TE OGH 2005/3/8 10Ob7/05k

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Veröffentlicht am 08.03.2005
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Gottfried M*****, 2.) Sylvia M*****, beide *****, beide vertreten durch Dr. Remigius Etti, Rechtsanwalt in Brunn am Gebirge, gegen die beklagten Parteien 1.) Harald W*****, 2.) Walter H*****, 3.) Dr. Eva R*****, Rechtsanwältin, *****, als Masseverwalterin im Konkurs der B***** und I***** GmbH (2 S 280/01s des Handelsgerichtes Wien), wegen EUR 4.135,-- sA, infolge Revisionsrekurses der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 29. November 2004, GZ 17 R 393/04x-6, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Gloggnitz vom 16. September 2004, GZ 3 C 1273/04i-2, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien haben die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Mit der beim Bezirksgericht Gloggnitz eingebrachten Mahnklage begehren die Kläger von den Beklagten zur ungeteilten Hand die Zahlung von EUR 4.135,-- sA. Sie brachten vor, sie seien Mieter eines Mietobjektes in Brunn am Gebirge. Die Beklagten seien im klagsrelevanten Zeitraum zwischen März und Juni 2002 Eigentümer einer benachbarten Liegenschaft gewesen. Bei Grabungsarbeiten auf der Liegenschaft der Beklagten entlang der Grundstücksgrenze des von den Klägerin in Bestand genommenen Grundstückes sei es zu Erschütterungen bzw Vibrationen gekommen, welche zu einer Beschädigung des Kachelofens der Kläger geführt hätten. Die Kläger stützten ihr Klagebegehren insbesondere auf die nachbarrechtlichen Bestimmungen der §§ 364 Abs 2, 364b ABGB. Auf Grund dieser Bestimmungen stehe den Klägern in Analogie zu § 364a ABGB ein verschuldensunabhängiger Ausgleichsanspruch in der begehrten Höhe zu. Da über das Vermögen der B***** und I***** GmbH mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 23. 5. 2001 der Konkurs eröffnet worden sei, sei die Klage gegen die Drittbeklagte als Masseverwalterin einzubringen gewesen. Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes werde auf § 93 Abs 1 JN gestützt, da die Beklagten auf Grund ihrer solidarischen Haftung eine materielle Streitgenossenschaft bildeten.Mit der beim Bezirksgericht Gloggnitz eingebrachten Mahnklage begehren die Kläger von den Beklagten zur ungeteilten Hand die Zahlung von EUR 4.135,-- sA. Sie brachten vor, sie seien Mieter eines Mietobjektes in Brunn am Gebirge. Die Beklagten seien im klagsrelevanten Zeitraum zwischen März und Juni 2002 Eigentümer einer benachbarten Liegenschaft gewesen. Bei Grabungsarbeiten auf der Liegenschaft der Beklagten entlang der Grundstücksgrenze des von den Klägerin in Bestand genommenen Grundstückes sei es zu Erschütterungen bzw Vibrationen gekommen, welche zu einer Beschädigung des Kachelofens der Kläger geführt hätten. Die Kläger stützten ihr Klagebegehren insbesondere auf die nachbarrechtlichen Bestimmungen der §§ 364 Absatz 2,, 364b ABGB. Auf Grund dieser Bestimmungen stehe den Klägern in Analogie zu § 364a ABGB ein verschuldensunabhängiger Ausgleichsanspruch in der begehrten Höhe zu. Da über das Vermögen der B***** und I***** GmbH mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 23. 5. 2001 der Konkurs eröffnet worden sei, sei die Klage gegen die Drittbeklagte als Masseverwalterin einzubringen gewesen. Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes werde auf § 93 Absatz eins, JN gestützt, da die Beklagten auf Grund ihrer solidarischen Haftung eine materielle Streitgenossenschaft bildeten.

Das Erstgericht wies die Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit a limine zurück. Der Gerichtsstand der passiven materiellen Streitgenossenschaft nach § 93 JN könne nur in Anspruch genommen werden, sofern für den Rechtsstreit kein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand - etwa der Ort der Schadenszufügung - begründet sei. Wie sich aus der Klagserzählung ergebe, sei der gemeinsame Wahlgerichtsstand der Schadenszufügung (§ 92a JN) bei einem anderen als dem angerufenen Gericht gegeben, weshalb der Gerichtsstand der Streitgenossenschaft ausgeschlossen sei.

Das Rekursgericht gab dem von den Klägern gegen diesen Beschluss erhobenen Rekurs keine Folge. Es teilte die Rechtsmeinung des Erstgerichtes, dass für den Rechtsstreit der den Beklagten gemeinsame Wahlgerichtsstand der Schadenszufügung (§ 92a JN) bestehe. Der durch Art II Z 42 ZVN 1983, BGBl 1983/135, geschaffene Gerichtsstand der Schadenszufügung bezwecke nach den Gesetzesmaterialien die Klärung der Schadensverursachung, insbesondere des Verhaltens des Schädigers, durch ein Gericht am Ort der Schadenszufügung sowie die Abführung möglichst aller Prozesse von Geschädigten oder für alle Schadensfolgen bei demselben Gericht. Der Gerichtsstand umfasse sowohl vertragliche als auch deliktische Schadenersatzansprüche, wobei nicht auf das Vorliegen eines Verschulden abgestellt werde. Anwendungsfälle des § 92a JN seien vor allem Klagen bei deliktischer Haftung, insbesondere Schadenersatzansprüche aus Verkehrsunfällen. Der Gerichtsstand des § 92a JN habe auch auf den hier geltend gemachten verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruch nach § 364a ABGB Anwendung zu finden.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil - soweit überblickbar - eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu der erheblichen Rechtsfrage, ob auch Ausgleichsansprüche nach den §§364 ff ABGB beim Gerichtsstand der Schadenszufügung (§ 92a JN) geltend gemacht werden können, fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Revisionsrekurs der Kläger ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Kläger machen geltend, die Bestimmung des § 92a JN ziele, dem Vorbild des § 32 dZPO folgend, generell auf die Erfüllung eines schadenersatzrechtlichen Tatbestandes gemäß § 1295 ABGB ab. Auch bei Schadenersatzforderungen aus Vertragsverletzungen sei ein Verschulden erforderlich. Für verschuldensunabhängige Haftungsfälle seien gesonderte Gerichtsstände der Schadenszufügung geschaffen worden. Selbst bei den vom Rekursgericht angeführten „verschuldensunabhängigen" Haftungsfällen sei im Rahmen eines Verfahrens auf das Mitverschulden des Geschädigten bzw auf das Verschulden eines Dritten Bedacht zu nehmen. Die ratio des § 92a JN liege auch darin, im Rahmen des zu ermittelnden Sachverhaltes ein mögliches Verschulden eines Beteiligten festzustellen oder ausschließen zu können.

Der Ausgleichsanspruch nach § 364b ABGB sei weder mit einem deliktischen Schadenersatzanspruch noch mit Schadenersatzansprüchen aus Vertragsverletzung und auch nicht mit den verschuldensunabhängigen Haftungsansprüchen auf Grund einer Gefährdungshaftung vergleichbar, da bei der Beurteilung des Anspruches nach § 364b ABGB weder auf das konkrete schädigende Verhalten des Beklagten noch auf das schädigende Verhalten Dritter, welches den Beklagten allenfalls zuzurechnen sei, Bedacht zu nehmen sei. Der Ausgleichsanspruch nach § 364b ABGB ziele somit weniger auf das schädigende Verhalten oder auf die Ursache einer Beeinträchtigung, sondern vielmehr auf die daraus entspringende Schadensfolge ab.

Der erkennende Senat hat dazu Folgendes erwogen:

Unbestritten ist davon auszugehen, dass der von den Klägern in Anspruch genommene Gerichtsstand der Streitgenossenschaft (§ 93 Abs 1 JN) nur zur Verfügung steht, sofern für den Rechtsstreit nicht ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand - gleich viel, ob ausschließlicher Gerichtsstand oder Wahlgerichtsstand (zB § 92a JN) - begründet ist (RdW 2003/380, 450; Simotta in Fasching, Zivilprozessgesetze2 § 93 JN Rz 6 mwN; RIS-Justiz RS0117202).Unbestritten ist davon auszugehen, dass der von den Klägern in Anspruch genommene Gerichtsstand der Streitgenossenschaft (§ 93 Absatz eins, JN) nur zur Verfügung steht, sofern für den Rechtsstreit nicht ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand - gleich viel, ob ausschließlicher Gerichtsstand oder Wahlgerichtsstand (zB § 92a JN) - begründet ist (RdW 2003/380, 450; Simotta in Fasching, Zivilprozessgesetze2 § 93 JN Rz 6 mwN; RIS-Justiz RS0117202).

Nach dem durch Art II Z 42 der ZVN 1983, BGBl 1983/135, eingefügten Wahlgerichtsstandes § 92a JN können Streitigkeiten über den Ersatz des Schadens, der aus der Tötung oder Verletzung einer oder mehrerer Personen, aus einer Freiheitsberaubung oder aus der Beschädigung einer körperlichen Sache entstanden ist, auch bei dem Gericht angebracht werden, in dessen Sprengel das den Schaden verursachende Verhalten gesetzt worden ist. Das verfahrensökonomische Anliegen der Regelung war es, die Klärung der Schadensverursachung an Ort und Stelle sowie auch die Abführung möglichst aller Prozesse von (mehreren) Geschädigten oder für alle Schadensfolgen bei demselben Gericht zu ermöglichen (SZ 63/105 unter Hinweis auf die Erläuternden Bemerkungen zur RV 669 BlgNR XV. GP 39). Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass sich der Gerichtsstand der Schadenszufügung (§ 92a JN) - anders als der als Vorbild dienende § 32 dZPO - nicht nur auf Schadenersatzansprüche aus Delikt beschränkt, sondern auch bei Ersatzansprüchen aus Vertragsverletzungen sowie für Regressklagen des Haftpflichtversicherers als Legalzessionar Anwendung zu finden hat (SZ 63/105 ua; RIS-Justiz RS0046705). § 92a JN ist allerdings nicht anzuwenden, wenn aus einer Vertragsverletzung reine Vermögensschäden (ohne Beschädigung einer körperlichen Sache) geltend gemacht werden (SZ 64/123; SZ 63/105 ua). Anwendungsfälle des § 92a JN sind vor allem Klagen bei deliktischer Schädigung, so vor allem Schadenersatzansprüche aus Verkehrs- und Schiunfällen (Simotta aaO § 92a Rz 5), aber auch Schadenersatzansprüche aus Gefährdungshaftung, wie beispielsweise aus der Produkthaftung (A. Burgstaller, Prozessverbindung, Querklage und Interventionsklage, JBl 1994, 69 ff [74]; vgl auch JBl 1992, 655). Es kommt daher entgegen der Ansicht der Rekurswerber der Gerichtsstand der Schadenszufügung (§ 92a JN) nicht nur bei deliktischen Schadenersatzansprüchen, die ein Verschulden voraussetzen, sondern auch bei solchen Ansprüchen, die lediglich eine gefahrenerhöhende Tätigkeit oder einen bloßen Erfolg voraussetzen, zur Anwendung (vgl Fasching, LB2 Rz 308).Nach dem durch Art II Z 42 der ZVN 1983, BGBl 1983/135, eingefügten Wahlgerichtsstandes § 92a JN können Streitigkeiten über den Ersatz des Schadens, der aus der Tötung oder Verletzung einer oder mehrerer Personen, aus einer Freiheitsberaubung oder aus der Beschädigung einer körperlichen Sache entstanden ist, auch bei dem Gericht angebracht werden, in dessen Sprengel das den Schaden verursachende Verhalten gesetzt worden ist. Das verfahrensökonomische Anliegen der Regelung war es, die Klärung der Schadensverursachung an Ort und Stelle sowie auch die Abführung möglichst aller Prozesse von (mehreren) Geschädigten oder für alle Schadensfolgen bei demselben Gericht zu ermöglichen (SZ 63/105 unter Hinweis auf die Erläuternden Bemerkungen zur RV 669 BlgNR römisch XV. GP 39). Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass sich der Gerichtsstand der Schadenszufügung (§ 92a JN) - anders als der als Vorbild dienende § 32 dZPO - nicht nur auf Schadenersatzansprüche aus Delikt beschränkt, sondern auch bei Ersatzansprüchen aus Vertragsverletzungen sowie für Regressklagen des Haftpflichtversicherers als Legalzessionar Anwendung zu finden hat (SZ 63/105 ua; RIS-Justiz RS0046705). § 92a JN ist allerdings nicht anzuwenden, wenn aus einer Vertragsverletzung reine Vermögensschäden (ohne Beschädigung einer körperlichen Sache) geltend gemacht werden (SZ 64/123; SZ 63/105 ua). Anwendungsfälle des § 92a JN sind vor allem Klagen bei deliktischer Schädigung, so vor allem Schadenersatzansprüche aus Verkehrs- und Schiunfällen (Simotta aaO § 92a Rz 5), aber auch Schadenersatzansprüche aus Gefährdungshaftung, wie beispielsweise aus der Produkthaftung (A. Burgstaller, Prozessverbindung, Querklage und Interventionsklage, JBl 1994, 69 ff [74]; vergleiche auch JBl 1992, 655). Es kommt daher entgegen der Ansicht der Rekurswerber der Gerichtsstand der Schadenszufügung (§ 92a JN) nicht nur bei deliktischen Schadenersatzansprüchen, die ein Verschulden voraussetzen, sondern auch bei solchen Ansprüchen, die lediglich eine gefahrenerhöhende Tätigkeit oder einen bloßen Erfolg voraussetzen, zur Anwendung vergleiche Fasching, LB2 Rz 308).

Bei dem von den Klägern in Analogie zu § 364a ABGB geltend gemachten Ersatzanspruch nach § 364b ABGB handelt es sich um einen verschuldensunabhängigen Ersatzanspruch, dem ebenfalls der Gedanke einer „nachbarrechtlichen Gefährdungshaftung" zugrundeliegt (SZ 51/47, SZ 50/160 ua; Oberhammer in Schwimann, ABGB3 II § 364a Rz 9). Entgegen der Ansicht der Rekurswerber ist auch bei einem Ersatzanspruch nach § 364a ABGB der Einwand des Mitverschuldens zulässig (SZ 69/220 mwN). Es ist daher kein sachlicher Grund dafür erkennbar, in der Frage des Gerichtsstandes der Schadenszufügung (§ 92a JN) einen verschuldensunabhängigen Ersatzanspruch nach § 364a ABGB anders zu behandeln als einen gewöhnlichen Schadenersatzanspruch aus Delikt oder Vertragsverletzung. Für eine solche Gleichbehandlung spricht nicht nur die Auslegung der Bestimmung nach dem Wortsinn, sondern auch jene nach dem - aus den bereits zitierten Gesetzesmaterialien hervorleuchtenden - Zweck der Regelung, welche darin besteht, aus verfahrensökonomischen Gründen die Klärung der Schadensverursachung an Ort und Stelle zu ermöglichen. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber auch Ersatzansprüche nach § 364a ABGB durch die Regelung über den Wahlgerichtsstand der Schadenszufügung (§ 92a JN) erfassen wollte.

Dem Revisionsrekurs musste demnach ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 50 ZPO.

Textnummer

E76500

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2005:0100OB00007.05K.0308.000

Im RIS seit

07.04.2005

Zuletzt aktualisiert am

11.02.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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