Index
10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art83 Abs2Leitsatz
Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Bescheiderlassung durch den Unabhängigen Verwaltungssenat im Verfahren betreffend eine Maßnahmenbeschwerde nach Ablauf einer vom Verwaltungsgerichtshof im Verfahren über eine Säumnisbeschwerde gesetzten FristSpruch
Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit 2142 € bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.a) Die beschwerdeführende Partei (eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung) importierte früher Lammfleisch nach Österreich. Die (Einfuhr der) Lieferung vom 12. Oktober 1996 wurde vom Grenztierarzt anlässlich der Veterinärkontrolle am Flughafen Wien-Schwechat wegen Überschreitung der höchstzulässigen Kühltemperatur zurückgewiesen (§§26 ff. der - vom Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz aufgrund des Tierseuchengesetzes erlassenen - veterinärbehördlichen Einfuhr- und Durchfuhrverordnung 1992, BGBl. 31/1993). Dagegen erhob die Gesellschaft Maßnahmenbeschwerde gemäß Art129a Abs1 Z2 B-VG an den Unabhängigen Verwaltungssenat im Land Niederösterreich (im folgenden kurz: UVS). (Zur Qualifikation der in Rede stehenden Zurückweisung [bzw. der Ausstellung einer diesbezüglichen Bescheinigung] als Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt s. die Beschlüsse VwGH 21.1.1997, Zl. 96/11/0332, und VfSlg. 14.924/1997.)
b) Mangels Entscheidung durch den UVS erhob die Gesellschaft Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof (Art132 B-VG). Mit Verfügung vom 10. Oktober 2001 forderte dieser gemäß §36 Abs2 VwGG den UVS als belangte Behörde auf, binnen drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen und eine Abschrift des Bescheides dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen (oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliegt). Diese Verfügung langte am 25. Oktober 2001 bei der belangten Behörde ein.
Mit Bescheid vom 18. Februar 2002, Zl. Senat-B-96-026, wies der UVS gemäß §67c Abs3 AVG die Maßnahmenbeschwerde als unbegründet ab. Dieser Bescheid wurde der einschreitenden Gesellschaft am 27. Februar 2002 zugestellt. Eine Abschrift wurde dem Verwaltungsgerichtshof übermittelt. Dieser stellte mit Beschluss vom 22. März 2002 das Verfahren über die Säumnisbeschwerde gemäß §36 Abs2 VwGG ein.
2.a) Die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde der einschreitenden Gesellschaft wendet sich gegen den Bescheid des UVS vom 18. Februar 2002. Es wird die kostenpflichtige Aufhebung dieses Bescheides beantragt; dies unter anderem mit der Begründung, dass die belangte Behörde nach Ablauf der durch den Verwaltungsgerichtshof gesetzten Frist für die Entscheidung unzuständig gewesen und die beschwerdeführende Gesellschaft somit im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden sei.
b) Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor; von der Erstattung einer Gegenschrift nahm sie Abstand.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Die einschreitende Gesellschaft ist mit ihrem oben (Pkt. I.2.a) erwähnten Vorbringen im Recht:
Der angefochtene Bescheid wurde durch Zustellung an die Gesellschaft am 27. Februar 2002 erlassen. Diese Bescheiderlassung erfolgte somit erst nach Ablauf der dreimonatigen Frist, die der Verwaltungsgerichtshof der belangten Behörde in der dieser am 25. Oktober 2001 zugestellten Verfügung gesetzt hatte (s. oben, Pkt. I.1.b).
2. Nach Ablauf einer vom Verwaltungsgerichtshof im Zuge eines Säumnisbeschwerdeverfahrens gesetzten Frist ist die Behörde zur Erlassung des Bescheides nicht mehr zuständig. Die belangte Behörde hat somit eine Kompetenz in Anspruch genommen, die ihr nicht zugekommen ist, und dadurch die beschwerdeführende Gesellschaft im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt (s. VfSlg. 5209/1966, 8683/1979, S 273; 9684/1983, 14.544/1996).
Der angefochtene Bescheid ist daher aufzuheben.
3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. Im zugesprochenen Betrag ist Umsatzsteuer in Höhe von 327 € sowie der Ersatz der entrichteten Eingabengebühr in der Höhe von 180 €
enthalten.
III. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Behördenzuständigkeit, Verwaltungsgerichtshof, SäumnisbeschwerdeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2002:B730.2002Dokumentnummer
JFT_09978874_02B00730_00