behandlungskosten im Sinne des § 1325 ABGB jedenfalls nur dann in Betracht, wenn dies eine geeignete Behandlungsmethode für die unfallbedingte psychische Beeinträchtigung darstelle. Für einen diesbezüglichen Ersatzanspruch reiche es entgegen der Ansicht des Erstgerichtes keineswegs aus, dass eine Facelifting-Operation die geeignetste Methode zur Behandlung und Verbesserung des optischen Erscheinungsbildes der Klägerin gewesen sei. Die Frage, ob die unfallbedingte vorzeitige Alterung der Klägerin als Gesundheitsschädigung mit eigenem Krankheitswert angesehen werden könne und dafür als adäquate Behandlung eine Facelifting-Operation in Betracht komme, stelle eindeutig eine Sachverständigenfrage dar, die nicht in das Fachgebiet der plastischen Chirurgie falle und umso weniger vom Gericht selbst beurteilt werden könne. Vielmehr sei zur Beurteilung derselben die Fachkenntnis eines psychiatrischen Sachverständigen erforderlich. Selbst wenn das eigene Wissen des erkennenden Richters zur Beantwortung dieser Frage ausgereicht hätte, wäre für dessen Verwertung jedenfalls die Zustimmung der Parteien erforderlich gewesen (§ 364 ZPO), die hier nicht vorliege. Durch die Unterlassung der Beiziehung eines solchen Sachverständigen sei das gegenständliche Verfahren mangelhaft geblieben; dieser Mangel sei auch zweifellos abstrakt geeignet, eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Streitsache zu hindern.

Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof ließ das Berufungsgericht zu, "da die Ersatzfähigkeit der hier geltend gemachten Operationskosten grundsätzlich fraglich erscheint. Soweit überblickbar, hat sich der Oberste Gerichtshof nur in seiner Entscheidung vom 12. 6. 2003, 2 Ob 11/03t, mit der Ersatzfähigkeit vergleichbarer Behandlungskosten (Reitunterricht) auseinandergesetzt und im dortigen Fall ausgesprochen, dass es sich unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände gerade noch um eine adäquate Schadensfolge aus dem Unfallsgeschehen handelte."

Gegen diesen Aufhebungsbeschluss richtet sich der (erkennbar) auf den Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte "Revisionsrekurs" (richtig: Rekurs nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO) der Klägerin mit dem Antrag, die bekämpfte Entscheidung im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteiles abzuändern; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag zur Zurückverweisung der Rechtssache an das Berufungsgericht gestellt.Gegen diesen Aufhebungsbeschluss richtet sich der (erkennbar) auf den Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte "Revisionsrekurs" (richtig: Rekurs nach § 519 Absatz eins, Ziffer 2, ZPO) der Klägerin mit dem Antrag, die bekämpfte Entscheidung im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteiles abzuändern; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag zur Zurückverweisung der Rechtssache an das Berufungsgericht gestellt.

Die beklagte Partei hat eine "Revisionsrekursbeantwortung" (richtig wiederum: Rekursbeantwortung) erstattet, in welcher primär die Zurückweisung des gegnerischen Rechtsmittels als unzulässig, in eventu diesem nicht Folge zu geben beantragt wird.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zufolge Fehlens oberstgerichtlicher Rechtsprechung zur Ersatzfähigkeit von Facelifting-Operationskosten im Zusammenhang mit dem vorzeitigen Alterungsprozess eines schockgeschädigten Angehörigen zulässig und auch berechtigt. Entgegen den Ausführungen im Zulassungsausspruch des Berufungsgerichtes hat sich allerdings der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 2 Ob 111/03t (JBl 2004, 111 = ZVR 2004/26 = EvBl 2004/1) mit der "Ersatzfähigkeit vergleichbarer Behandlungskosten (Reitunterricht)" nicht auseinandersetzen müssen, weil solche gar nicht Gegenstand des (Revisions-)Verfahrens waren; lediglich nach den Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanzen hatte die dortige Klägerin (auch) Reitstunden zu Therapiezwecken genommen, die jedoch im Revisionsverfahren keinen Streitpunkt bildeten, sodass sich der erkennende Senat mit dieser Schadensposition auch gar nicht zu befassen hatte. Das Berufungsgericht hat den Inhalt dieser Entscheidung aber auch sonst missverstanden, wenn es vermeint, der Oberste Gerichtshof habe hierin die Ersatzfähigkeit dieser Behandlungskosten (Reittherapie) "unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände als gerade noch adäquate Schadensfolge aus dem Unfallgeschehen" anerkannt, betraf doch diese Passage des Judikates (ausschließlich) das Krankheitsbild der dortigen Klägerin (Hungerstreik samt Anorexie eines pubertierenden Mädchens nach einer schweren Unfallverletzung beider Eltern samt damit verbundener längerer heilungsbedingter Abwesenheit derselben).

Darüber hinaus hat der Oberste Gerichtshof Folgendes erwogen:

Unstrittig erlitt die Klägerin als Mutter ihrer tödlich verunfallten Tochter einen krankheitswertigen und durch die Zahlung von Trauerschmerzengeld seitens der beklagten Partei auch bereits abgegoltenen Gesundheitsschaden im Sinne des § 1325 ABGB (2 Ob 79/00g = SZ 74/24; RIS-Justiz RS0030778). Nach der auch in Österreich in Geltung stehenden (BGBl 1949/96) Satzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) umfasst der Begriff der Gesundheit dabei einen "Zustand vollkommenen physischen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht bloß das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen" (Z 1 der Präambel), wobei speziell die gefühlsmäßigen Reaktionen von Menschen auf äußere Ereignisse (und Einflüsse) äußerst verschiedenartig ablaufen und dadurch einer verallgemeinerungsfähigen Beschreibung nicht oder nur kaum zugänglich sind; ob jemand zB einen Schockschaden erleidet oder sonst psychiatrisch behandlungsbedürftig wird, ist angesichts der Labilität mancher Menschen von Person zu Person daher äußerst unterschiedlich (ausführlich Danzl, Die [psychische] Gesundheit als geschütztes Rechtsgut des § 1325 ABGB, ZVR 1990, 1 [18 f] mwN), wobei unter Umständen ein besonders schwerer Unrechtsgehalt einer schädigenden Handlung (hier: Frontalkollision des getöteten nahen Angehörigen mit einem auf dessen Fahrbahnhälfte abgekommenen LKW eines alkoholisierten Lenkers) den seelischen Schaden auch vertiefen kann (Danzl, aaO 19; Danzl/Gutiérrez-Lobos/Müller, Schmerzengeld8 116). Wenn also - wie hier feststehend - eine Frau mittleren Alters mit "frischem, prallem Gesicht" zufolge des plötzlichen, abrupten Ablebens ihrer jungen Tochter eine krankheitswertige "seelische Erschütterung schwersten Ausmaßes" erleidet, begründet eine gleichfalls darauf fußende, mit diesem traumatischen Ereignis im Ursachenzusammenhang stehende "außergewöhnlich starke vorzeitige Alterung" mit den vom Erstgericht im Einzelnen festgestellten und eingangs detailliert wiedergegebenen, für jedermann sichtbaren Symptomen, deren speziell auch berufsbedingte Konfrontation (Kunden im Friseurgeschäft) einen zusätzlichen selbständigen psychischen Leidensdruck hervorrief, eine nicht minder schadenersatzrechtlich relevante Gesundheitsschädigung(-störung) im Sinne des § 1325 ABGB (vgl RIS-Justiz RS0030792 und RS0030778) samt den in dieser Gesetzesstelle einem Geschädigten eingeräumten Ansprüchen, wozu ua auch der Ersatz von Heilungskosten zählt. Dass eine massive (zur vermehrten Faltenbildung beitragende) Gewichtsabnahme gerade bei derartigen psychischen Leidensbildern keineswegs atypisch ist, kann als notorisch (§ 269 ZPO) unterstellt werden (so auch das Berufungsgericht in S 6 seines Urteiles = AS 204; vgl hiezu auch die Sachverhalte zu 2 Ob 111/03t und 2 Ob 292/04m).Unstrittig erlitt die Klägerin als Mutter ihrer tödlich verunfallten Tochter einen krankheitswertigen und durch die Zahlung von Trauerschmerzengeld seitens der beklagten Partei auch bereits abgegoltenen Gesundheitsschaden im Sinne des § 1325 ABGB (2 Ob 79/00g = SZ 74/24; RIS-Justiz RS0030778). Nach der auch in Österreich in Geltung stehenden (BGBl 1949/96) Satzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) umfasst der Begriff der Gesundheit dabei einen "Zustand vollkommenen physischen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht bloß das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen" (Z 1 der Präambel), wobei speziell die gefühlsmäßigen Reaktionen von Menschen auf äußere Ereignisse (und Einflüsse) äußerst verschiedenartig ablaufen und dadurch einer verallgemeinerungsfähigen Beschreibung nicht oder nur kaum zugänglich sind; ob jemand zB einen Schockschaden erleidet oder sonst psychiatrisch behandlungsbedürftig wird, ist angesichts der Labilität mancher Menschen von Person zu Person daher äußerst unterschiedlich (ausführlich Danzl, Die [psychische] Gesundheit als geschütztes Rechtsgut des § 1325 ABGB, ZVR 1990, 1 [18 f] mwN), wobei unter Umständen ein besonders schwerer Unrechtsgehalt einer schädigenden Handlung (hier: Frontalkollision des getöteten nahen Angehörigen mit einem auf dessen Fahrbahnhälfte abgekommenen LKW eines alkoholisierten Lenkers) den seelischen Schaden auch vertiefen kann (Danzl, aaO 19; Danzl/Gutiérrez-Lobos/Müller, Schmerzengeld8 116). Wenn also - wie hier feststehend - eine Frau mittleren Alters mit "frischem, prallem Gesicht" zufolge des plötzlichen, abrupten Ablebens ihrer jungen Tochter eine krankheitswertige "seelische Erschütterung schwersten Ausmaßes" erleidet, begründet eine gleichfalls darauf fußende, mit diesem traumatischen Ereignis im Ursachenzusammenhang stehende "außergewöhnlich starke vorzeitige Alterung" mit den vom Erstgericht im Einzelnen festgestellten und eingangs detailliert wiedergegebenen, für jedermann sichtbaren Symptomen, deren speziell auch berufsbedingte Konfrontation (Kunden im Friseurgeschäft) einen zusätzlichen selbständigen psychischen Leidensdruck hervorrief, eine nicht minder schadenersatzrechtlich relevante Gesundheitsschädigung(-störung) im Sinne des § 1325 ABGB vergleiche RIS-Justiz RS0030792 und RS0030778) samt den in dieser Gesetzesstelle einem Geschädigten eingeräumten Ansprüchen, wozu ua auch der Ersatz von Heilungskosten zählt. Dass eine massive (zur vermehrten Faltenbildung beitragende) Gewichtsabnahme gerade bei derartigen psychischen Leidensbildern keineswegs atypisch ist, kann als notorisch (Paragraph 269, ZPO) unterstellt werden (so auch das Berufungsgericht in S 6 seines Urteiles = AS 204; vergleiche hiezu auch die Sachverhalte zu 2 Ob 111/03t und 2 Ob 292/04m).

Zu den Heilungskosten gehört jeder Aufwand, der zweckmäßig zur Heilung, also Verbesserung des Zustandes, erforderlich ist (ZVR 1984/303; Reischauer in Rummel, ABGB3 Rz 14 zu § 1325); dazu zählt unter Umständen auch eine kosmetische Operation (ZVR 1987/45; ZVR 1994/22; ZVR 1995/155 [OLG Wien]), worunter auch die hier verfahrensgegenständliche Facelifting-Operation zu zählen ist - dies umso mehr, als diese (wie hier) nicht nur zu einer optischen (kosmetischen) Verbesserung des Aussehens, also des rein äußeren Erscheinungsbildes der Klägerin, sondern auch "der Verbesserung ihrer psychischen Situation" diente. Entgegen dem vom Berufungsgericht für erforderlich erachteten Ergänzungsauftrag steht auch bereits jetzt ausreichend fest, dass sich die Notwendigkeit zur Operation gerade "aus dem psychischen Leidensdruck" der Klägerin ergab (S 6 erster und zweiter Absatz des Ersturteils = AS 143), sodass die Einholung eines zusätzlichen weiteren medizinischen Gutachtens hiezu entbehrlich ist, zumal diese Feststellung des Erstgerichtes auch im Berufungsverfahren unbekämpft geblieben war.

Damit ist aber die Sache im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteiles bereits jetzt spruchreif. Die Höhe der Zuspruchsbeträge bildet keinen Streitpunkt mehr. Der Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichtes war daher zu beseitigen und in der Sache selbst das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Textnummer

E76063

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2005:0020OB00007.05A.0120.000

Im RIS seit

19.02.2005

Zuletzt aktualisiert am

12.01.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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