Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras und die Hofrätinnen Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bruno K*****, Pensionist, *****, vertreten durch Dr. Lothar Stix, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei ***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Thomas Schröfl, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 591.461,88 sA (Revisionsinteresse EUR 340.000,- sA), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 26. August 2004, GZ 2 R 86/04p-63, mit dem das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 24. Februar 2004, GZ 42 Cg 74/03b-57, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Der Kläger begehrte von der Beklagten zuletzt Schadenersatz in Höhe von EUR 591.461,88,- sA. Er habe von Mitte 1997 bis Oktober 2001 nahezu täglich in deren Casinobetrieben gespielt und dabei insgesamt EUR 741.753,30 verloren. Obwohl ihr die ruinöse Spielsucht des Klägers zumindest hätte auffallen müssen, habe es die Beklagte entgegen § 24 Abs 3 GSpG 1989 unterlassen, geeignete Maßnahmen zu seinem Schutz zu ergreifen.Der Kläger begehrte von der Beklagten zuletzt Schadenersatz in Höhe von EUR 591.461,88,- sA. Er habe von Mitte 1997 bis Oktober 2001 nahezu täglich in deren Casinobetrieben gespielt und dabei insgesamt EUR 741.753,30 verloren. Obwohl ihr die ruinöse Spielsucht des Klägers zumindest hätte auffallen müssen, habe es die Beklagte entgegen Paragraph 24, Absatz 3, GSpG 1989 unterlassen, geeignete Maßnahmen zu seinem Schutz zu ergreifen.
Die Beklagte bestritt, dass der Kläger auffällig geworden sei und behauptete, sämtliche ihr zumutbaren Vorkehrungen getroffen zu haben. Jedenfalls treffe den Kläger ein überwiegendes Mitverschulden am ihm entstandenen Schaden, weil er selbst den besten Überblick über seine Vermögensverhältnisse gehabt habe und rechtzeitig seine Sperre hätte beantragen müssen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im Umfang von EUR 340.000,- sA statt und wies das Mehrbegehren des Klägers ab. Es traf umfangreiche Feststellungen über die seit 1997 steigende Häufigkeit der Casinobesuche des Klägers und über die dabei von ihm erlittenen Verluste, die er nach Verkauf seines Hälfteanteils an einem Haus, seines Mercedes und seiner Briefmarkensammlung bzw nach dem Verbrauch seiner Ersparnisse und von ihm von Verwandten zur Anlage übergebenen Geldern nur mehr durch Kontoüberziehungen bzw Kreditaufnahmen und letztlich durch Privatdarlehen finanzierte. Ab Mai 2001 litt der Kläger an einer krankhaften Spielsucht.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, dass die Beklagte durch die Unterlassung geeigneter Schutzmaßnahmen die Schutznorm des § 25 Abs 3 GSpG verletzt habe. Hätte die Beklagte den Kläger im vom Klagebegehren umfassten Zeitraum gesperrt, wäre ihm der letztlich zuzusprechende Schaden nicht entstanden. Da das Gesetz gerade jene Spieler schützen wolle, die typischerweise nicht mehr in der Lage seien, die Gefahren des Glückspiels abzuschätzen, sei dem Kläger auch für die Zeit vor Mai 2001 kein Mitverschulden anzulasten. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es übernahm die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes und billigte dessen Rechtsauffassung. Die ordentliche Revision ließ es zu, weil zur Frage, ob die Verneinung eines Mitverschuldens des Spielers wegen unterlassener Selbstsperre von der medizinischen Diagnose „pathologische Spielsucht" abhänge, Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle.Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, dass die Beklagte durch die Unterlassung geeigneter Schutzmaßnahmen die Schutznorm des Paragraph 25, Absatz 3, GSpG verletzt habe. Hätte die Beklagte den Kläger im vom Klagebegehren umfassten Zeitraum gesperrt, wäre ihm der letztlich zuzusprechende Schaden nicht entstanden. Da das Gesetz gerade jene Spieler schützen wolle, die typischerweise nicht mehr in der Lage seien, die Gefahren des Glückspiels abzuschätzen, sei dem Kläger auch für die Zeit vor Mai 2001 kein Mitverschulden anzulasten. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es übernahm die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes und billigte dessen Rechtsauffassung. Die ordentliche Revision ließ es zu, weil zur Frage, ob die Verneinung eines Mitverschuldens des Spielers wegen unterlassener Selbstsperre von der medizinischen Diagnose „pathologische Spielsucht" abhänge, Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen dieses Urteil erhobene Revision der Beklagten ist nicht zulässig.
Der Oberste Gerichtshof ist gemäß § 508a Abs 1 ZPO an den Ausspruch des Berufungsgerichtes über die Zulässigkeit der Revision nicht gebunden. Es ist daher aufzugreifen, dass die im Zulassungsausspruch des Berufungsgerichtes umschriebene Rechtsfrage die in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Voraussetzungen nicht erfüllt.Der Oberste Gerichtshof ist gemäß Paragraph 508 a, Absatz eins, ZPO an den Ausspruch des Berufungsgerichtes über die Zulässigkeit der Revision nicht gebunden. Es ist daher aufzugreifen, dass die im Zulassungsausspruch des Berufungsgerichtes umschriebene Rechtsfrage die in Paragraph 502, Absatz eins, ZPO geforderten Voraussetzungen nicht erfüllt.
Der Oberste Gerichtshof vertritt in nunmehr ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass es sich bei § 25 Abs 3 GSpG 1989 um ein Schutzgesetz zugunsten der Spielbankbesucher handelt, mit der ein Spieler, der unter Nachweis seiner Identität Zutritt in der Spielbank findet, vor der Zerstörung seiner sozialen und familiären Grundlagen geschützt werden soll (SZ 72/4; Rz 2003, 109; RdW 2004, 466; 3 Ob 37/04v). Nach der maßgebenden Fassung dieser Bestimmung - ihre Änderung durch BGBl I 71/2003 ist auf den vorliegenden Fall noch nicht anwendbar - hat die Spielbankleitung einem Spieler den Besuch der Spielbank dauernd oder auf eine bestimmte Zeit zu untersagen oder die Anzahl der Besuche einzuschränken, wenn sich begründete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass ihm seine Vermögens- oder Einkommensverhältnisse die Teilnahme am Spiel nicht oder nur im beschränkten Ausmaß gestatten. Eine Verletzung dieser Pflichten durch den Spielbankbetreiber kann Schadenersatzansprüche des Spielers zur Folge haben.Der Oberste Gerichtshof vertritt in nunmehr ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass es sich bei Paragraph 25, Absatz 3, GSpG 1989 um ein Schutzgesetz zugunsten der Spielbankbesucher handelt, mit der ein Spieler, der unter Nachweis seiner Identität Zutritt in der Spielbank findet, vor der Zerstörung seiner sozialen und familiären Grundlagen geschützt werden soll (SZ 72/4; Rz 2003, 109; RdW 2004, 466; 3 Ob 37/04v). Nach der maßgebenden Fassung dieser Bestimmung - ihre Änderung durch Bundesgesetzblatt Teil eins, 71 aus 2003, ist auf den vorliegenden Fall noch nicht anwendbar - hat die Spielbankleitung einem Spieler den Besuch der Spielbank dauernd oder auf eine bestimmte Zeit zu untersagen oder die Anzahl der Besuche einzuschränken, wenn sich begründete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass ihm seine Vermögens- oder Einkommensverhältnisse die Teilnahme am Spiel nicht oder nur im beschränkten Ausmaß gestatten. Eine Verletzung dieser Pflichten durch den Spielbankbetreiber kann Schadenersatzansprüche des Spielers zur Folge haben.
Ob die Beklagte ihre aus dieser Regelung erwachsenden Verpflichtungen erfüllt hat, ist eine Frage des Einzelfalls, die - von Fällen krasser Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz abgesehen - die Zulässigkeit der Revision nicht rechtfertigt. Von einer krassen Fehlbeurteilung kann hier angesichts der Feststellungen über die Häufigkeit der Casinobesuche des Klägers, über die von ihm erlittenen Verluste und über die völlig unzureichende Reaktion der Beklagten auf sein ihr erkennbares Verhalten nicht die Rede sein.
Dass § 25 GSpG idF der Novelle BGBl I 71/2003 hier noch nicht anzuwenden ist, erkennt auch die Revisionswerberin; sie vertritt aber den Standpunkt, dass die Neufassung als authentische Interpretation der früheren Rechtslage zu werten und daher auch hier zu beachten sei. Dem ist nicht zu folgen. Zudem hat die Beklagte auch die aus der nunmehrigen Bestimmung resultierende Verpflichtung zur Einholung einer Bonitätsauskunft nicht erfüllt.Dass Paragraph 25, GSpG in der Fassung der Novelle Bundesgesetzblatt Teil eins, 71 aus 2003, hier noch nicht anzuwenden ist, erkennt auch die Revisionswerberin; sie vertritt aber den Standpunkt, dass die Neufassung als authentische Interpretation der früheren Rechtslage zu werten und daher auch hier zu beachten sei. Dem ist nicht zu folgen. Zudem hat die Beklagte auch die aus der nunmehrigen Bestimmung resultierende Verpflichtung zur Einholung einer Bonitätsauskunft nicht erfüllt.
Den Einwand, nach dem Zweck des § 25 GSpG sei ihre Haftung mit dem Existenzminimum limitiert, hat die Beklagte bereits im ebenfalls sie betreffenden Verfahren 1 Ob 52/04k (= RdW 2004, 466) erhoben. Dem ist der Oberste Gerichtshof bereits in seiner damaligen Entscheidung unter Hinweis auf den schadenersatzrechtlichen Grundsatz entgegengetreten, dass der durch das festgestellte rechtswidrige und schuldhafte Verhalten adäquat kausal herbeigeführte Schaden zu ersetzen ist (näher 1 Ob 52/04k).Den Einwand, nach dem Zweck des Paragraph 25, GSpG sei ihre Haftung mit dem Existenzminimum limitiert, hat die Beklagte bereits im ebenfalls sie betreffenden Verfahren 1 Ob 52/04k (= RdW 2004, 466) erhoben. Dem ist der Oberste Gerichtshof bereits in seiner damaligen Entscheidung unter Hinweis auf den schadenersatzrechtlichen Grundsatz entgegengetreten, dass der durch das festgestellte rechtswidrige und schuldhafte Verhalten adäquat kausal herbeigeführte Schaden zu ersetzen ist (näher 1 Ob 52/04k).
Auch mit der vom Berufungsgericht als erheblich erachteten Rechtsfrage hat sich der Oberste Gerichtshof bereits in den zitierten Vorentscheidungen auseinandergesetzt. Im Gegensatz zur Meinung der Revisionswerberin wurde in diesen Entscheidungen gerade nicht festgestellt, dass die dort auftretenden Kläger pathologisch spielsüchtig und daher handlungsunfähig waren. Der Oberste Gerichtshof hielt dem auch in den Vorverfahren jeweils erhobenen Mitverschuldenseinwand entgegen, dass § 25 GSpG in erster Linie dem Schutz solcher Spieler dient, deren Geschäftsfähigkeit infolge ihres Spieltriebs bzw Spielzwangs noch nicht aufgehoben ist; der Geschäftsfähige könnte sich ohnehin auf die Nichtigkeit jener Einzelverträge berufen, die zur Vermögensverschiebung geführt haben. Der Betreiber der Spielbank soll aus dem Verhalten des Kunden, das von diesem nicht in ausreichendem Maß beherrscht werden kann, keine Vermögensvorteile ziehen. Selbst wenn man daher dem Spieler Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten (Mitverschulden) vorwerfen wollte, kann einer solchen Unvorsichtigkeit unter Berücksichtigung des erkennbaren Gesetzeszwecks kein erhebliches Gewicht beigemessen werden (s insb RdW 2004, 466; vgl auch 3 Ob 37/04v). Ebenfalls in RdW 2004, 466 wurde überdies auf die besondere Ausgangssituation verwiesen, in der sich hier Schädiger und Geschädigter gegenüberstehen: Im Gegensatz zu den üblicherweise zu beurteilenden Fällen deliktischer Schädigung geht es hier nicht darum, dass der beim Geschädigten eingetretene Schaden bloß zu einer Verminderung seines Vermögens führt und sich für den Schädiger als (vorerst) wirtschaftlich neutral darstellt. Vielmehr entspricht hier der Schaden des Spielers einem entsprechenden Vermögensvorteil der Spielbank. Auch vor diesem Hintergrund erschiene es nicht sachgerecht, dem Spielbankbetreiber, der - in Verfolgung eigener Vermögensinteressen - in erheblicher Intensität gegen ihm auferlegte Pflichten zum Schutz des Spielers verstoßen hat, einen Teil des insoweit rechtswidrig erlangten Vorteils zu belassen und dem Spieler nur deshalb keinen vollen Ersatz zu gewähren, weil er sich aus überwiegend irrationalen Motiven weiterhin auf Glücksspiele eingelassen hat, die vom Spielbankbetreiber bereits zu unterbinden gewesen wären.Auch mit der vom Berufungsgericht als erheblich erachteten Rechtsfrage hat sich der Oberste Gerichtshof bereits in den zitierten Vorentscheidungen auseinandergesetzt. Im Gegensatz zur Meinung der Revisionswerberin wurde in diesen Entscheidungen gerade nicht festgestellt, dass die dort auftretenden Kläger pathologisch spielsüchtig und daher handlungsunfähig waren. Der Oberste Gerichtshof hielt dem auch in den Vorverfahren jeweils erhobenen Mitverschuldenseinwand entgegen, dass Paragraph 25, GSpG in erster Linie dem Schutz solcher Spieler dient, deren Geschäftsfähigkeit infolge ihres Spieltriebs bzw Spielzwangs noch nicht aufgehoben ist; der Geschäftsfähige könnte sich ohnehin auf die Nichtigkeit jener Einzelverträge berufen, die zur Vermögensverschiebung geführt haben. Der Betreiber der Spielbank soll aus dem Verhalten des Kunden, das von diesem nicht in ausreichendem Maß beherrscht werden kann, keine Vermögensvorteile ziehen. Selbst wenn man daher dem Spieler Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten (Mitverschulden) vorwerfen wollte, kann einer solchen Unvorsichtigkeit unter Berücksichtigung des erkennbaren Gesetzeszwecks kein erhebliches Gewicht beigemessen werden (s insb RdW 2004, 466; vergleiche auch 3 Ob 37/04v). Ebenfalls in RdW 2004, 466 wurde überdies auf die besondere Ausgangssituation verwiesen, in der sich hier Schädiger und Geschädigter gegenüberstehen: Im Gegensatz zu den üblicherweise zu beurteilenden Fällen deliktischer Schädigung geht es hier nicht darum, dass der beim Geschädigten eingetretene Schaden bloß zu einer Verminderung seines Vermögens führt und sich für den Schädiger als (vorerst) wirtschaftlich neutral darstellt. Vielmehr entspricht hier der Schaden des Spielers einem entsprechenden Vermögensvorteil der Spielbank. Auch vor diesem Hintergrund erschiene es nicht sachgerecht, dem Spielbankbetreiber, der - in Verfolgung eigener Vermögensinteressen - in erheblicher Intensität gegen ihm auferlegte Pflichten zum Schutz des Spielers verstoßen hat, einen Teil des insoweit rechtswidrig erlangten Vorteils zu belassen und dem Spieler nur deshalb keinen vollen Ersatz zu gewähren, weil er sich aus überwiegend irrationalen Motiven weiterhin auf Glücksspiele eingelassen hat, die vom Spielbankbetreiber bereits zu unterbinden gewesen wären.
Da die Revisionswerberin somit keine iS des § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage aufzeigt, war die Revision als unzulässig zurückzuweisen.Da die Revisionswerberin somit keine iS des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO erhebliche Rechtsfrage aufzeigt, war die Revision als unzulässig zurückzuweisen.
Kosten der Revisionsbeantwortung waren nicht zuzuerkennen, weil die Revisionsgegnerin auf die Unzulässigkeit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision nicht hingewiesen hat (RIS-Justiz RS0035962; zuletzt etwa 9 ObA 32/01y; 9 ObA 108/02a).
Anmerkung
E76216 8Ob134.04European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2005:0080OB00134.04W.0217.000Dokumentnummer
JJT_20050217_OGH0002_0080OB00134_04W0000_000