TE OGH 2005/2/22 1Ob69/04k

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Veröffentlicht am 22.02.2005
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Josef G*****, 2. Helga G*****, vertreten durch Dr. Peter Pfarl, Rechtsanwalt in Bad Ischl, wider die beklagte Partei Jutta K*****, vertreten durch Freund & Kleiber, Rechtsanwälte in Wien, wegen EUR 24.479,81 sA und Räumung, infolge Rekurses der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 15. Dezember 2003, GZ 54 R 184/03b-48, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Thalgau vom 16. Juli 2003, GZ 2 C 231/03f-41, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Kläger haben als Hälfteeigentümer eines Hauses der Beklagten seit dem Jahr 1983 zwei im Erdgeschoss liegende Geschäftslokale und eine darüber situierte Wohnung vermietet. Der Beklagten war von Anbeginn des Mietverhältnisses bekannt, dass sich die Bestandräumlichkeiten in einem sehr alten Gebäude befinden.

Die Beklagte bezahlt seit November des Jahres 2000 den für die Bestandobjekte vereinbarten - der Höhe nach unstrittigen - Mietzins nicht.

Mit ihrer am 10. 10. 2001 beim Erstgericht gemeinsam mit einem Antrag auf Beweissicherung eingebrachten Klage begehrten die Kläger zuletzt, die Beklagte zur Zahlung eines Betrages von EUR 24.479,81 sA sowie zur Räumung der Bestandobjekte und deren geräumter Übergabe schuldig zu erkennen. Die Beklagte habe trotz tatsächlicher Nutzung der Räumlichkeiten, Einmahnung der Mietzinse und Androhung der Auflösung des Mietverhältnisses seit November 2000 keinen Mietzins bezahlt, sodass bis einschließlich Mai 2003 der Klagsbetrag unberichtigt aushafte. Die von der Beklagten für die Nichtzahlung vorgebrachten Gründe lägen nicht vor. Der Zustand des Hauses habe sich seit Beginn des Mietverhältnisses nicht verschlechtert. Es sei zwar im Jahre 1995 oder 1996 zu einem Wasserschaden gekommen, der auch das Geschäftslokal der Beklagten betroffen habe, doch seien die dadurch entstandenen Schäden behoben und die Bestandräumlichkeiten durch intensives Lüften getrocknet worden. Die Beklagte habe diesbezüglich auch niemals verbliebene Schäden reklamiert. Die Mauern des Hauses seien trocken, der Putz in Ordnung und keine nassen Stellen vorhanden. Die Beklagte habe den - ihrer Behauptung nach schlechten - Zustand des Mietobjekts erstmals am 27. 3. 2001 reklamiert. Die Kläger seien früher im Besitz von Schlüsseln zu den in Bestand gegebenen Räumen gewesen und hätten seit Beginn des Mietverhältnisses während des Winters gefälligkeitshalber und ohne vertragliche Verpflichtung gelüftet. Weiters seien im Winter Luftentfeuchter in Verwendung gestanden. Seit November 2001 habe die Beklagte das Betreten des Mietobjekts für die Kläger unmöglich gemacht, sodass im Winter 2001/2002 nicht mehr gelüftet worden sei.

Die Beklagte wendete ein, das Mietobjekt sei von Feuchtigkeit und Schimmel befallen. Die Benutzbarkeit der Räume sei nicht mehr gegeben, zumal die Luft durch Sporen des Schimmelpilzes verunreinigt sei, sodass der Aufenthalt für die Beklagte zu Gesundheitschädigungen geführt habe. Die Kläger seien von der Beklagten mehrmals mündlich und schriftlich auf die Schimmelschäden hingewiesen worden. Aus diesen Gründen sei die Mietzinseinbehaltung gemäß § 1096 ABGB gerechtfertigt. Bereits Mitte der 80-iger Jahre sei die Fußbodenisolierung mangelhaft ausgeführt worden und sei es im Jahr 1999 zu umfangreichen Feuchtigkeitsschäden gekommen. Die Kläger treffe die mietvertragliche Verpflichtung zum Lüften der Räume, der sie jedoch nicht nachgekommen seien. Vielmehr hätten sie das Mietobjekt versperrt, sodass es für die Beklagte unzugänglich gewesen sei. Die Kläger hätten einer Mietzinsminderung „von über 50 %" ausdrücklich zugestimmt. Durch die Feuchtigkeit und durch die Schimmelbildung seien der Beklagten Schäden und Verdienstentgang im Gesamtbetrag von EUR 20.083 entstanden, welcher Betrag als Gegenforderung eingewendet wurde.

Das Erstgericht erkannte das Leistungsbegehren als zu Recht, die eingewendete Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend, und gab sowohl dem Leistungs- als auch dem Räumungsbegehren statt. Es stellte im Wesentlichen fest, dass sich der Zustand des Mietobjekts während der Dauer des Mietverhältnisses nicht verschlechtert habe. Das gesamte Haus zeige sich trotz seines hohen Alters in sehr gutem Zustand. Mögliche Feuchtentwicklungen gingen nicht von schadhaften Isolierungen über den Fundamenten aus. Eine Schimmelbildung im Mauerwerk könne nicht festgestellt werden. Am 17. 11. 2001 sei sämtliches Mauerwerk in allen ebenerdigen Räumen des Hauses trocken gewesen. Es sei nicht zu aufsteigender Feuchte aus dem Fundamentbereich gekommen. Lediglich in dem kleineren, von der Straße aus gesehen links gelegenen Geschäftslokal habe die Mauer gegenüber der Außenmauer eine alte Feuchtstelle aufgewiesen, welche jedoch zu diesem Zeitpunkt völlig trocken gewesen sei. Im daneben liegenden Raum zwischen den beiden Verkaufsräumen hätten ebenfalls keine Anzeichen aufsteigender Feuchte bestanden. Es sei jedoch ein leicht modriger Geruch, der auf die völlige Abgeschlossenheit aller Räume zurückzuführen sei, vorhanden gewesen. Die Bestandräume würden grundsätzlich nicht beheizt, lediglich in den Sommermonaten verwende die Beklagte Radiatoren. Auch in dem im Obergeschoss gelegenen Bestandobjekt seien Nassstellen nicht feststellbar gewesen. Es könne nicht festgestellt werden, dass in dem Mietobjekt vor oder nach dem 17. 11. 2001 von diesem selbst ausgehende und nicht bloß durch mangelnde Lüftung entstandene Feuchtigkeit oder Schimmelbildung aufgetreten sei. In den Räumen seien weiters in kleinen, überwiegend bodennahen Bereichen teilweise Farbabbröckelungen, Farbunterschiede und Flecken an den Wänden, sowie in einem kleinen Bereich auch eine Abbröckelung des Putzes vorhanden. Die Ursache dafür könne nicht festgestellt werden, ebensowenig, dass die bestimmungsgemäße Verwendbarkeit der Räumlichkeiten dadurch nicht gegeben oder beeinträchtigt wäre. Abgesehen von einer nur einige Quadratzentimeter großen, leicht feuchten Fläche im sogenannten kleinen Geschäftslokal und leichter Feuchtigkeit an drei Deckenholzbalken im Bereich der Außenmauer in Länge von etwa 10 cm könne Feuchtigkeit im Mietobjekt nicht festgestellt werden. Die Ursache für diese Feuchtstellen sei ebenfalls nicht festzustellen. Ebenso könnten keine Feststellungen über Schimmelbildung getroffen werden. Es sei nicht feststellbar, dass die Beklagte eine in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem Zustand des Mietobjekts stehende Gesundheitsschädigung erlitten habe. Auch „Gesundheitsschädlichkeit des Zustandes des Mietobjektes selbst" könne nicht festgestellt werden.

Als die Beklagte nach dem Sommer 2000 die Geschäftsräumlichkeiten für den Winter verlassen habe, habe sich das große Geschäftslokal in ordnungsgemäßem Zustand befunden. Im kleineren Geschäftslokal sei im Sommer 2000 eine Art „Mauerfraß" bis ca 70 cm über dem Boden aufgetreten. Der Erstkläger habe diesbezüglich eine ordnungsgemäße und dauerhafte Sanierung vorgenommen.

Zwischen den Streitteilen habe ein gutes Verhältnis geherrscht. Dieses habe sich erst ab März 2001 verschlechtert, als die Kläger feststellen mussten, dass schon mehrere Monate hindurch keine Miete bezahlt worden ist. Die Zweitklägerin habe daraufhin mehrfach telefonisch und schriftlich die Mietzinszahlung urgiert. Im Mai oder Juni 2001 habe die Beklagte ATS 10.000 an die Kläger bezahlen wollen. Als die Zweitklägerin diesen Betrag als zu gering erachtet habe, habe die Beklagte überhaupt keine Zahlung geleistet, obwohl ihr ausdrücklich die Aufkündigung in Aussicht gestellt worden sei. Die Beklagte habe nicht erklärt, weshalb sie den Mietzins nicht bezahle. Im Juli 2001 hätten die Kläger die ersten gerichtlichen Schritte eingeleitet.

Einige Jahre vor diesem Zeitpunkt habe es im Haus einen Wasserschaden gegeben, welcher von nicht im Eigentum der Kläger stehenden Hausteilen ausgegangen sei. Dieser Wasserschaden sei durch Professionisten behoben, die Wände seien ausgetrocknet und ausgemalt worden. Nach diesem Wasserschaden habe die Beklagte gegenüber den Klägern nicht erklärt, dass der Zustand der Räumlichkeiten nicht in Ordnung sei.

Die Beklagte halte sich nur in den Sommermonaten von etwa Juni bis September oder Oktober in den gemieteten Räumen auf. Sie nutze sie allerdings ganzjährig, weil sie „ihre Gegenstände" dort lagere. Bis einschließlich Winter 2000/2001 hätten die Kläger, ohne dass es diesbezüglich eine verbindliche Vereinbarung gegeben habe, die Bestandobjekte zwei- bis dreimal pro Woche gelüftet. Zusätzlich seien in jedem Geschäftsraum zwei von der Beklagten angeschaffte Entlüfter vorhanden gewesen. Am 14. 11. 2001 habe die Beklagte das Mietobjekt „winterfest" gemacht. Da das Scherengitter vor dem Eingang zum Geschäftslokal defekt gewesen sei, habe die Beklagte das Anbringen eines Schlosses veranlasst, zu welchem die Kläger keinen Schlüssel hatten, sodass sie in der Folge die Bestandräume nicht mehr betreten konnten.

Die Beklagte habe das Bestandobjekt sowohl im Sommer 2001 als auch im Sommer 2002 benützt. Die Geschäftsräumlichkeiten seien das gesamte Jahr über, so auch beim gerichtlichen Lokalaugenschein am 20. 5. 2003, mit unzähligen Kleingegenständen und Möbeln „befüllt" gewesen. Obwohl die Beklagte die Mieträumlichkeiten tatsächlich die ganze Zeit genutzt habe, habe sie seit November 2000 keinerlei Mietzins mehr bezahlt. Im Jahr 1999 habe die Beklagte die für mehrere Monate rückständige Miete erst nach Erinnerungen durch die Zweitklägerin entrichtet. Eine Vereinbarung, wonach die Kläger mit einer Mietzinsminderung einverstanden gewesen wären, habe es nicht gegeben.

Es könne nicht festgestellt werden, dass der Beklagten durch den Umstand, dass ihr der Zugang zu den Mieträumlichkeiten durch die Kläger unterbunden worden wäre, oder durch sonstige im Zustand des Mietobjekts begründete oder der Sphäre der Kläger zuzuordnende Umstände ein Schaden oder Verdienstentgang entstanden sei.

Rechtlich folgerte das Erstgericht, dass Umstände, welche die Nichtzahlung oder allenfalls Minderung des Mietzinses gemäß § 1096 ABGB rechtfertigen könnten, mangels feststellbarer Einschränkung der bestimmungsgemäßen Verwendbarkeit der Bestandräume nicht vorlägen. Das auf Mietzinszahlung und Räumung gerichtete Klagebegehren sei daher zu Recht erhoben worden. Da den Klägern zuzurechnende Schäden an im Eigentum der Beklagten stehenden Objekten nicht feststellbar gewesen seien, bestehe die eingewendete Gegenforderung nicht zu Recht.

Das Gericht zweiter Instanz gab der dagegen erhobenen Berufung der Beklagten Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Das Erstgericht habe der Beklagten in der Tagsatzung vom 4. 7. 2002 beschlussmäßig den Erlag eines Kostenvorschusses von EUR 1.500 binnen 14 Tagen für voraussichtlich anfallende Sachverständigengebühren aufgetragen. Mit Beschluss vom 2. 2. 2003 sei neuerlich der Erlag eines Kostenvorschusses von nunmehr EUR 2.500 „für voraussichtlich anfallende Zeugen- und Sachverständigengebühren" binnen 14 Tagen unter Androhung der Präklusionsfolgen der §§ 332 Abs 2, 365 ZPO angeordnet worden. In der Tagsatzung vom 20. 5. 2003 habe der Beklagtenvertreter angegeben, bereits einen Kostenvorschuss von EUR 2.000 erlegt zu haben und für Auslagen in dieser Höhe die persönliche Haftung zu übernehmen. Dennoch habe die Erstrichterin den anschließenden Ortsaugenschein ohne Beiziehung eines Sachverständigen durchgeführt und die dort gemachten Wahrnehmungen im Zusammenhalt mit den Ergebnissen der Beweissicherung den Urteilsfeststellungen zu Grunde gelegt. Nach der Rechtsprechung könne die säumige Partei auf den Fortgang des Verfahrens durch nachträglichen Erlag des Kostenvorschusses oder durch Verzicht auf den Sachverständigenbeweis Einfluss nehmen. Es könne daher der Beweisführer durch den zwar nicht rechtzeitigen, aber vor Eintritt des faktischen Verfahrensstillstandes und vor einem Präklusionsantrag des Gegners durchgeführten Erlag des Kostenvorschusses die Präklusion des Beweises abwenden. Dies sei hier durch die Vorgangsweise des Beklagtenvertreters zu Beginn der Verhandlung vom 20. 5. 2003 geschehen. In Anbetracht der Formulierung der beiden gerichtlichen Beschlüsse habe der Beklagtenvertreter auch davon ausgehen dürfen, dass der Erlag von EUR 2.000 zumindest zur Deckung der Sachverständigengebühren ausreichen werde. Das Verfahren sei daher durch die unterlassene Zuziehung eines Sachverständigen mangelhaft geblieben. Dies gelte auch für die ebenfalls gerügte Unterlassung der Fällung eines Teilurteils. Werde in einem Rechtsstreit Zahlung des Mietzinsrückstandes und Räumung begehrt, sei über den behaupteten Zahlungsrückstand zwingend mit Teilurteil zu entscheiden. Dieses sei dann zu fällen, wenn der Beklagte den Einwand des mangelnden groben Verschuldens erhoben habe. Davon könne aber nur dann die Rede sein, wenn der Mieter konkrete Umstände behaupte und unter Beweis stelle, aus denen auf sein mangelndes grobes Verschulden geschlossen werden könne. Aus dem Vorbringen der Beklagten ergebe sich ihre Behauptung, dass sie an der Nichtzahlung des Mietzinses nicht nur ein lediglich geringes, sondern gar kein Verschulden treffe. Dass diese Behauptungen nicht aus der Luft gegriffen und völlig willkürlich aufgestellt worden seien, ergebe sich insbesondere aus den im Verfahren vorgelegten Privatgutachten und Lichtbildern, die jedenfalls begründete Anhaltspunkte für eine beschränkte oder allenfalls mangelnde Benützbarkeit sowie einen daraus ableitbaren Mietzinsminderungsanspruch lieferten. Das Erstgericht, welches sich mit dieser Frage gar nicht beschäftigt habe, werde daher im fortgesetzten Verfahren zunächst mit Teilurteil über die Höhe des ausständigen Mietzinses entscheiden zu haben, um so der Beklagten die Möglichkeit zu geben, das Räumungsbegehren durch Zahlung des Rückstands abzuwehren.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Rekurs der Kläger ist zulässig und berechtigt.

Erlegt der Beweisführer den ihm vom Richter zur Deckung des mit der Aufnahme des Beweises durch Sachverständige verbundenen Aufwands auferlegten Kostenvorschuss nicht, ist gemäß § 365 ZPO die Bestimmung des § 332 Abs 2 ZPO sinngemäß anzuwenden. Danach hat bei nicht rechtzeitigem Erlag des Vorschusses die Ausfertigung der Ladung zu unterbleiben und ist die Verhandlung auf Antrag des Gegners ohne Rücksicht auf die ausstehende Beweisaufnahme fortzusetzen. Diese vom Gesetz angeordnete Rechtsfolge trifft allerdings nur das jeweilige Beweismittel, zu dessen Aufnahme der Vorschuss erforderlich ist. Sind - wie im hier vorliegenden Fall - noch weitere Beweise aufzunehmen, tritt bis dahin der sonst mit dem Nichterlag des gemäß § 365 ZPO aufgetragenen Kostenvorschusses verbundene ruhensähnliche Verfahrensstillstand nicht ein (RIS-Justiz RS0040556; 6 Ob 569/85). Das Erstgericht hat somit zu Recht trotz Nichterlags des - wie bereits vom Berufungsgericht dargestellt - mehrfach aufgetragenen (zuletzt unter Androhung der Präklusion) und am 9. 8. 2002 unter neuerlicher ausdrücklicher Präklusionsandrohung in Erinnerung gerufenen (ON 23) Kostenvorschusses die Tagsatzung abgehalten und die nicht präkludierten Beweise der Zeugenvernehmung und des - bereits mit der Ladung angekündigten - Lokalaugenscheins aufgenommen.

§ 332 Abs 2 erster Satz ZPO verweist ausdrücklich auf die Bestimmung des § 279 ZPO. Gemäß Abs 2 dieser Gesetzesstelle kann ein präkludierter Beweis bei der fortgesetzten mündlichen Verhandlung nur dann benützt werden, wenn dadurch das Verfahren nicht verzögert wird. Wird somit der aufgetragene Kostenvorschuss zwar nach Ablauf der gesetzten Frist, aber doch so rechtzeitig erlegt, dass der beantragte Sachverständige ohne Verfahrensverzögerung bestellt werden kann, so ist der Sachverständigenbeweis trotz des Präklusionsbeschlusses aufzunehmen (Krammer in Fasching III² § 365 ZPO Rz 35). Entgegen der vom Berufungsgericht offenkundig vertretenen Ansicht war daher das Erstgericht keineswegs verhalten, die unter anderem zur Durchführung des Lokalaugenscheins anberaumte Tagsatzung nur deshalb zu erstrecken, weil die Beklagte am Tag der Verhandlung und fast ein Jahr nach dem ersten Erlagsauftrag doch noch einen Kostenvorschuss erlegte, der zudem der Höhe nach nicht dem gerichtlichen Auftrag entsprach. Diese Vorgangsweise der Beklagten stellt eine evidente und gravierende Verfahrensverzögerung dar (wie auch das Berufungsgericht erkannt hat), deren Tolerierung durch den Gesetzesauftrag des § 279 Abs 2 ZPO ausgeschlossen wird.

Ausgehend von seiner unrichtigen Rechtsansicht hat sich das Berufungsgericht mit der Tatsachenrüge der Beklagten nicht befasst. Auch unter Berücksichtigung der Präklusion des Sachverständigenbeweises ist es dem Obersten Gerichtshof verwehrt, die Beweiswürdigung des Erstgerichts zu überprüfen. Er kann daher auch nicht abschließend zur Berechtigung einer Zinsminderung im Sinn des § 1096 ABGB Stellung nehmen, sondern lediglich darauf verweisen, dass diese - sollte das Berufungsgericht die erstinstanzlichen Feststellungen übernehmen - jedenfalls nicht in Frage kommen kann. Insoweit ist dem Erstgericht rechtlich darin zu folgen, dass der Anspruch auf Zinsbefreiung bzw Zinsminderung gemäß § 1096 ABGB erst ab Beginn der Unbrauchbarkeit bzw Gebrauchsbeeinträchtigung des Bestandobjekts bestehen kann (RIS-Justiz RS0107866), sodass jedenfalls einer zeitlich später gelagerten bloß punktuellen Betrachtung nur eine in ihrer Zurechenbarkeit genau zu überprüfende Indizwirkung zukommen kann.

Dem Berufungsgericht ist grundsätzlich darin beizupflichten, dass in einem Rechtsstreit, in dem in Ansehung des Mietzinsrückstandes, auf den die dem Räumungsbegehren zu Grunde gelegte Auflösungserklärung nach § 1118 ABGB gestützt wird, auch ein Zahlungsbegehren erhoben wird, der urteilsmäßige Ausspruch über das Mietzinszahlungsbegehren für das Räumungsbegehren die Beschlussfassung gemäß § 33 Abs 2 MRG ersetzt. Liegt kein grobes Verschulden des Mieters am Zahlungsrückstand vor, muss daher zunächst die Rechtskraft der über das Zahlungsbegehren gefällten (Teil-)Entscheidung abgewartet werden, damit dem Mieter die Möglichkeit gegeben wird, den Mietzinsrückstand zu bezahlen und das Räumungsbegehren abzuwehren. Sowohl die Beschlussfassung gemäß § 33 Abs 2 MRG als auch die eben beschriebene Vorgangsweise entfallen jedoch, wenn den Mieter am entstandenen Zahlungsrückstand ein grobes Verschulden trifft. Ein solches ist dann anzunehmen, wenn Zinszahlungen willkürlich oder leichtsinnig verspätet oder gar nicht erfolgen. Dafür, dass dies nicht der Fall war, trifft die Beklagte die Behauptungs- und Beweislast (WoBl 1991, 77; 7 Ob 1501/94; WoBl 2001, 127; RIS-Justiz RS0111942).

Nach ständiger Rechtsprechung ist die Bestimmung des § 33 Abs 2 MRG eine reine Verfahrensvorschrift, deren Nichtbeachtung mit dem Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens zu rügen ist (RIS-Justiz RS0043204). Dem Berufungsgericht ist zwar darin beizupflichten, dass das Erstgericht diese Norm in seinem Urteil nicht erwähnt hat, jedoch kann aufgrund der von ihm getroffenen Feststellungen (jahrelange nicht begründbare und unbegründete Nichtzahlung des Mietzinses) nicht daran gezweifelt werden, dass es in seiner rechtlichen Beurteilung vom Vorliegen groben Verschuldens ausging, somit die Beklagte ohnehin nicht in den Genuss der Rechtswohltat des § 33 Abs 2 MRG kommen konnte. Damit fehlte es aber der von der Beklagten geltend gemachten Mangelhaftigkeit, sollte das Berufungsgericht die erstinstanzlichen Feststellungen übernehmen, an Relevanz.Nach ständiger Rechtsprechung ist die Bestimmung des § 33 Absatz 2, MRG eine reine Verfahrensvorschrift, deren Nichtbeachtung mit dem Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens zu rügen ist (RIS-Justiz RS0043204). Dem Berufungsgericht ist zwar darin beizupflichten, dass das Erstgericht diese Norm in seinem Urteil nicht erwähnt hat, jedoch kann aufgrund der von ihm getroffenen Feststellungen (jahrelange nicht begründbare und unbegründete Nichtzahlung des Mietzinses) nicht daran gezweifelt werden, dass es in seiner rechtlichen Beurteilung vom Vorliegen groben Verschuldens ausging, somit die Beklagte ohnehin nicht in den Genuss der Rechtswohltat des § 33 Absatz 2, MRG kommen konnte. Damit fehlte es aber der von der Beklagten geltend gemachten Mangelhaftigkeit, sollte das Berufungsgericht die erstinstanzlichen Feststellungen übernehmen, an Relevanz.

Dem Rekurs ist im Sinne der Zurückverweisung der Rechtssache an das Gericht zweiter Instanz Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt gründet auf § 52 Abs 1 ZPO.Der Kostenvorbehalt gründet auf § 52 Absatz eins, ZPO.

Textnummer

E76303

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2005:0010OB00069.04K.0222.000

Im RIS seit

24.03.2005

Zuletzt aktualisiert am

12.01.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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