TE OGH 2005/1/26 9Bs311/04

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Veröffentlicht am 26.01.2005
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Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richter Dr. Schütz als Vorsitzenden, Dr. Gföllner und Dr. Koch, im Beisein der Schriftführerin VB Panian, in der Auslieferungssache betreffend R***** L***** über die Beschwerde der Betroffenen gegen Punkt II) des Beschlusses des Untersuchungsrichters des Landesgerichtes Linz vom 9.12.2004, 17 Ur 286/04y-38, nach der in Anwesenheit des Ersten Oberstaatsanwaltes Dr. Hintersteininger und des Verteidigers Mag. Weixlbaumer, jedoch in Abwesenheit der Betroffenen R***** L***** durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung am 26.1.2005 entschieden:Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richter Dr. Schütz als Vorsitzenden, Dr. Gföllner und Dr. Koch, im Beisein der Schriftführerin VB Panian, in der Auslieferungssache betreffend R***** L***** über die Beschwerde der Betroffenen gegen Punkt römisch II) des Beschlusses des Untersuchungsrichters des Landesgerichtes Linz vom 9.12.2004, 17 Ur 286/04y-38, nach der in Anwesenheit des Ersten Oberstaatsanwaltes Dr. Hintersteininger und des Verteidigers Mag. Weixlbaumer, jedoch in Abwesenheit der Betroffenen R***** L***** durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung am 26.1.2005 entschieden:

Spruch

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss in seinem Punkt II) dahin abgeändert, dass er lautet:Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss in seinem Punkt römisch II) dahin abgeändert, dass er lautet:

Die Auslieferung der tschechischen Staatsbürgerin R***** L*****, an die Republik Italien zur Vollstreckung der über sie mit Urteil des Geschworenengerichtes Lucca vom 3.7.1996, Nr. 892/92 A.R.G.N.R. verhängten Freiheitsstrafe von 23 Jahren ist unzulässig.

Text

Begründung:

Mit dem angefochtenen, nach öffentlicher Verhandlung am 9.12.2004 mündlich verkündeten Beschluss des Untersuchungsrichters des Landesgerichtes Linz wurde zu Punkt I) die am 7.10.2004 über R***** L***** verhängte Auslieferungshaft gemäß § 29 ARHG iVm § 180 Abs 1 und 2 Z 1 StPO fortgesetzt und zu Punkt II) die Auslieferung der Genannten an die Republik Italien zur Vollstreckung der über sie mit Urteil des Geschworenengerichtes Lucca vom 3.7.1996 verhängten Freiheitsstrafe von 23 Jahren für zulässig erklärt. Der von R***** L***** gegen die Zulässigerklärung der Auslieferung erhobenen Beschwerde (ON 47) kommt Berechtigung zu. Gemäß § 33 Abs 1 ARHG ist die Zulässigkeit der Auslieferung an Hand des Auslieferungsersuchens und seiner Unterlagen zu prüfen. In rechtlicher Hinsicht ist die Zulässigkeit der Auslieferung einschließlich aller sich aus den zwischenstaatlichen Vereinbarungen ergebenden Voraussetzungen und Hindernisse für die Auslieferung der betroffenen Person, insbesondere auf dem Gebiet des Asylrechts, umfassend unter dem Gesichtspunkt der der betroffenen Person nach Gesetz und Bundesverfassung zukommenden subjektiven Rechte zu prüfen (§ 33 Abs 3 ARHG).Mit dem angefochtenen, nach öffentlicher Verhandlung am 9.12.2004 mündlich verkündeten Beschluss des Untersuchungsrichters des Landesgerichtes Linz wurde zu Punkt römisch eins) die am 7.10.2004 über R***** L***** verhängte Auslieferungshaft gemäß Paragraph 29, ARHG in Verbindung mit Paragraph 180, Absatz eins und 2 Ziffer eins, StPO fortgesetzt und zu Punkt römisch II) die Auslieferung der Genannten an die Republik Italien zur Vollstreckung der über sie mit Urteil des Geschworenengerichtes Lucca vom 3.7.1996 verhängten Freiheitsstrafe von 23 Jahren für zulässig erklärt. Der von R***** L***** gegen die Zulässigerklärung der Auslieferung erhobenen Beschwerde (ON 47) kommt Berechtigung zu. Gemäß Paragraph 33, Absatz eins, ARHG ist die Zulässigkeit der Auslieferung an Hand des Auslieferungsersuchens und seiner Unterlagen zu prüfen. In rechtlicher Hinsicht ist die Zulässigkeit der Auslieferung einschließlich aller sich aus den zwischenstaatlichen Vereinbarungen ergebenden Voraussetzungen und Hindernisse für die Auslieferung der betroffenen Person, insbesondere auf dem Gebiet des Asylrechts, umfassend unter dem Gesichtspunkt der der betroffenen Person nach Gesetz und Bundesverfassung zukommenden subjektiven Rechte zu prüfen (Paragraph 33, Absatz 3, ARHG).

Mit Note vom 25.10.2004, Rif.n. EA-519/1994/AR-GE, ersuchte das Justizministerium der Republik Italien um Auslieferung der R***** L***** zur Vollstreckung einer 23-jährigen Freiheitsstrafe, die über sie mit Urteil des Geschworenengerichtes Lucca vom 3.7.1996, Nr. 892/93 A.R.G.N.R., rechtskräftig seit 22.11.1996, wegen des Verbrechens des vorsätzlichen Mordes im gemeinsamen Zusammenwirken mit anderen verhängt wurde (ON 29 und 32).

Den Auslieferungsunterlagen zufolge wurde (unter anderem) die tschechische Staatsbürgerin R***** L***** mit Urteil des Geschworenengerichtes Lucca vom 3.7.1996 "als Flüchtige" des Verbrechens des vorsätzlichen Mordes nach Art. 110, 575 des Italienischen Strafgesetzbuches zu einer Freiheitsstrafe von 23 Jahren verurteilt, weil sie am 19.8.1993 in Viareggo-Torre del Lago (Lucca) gemeinsam mit Z***** I***** die H***** K***** ermordet hatte, indem sie das Gesicht des Opfers in den Sand drückten, bis es erstickte. R***** L***** - die im italienischen Strafverfahren am 28.2.1994 für flüchtig erklärt worden war - war in der Hauptverhandlung vor dem Geschworenengericht Lucca nicht anwesend, jedoch durch einen Pflichtverteidiger ***** vertreten. Das Urteil, das dem Verteidiger am 23.9.1996 zugestellt wurde, wurde nicht angefochten und ist am 22.11.1996 in Rechtskraft erwachsen. Zum Zweck des Vollzuges der über R***** L***** verhängten Freiheitsstrafe, welche zur Gänze aushaftet, wurde von der Staatsanwaltschaft beim Gericht Lucca am 24.2.1997 ein Haftbefehl, Nr. 17/97 Reg.ES.PI., gegen die Genannte ausgestellt.Den Auslieferungsunterlagen zufolge wurde (unter anderem) die tschechische Staatsbürgerin R***** L***** mit Urteil des Geschworenengerichtes Lucca vom 3.7.1996 "als Flüchtige" des Verbrechens des vorsätzlichen Mordes nach Artikel 110,, 575 des Italienischen Strafgesetzbuches zu einer Freiheitsstrafe von 23 Jahren verurteilt, weil sie am 19.8.1993 in Viareggo-Torre del Lago (Lucca) gemeinsam mit Z***** I***** die H***** K***** ermordet hatte, indem sie das Gesicht des Opfers in den Sand drückten, bis es erstickte. R***** L***** - die im italienischen Strafverfahren am 28.2.1994 für flüchtig erklärt worden war - war in der Hauptverhandlung vor dem Geschworenengericht Lucca nicht anwesend, jedoch durch einen Pflichtverteidiger ***** vertreten. Das Urteil, das dem Verteidiger am 23.9.1996 zugestellt wurde, wurde nicht angefochten und ist am 22.11.1996 in Rechtskraft erwachsen. Zum Zweck des Vollzuges der über R***** L***** verhängten Freiheitsstrafe, welche zur Gänze aushaftet, wurde von der Staatsanwaltschaft beim Gericht Lucca am 24.2.1997 ein Haftbefehl, Nr. 17/97 Reg.ES.PI., gegen die Genannte ausgestellt.

Rechtliche Beurteilung

Das Auslieferungsbegehren ist auf der Grundlage des Europäischen Auslieferungsübereinkommens (kurz: EuAlÜbk), des zweiten Zusatzprotokolls zum Europäischen Auslieferungsübereinkommens (kurz: 2. ZP-EuAlÜbk), des Vertrages vom 20.2.1973 zwischen der Republik Österreich und der Italienischen Republik über die Ergänzung des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13.12.1957 und die Erleichterung seiner Anwendung sowie des Schengener Durchführungsübereinkommens (kurz: SDÜ) zu prüfen. Der Anwendbarkeit des Bundesgesetzes über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (kurz: EU-JZG) steht insbesondere der Umstand, dass die dem Auslieferungsersuchen zugrunde liegende Straftat vor dem 7.8.2002 begangen worden ist, entgegen (§ 77 Abs 4 leg. cit.). Auch das Übereinkommen vom 25.5.1987 zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft über das Verbot der doppelten Strafverfolgung (kurz: Ne-bis-in-idem Übk-EG) ist hier nicht anwendbar, weil es von Tschechien noch nicht unterzeichnet wurde.Das Auslieferungsbegehren ist auf der Grundlage des Europäischen Auslieferungsübereinkommens (kurz: EuAlÜbk), des zweiten Zusatzprotokolls zum Europäischen Auslieferungsübereinkommens (kurz: 2. ZP-EuAlÜbk), des Vertrages vom 20.2.1973 zwischen der Republik Österreich und der Italienischen Republik über die Ergänzung des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13.12.1957 und die Erleichterung seiner Anwendung sowie des Schengener Durchführungsübereinkommens (kurz: SDÜ) zu prüfen. Der Anwendbarkeit des Bundesgesetzes über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (kurz: EU-JZG) steht insbesondere der Umstand, dass die dem Auslieferungsersuchen zugrunde liegende Straftat vor dem 7.8.2002 begangen worden ist, entgegen (Paragraph 77, Absatz 4, leg. cit.). Auch das Übereinkommen vom 25.5.1987 zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft über das Verbot der doppelten Strafverfolgung (kurz: Ne-bis-in-idem Übk-EG) ist hier nicht anwendbar, weil es von Tschechien noch nicht unterzeichnet wurde.

Gemäß Art 2 Abs 1 EuAlÜbk wird wegen Handlungen ausgeliefert, die sowohl nach dem Recht des ersuchenden als nach dem des ersuchten Staates mit einer Freiheitsstrafe (...) im Höchstmaß von mindestens einem Jahr oder mit einer schwereren Strafe bedroht sind. Ist im Hoheitsgebiet des ersuchenden Staates eine Verurteilung zu einer Strafe erfolgt (...), so muss deren Maß mindestens vier Monate betragen.Gemäß Artikel 2, Absatz eins, EuAlÜbk wird wegen Handlungen ausgeliefert, die sowohl nach dem Recht des ersuchenden als nach dem des ersuchten Staates mit einer Freiheitsstrafe (...) im Höchstmaß von mindestens einem Jahr oder mit einer schwereren Strafe bedroht sind. Ist im Hoheitsgebiet des ersuchenden Staates eine Verurteilung zu einer Strafe erfolgt (...), so muss deren Maß mindestens vier Monate betragen.

Nach Art I Abs 2 des bilateralen Vertrages zwischen Österreich und Italien zum EuAlÜbk wird zur Vollstreckung einer Strafe, die auf Grund eines in Abwesenheit des Beschuldigten durchgeführten Verfahrens rechtskräftig verhängt worden ist, nur ausgeliefert, wenn der Beschuldigte in der Hauptverhandlung durch einen Verteidiger vertreten war, der die Rechte des abwesenden Beschuldigten gewahrt hat. Nach Art 3 des 2.ZP-EuAlÜbk kann die ersuchte Vertragspartei die Auslieferung einer Person zur Vollstreckung einer Strafe, die gegen sie in einem Abwesenheitsurteil verhängt worden ist, ablehnen, wenn nach ihrer Auffassung in dem diesem Urteil vorangegangenen Verfahren nicht die Mindestrechte der Verteidigung gewahrt worden sind, die anerkanntermaßen jedem einer strafbaren Handlung Beschuldigten zustehen.Nach Art römisch eins Absatz 2, des bilateralen Vertrages zwischen Österreich und Italien zum EuAlÜbk wird zur Vollstreckung einer Strafe, die auf Grund eines in Abwesenheit des Beschuldigten durchgeführten Verfahrens rechtskräftig verhängt worden ist, nur ausgeliefert, wenn der Beschuldigte in der Hauptverhandlung durch einen Verteidiger vertreten war, der die Rechte des abwesenden Beschuldigten gewahrt hat. Nach Artikel 3, des 2.ZP-EuAlÜbk kann die ersuchte Vertragspartei die Auslieferung einer Person zur Vollstreckung einer Strafe, die gegen sie in einem Abwesenheitsurteil verhängt worden ist, ablehnen, wenn nach ihrer Auffassung in dem diesem Urteil vorangegangenen Verfahren nicht die Mindestrechte der Verteidigung gewahrt worden sind, die anerkanntermaßen jedem einer strafbaren Handlung Beschuldigten zustehen.

Gemäß Art. 575 des Italienischen Strafgesetzbuches wird mit Gefängnis nicht unter einundzwanzig Jahren bestraft, wer einen Menschen tötet. Nach österreichischem Recht ist in der der rechtskräftigen Verurteilung der R***** L***** zugrunde liegenden Straftat das Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB (Strafdrohung: Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren oder lebenslange Freiheitsstrafe) zu erblicken.Gemäß Artikel 575, des Italienischen Strafgesetzbuches wird mit Gefängnis nicht unter einundzwanzig Jahren bestraft, wer einen Menschen tötet. Nach österreichischem Recht ist in der der rechtskräftigen Verurteilung der R***** L***** zugrunde liegenden Straftat das Verbrechen des Mordes nach Paragraph 75, StGB (Strafdrohung: Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren oder lebenslange Freiheitsstrafe) zu erblicken.

Damit liegt eine auslieferungsfähige strafbare Handlung vor; die aufgrund des italienischen Urteils noch zu vollziehende Freiheitsstrafe beträgt 23 Jahre.

R***** L*****, die weder ihre Identität mit der im Auslieferungsbegehren genannten Person in Frage gestellt, noch die dem Urteil zugrunde liegende Tat explizit bestritten hat, sprach sich vor allem unter Bezugnahme auf den Grundsatz ne bis in idem (zufolge rechtskräftiger Verurteilung wegen derselben Tat in Tschechien) gegen eine Auslieferung nach Italien aus. Überdies sei ihre Rechtsposition in dem italienischen Verfahren nicht hinreichend gewahrt gewesen, zumal sie auch mit dem (Pflicht-)Verteidiger nie Kontakt gehabt habe.

Inhaltlich der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen (ON 14 und 18) wurde sie mit Urteil des Stadtgerichtes Prag vom 3.10.1997, 43 T 21/95, rechtskräftig seit 18.3.1998, des Verbrechens des gemeinsam mit Z***** I***** verübten Mordes an H***** K***** (begangen in der Nacht vom 18. auf den 19.8.1993 nahe der Stadt Lucca in Italien) schuldig gesprochen und zu einer zehnjährigen Freiheitsstrafe verurteilt, aus welcher sie am 11.12.2003 (nach Verbüßung von zwei Drittel der über sie verhängten Freiheitsstrafe) aufgrund eines Beschlusses des Bezirksgerichtes in Opava auf Bewährung (Bewährungszeit sechs Jahre) entlassen wurde. Entgegen der noch im Beschluss dieses Beschwerdegerichtes vom 29.12.2004, 9 Bs 311/04, vertretenen Ansicht ist der Betroffenen - auf Grund der letzten Mitteilungen des Bundesministeriums für Justiz

  • -Strichaufzählung
    einzuräumen, dass im Hinblick auf die angeführte tschechische Verurteilung (und die bedingte Entlassung aus der in Tschechien über sie verhängten Freiheitsstrafe) das Doppelverfolgungsverbot des Art 54 SDÜ einer Auslieferung nach Italien entgegensteht. Gemäß Anhang I Ziffer 2 Abs 2 zu Art 3 des Beitrittsvertrages der neuen Mitgliedsstaaten zur Europäischen Union, BGBl III 20/2004, finden (u.a.) die Art. 44 bis 59 des SDÜ seit 1.5.2004 im Verhältnis zu den neuen Mitgliedstaaten - damit auch im Verhältnis zu Tschechieneinzuräumen, dass im Hinblick auf die angeführte tschechische Verurteilung (und die bedingte Entlassung aus der in Tschechien über sie verhängten Freiheitsstrafe) das Doppelverfolgungsverbot des Artikel 54, SDÜ einer Auslieferung nach Italien entgegensteht. Gemäß Anhang römisch eins Ziffer 2 Absatz 2, zu Artikel 3, des Beitrittsvertrages der neuen Mitgliedsstaaten zur Europäischen Union, Bundesgesetzblatt Teil 3, 20 aus 2004,, finden (u.a.) die Artikel 44 bis 59 des SDÜ seit 1.5.2004 im Verhältnis zu den neuen Mitgliedstaaten - damit auch im Verhältnis zu Tschechien
  • -Strichaufzählung
    Anwendung.
Art 54 SDÜ normiert ein internationales „ne-bis-in-idem", wodurch gewährleistet wird, dass rechtskräftige Entscheidungen in Drittstaaten innerhalb des Schengener Raumes ein Verfahrenshindernis bewirken. Nach Art 54 SDÜ darf derjenige, der durch eine Vertragspartei rechtskräftig abgeurteilt worden ist, durch eine andere Vertragspartei wegen derselben Tat nicht verfolgt werden, vorausgesetzt, dass im Falle einer Verurteilung die Sanktion bereits vollstreckt worden ist, gerade vollstreckt wird oder nach dem Recht des Urteilsstaates nicht mehr vollstreckt werden kann. Bei Verurteilungen ist für die Anwendung des Art 54 SDÜ mithin wesentlich, dass "die Sanktion vollstreckt worden ist, gerade vollstreckt wird oder nach dem Recht des Urteilsstaates nicht mehr vollstreckt werden kann". Wird eine Strafe auf Bewährung endgültig nachgesehen, so gilt sie als vollstreckt. Auch während der Probezeit einer bedingt nachgesehenen Geld- oder Freiheitsstrafe sowie einer bedingten Entlassung wird die Strafe gerade vollstreckt, weil die bedingte Strafnachsicht oder Entlassung jederzeit widerrufen werden kann (RZ 2000, 53; Schomburg/Lagodny, Internationale Rechtshilfe3 Art 54 SDÜ Rz 21). Die Anwendung des Grundsatzes des Verbots der Doppelbestrafung bzw. Doppelverfolgung kann allerdings in bestimmten Fällen, in denen zwischen der verübten Straftat und jenem Vertragsstaat, dem ein anderer Vertragsstaat mit dem Strafverfahren zuvorkam, eine enge Beziehung besteht, durch Erklärung ausgeschlossen werden (Art 55 SDÜ).Artikel 54, SDÜ normiert ein internationales „ne-bis-in-idem", wodurch gewährleistet wird, dass rechtskräftige Entscheidungen in Drittstaaten innerhalb des Schengener Raumes ein Verfahrenshindernis bewirken. Nach Artikel 54, SDÜ darf derjenige, der durch eine Vertragspartei rechtskräftig abgeurteilt worden ist, durch eine andere Vertragspartei wegen derselben Tat nicht verfolgt werden, vorausgesetzt, dass im Falle einer Verurteilung die Sanktion bereits vollstreckt worden ist, gerade vollstreckt wird oder nach dem Recht des Urteilsstaates nicht mehr vollstreckt werden kann. Bei Verurteilungen ist für die Anwendung des Artikel 54, SDÜ mithin wesentlich, dass "die Sanktion vollstreckt worden ist, gerade vollstreckt wird oder nach dem Recht des Urteilsstaates nicht mehr vollstreckt werden kann". Wird eine Strafe auf Bewährung endgültig nachgesehen, so gilt sie als vollstreckt. Auch während der Probezeit einer bedingt nachgesehenen Geld- oder Freiheitsstrafe sowie einer bedingten Entlassung wird die Strafe gerade vollstreckt, weil die bedingte Strafnachsicht oder Entlassung jederzeit widerrufen werden kann (RZ 2000, 53; Schomburg/Lagodny, Internationale Rechtshilfe3 Artikel 54, SDÜ Rz 21). Die Anwendung des Grundsatzes des Verbots der Doppelbestrafung bzw. Doppelverfolgung kann allerdings in bestimmten Fällen, in denen zwischen der verübten Straftat und jenem Vertragsstaat, dem ein anderer Vertragsstaat mit dem Strafverfahren zuvorkam, eine enge Beziehung besteht, durch Erklärung ausgeschlossen werden (Artikel 55, SDÜ).
Die Tatsache, dass sowohl das dem Auslieferungsersuchen zugrunde liegende Geschehen sich vor der Geltung der Art 44 bis 59 in Tschechien ereigneten als auch die angeführten Urteile des Stadtgerichtes Prag und des Geschworenengerichtes Lucca vor dem 1.5.2004 ergangen sind, steht nach Auffassung des Beschwerdegerichtes einer Anwendung des Art 54 SDÜ im vorliegenden Fall nicht entgegen. Bei Prüfung der Frage, ob die Voraussetzungen des Art 54 SDÜ vorliegen, kommt es - nach überwiegender Ansicht - nämlich nicht auf das Datum des Inkrafttretens des SDÜ, sondern (rückwirkend) auf den Zeitpunkt der gerade zu treffenden Entscheidung an (vgl. dazu Einführungserlass der Bundesministeriums für Justiz vom 21.10.1997, JME 530.102/398 - IV 1/97; Schomburg/Lagodny, Internationale Rechtshilfe3 Art 54 SDÜ Rz 17). Wenngleich in Bezug auf die rückwirkende Anwendbarkeit von Art 54 SDÜ derzeit ein Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH anhängig sein (Rechtssache C-436/04), können allfällige Unklarheiten nicht zum Nachteil der Betroffenen gereichen.Die Tatsache, dass sowohl das dem Auslieferungsersuchen zugrunde liegende Geschehen sich vor der Geltung der Artikel 44 bis 59 in Tschechien ereigneten als auch die angeführten Urteile des Stadtgerichtes Prag und des Geschworenengerichtes Lucca vor dem 1.5.2004 ergangen sind, steht nach Auffassung des Beschwerdegerichtes einer Anwendung des Artikel 54, SDÜ im vorliegenden Fall nicht entgegen. Bei Prüfung der Frage, ob die Voraussetzungen des Artikel 54, SDÜ vorliegen, kommt es - nach überwiegender Ansicht - nämlich nicht auf das Datum des Inkrafttretens des SDÜ, sondern (rückwirkend) auf den Zeitpunkt der gerade zu treffenden Entscheidung an vergleiche dazu Einführungserlass der Bundesministeriums für Justiz vom 21.10.1997, JME 530.102/398 - römisch IV 1/97; Schomburg/Lagodny, Internationale Rechtshilfe3 Artikel 54, SDÜ Rz 17). Wenngleich in Bezug auf die rückwirkende Anwendbarkeit von Artikel 54, SDÜ derzeit ein Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH anhängig sein (Rechtssache C-436/04), können allfällige Unklarheiten nicht zum Nachteil der Betroffenen gereichen.
Gleiches gilt in Bezug auf die Frage, ob Italien die Erklärung abgegeben hat, in den in Art 55 Abs 1 SDÜ angeführten Fällen nicht durch Art 54 SDÜ gebunden zu sein. Trotz (schon früherer) gegenteiliger Behauptungen Italiens ist ein entsprechender Vorbehalt zu Art 54 SDÜ - laut aktueller Auskunft des Bundesministeriums für Justiz - weder gegenüber dem luxemburgischen Außenministerium als Depositar noch dem Generalsekretariat des Rates abgegeben worden bzw. dort eingelangt. Seitens der italienischen Behörden wurde - obwohl auch von der Tschechischen Botschaft diese Frage thematisiert wurde - ein entsprechender Nachweis nicht erbracht. Eine diesbezügliche Anfrage des Bundesministeriums für Justiz blieb bislang unbeantwortet. Mangels (nachgewiesener) Erklärung Italiens zu Art 55 SDÜ ist - jedenfalls zu Gunsten der Beschwerdeführerin - von einer uneingeschränkten Geltung des Art 54 SDÜ gegenüber Italien auszugehen.Gleiches gilt in Bezug auf die Frage, ob Italien die Erklärung abgegeben hat, in den in Artikel 55, Absatz eins, SDÜ angeführten Fällen nicht durch Artikel 54, SDÜ gebunden zu sein. Trotz (schon früherer) gegenteiliger Behauptungen Italiens ist ein entsprechender Vorbehalt zu Artikel 54, SDÜ - laut aktueller Auskunft des Bundesministeriums für Justiz - weder gegenüber dem luxemburgischen Außenministerium als Depositar noch dem Generalsekretariat des Rates abgegeben worden bzw. dort eingelangt. Seitens der italienischen Behörden wurde - obwohl auch von der Tschechischen Botschaft diese Frage thematisiert wurde - ein entsprechender Nachweis nicht erbracht. Eine diesbezügliche Anfrage des Bundesministeriums für Justiz blieb bislang unbeantwortet. Mangels (nachgewiesener) Erklärung Italiens zu Artikel 55, SDÜ ist - jedenfalls zu Gunsten der Beschwerdeführerin - von einer uneingeschränkten Geltung des Artikel 54, SDÜ gegenüber Italien auszugehen.
Da das in Art 54 SDÜ enthaltene Verbot der Doppelverfolgung ein prozessuales Verfolgungshindernis darstellt, war schon aus diesem Grund die Auslieferung der R***** L***** an Italien zur Strafvollstreckung für unzulässig zu erklären.Da das in Artikel 54, SDÜ enthaltene Verbot der Doppelverfolgung ein prozessuales Verfolgungshindernis darstellt, war schon aus diesem Grund die Auslieferung der R***** L***** an Italien zur Strafvollstreckung für unzulässig zu erklären.
Auf die (gleichfalls zu Recht relevierte) Problematik im Zusammenhang mit dem dem Auslieferungsersuchen zugrunde liegenden Abwesenheitsurteil war damit nicht mehr näher einzugehen. Oberlandesgericht Linz, Abt. 9,

Anmerkung

EL00083 9Bs311.04

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0459:2005:0090BS00311.04.0126.000

Dokumentnummer

JJT_20050126_OLG0459_0090BS00311_0400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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