Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Richter des Oberlandesgerichtes Mag.Hellmich (Vorsitzender), Mag.Ziegelbauer und Mag.Atria sowie die fachkundigen Laienrichter OR Mag.Christian Kemperle und ADir.Silvia Bauer in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A***** T*****, Arbeiterin, 1140 Wien, *****, vertreten durch Mag.Josef Zimmermann, Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien, 1040 Wien, Prinz-Eugen-Straße 20-22, wider die beklagte Partei G***** T*****, 1150 Wien, *****, vertreten durch Mag.Peter Maska, Wirtschaftskammer Wien, 1010 Wien, Stubenring 8-10, wegen EUR 308,22 sA, infolge der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 31.8.2004, 14 Cga 90/04p-8, gemäß den §§ 2 ASGG, 492 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Richter des Oberlandesgerichtes Mag.Hellmich (Vorsitzender), Mag.Ziegelbauer und Mag.Atria sowie die fachkundigen Laienrichter OR Mag.Christian Kemperle und ADir.Silvia Bauer in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A***** T*****, Arbeiterin, 1140 Wien, *****, vertreten durch Mag.Josef Zimmermann, Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien, 1040 Wien, Prinz-Eugen-Straße 20-22, wider die beklagte Partei G***** T*****, 1150 Wien, *****, vertreten durch Mag.Peter Maska, Wirtschaftskammer Wien, 1010 Wien, Stubenring 8-10, wegen EUR 308,22 sA, infolge der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 31.8.2004, 14 Cga 90/04p-8, gemäß den Paragraphen 2, ASGG, 492 Absatz eins, ZPO in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien den mit EUR 330,-- bestimmten Aufwandersatz binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Text
Außer Streit steht, dass die Klägerin bei der Beklagten als Näherin vom 21.1.1992 bis 28.11.2003 zu einem Bruttomonatslohn von zuletzt EUR 1.134,03 beschäftigt war und das Arbeitsverhältnis durch die von der Beklagten am 21.11.2003 zum 28.11.2003 ausgesprochenen Kündigung endete.
Mit der am 13.5.2004 beim Erstgericht eingelangten Mahnklage begehrt die Klägerin von der Beklagten eine Kündigungsentschädigung für den Zeitraum vom 29.11.2003 bis 5.12.2003 in der Höhe von EUR 264,60 brutto samt anteiligen Sonderzahlungen in der Höhe von EUR 43,62 brutto, gesamt EUR 308,22 brutto s.A. Die Klägerin brachte dazu vor, dass § 20 Abs 1 des anzuwendenden Kollektivvertrages für die ArbeiterInnen im Textilgewerbe eine Kündigungsfrist von zwei Wochen zum Ende der Arbeitswoche vorsehe. Der Klägerin sei kein Dienstzettel im Sinne des § 20 Abs 2 des Kollektivvertrages ausgefolgt worden, in dem ihr die auf eine Woche verkürzte Kündigungsfrist bekannt gegeben worden wäre. Die Kündigung vom 21.11.2003 hätte somit frühestens zum 5.12.2003 ausgesprochen werden dürfen.Mit der am 13.5.2004 beim Erstgericht eingelangten Mahnklage begehrt die Klägerin von der Beklagten eine Kündigungsentschädigung für den Zeitraum vom 29.11.2003 bis 5.12.2003 in der Höhe von EUR 264,60 brutto samt anteiligen Sonderzahlungen in der Höhe von EUR 43,62 brutto, gesamt EUR 308,22 brutto s.A. Die Klägerin brachte dazu vor, dass Paragraph 20, Absatz eins, des anzuwendenden Kollektivvertrages für die ArbeiterInnen im Textilgewerbe eine Kündigungsfrist von zwei Wochen zum Ende der Arbeitswoche vorsehe. Der Klägerin sei kein Dienstzettel im Sinne des Paragraph 20, Absatz 2, des Kollektivvertrages ausgefolgt worden, in dem ihr die auf eine Woche verkürzte Kündigungsfrist bekannt gegeben worden wäre. Die Kündigung vom 21.11.2003 hätte somit frühestens zum 5.12.2003 ausgesprochen werden dürfen.
Die Beklagte stellte neben den oben angeführten Außerstreitstellungen auch die Höhe des Klagebegehrens außer Streit, beantragte Klagsabweisung und brachte dazu vor, dass die Kündigung nicht fristwidrig erfolgt sei. Die Beklagte führe ausschließlich Lohnaufträge durch und sei daher auf Kündigungen die Bestimmung des § 20 Z 2 des Kollektivvertrages anzuwenden. Diese Bestimmung sehe eine einwöchige Kündigungsfrist vor, sowie, dass diese Frist dem Arbeitnehmer bereits mit Beginn des Arbeitsverhältnisses mittels Dienstzettel bekannt zu geben sei. Zum Zeitpunkt des Eintrittes der Klägerin in das Arbeitsverhältnis zur Beklagten wäre jedoch infolge einer anderen Fachgruppenzuordnung in der Wirtschaftskammer der Kollektivvertrag für Mieder- und Wäschewarenerzeuger anwendbar gewesen. Dieser Kollektivvertrag habe für Dienstnehmer, die Lohnaufträge ausführen, eine dreitägige Kündigungsfrist vorgesehen, allerdings ohne Verständigungspflicht durch einen Dienstzettel. Die Klägerin wäre bei ihrer Aufnahme im Jahr 1992 mündlich über die kürzere Kündigungsfrist informiert worden, ein Dienstzettel wäre ihr - mangels gesetzlicher Verpflichtung - nicht ausgestellt worden. Somit sei die von der Klägerin behauptete Bestimmung des § 20 Z 2 des Kollektivvertrages, die vorsehe, dass ein solcher Dienstzettel bei Beginn des Dienstverhältnisses der Klägerin auszustellen gewesen wäre, auf das Dienstverhältnis der Klägerin nie anwendbar gewesen. Vielmehr wäre in Analogie zu § 2 Abs 7 AVRAG davon auszugehen, dass die Klägerin einen solchen Dienstzettel innerhalb von zwei Monaten nach Inkrafttreten der geänderten Kollektivvertragsbestimmung von der Beklagten hätte verlangen müssen. Da sie dies nicht getan habe, habe die Beklagte einen solchen auch nicht ausgestellt.Die Beklagte stellte neben den oben angeführten Außerstreitstellungen auch die Höhe des Klagebegehrens außer Streit, beantragte Klagsabweisung und brachte dazu vor, dass die Kündigung nicht fristwidrig erfolgt sei. Die Beklagte führe ausschließlich Lohnaufträge durch und sei daher auf Kündigungen die Bestimmung des Paragraph 20, Ziffer 2, des Kollektivvertrages anzuwenden. Diese Bestimmung sehe eine einwöchige Kündigungsfrist vor, sowie, dass diese Frist dem Arbeitnehmer bereits mit Beginn des Arbeitsverhältnisses mittels Dienstzettel bekannt zu geben sei. Zum Zeitpunkt des Eintrittes der Klägerin in das Arbeitsverhältnis zur Beklagten wäre jedoch infolge einer anderen Fachgruppenzuordnung in der Wirtschaftskammer der Kollektivvertrag für Mieder- und Wäschewarenerzeuger anwendbar gewesen. Dieser Kollektivvertrag habe für Dienstnehmer, die Lohnaufträge ausführen, eine dreitägige Kündigungsfrist vorgesehen, allerdings ohne Verständigungspflicht durch einen Dienstzettel. Die Klägerin wäre bei ihrer Aufnahme im Jahr 1992 mündlich über die kürzere Kündigungsfrist informiert worden, ein Dienstzettel wäre ihr - mangels gesetzlicher Verpflichtung - nicht ausgestellt worden. Somit sei die von der Klägerin behauptete Bestimmung des Paragraph 20, Ziffer 2, des Kollektivvertrages, die vorsehe, dass ein solcher Dienstzettel bei Beginn des Dienstverhältnisses der Klägerin auszustellen gewesen wäre, auf das Dienstverhältnis der Klägerin nie anwendbar gewesen. Vielmehr wäre in Analogie zu Paragraph 2, Absatz 7, AVRAG davon auszugehen, dass die Klägerin einen solchen Dienstzettel innerhalb von zwei Monaten nach Inkrafttreten der geänderten Kollektivvertragsbestimmung von der Beklagten hätte verlangen müssen. Da sie dies nicht getan habe, habe die Beklagte einen solchen auch nicht ausgestellt.
Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht dem Klagebegehren zur Gänze statt und legte es seiner Entscheidung die zu Beginn angeführten Außerstreitstellungen als Sachverhalt zugrunde. Daraus folgerte das Erstgericht rechtlich, dass sowohl § 20 Abs 2 des "Kleidermacher-Kollektivvertrages", als auch § 20 Abs 2 des Kollektivvertrages für Mieder- und Wäschewarenerzeuger (idF ab Jänner 1997) die Beklagte verpflichtet habe, bereits mit Beginn des Arbeitsverhältnisses die verkürzte Kündigungsfrist mittels eines Dienstzettels gegenüber der Klägerin bekannt zu geben. Daraus wäre analog abzuleiten, dass die Beklagte diese verkürzte Kündigungsfrist der Klägerin schriftlich hätte bekannt geben müssen, was unstrittig nicht geschehen wäre.Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht dem Klagebegehren zur Gänze statt und legte es seiner Entscheidung die zu Beginn angeführten Außerstreitstellungen als Sachverhalt zugrunde. Daraus folgerte das Erstgericht rechtlich, dass sowohl Paragraph 20, Absatz 2, des "Kleidermacher-Kollektivvertrages", als auch Paragraph 20, Absatz 2, des Kollektivvertrages für Mieder- und Wäschewarenerzeuger in der Fassung ab Jänner 1997) die Beklagte verpflichtet habe, bereits mit Beginn des Arbeitsverhältnisses die verkürzte Kündigungsfrist mittels eines Dienstzettels gegenüber der Klägerin bekannt zu geben. Daraus wäre analog abzuleiten, dass die Beklagte diese verkürzte Kündigungsfrist der Klägerin schriftlich hätte bekannt geben müssen, was unstrittig nicht geschehen wäre.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten aus den Berufungsgründen der unrichtigen rechtlichen Beurteilung, der Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie der unrichtigen Beweiswürdigung mit dem Antrag, es im klagsabweisenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben. Die Berufung ist nicht berechtigt.
Unter dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung rügt die Beklagte als sekundäre Mangelhaftigkeit das Fehlen von Feststellungen zu der Frage, ob der Betrieb der Beklagten eine Lohnwerkstätte ist und ob die Klägerin überwiegend Lohnaufträge ausführte, sowie die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes, wonach die kollektivvertragliche Verpflichtung zu einer schriftlichen Bekanntgabe der verkürzten Kündigungsfrist analog auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Streitteilen anzuwenden wäre. Der Behandlung der Rechtsrüge ist zum besseren Verständnis der Inhalt der hier maßgeblichen kollektivvertraglichen Regelungen voranzustellen:
Bei Aufnahme der Klägerin durch die Beklagte am 21.1.1992 gelangten auf das Arbeitsverhältnis die Bestimmungen des Kollektivvertrages für Mieder- und Wäschewarenerzeuger zur Anwendung (im Folgenden kurz KV Mieder- und Wäschewarenerzeuger).
§ 17 des KV Mieder- und Wäschewarenerzeuger lautete wie folgt:Paragraph 17, des KV Mieder- und Wäschewarenerzeuger lautete wie folgt:
"§ 17 Lösung des Arbeitsverhältnisses:
1.) Die ersten vier Wochen gelten als Probezeit. Während der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis jederzeit gelöst werden. Ein über die Dauer der vierwöchigen Probezeit hinausgehendes befristetes Arbeitsverhältnis kann rechtsverbindlich nur schriftlich vereinbart werden.
2.) Nach Ablauf der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis unter Beachtung der gesetzlichen Bestimmungen und unter Einhaltung einer 14-tägigen Kündigungsfrist zum Ende der Arbeitswoche gelöst werden.
3.) Für Arbeitnehmer in Lohnwerkstätten, welche überwiegend Lohnaufträge ausführen, beträgt die Kündigungsfrist drei Tage.
4.) Während der Kündigungsfrist ist dem Arbeitnehmer über sein Verlangen gemäß § 1160 ABGB eine angemessene Freizeit unter Fortzahlung des Lohnes zum Suchen eines anderen Arbeitsplatzes zu gewähren."4.) Während der Kündigungsfrist ist dem Arbeitnehmer über sein Verlangen gemäß Paragraph 1160, ABGB eine angemessene Freizeit unter Fortzahlung des Lohnes zum Suchen eines anderen Arbeitsplatzes zu gewähren."
Ab 1.1.1997 gelangten auf das Arbeitsverhältnis die Bestimmungen des Rahmenkollektivvertrages u.a. der Bundesinnung der Kleidermacher und der Mieder- und Wäschewarenerzeuger (kurz KV Kleidermacher) zur Anwendung.
§ 20 des KV Kleidermacher lautete:Paragraph 20, des KV Kleidermacher lautete:
"§ 20 Beendigung des Arbeitsverhältnisses:
1.) Nach Ablauf der Probezeit bzw schriftlich vereinbarter Befristung des Arbeitsverhältnisses kann das Arbeitsverhältnis unter Beachtung der gesetzlichen Bestimmungen mittels einer Kündigungsfrist von zwei Kalenderwochen einseitig beendet werden.
2.) In Betrieben, die überwiegend Lohnaufträge ausführen, beträgt die Kündigungsfrist eine Kalenderwoche. Diese verkürzte Kündigungsfrist ist dem Arbeitnehmer bereits mit Beginn des Arbeitsverhältnisses (Dienstzettel) bekannt zu geben.
3.) Der Ausspruch bzw der Ablauf der Kündigungsfrist hat so zu erfolgen, dass das Arbeitsverhältnis zum letzten Arbeitstag einer Arbeitswoche beendet wird.
4.) ... (Regelung der Postensuchtage) ..."
Ab 1.5.2002 gelangte auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Streitteilen die gleichlautende Regelung des § 20 des Kollektivvertrages für das Textilgewerbe zur Anwendung. Somit galt für das gegenständliche Arbeitsverhältnis ab dem 1.1.1997 als grundsätzliche Bestimmung eine Kündigungsfrist von zwei Kalenderwochen, als Ausnahme in Betrieben, die überwiegend Lohnaufträge ausführen, eine Kündigungsfrist von einer Kalenderwoche, jeweils zum letzten Arbeitstag einer Arbeitswoche. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 20 Abs 2 zweiter Satz KV Textilgewerbe (wie auch schon zuvor KV Kleidermacher) ist diese verkürzte Kündigungsfrist dem Arbeitnehmer bereits mit Beginn des Arbeitsverhältnisses (Dienstzettel) bekannt zu geben. Normative Bestimmungen eines Kollektivvertrages, also Regelungen der gegenseitigen aus dem Arbeitsverhältnis entspringenden Rechte und Pflichten der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer (§ 2 Abs 2 Z 2 ArbVG), sind nach ständiger Rechtsprechung wie Gesetze auszulegen (OGH 12.7.1989 Arb 10.815; 13.7.1994 Arb 11.230, uva.). Entsprechend der Auslegungsregeln der §§ 6 und 7 ABGB ist daher maßgeblich, welchen Willen des Normgebers der Leser aus dem Vertragstext unter Anwendung der Wortinterpretation, der systematischen, historischen und objektiv-teleologischen Interpretation entnehmen kann. Der Wortlaut der genannten Kollektivvertragsbestimmung sieht eine Verpflichtung des Arbeitgebers vor, dem Arbeitnehmer die verkürzte Kündigungsfrist mit Beginn des Arbeitsverhältnisses (Dienstzettel) bekannt zu geben. Auf Grund des eindeutigen Wortlautes ist davon auszugehen, dass es sich dabei nicht um eine bloße Ordnungsvorschrift, sondern um eine Verpflichtung im Sinne einer rechtsverbindlichen Anordnung handelt, sodass die Bekanntgabe bei Beginn des Arbeitsverhältnisses eine Wirksamkeitsvoraussetzung für die - in der Systematik ausnahmsweise - Verkürzung der Kündigungsfrist ist.Ab 1.5.2002 gelangte auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Streitteilen die gleichlautende Regelung des Paragraph 20, des Kollektivvertrages für das Textilgewerbe zur Anwendung. Somit galt für das gegenständliche Arbeitsverhältnis ab dem 1.1.1997 als grundsätzliche Bestimmung eine Kündigungsfrist von zwei Kalenderwochen, als Ausnahme in Betrieben, die überwiegend Lohnaufträge ausführen, eine Kündigungsfrist von einer Kalenderwoche, jeweils zum letzten Arbeitstag einer Arbeitswoche. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Paragraph 20, Absatz 2, zweiter Satz KV Textilgewerbe (wie auch schon zuvor KV Kleidermacher) ist diese verkürzte Kündigungsfrist dem Arbeitnehmer bereits mit Beginn des Arbeitsverhältnisses (Dienstzettel) bekannt zu geben. Normative Bestimmungen eines Kollektivvertrages, also Regelungen der gegenseitigen aus dem Arbeitsverhältnis entspringenden Rechte und Pflichten der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer (Paragraph 2, Absatz 2, Ziffer 2, ArbVG), sind nach ständiger Rechtsprechung wie Gesetze auszulegen (OGH 12.7.1989 Arb 10.815; 13.7.1994 Arb 11.230, uva.). Entsprechend der Auslegungsregeln der Paragraphen 6 und 7 ABGB ist daher maßgeblich, welchen Willen des Normgebers der Leser aus dem Vertragstext unter Anwendung der Wortinterpretation, der systematischen, historischen und objektiv-teleologischen Interpretation entnehmen kann. Der Wortlaut der genannten Kollektivvertragsbestimmung sieht eine Verpflichtung des Arbeitgebers vor, dem Arbeitnehmer die verkürzte Kündigungsfrist mit Beginn des Arbeitsverhältnisses (Dienstzettel) bekannt zu geben. Auf Grund des eindeutigen Wortlautes ist davon auszugehen, dass es sich dabei nicht um eine bloße Ordnungsvorschrift, sondern um eine Verpflichtung im Sinne einer rechtsverbindlichen Anordnung handelt, sodass die Bekanntgabe bei Beginn des Arbeitsverhältnisses eine Wirksamkeitsvoraussetzung für die - in der Systematik ausnahmsweise - Verkürzung der Kündigungsfrist ist.
Mit anderen Worten ausgedrückt legt der Kollektivvertrag für Betriebe, die überwiegend Lohnaufträge ausführen, in Abweichung von der grundsätzlich zweiwöchigen Kündigungsfrist eine einwöchige Kündigungsfrist fest, wenn diese verkürzte Kündigungsfrist dem Arbeitnehmer bereits mit Beginn des Arbeitsverhältnisses im Dienstzettel bekanntgegeben wird. Das hat etwa auch zur Konsequenz, dass in Betrieben, die überwiegend Lohnaufträge ausführen, eine erst im Laufe eines Arbeitsverhältnisses erfolgende Bekanntgabe an den Arbeitnehmer die zweiwöchige Kündigungsfrist nicht wirksam auf eine Woche verkürzt. Diese Konsequenz ist auch insofern sachlich und nachvollziehbar, als es sich bei dem Tatbestandsmerkmal der überwiegenden Ausführung von Lohnaufträgen um eine Tatsache handelt, die allein dem Arbeitgeber bekannt ist und gegenüber dem Arbeitnehmer bei Verrichtung seiner Tätigkeit in keiner Weise in Erscheinung tritt. Der Kollektivvertrag will somit die ausnahmsweise Verkürzung der Kündigungsfrist auf eine Kalenderwoche auf die Fälle beschränken, in denen der überwiegend Lohnaufträge ausführende Charakter eines Betriebes von Beginn des Arbeitsverhältnisses an bekannt ist und dem Arbeitnehmer durch die entsprechende Mitteilung seitens des Arbeitgebers von Beginn des Arbeitsverhältnisses an auch Klarheit über die verkürzte Kündigungsfrist verschafft wird. Somit verbietet der eindeutige Wortlaut und der aufgezeigte Zweck der Regelung eine Auslegung, wonach auch in anderen Fällen von überwiegend Lohnaufträge ausführenden Betrieben, wie dem hier gegenständlichen Fall der Anwendung der Regelung auf ein bereits bestehendes Arbeitsverhältnis, die auf eine Woche verkürzte Kündigungsfrist gilt.
Letztlich spricht auch die Tatsache, dass die genannte Bestimmung mit dem Rahmenkollektivvertrag mit 1.1.1997 neu in Kraft getreten ist und der Kollektivvertrag keine Sonderregelung für die zu diesem Zeitpunkt bereits bestehenden Arbeitsverhältnisse vorgesehen hat, dafür, dass für die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens bestehenden Arbeitsverhältnisse generell eine zweiwöchige Kündigungsfrist normiert wurde und für solche Arbeitsverhältnisse auch in Betrieben, die überwiegend Lohnaufträge ausführen, eine Verkürzung dieser Kündigungsfrist nicht mehr vorgenommen werden konnte. Wenn man in anderer rechtlicher Beurteilung davon ausgeht, dass sich die Verkürzung der Kündigungsfrist in überwiegend Lohnaufträge ausführenden Betrieben auch auf zum Zeitpunkt des Inkrafttretens (1.1.1997) bestehende Arbeitsverhältnisse auswirkt, würde nach Ansicht des erkennenden Senates jedenfalls der vom Erstgericht in seiner rechtlichen Beurteilung herangezogene Analogieschluss zutreffen. Die im Kollektivvertrag nicht geregelte Information von Arbeitnehmern mit bestehenden Arbeitsverhältnissen wäre diesfalls zweifelsohne als eine Lücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit der Norm anzusehen. In Analogie zu der verpflichtenden Bekanntgabe mit Dienstzettel bei Beginn des Arbeitsverhältnisses wäre in diesem Fall der Arbeitgeber verpflichtet gewesen, die verkürzte Kündigungsfrist dem Arbeitnehmer mit Inkrafttreten der neuen kollektivvertraglichen Regelung mit 1.1.1997 mit einem Dienstzettel oder zumindest einer schriftlichen Mitteilung (analog § 2 Abs 6 AVRAG) bekannt zu geben. Da dies im gegenständlichen Arbeitsverhältnis unbestrittenermaßen nicht erfolgt ist, ist die Verkürzung der Kündigungsfrist jedenfalls nicht wirksam geworden.Letztlich spricht auch die Tatsache, dass die genannte Bestimmung mit dem Rahmenkollektivvertrag mit 1.1.1997 neu in Kraft getreten ist und der Kollektivvertrag keine Sonderregelung für die zu diesem Zeitpunkt bereits bestehenden Arbeitsverhältnisse vorgesehen hat, dafür, dass für die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens bestehenden Arbeitsverhältnisse generell eine zweiwöchige Kündigungsfrist normiert wurde und für solche Arbeitsverhältnisse auch in Betrieben, die überwiegend Lohnaufträge ausführen, eine Verkürzung dieser Kündigungsfrist nicht mehr vorgenommen werden konnte. Wenn man in anderer rechtlicher Beurteilung davon ausgeht, dass sich die Verkürzung der Kündigungsfrist in überwiegend Lohnaufträge ausführenden Betrieben auch auf zum Zeitpunkt des Inkrafttretens (1.1.1997) bestehende Arbeitsverhältnisse auswirkt, würde nach Ansicht des erkennenden Senates jedenfalls der vom Erstgericht in seiner rechtlichen Beurteilung herangezogene Analogieschluss zutreffen. Die im Kollektivvertrag nicht geregelte Information von Arbeitnehmern mit bestehenden Arbeitsverhältnissen wäre diesfalls zweifelsohne als eine Lücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit der Norm anzusehen. In Analogie zu der verpflichtenden Bekanntgabe mit Dienstzettel bei Beginn des Arbeitsverhältnisses wäre in diesem Fall der Arbeitgeber verpflichtet gewesen, die verkürzte Kündigungsfrist dem Arbeitnehmer mit Inkrafttreten der neuen kollektivvertraglichen Regelung mit 1.1.1997 mit einem Dienstzettel oder zumindest einer schriftlichen Mitteilung (analog Paragraph 2, Absatz 6, AVRAG) bekannt zu geben. Da dies im gegenständlichen Arbeitsverhältnis unbestrittenermaßen nicht erfolgt ist, ist die Verkürzung der Kündigungsfrist jedenfalls nicht wirksam geworden.
Das von der Beklagten in der Berufung dagegen vorgebrachte Argument, zum Zeitpunkt des Dienstantrittes der Klägerin wäre eine eindeutige kollektivvertragliche Regelung vorgelegen, die das Schriftlichkeitsgebot nicht vorgesehen habe und habe zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht die gesetzliche Verpflichtung zur Ausstellung eines Dienstzettels (§ 2 AVRAG) bestanden, weshalb kein Grund für eine Analogie zu erkennen wäre, verkennt, dass mit dem Inkrafttreten des Rahmenkollektivvertrages Kleidermacher mit 1.1.1997 die Kündigungsfristen im Kollektivvertrag eben neu und in Bezug auf die verpflichtende schriftliche Bekanntgabe des Arbeitgebers bei der ausnahmsweisen Verkürzung der Kündigungsfrist für die Arbeitgeberseite ungünstiger als zuvor geregelt wurde. Vor diesem Hintergrund hätte nicht - wie von der Berufungswerberin vorgebracht - die Erfassung der bereits bestehenden Arbeitsverhältnisse im Kollektivvertrag ausdrücklich geregelt werden müssen, sondern ist es vielmehr so, dass der Kollektivvertrag ohne Einschränkung auch für bestehende Arbeitsverhältnisse zur Anwendung gelangte und eine Ausnahme der Anwendbarkeit bestimmter Regelungen - wie hier der Regelung, dass die verkürzte Kündigungsfrist dem Arbeitnehmer bereits mit Beginn des Arbeitsverhältnisses mit Dienstzettel bekannt zu geben ist - ausdrücklich hätte normiert werden müssen.Das von der Beklagten in der Berufung dagegen vorgebrachte Argument, zum Zeitpunkt des Dienstantrittes der Klägerin wäre eine eindeutige kollektivvertragliche Regelung vorgelegen, die das Schriftlichkeitsgebot nicht vorgesehen habe und habe zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht die gesetzliche Verpflichtung zur Ausstellung eines Dienstzettels (Paragraph 2, AVRAG) bestanden, weshalb kein Grund für eine Analogie zu erkennen wäre, verkennt, dass mit dem Inkrafttreten des Rahmenkollektivvertrages Kleidermacher mit 1.1.1997 die Kündigungsfristen im Kollektivvertrag eben neu und in Bezug auf die verpflichtende schriftliche Bekanntgabe des Arbeitgebers bei der ausnahmsweisen Verkürzung der Kündigungsfrist für die Arbeitgeberseite ungünstiger als zuvor geregelt wurde. Vor diesem Hintergrund hätte nicht - wie von der Berufungswerberin vorgebracht - die Erfassung der bereits bestehenden Arbeitsverhältnisse im Kollektivvertrag ausdrücklich geregelt werden müssen, sondern ist es vielmehr so, dass der Kollektivvertrag ohne Einschränkung auch für bestehende Arbeitsverhältnisse zur Anwendung gelangte und eine Ausnahme der Anwendbarkeit bestimmter Regelungen - wie hier der Regelung, dass die verkürzte Kündigungsfrist dem Arbeitnehmer bereits mit Beginn des Arbeitsverhältnisses mit Dienstzettel bekannt zu geben ist - ausdrücklich hätte normiert werden müssen.
Vor dem Hintergrund dieses rechtlichen Befundes erübrigten sich auch Feststellungen zu der Frage, ob im Betrieb der Beklagten überwiegend Lohnaufträge ausgeführt werden. Die in diesem Zusammenhang von der Berufungswerberin gerügte sekundäre Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt demnach nicht vor.
Der Berufungsgrund der unrichtigen Beweiswürdigung ist von der Beklagten nicht gesetzmäßig ausgeführt.
Die dabei begehrte Feststellung des Betriebes des Unternehmens in Form einer Lohnwerkstätte mit überwiegender Ausführung von Lohnaufträgen ist eine bloße Wiederholung der behaupteten sekundären Mangelhaftigkeit des Verfahrens, auf die bereits weiter oben eingegangen wurde.
Die gewünschten Feststellungen zu der zum Zeitpunkt des Eintrittes der Klägerin geltenden kollektivvertraglichen Kündigungsfrist, zur Ausdehnung der Kündigungsfrist auf eine Woche mit 1.1.1997 sowie zum Inhalt der Neuregelung der Kündigungsfrist, sind keine Tatsachenfeststellungen, sondern in Wahrheit rechtliche Beurteilung. Eine Auseinandersetzung mit dem dazu behaupteten rechtlichen Befund erfolgte bereits weiter oben.
Der in allen Punkten unberechtigten Berufung war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO sowie die Bestimmungen des Aufwandersatzgesetzes.Die Kostenentscheidung gründet sich auf die Paragraphen 41,, 50 ZPO sowie die Bestimmungen des Aufwandersatzgesetzes.
Die ordentliche Revision war gemäß § 502 Abs 1 ZPO nicht zuzulassen. Für die gegenständliche Entscheidung war die Chronologie des Beginns des Arbeitsverhältnisses, des Inkrafttretens einer neuen kollektivvertraglichen Regelung sowie die nicht erfolgte schriftliche Bekanntgabe über die verkürzte Kündigungsfrist maßgeblich. Dabei handelt es sich um eine konkrete Fallgestaltung und kommt der Entscheidung keine erheblicheBedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zu.Die ordentliche Revision war gemäß Paragraph 502, Absatz eins, ZPO nicht zuzulassen. Für die gegenständliche Entscheidung war die Chronologie des Beginns des Arbeitsverhältnisses, des Inkrafttretens einer neuen kollektivvertraglichen Regelung sowie die nicht erfolgte schriftliche Bekanntgabe über die verkürzte Kündigungsfrist maßgeblich. Dabei handelt es sich um eine konkrete Fallgestaltung und kommt der Entscheidung keine erheblicheBedeutung im Sinne des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO zu.
Oberlandesgericht Wien
1016 Wien, Schmerlingplatz 11
Anmerkung
EW00538 9Ra182.04gEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OLG0009:2005:0090RA00182.04G.0316.000Dokumentnummer
JJT_20050316_OLG0009_0090RA00182_04G0000_000