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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art140 Abs7;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2007/16/0107Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde des AW in G, vertreten durch Reif und Partner Rechtsanwälte OEG in 8020 Graz, Brückenkopfgasse 1/VII, gegen die Bescheide des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, jeweils vom 28. März 2006, Zlen. RV/0606-G/02 und RV/0607-G/02, jeweils betreffend Schenkungssteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer erwarb mit Schenkungsvertrag vom 26. November 2000 von seinen Eltern Augustin und Franziska W zwei Liegenschaften, wobei Gegenleistungen wie etwa ein Wohnungsgebrauchsrecht vereinbart wurden.
Das Finanzamt beurteilte diesen Vorgang als gemischte Schenkung und setzte dafür mit Bescheiden jeweils vom 28. August 2001 Schenkungssteuer in Höhe von jeweils S 82.898,-- fest.
In seiner dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, es sei vereinbart worden, dass er die mit den verfahrensgegenständlichen Liegenschaften in Zusammenhang stehenden Verbindlichkeiten zum Stichtag 30. Dezember 2000 übernehme. Da zum Zeitpunkt der Schenkung die Höhe der Kredite noch nicht festgestanden sei, seien diese im Schenkungsvertrag nicht gesondert angeführt worden.
Mit den im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheiden wurde die Berufung des Beschwerdeführers jeweils als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde übereinstimmend ausgeführt, dem Beschwerdeführer sei bereits 1986 der Bäckereibetrieb seiner Eltern übergeben worden. Zwischen den auf den betrieblichen Liegenschaften und auf den verfahrensgegenständlichen privaten Liegenschaften intabulierten Krediten bestehe ein Zusammenhang. Es sei nicht bewiesen worden, dass der Beschwerdeführer die Kreditverbindlichkeiten erst anlässlich der Schenkung übernommen habe.
Gegen diese Bescheide richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht, dass als Bemessungsgrundlage für die Schenkungssteuer lediglich das Ausmaß des unentgeltlichen Vermögensüberganges herangezogen werde, verletzt.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstatte eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Mit Beschluss vom 29. März 2007, A 2007/0017 und 0018, stellte der Verwaltungsgerichtshof im Beschwerdefall gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof den Antrag, die Z 2 des § 1 Abs. 1 Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, BGBl. 141, mit der Wortfolge "2. Schenkungen unter Lebenden," als verfassungswidrig aufzuheben.
Mit Erkenntnis vom 15. Juni 2007, G 23/07-7 u.a., hob der Verfassungsgerichtshof auch aus Anlass des vorliegenden Beschwerdefalles § 1 Abs. 1 Z 2 des Bundesgesetzes vom 30. Juni 1955 betreffend die Erhebung einer Erbschafts- und Schenkungssteuer (Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955), BGBl. 141, als verfassungswidrig auf.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Ist ein Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden oder hat der Verfassungsgerichtshof gemäß Abs. 4 ausgesprochen, dass ein Gesetz verfassungswidrig war, so sind gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles ist jedoch das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht. Hat der Verfassungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis eine Frist gemäß Abs. 5 gesetzt, so ist das Gesetz auf alle bis zum Ablauf dieser Frist verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles anzuwenden.
Der Beschwerdefall bildet einen Anlassfall für den verfassungsgerichtlichen Ausspruch, dass die angewendete und vom Verwaltungsgerichtshof anzuwendende Gesetzesstelle verfassungswidrig war.
Dadurch, dass die belangte Behörde die angefochtenen Abgabenbescheide auf diese die Abgabenvorschreibung tragende Gesetzesstelle gestützt hat, belastete sie diese mit Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes. Die angefochtenen Bescheide waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 28. Juni 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2007160106.X00Im RIS seit
31.07.2007