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82 GesundheitsrechtNorm
B-VG Art139 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung der auf Krankenanstalten beschränkten Zulassung der Abtreibungspille Mifegyne; zumutbarer Umweg durch Antragstellung auf Änderung der Zulassung durch den Bundesminister; keine Legitimation trotz bereits erfolgter Verneinung der Antragslegitimation eines Arztes zur Stellung eines solchen Antrags durch den BundesministerSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Der Einschreiter ist seinen Angaben zufolge praktischer Arzt im niedergelassenen Bereich. In seinem auf Art139 (Abs1 letzter Satz) B-VG gestützten Schriftsatz führt er unter Pkt. 1 aus:
"1. Individualantrag
1.1. Der Antragsteller stellt gegen die Verordnung des Bundesministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales 'Fachinformation' (Zusammenfassung der Produkteigenschaften) betreffend die Arzneispezialität MIFEGYNE, erlassen auf Grundlage der Bestimmung des §10 Arzneimittelgesetz (AMG), BGBl. Nr. 185/1983 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 98/2001, den
Antrag
auf Aufhebung dieser Verordnung an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art139 B-VG.
1.2. Der Antragsteller begehrt die Aufhebung folgenden Punktes der Verordnung des Bundesministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend die Fachinformation über die Arzneispezialität MIFEGYNE. Die vorliegende Fachinformation enthält gemäß Punkt '4 Klinische Angaben' folgende Bestimmung betreffend die Arzneispezialität MIFEGYNE:
'MIFEGYNE und Prostaglandin-Analogstoffe dürfen daher ausschließlich von Ärzten verordnet werden, die an einem staatlichen oder privaten Krankenhaus oder Zentrum (mit offizieller Ermächtigung zur Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen) tätig sind, wobei die jeweiligen nationalgesetzlichen [Anm.: richtig: nationalen gesetzlichen] Bestimmungen strikt zu beachten sind [...]'.
Diese Bestimmung soll aufgehoben werden. Der Rest der Verordnung betreffend die Fachinformation über die Arzneispezialität MIFEGYNE bleibt unangefochten."
Am Ende der Eingabe heißt es unter Pkt. 5:
"5. Antrag auf Aufhebung
[...] Der Antragsteller stellt daher den
Antrag
Der VfGH möge die Verordnung betreffend die Fachinformation zur Arzneispezialität MIFEGYNE dahingehend aufheben, dass im Punkt '4 Klinische Angaben' nach den Worten 'MIFEGYNE und Prostaglandin-Analogstoffe dürfen daher ausschließlich von Ärzten verordnet werden' die Worte
'die an einem staatlichen oder privaten Krankenhaus oder Zentrum (...) tätig sind (...)'
zu entfallen haben und dem Antragsteller die Kosten im verzeichneten Ausmaß zusprechen."
2. Der Antragsteller erachtet sich durch die in Rede stehende und von ihm als Verordnung qualifizierte Fachinformation bzw. durch Teile davon im Kern deshalb in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Erwerbsfreiheit und auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt, weil ihm "in seiner privaten Praxis im niedergelassenen Bereich die Verabreichung der Arzneispezialität MIFEGYNE verwehrt ist" bzw. "die Verordnung [...] ohne sachlichen Grund zwischen der Verabreichung der Arzneispezialität MIFEGYNE in privaten und öffentlichen Krankenanstalten einerseits und [bei] niedergelassenen Ärzten andererseits differenziert, obwohl allen Ärzten die risikoreichere chirurgische Durchführung des Schwangerschaftsabbruches gestattet ist." Weiters wird im Antrag mit näherer Begründung darzulegen versucht, dass durch die "Verordnung" das Legalitätsprinzip gemäß Art18 B-VG und das rechtsstaatliche Prinzip verletzt würden.
3. Der Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen erstattete eine Äußerung, in der er primär die Zurückweisung des Antrages begehrt.
II. 1. Die zur Beurteilung des vorliegenden Antrages maßgeblichen Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes, BGBl. 185/1983, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 65/2002, haben folgenden Wortlaut:
"Fachinformation
(Zusammenfassung der Produkteigenschaften)
§10. (1) Über Arzneispezialitäten, die gemäß §11 der Zulassung unterliegen, ist Ärzten, Tierärzten, Zahnärzten, Dentisten, Apothekern und den im §59 Abs3 genannten Gewerbetreibenden eine Fachinformation in deutscher Sprache zugänglich zu machen, sofern es sich nicht um apothekeneigene Arzneispezialitäten oder Arzneispezialitäten gemäß §17a oder §17b handelt.
(2) Die Fachinformation hat zumindest folgende Angaben zu enthalten:
[...]
(3) [...]
(4) Die Fachinformation sowie jede Änderung der Fachinformation [...] sind von der Österreichischen Apothekerkammer unter Mitwirkung der Österreichischen Ärztekammer zu veröffentlichen. Die Veröffentlichung hat das Datum der Erstellung der Fachinformation, im Falle einer Änderung der Fachinformation das Datum der letzten Änderung aufzuweisen.
(5) Der Bundesminister für Gesundheit und Konsumentenschutz [Anm: nunmehr: Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen] hat durch Verordnung zu bestimmen, welche weiteren Informationen, die für die Anwendung von Bedeutung sind, in die Fachinformation aufzunehmen sind, und nähere Bestimmungen über die Art der Veröffentlichung und die Verfügbarkeit der Fachinformation sowie über Änderungen derselben und, sofern dies im Hinblick auf die Arzneimittelsicherheit erforderlich ist, über Inhalt, Art und Form der in Abs2 und 3 genannten Angaben zu erlassen.
Zulassung von Arzneispezialitäten
§11. (1) Arzneispezialitäten dürfen im Inland erst abgegeben oder für die Abgabe im Inland bereitgehalten werden, wenn sie vom Bundesminister für Gesundheit und Konsumentenschutz [Anm: nunmehr:
Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen] zugelassen sind, [...]
(2) [...]"
"Berechtigung zur Antragstellung
§14. Zur Antragstellung auf Zulassung oder zur Anmeldung einer Arzneispezialität sind berechtigt:
1. ein Gewerbetreibender, der auf Grund der Gewerbeordnung 1994 zur Herstellung der oder zum Großhandel mit der betreffenden Arzneispezialität berechtigt ist,
2. ein Betreiber einer inländischen öffentlichen Apotheke oder
3. ein in einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) ansässiger pharmazeutischer Unternehmer, der berechtigt ist, die betreffende Arzneispezialität in Verkehr zu bringen."
"§22. (1) Der Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz [Anm: nunmehr: Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen] hat einem Antrag auf Zulassung einer Arzneispezialität dann nicht stattzugeben, wenn
1. der Antragsteller gemäß §14 zur Antragstellung nicht berechtigt ist,
2. [...]"
"Änderungen
§24. (1) [...]
(2) Änderungen an einer Arzneispezialität hinsichtlich
1.
Bezeichnung,
2.
Zusammensetzung,
3.
Abgabe im Kleinen und Rezeptpflicht,
4.
Anwendungsgebiete ausgenommen deren Einschränkungen,
5.
Art der Anwendung und
6.
Dosierung
bedürfen der Zulassung durch den Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz [Anm: nunmehr: Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen].
(3) [...]
§25. (1) Die Zulassung einer Änderung im Sinne des §24 ist zu versagen
1.
bei Vorliegen eines Grundes gemäß §22 Abs1 oder
2.
[...]."
2. Die in Rede stehende Fachinformation lautet auszugsweise wie folgt:
"FACHINFORMATION
(Zusammenfassung der Produkteigenschaften)
1. BEZEICHNUNG
MIFEGYNE® 200 mg - Tabletten
2. [...]
4. KLINISCHE ANGABEN
Zur Schwangerschaftsunterbrechung dürfen MIFEGYNE® und der Prostaglandin-Analogstoff ausschließlich in Übereinstimmung mit den jeweiligen nationalen gesetzlichen Bestimmungen verordnet und verabreicht werden.
MIFEGYNE® und Prostaglandin-Analogstoffe dürfen daher ausschließlich von Ärzten verordnet werden, die an einem staatlichen oder privaten Krankenhaus oder Zentrum (mit offizieller Ermächtigung zur Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen) tätig sind, wobei die jeweiligen nationalen gesetzlichen Bestimmungen strikt zu beachten sind.
[...]
5. [...]
11. VERSCHREIBUNGSPFLICHT/APOTHEKENPFLICHT
Rezeptpflichtig/Apothekenpflichtig, darf nur an Krankenanstalten abgegeben werden."
III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit des Individualantrages erwogen:
1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung - im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt.
Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg. 11.726/1988, 13.944/1994).
2. Es kann dahingestellt bleiben, ob dem vorliegenden Antrag mit hinreichender Deutlichkeit der Anfechtungsgegenstand zu entnehmen ist. (Im Antrag wird drei Mal ein jeweils unterschiedlicher Aufhebungsumfang angegeben: Pkt. 1.1. des Antrages begehrt [zumindest implizit] die Aufhebung der Fachinformation als Ganzes; Pkt. 1.2. jene eines bestimmten Satzes in Pkt. 4 der Fachinformation; Pkt. 5 des Antrages bekämpft hingegen nur eine näher bezeichnete Wortfolge dieses Satzes.) Weiters braucht nicht näher untersucht zu werden, ob es sich bei der "Fachinformation" (vgl. zu dieser §10 des Arzneimittelgesetzes) überhaupt um eine Verordnung handelt.
Der vorliegende Antrag ist nämlich schon allein deshalb unzulässig, weil dem Einschreiter ein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung stand, um die Frage des von ihm behaupteten Eingriffs in seine Rechtssphäre einer Klärung zuzuführen:
Tatsächlich ist vom Einschreiter ein Antrag auf Genehmigung der Anwendung des Arzneimittels "Mifegyne" im niedergelassenen Bereich auch schon gestellt worden. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen vom 19. Dezember 2001 gemäß §14 iVm §24 Abs2 und §25 Abs1 Z1 ArzneimittelG zurückgewiesen, weil der Einschreiter als Arzt gemäß §14 leg.cit. nicht zur Antragstellung berechtigt gewesen sei. Der Einschreiter hat in weiterer Folge auch von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, diesen Bescheid mit Beschwerde nach Art144 B-VG beim Verfassungsgerichtshof anzufechten und in dieser Beschwerde unter anderem vorgebracht, dass es unsachlich sei, "den Ärzten im niedergelassenen Bereich die Antragslegitimation gemäß §14 AMG zu verwehren und gleichzeitig bloß den Ärzten in öffentlichen und privaten Krankenanstalten die Möglichkeit auf Verabreichung der Arzneispezialität 'Mifegyne' zum Schwangerschaftsabbruch zu gewähren."
Dass seitens des Verfassungsgerichtshofes auf den Inhalt dieser Beschwerde nicht einzugehen war, weil sie aus formalen Gründen zurückgewiesen werden musste (s. den Beschluss VfGH 11.6.2002, B181/02), vermag an der Existenz des aufgezeigten zumutbaren Weges zur Geltendmachung der in Zusammenhang mit der Beschränkung der Verabreichung von "Mifegyne" behaupteten Rechtswidrigkeit nichts zu ändern.
3. Der Individualantrag muss schon aus diesen Erwägungen mangels Legitimation zur Antragstellung als unzulässig zurückgewiesen werden.
IV. Dieser Beschluss konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.
Schlagworte
Arzneimittel, Verordnungsbegriff, VfGH / Formerfordernisse, VfGH / IndividualantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2002:V15.2002Dokumentnummer
JFT_09978874_02V00015_00