TE OGH 2005/3/3 15Os18/05v

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Veröffentlicht am 03.03.2005
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. März 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kain als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Hubert R***** wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 StGB über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluss des Landesgerichtes Leoben vom 17. November 2004, AZ 9 Bl 144/04 (ON 34 in Verfahren 4 U 45/02a des Bezirksgerichtes Bruck an der Mur), nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Fabrizy, des Verteidigers Dr. Thiery, jedoch in Abwesenheit des Beschuldigten, zu Recht erkannt:

Spruch

Im Strafverfahren zum AZ 4 U 45/02a des Bezirksgerichtes Bruck an der Mur verletzt der Beschluss des Landesgerichtes Leoben vom 17. November 2004, AZ 9 Bl 144/04 (ON 34), § 90 h Abs 1 erster Satz StPO.

Text

Gründe:

Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Bruck an der Mur vom 13. November 2003, GZ 4 U 45/02a-29, wurde das Strafverfahren gegen Hubert R***** wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 StGB nach Bezahlung eines Geldbetrages von 1.742,70 Euro und einer durch den Beschuldigten erbrachten Schadenersatzleistung von 400 Euro gemäß den §§ 90b, 90c StPO eingestellt.

Dem Verfahren lag der gegen Hubert R***** bestehende Tatverdacht zugrunde, er habe am 19. Jänner 2002 in Oberaich als Lenker eines LKW durch Einhalten einer überhöhten Fahrgeschwindigkeit, wodurch er mit dem von ihm gelenkten Fahrzeug gegen den entgegenkommenden, von Andrea B***** gelenkten PKW stieß, Andrea B***** und ihren Beifahrer Marcus Br***** fahrlässig am Körper verletzt.

In dem zum AZ 4 C 1204/02g des Bezirksgerichtes Bruck an der Mur geführten zivilgerichtlichen Verfahren erstattete der kraftfahrzeugtechnische Sachverständige Univ. Doz. DI. Dr. Helmut P***** in der mündlichen Streitverhandlung vom 28. Mai 2004 ein Gutachten, aus dem sich im Wesentlichen ergibt, dass es zum Verkehrsunfall auch dann gekommen wäre, wenn Hubert R***** die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h eingehalten hätte, und dass durch dessen überhöhte Fahrgeschwindigkeit keine wesentliche Änderung der Beschädigungen und Verletzungen eingetreten sei.

Hierauf stellte Hubert R***** den Antrag auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens, welcher mit Beschluss des Bezirksgerichtes Bruck an der Mur vom 7. Oktober 2004, GZ 4 U 45/02a-31, abgewiesen wurde.

Der gegen diesen Beschluss erhobenen Beschwerde des Genannten gab das Landesgericht Leoben mit Beschluss vom 17. November 2004, AZ 9 Bl 144/04 (GZ 4 U 45/02a-34 des Bezirksgerichtes Bruck an der Mur), Folge, bewilligte in Analogie zu § 353 StPO die Wiederaufnahme des Strafverfahrens und hob in analoger Anwendung des § 358 erster Satz StPO den Beschluss des Erstgerichtes auf endgültige Einstellung des Strafverfahrens auf. Es erachtete die analoge Anwendung des § 353 StPO deshalb für zulässig, weil die im Gesetz fehlende Regelung der Wiederaufnahme eines nach rechtskräftiger diversioneller Erledigung eingestellten Strafverfahrens zugunsten des Beschuldigten eine planwidrige Gesetzeslücke darstelle.Der gegen diesen Beschluss erhobenen Beschwerde des Genannten gab das Landesgericht Leoben mit Beschluss vom 17. November 2004, AZ 9 Bl 144/04 (GZ 4 U 45/02a-34 des Bezirksgerichtes Bruck an der Mur), Folge, bewilligte in Analogie zu § 353 StPO die Wiederaufnahme des Strafverfahrens und hob in analoger Anwendung des Paragraph 358, erster Satz StPO den Beschluss des Erstgerichtes auf endgültige Einstellung des Strafverfahrens auf. Es erachtete die analoge Anwendung des § 353 StPO deshalb für zulässig, weil die im Gesetz fehlende Regelung der Wiederaufnahme eines nach rechtskräftiger diversioneller Erledigung eingestellten Strafverfahrens zugunsten des Beschuldigten eine planwidrige Gesetzeslücke darstelle.

Rechtliche Beurteilung

Wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, steht der Beschluss des Landesgerichtes Leoben mit dem Gesetz nicht in Einklang.

Die im IXa. Hauptstück der Strafprozessordnung geregelte Diversion zielt auf eine Beendigung des Strafverfahrens ohne Schuldspruch und ohne förmliche Sanktionierung des Verdächtigen (vgl Schroll in WK2, Vor § 90a - § 90m Rz 2). Nach dem in § 90h Abs 1 erster Satz StPO verankerten Grundsatz „ne bis in idem" entfalten diversionelle Endentscheidungen eine Sperrwirkung, die lediglich bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme nach dem XX. Hauptstück der Strafprozessordnung durchbrochen werden kann. Da hier eine Endentscheidung nach Wiederaufnahme gemäß § 353 StPO nur in einer Einstellung des Strafverfahrens bestehen kann, kommt eine Wiederaufnahme des Strafverfahrens nur zum Nachteil des Beschuldigten in Betracht; denn das Ergebnis einer Wiederaufnahme zum Vorteil des Beschuldigten könnte nur eine (schon erfolgte) Verfahrenseinstellung oder ein dem gleichkommender Freispruch sein. Es liegt auch in der Hand des Beschuldigten, bereits vor dem endgültigen Rücktritt des Anklägers von der Verfolgung die Einleitung des ordentlichen Verfahrens mit einem abschließenden freisprechenden Urteil zu erwirken. Es liegt daher keine planwidrige Gesetzeslücke vor, die durch Analogie geschlossen werden könnte (vgl AnwBl 2004, 566; Schroll in WK-StPO § 90h Rz 4; Hinterhofer, RZ 2003, 73 f; krit Luef-Koelbl, RZ 2002, 134 ff; aA Bertel/Venier, Strafprozessrecht8 Rz 1043a, Seiler, Strafprozessrecht7 Rz 551).Die im römisch IX a. Hauptstück der Strafprozessordnung geregelte Diversion zielt auf eine Beendigung des Strafverfahrens ohne Schuldspruch und ohne förmliche Sanktionierung des Verdächtigen vergleiche Schroll in WK2, Vor § 90a - § 90m Rz 2). Nach dem in § 90h Abs 1 erster Satz StPO verankerten Grundsatz „ne bis in idem" entfalten diversionelle Endentscheidungen eine Sperrwirkung, die lediglich bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme nach dem römisch XX. Hauptstück der Strafprozessordnung durchbrochen werden kann. Da hier eine Endentscheidung nach Wiederaufnahme gemäß § 353 StPO nur in einer Einstellung des Strafverfahrens bestehen kann, kommt eine Wiederaufnahme des Strafverfahrens nur zum Nachteil des Beschuldigten in Betracht; denn das Ergebnis einer Wiederaufnahme zum Vorteil des Beschuldigten könnte nur eine (schon erfolgte) Verfahrenseinstellung oder ein dem gleichkommender Freispruch sein. Es liegt auch in der Hand des Beschuldigten, bereits vor dem endgültigen Rücktritt des Anklägers von der Verfolgung die Einleitung des ordentlichen Verfahrens mit einem abschließenden freisprechenden Urteil zu erwirken. Es liegt daher keine planwidrige Gesetzeslücke vor, die durch Analogie geschlossen werden könnte vergleiche AnwBl 2004, 566; Schroll in WK-StPO § 90h Rz 4; Hinterhofer, RZ 2003, 73 f; krit LuefKoelbl, RZ 2002, 134 ff; aA Bertel/Venier, Strafprozessrecht8 Rz 1043a, Seiler, Strafprozessrecht7 Rz 551).

Da sich die im Beschluss des Landesgerichtes Leoben vertretene Rechtsansicht zum Vorteil des Beschuldigten auswirkt, war die Gesetzesverletzung bloß festzustellen.

Textnummer

E76496

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2005:0150OS00018.05V.0303.000

Im RIS seit

02.04.2005

Zuletzt aktualisiert am

12.10.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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