TE Vwgh Erkenntnis 2007/7/3 2006/05/0079

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.07.2007
beobachten
merken

Index

L10014 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt
Oberösterreich;
L80004 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan
Oberösterreich;
L82000 Bauordnung;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
AVG §68 Abs1;
AVG §68 Abs2;
AVG §68 Abs4;
BauRallg;
B-VG Art119a Abs7;
GdO OÖ 1990 §103 Abs1;
GdO OÖ 1990 §98 Abs1;
ROG OÖ 1994 §30 Abs3 Z5;
ROG OÖ 1994 §30 Abs5;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Waldstätten und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde 1. des Ing. Markus Danner in Oberhofen, 2. der Dr. Isolde Danner in Altheim, beide vertreten durch Dr. Walter Brandl, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Rudolfskai 48/I, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 22. Februar 2006, Zl. BauR-013586/6-2006-Ri/Vi, betreffend Aufhebung einer Baubewilligung gemäß § 103 Oö. Gemeindeordnung 1990, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Oberösterreich insgesamt Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das den Beschwerdeführern gehörige Grundstück Nr. 1939/5 der Liegenschaft EZ 290, KG Rabenschwand, war als Bauland "WE" ("Gebiet für einen zeitweiligen Wohnbedarf") gewidmet. Auf Grund der Änderung des Flächenwidmungsplanes Nr. 2 Teil Süd der Gemeinde Oberhofen am Irrsee mit Beschluss des Gemeinderates vom 7. Februar 2002 ist nunmehr dieses Grundstück als Grünland "Grünzug-Seeufer (GZ-S)" gewidmet. Die Genehmigung der Änderung des Flächenwidmungsplanes durch die Oö. Landesregierung erfolgte am 16. Juni 2003 und wurde am 23. Juni 2003 durch Anschlag kundgemacht.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Oberhofen am Irrsee vom 8. Juni 2004 wurde den Beschwerdeführern die Baubewilligung zur Errichtung einer Doppelgarage auf dem Grundstück Nr. 1939/5 der Liegenschaft EZ 290, KG Rabenschwand, in der Größe von 38,50 m2 (7 m Länge und 5,50 m Breite) erteilt. Plangemäß soll die 2,66 m hohe Garage mit einem Flachdach mit Grasbewuchs überdacht werden.

Die dagegen erhobenen Berufungen mehrerer Nachbarn wurden mit Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde Oberhofen vom 21. Juli 2005 abgewiesen.

Im Zuge der Bearbeitung der zur Entscheidung vorgelegten Vorstellung der Nachbarn führte die belangte Behörde ein Ermittlungsverfahren durch und stellte fest, dass das Baugrundstück nach dem rechtswirksamen Flächenwidmungsplan Nr. 2 der Gemeinde Oberhofen am Irrsee als "Grünzug-Seeufer" gewidmet und in der Planlegende u.a. ausdrücklich festgelegt ist, dass auf den als "Grünzug-Seeufer" gewidmeten Flächen keine Neubauten errichtet werden dürfen.

Die Beschwerdeführer gaben über Aufforderung der belangten Behörde eine Stellungnahme ab, in der sie darauf hinwiesen, dass sie das Bauansuchen im Jahre 2001 eingebracht hätten und der Flächenwidmungsplan erst im Jahre 2003 neu festgelegt worden sei.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die "rechtskräftige Baubewilligung vom 21.7.2005 (Bescheid des Bürgermeisters vom 8.6.2004 in Verbindung mit dem Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde Oberhofen am Irrsee vom 21.7.2005)" "von Amts wegen" wegen Gesetzesverletzung aufgehoben. Die belangte Behörde stützte sich auf § 103 der Oö. Gemeindeordnung 1990 und begründete ihre Entscheidung damit, dass es im Rahmen eines amtswegigen - aufsichtsbehördlichen - Bescheidaufhebungsverfahren rechtlich unerheblich sei, ob die Nachbarn bei der Bauverhandlung die Rechtswidrigkeit des beantragten Bauvorhabens wegen Widerspruchs zum damals bereits rechtswirksamen Flächenwidmungsplan Nr. 2 eingewendet haben. Eine Verfristung könne daher in diesem Zusammenhang nicht vorliegen. Insoweit die Beschwerdeführer auf eine "Ungleichbehandlung in Bezug auf (angeblich) genehmigte Doppelgaragen der Nachbarn" verweisen, sei festzuhalten, dass die im Zeitpunkt der Erlassung der baubehördlichen Bescheide geltende Sach- und Rechtslage für die Entscheidung allein maßgeblich sei. Da sowohl bei der Erlassung des Bescheides der Baubehörde erster Instanz als auch vor allem zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides des Gemeinderates der Gemeinde Oberhofen am Irrsee der als Verordnung zu qualifizierende Flächenwidmungsplan Nr. 2 bereits rechtswirksam gewesen sei, hätte dem gegenständlichen Baubewilligungsantrag keine Folge gegeben werden dürfen, da das in Rede stehende Bauvorhaben zwingenden Bestimmungen des angeführten Flächenwidmungsplanes widersprochen habe. Nach § 98 Oö. Gemeindeordnung 1990 sei das Aufsichtsrecht unter möglichster Bedachtnahme auf die Eigenverantwortlichkeit der Gemeinde und unter möglichster Schonung erworbener Rechte Dritte auszuüben. Stünden im Einzelfall verschiedene Aufsichtsmittel zur Verfügung, so sei das jeweils gelindeste noch zum Ziel führende Mittel anzuwenden. Die Aufsichtsbehörde habe sich daher bei der vorliegenden Entscheidung auch mit der Frage zu beschäftigen, ob der mit der Aufhebung verbundene Eingriff in die Gemeindeautonomie bzw. der Eingriff in die Rechte der Bauwerber, die durch Erwirkung der Baubewilligung das Recht zur Ausführung des Bauvorhabens erlangt hätten, im öffentlichen Interesse erforderlich sei. Bei der diesbezüglichen Interessensabwägung sei von folgenden Erwägungen auszugehen:

Es sei nach § 97 Oö. Gemeindeordnung 1990 Ziel und Aufgabe der Gemeindeaufsicht, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde zu kontrollieren. Die Baubehörde habe in ihrer Stellungnahme vom 10. Jänner 2006 selbst von einer falschen Entscheidung gesprochen und somit die Rechtswidrigkeit der erfolgten (rechtswidrigen) Erteilung der Baubewilligung für die gegenständliche Doppelgarage "eingestanden". Vor diesem Hintergrund sei auf Grund des evidenten Widmungswiderspruchs des in Rede stehenden Bauvorhabens zum rechtswirksamen Flächenwidmungsplan Nr. 2 der mit der Aufhebung der rechtskräftigen baubehördlichen Bewilligung verbundene Eingriff in die Gemeindeautonomie im öffentlichen Interesse jedenfalls erforderlich gewesen. In Bezug auf den Grundsatz der möglichsten Schonung der erworbenen Rechte der Bauwerber sei auszuführen, dass dieser aber keineswegs einen Vorrang privater vor öffentlichen Interessen bedeute, sondern vielmehr ein Gebot der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in erworbene Rechte statuiere. Bei dieser Interessensabwägung gingen die öffentlichen Interessen an der Einhaltung des Flächenwidmungsplanes den privaten Interessen an der Aufrechterhaltung einer rechtskräftigen, gesetzwidrigen Baubewilligung vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführer machen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Die Beschwerdeführer behaupten, dass der angefochtene Bescheid jeglicher Interessenabwägung entbehre. Mangels näherer Konkretisierung der Parameter der Interessenabwägung kämen die streng normierten Vorgaben des § 68 AVG für die amtswegige Bescheidbehebung zur Anwendung. Die Interessen der Gemeinschaft gingen den Einzelinteressen dann vor, wenn schwere Schäden durch den Bescheid verursacht würden oder dieser an besonders gefährlichen Fehlern leide. Keines von beiden sei hier der Fall; es sei weder das Leben oder die Gesundheit von Menschen gefährdet, noch seien schwere volkswirtschaftliche Schädigungen zu erwarten. Die Errichtung der Doppelgarage ziehe keinerlei Gefährdung oder Schädigung irgend einer Art nach sich. Weder die Oö. Gemeindeordnung 1990, das Oö. Bautechnikgesetz 1994, die Oö. Bautechnikverordnung noch das Oö. ROG 1994 statuierten die Sanktion der Nichtigkeit eines Bescheides, welcher gegen die in den genannten Normen getroffenen Regelungen verstoße. Die Nichtigkeit habe Ausnahmecharakter; nicht alle Verstöße gegen ein Gesetz oder eine Verordnung könnten daher Nichtigkeit begründen. Bei der Ermessensübung im Rahmen einer Nichtigerklärung nach § 68 AVG sei darauf zu achten, die Aufsichtsmittel unter möglichster Schonung erworbener Rechte Dritter zu handhaben. Der Grundsatz der möglichsten Schonung erworbener Rechte Dritter statuiere ein Gebot der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in erworbene Rechte. Im Zuge der Ermessensübung seien die nachteiligen Wirkungen des Bescheides in Bezug auf das durch die verletzte Norm geschützte öffentliche Interesse gegen jene Nachteile abzuwägen, welche die Aufhebung des Bescheides in Bezug auf die durch das Prinzip der Rechtssicherheit geschützten Interessen des Dritten nach den konkret zu beurteilenden Umständen des Einzelfalles mit sich brächte. Es seien daher auch Fälle einer Rechtswidrigkeit denkbar, die keine oder nur unbedeutende Auswirkungen auf das geschützte öffentliche Interessen nach sich zögen. Bereits einen gegen ein Gesetz oder eine Verordnung verstoßenden Bescheid als das öffentliche Interesse so gravierend verletzend zu erachten, dass eine amtswegige Aufhebung des Bescheides zu erfolgen habe, würde jede Interessensabwägung ad absurdum führen. Der Bau der Doppelgarage berühre das geschützte öffentliche Interesse nicht bzw. in nur unbedeutender Weise, könne doch auf Grund ihrer Größe und insbesondere ihres begrünten Flachdaches von keiner Beeinträchtigung des Orts- und Landschaftsbildes gesprochen werden. Die Beeinträchtigung der Beschwerdeführer in ihrem Recht auf Rechtssicherheit sei demgegenüber unverhältnismäßig größer. Die Beschwerdeführer hätten insbesondere deshalb, weil der Flächenwidmungsplan Nr. 2 in der Verhandlung vom 2. Juni 2004 erörtert und ungeachtet dessen die Baubewilligung erteilt worden sei und weil mit Bescheid der BH vom 4. Juni 2002 die Errichtung der Doppelgarage als öffentliche Interessen an der Erhaltung des Landschaftsbildes und des Naturhaushaltes nicht verletzend festgestellt worden sei, auf die mit rechtskräftigem Bescheid vom 21. Juli 2005 erteilte Baubewilligung vertrauen dürfen. Es liege daher auch ein Ermessensmissbrauch seitens der belangten Behörde vor. § 109 Oö. Gemeindeordnung 1990 sei der in § 68 AVG vorgesehenen amtswegigen Aufhebung von Bescheiden nachgebildet und es seien demnach auch die Gründe, aus denen kraft Gesetzesanordnung rechtskräftige Bescheide im Aufsichtswege aufgehoben werden könnten, als Durchbrechung des allgemeinen Grundsatzes der Unabänderlichkeit rechtskräftiger Bescheide eng auszulegen. Die Interessen der Beschwerdeführer überwögen bei weitem die öffentlichen Interessen. Hätte der Bürgermeister der Gemeinde Oberhofen am Irrsee die Baubewilligung dem Gebot der Raschheit entsprechend in angemessener Frist und nicht erst nach ca. drei Jahren nach Einlangen des Ansuchens erteilt, wäre der seit 10. Juli 2003 rechtswirksame Flächenwidmungsplan Nr. 2 noch nicht in Geltung gestanden und die Baubewilligung gesetzeskonform gewesen. Die Errichtung der Doppelgarage entfalte keine nachteiligen Wirkungen auf die mit dem Flächenwidmungsplan Nr. 2 verfolgten planerischen Zielsetzungen, die über jene des auf gesetzmäßige Weise erreichbaren Zustandes hinausgingen. Die amtswegige Aufhebung der Baubewilligung sei im eklatanten Widerspruch zu dem im § 2 Abs. 1 Oö. Landesraumordnungsprogramm 1998 verankerten Grundsatz der sozialen Gerechtigkeit und Chancengleichheit als allgemeines Ziel der Landesentwicklung.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 97 Abs. 1 Oö. Gemeindeordnung 1990 übt das Land, soweit es sich nicht um Angelegenheiten aus dem Bereich der Bundesvollziehung handelt, das Aufsichtsrecht über die Gemeinde dahin aus, dass diese bei Besorgung des eigenen Wirkungsbereiches die Gesetze und Verordnungen nicht verletzt, insbesondere ihren Wirkungsbereich nicht überschreitet und die ihr gesetzlich obliegenden Aufgaben erfüllt.

Die Aufgaben nach der Oö. Bauordnung 1994 sind gemäß § 54 dieses Gesetzes - von den hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen - von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich zu besorgen.

Gemäß § 98 Abs. 1 Oö. Gemeindeordnung 1990 ist das Aufsichtsrecht unter möglichster Bedachtnahme auf die Eigenverantwortlichkeit der Gemeinde und unter möglichster Schonung erworbener Rechte Dritter auszuüben. Stehen im Einzelfall verschiedene Aufsichtsmittel zur Verfügung, so ist das jeweils gelindeste noch zum Ziel führende Mittel anzuwenden.

Gemäß § 99 Abs. 1 Oö. Gemeindeordnung 1990 ist die Landesregierung Aufsichtsbehörde.

Gemäß § 103 Abs. 1 Oö. Gemeindeordnung 1990 können außer in den Fällen der §§ 101 und 102 rechtskräftige Bescheide sowie Beschlüsse oder sonstige Maßnahmen der Gemeindeorgane, die den Wirkungsbereich der Gemeinde überschreiten oder Gesetze oder Verordnungen verletzen, von der Aufsichtsbehörde von Amts wegen oder über Antrag aufgehoben werden.

Gemäß § 109 Abs. 1 Oö. Gemeindeordnung 1990 sind alle in Handhabung des Aufsichtsrechtes ergehenden Maßnahmen mit Ausnahme jener, die sich gegen Verordnungen der Gemeinde richten, durch Bescheid zu treffen. Soweit in diesem Gesetz nicht etwas Besonderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren vor der Aufsichtsbehörde die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes - AVG anzuwenden.

Gemäß Abs. 2 dieses Paragraphen hat im aufsichtsbehördlichen Verfahren, einschließlich des Verfahrens nach § 102, die Gemeinde Parteistellung. Im Verfahren nach den §§ 102 und 103 kommt auch jenen Personen Parteistellung zu, die als Parteien an dem von den Organen der Gemeinde durchgeführten Verwaltungsverfahren beteiligt waren.

§ 103 Abs. 1 Oö. Gemeindeordnung 1990 ist der in § 68 AVG vorgesehenen amtswegigen Aufhebung von Bescheiden nachgebildet, wobei eine solche amtswegige Aufhebung einen rechtskräftigen Bescheid voraussetzt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 2004, Zl. 2004/05/0214). Die Aufhebung rechtskräftiger Bescheide im Sinne des § 103 Oö. Gemeindeordnung 1990 durch die Aufsichtsbehörde aus dem Grund einer Gesetzesverletzung bzw. eines Verstoßes gegen den Flächenwidmungsplan hat sich an der Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des rechtskräftigen und von der Aufsichtsbehörde in Prüfung gezogenen Bescheides zu orientieren, dessen Abänderung mangels Änderung der rechtlichen oder/und tatsächlichen Verhältnisse eine neuerliche Entscheidung in der Sache entgegen steht (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 21. November 2000, Zl. 99/05/0248, VwSlg. Nr. 15.526/A).

Das der Aufsichtsbehörde gemäß § 103 Oö. Gemeindeordnung 1990 eingeräumte Recht zur Aufhebung rechtskräftiger Bescheide unterliegt dem Grundsatz der möglichsten Schonung erworbener Rechte und hat daher dem Gebot der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in erworbene Rechte Rechnung zu tragen (vgl. hiezu das oben zitierte hg. Erkenntnis vom 21. November 2000). Die Gemeindeaufsichtsbehörde ist demnach nicht berechtigt, wegen jeder auch noch so geringfügigen Rechtswidrigkeit in rechtskräftige Bescheide einzugreifen. Ob die damit gegebenen Schranken im Einzelfall eingehalten wurden, haben die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts im Rahmen der ihnen eingeräumten Prüfungsbefugnisse festzustellen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 27. November 1990, Zl. 90/05/0065, mwN).

Ein Widerspruch zum Flächenwidmungsplan rechtfertigt ein Eingreifen der Aufsichtsbehörde, weil sonst das Ziel, eine widmungswidrige Bebauung zu verhindern, nicht erreicht würde (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 12. Dezember 1989, Zl. 89/05/0130). Steht demnach der Baubewilligungsbescheid im Widerspruch zum Flächenwidmungsplan, bestehen gegen die Nichtigerklärung dieses Baubewilligungsbescheides durch die Gemeindeaufsichtsbehörde gemäß § 103 Oö. Gemeindeordnung 1990 grundsätzlich keine Bedenken (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 21. November 2000, Zl. 99/05/0248).

Die belangte Behörde hat den im Instanzenzug ergangenen Baubewilligungsbescheid des Gemeinderates der Gemeinde Oberhofen am Irrsee vom 21. Juli 2005 deshalb gemäß § 103 Oö. Gemeindeordnung 1990 aufgehoben, weil das bewilligte Bauvorhaben (Doppelgarage) auf einem Grundstück errichtet werden soll, das nach dem im maßgeblichen Zeitpunkt der Erteilung der Baubewilligung rechtswirksamen Flächenwidmungsplan als Grünland "Grünzug-Seeufer" gewidmet ist. Nach der oben dargestellten Rechtslage ist Prüfungsmaßstab für die Baubehörde der im Zeitpunkt ihrer Entscheidung rechtswirksame Flächenwidmungsplan. Die für die Beurteilung der Verwaltungsgerichtssache maßgebliche Bestimmung des § 30 Oö. Raumordnungsgesetz 1994 hat folgenden Wortlaut:

"§ 30

Grünland

(1) Alle nicht als Bauland oder Verkehrsflächen gewidmeten Flächen sind als Grünland zu widmen.

(2) Flächen des Grünlandes, die nicht für die Land- und Forstwirtschaft bestimmt sind und nicht zum Ödland gehören, sind im Flächenwidmungsplan gesondert zu widmen.

(3) Im Grünland sind - je nach Erfordernis - insbesondere folgende Widmungen auszuweisen:

1. größere Erholungsflächen für Erholungs- oder Sportanlagen wie Parkanlagen, Spiel- und Liegewiesen, Sport- und Spielflächen, Freibäder, Campingplätze, Tennishallen, Golfplätze, Reitsportanlagen, Wintersportanlagen einschließlich der Schipisten sowie Gaststätten und Schutzhütten;

2.

Dauerkleingärten;

3.

Erwerbsgärtnereien;

4.

Friedhöfe;

5.

Grünflächen, sofern die Ausweisung aus Gründen einer geordneten Flächenwidmung notwendig ist, wie Grünzüge oder Trenngrün.

(4) Je nach Erfordernis sind überdies sonstige Widmungen im Grünland wie Flächen für land- und forstwirtschaftliche Betriebe mit nicht herkömmlichen Produktionsformen (Betriebe der bodenunabhängigen Massenhaltung landwirtschaftlicher Nutztiere, Tierparks u.dgl.), Aufschüttungsgebiete, Neuaufforstungsgebiete, Abgrabungsgebiete und Ablagerungsplätze gesondert auszuweisen. Eine gesonderte Ausweisung ist ferner für den Neu- oder Zubau von Stallungen zur Haltung oder Aufzucht von landwirtschaftlichen Nutztieren in einer Entfernung von bis zu 300 m von Wohngebieten erforderlich, sofern dieser 40% der Schwellenwerte gemäß Anhang 1 Z. 43 des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes 2000 (UVP-G 2000), BGBl. Nr. 697/1993 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 14/2005, überschreitet. Im Grünland können auch verschiedene, einander überlagernde Widmungen zur Bestimmung der Folgenutzung ausgewiesen werden.

(5) Im Grünland dürfen nur Bauten und Anlagen errichtet werden, die nötig sind, um dieses bestimmungsgemäß zu nutzen (Abs. 2 bis 4). Auszugshäuser dürfen, soweit die Wohnbedürfnisse im Rahmen des Ausgedinges nicht im land- und forstwirtschaftlichen Baubestand sichergestellt werden können oder ein Zubau nicht möglich ist, nur im unmittelbaren Nahbereich des land- und forstwirtschaftlichen Hauptgebäudes errichtet werden; die Ver- und Entsorgung muss sichergestellt sein. Die Eröffnung einer eigenen Einlagezahl für das Auszugshaus im Grundbuch ist unzulässig; § 9 Abs. 6 Oö. Bauordnung 1994 gilt sinngemäß.

(6) Über Abs. 5 erster Satz hinaus dürfen im Grünland bestehende land- und forstwirtschaftliche Gebäude und Gebäudeteile für Wohn-, Verwaltungs-, Schulungs-, Seminar- und Lagerzwecke sowie für Klein- und Mittelbetriebe, die die Umgebung nicht wesentlich stören, unter folgenden Voraussetzungen verwendet werden:

1. die land- und forstwirtschaftlichen Gebäude müssen erhaltungswürdig sein;

2. die Gebäude müssen durch eine der Verwendung entsprechende geeignete öffentliche Verkehrsfläche oder eine Verbindung zum öffentlichen Straßennetz aufgeschlossen sein;

3. bauliche Maßnahmen dürfen nur vorgenommen werden, wenn dadurch das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes im Wesentlichen erhalten bleibt und das Orts- und Landschaftsbild nicht beeinträchtigt wird;

4. bei Gebäuden, die für Wohnzwecke bestimmt sind, aber nicht mehr dem zeitgemäßen Wohnbedürfnis entsprechen (Kleingebäude), dürfen über Z. 3 hinaus auch Zu- und Umbauten vorgenommen werden, sofern dies ausschließlich zur Schaffung von zeitgemäßem Wohnraum für den Eigenbedarf des Eigentümers dient und die Wohnbedürfnisse nicht im bestehenden Gebäude gedeckt werden können; diese Zu- und Umbauten dürfen weder die gestalterische Qualität des Bestands mindern noch das Orts- und Landschaftsbild beeinträchtigen.

(7) Eine Verwendung nach Abs. 6 Z. 1 bis 3 für Wohnzwecke ist nur für insgesamt höchstens vier Wohneinheiten erlaubt. Die Landesregierung hat durch Verordnung insbesondere festzulegen, für welche bestimmte Arten von Betrieben und Tätigkeiten der land- und forstwirtschaftlichen Veredelung (Betriebstypen) die Gebäude verwendet werden dürfen und welche sonstigen Verwendungen bis zu welchem Ausmaß zulässig sind. Dabei dürfen allerdings keine Verwendungen erlaubt werden, die über die im gemischten Baugebiet (§ 22 Abs. 5) zulässigen hinausgehen.

(8) Über Abs. 6 und 7 hinausgehende Verwendungen bestehender land- und forstwirtschaftlicher Gebäude können im Einzelfall durch Sonderausweisungen im Flächenwidmungsplan für zulässig erklärt werden. Eine solche Sonderausweisung ist nur zulässig, soweit die Voraussetzungen des Abs. 6 gegeben sind. In dieser Sonderausweisung ist die Anzahl der Wohneinheiten und die Art der zulässigen Verwendung zu bestimmen.

(8a) Gebäude, die für Wohnzwecke bestimmt sind, aber nicht mehr dem zeitgemäßen Wohnbedürfnis entsprechen (Kleingebäude), dürfen, sofern dies ausschließlich zur Schaffung von zeitgemäßem Wohnraum für den Eigenbedarf des Eigentümers dient und die Wohnbedürfnisse nicht durch Maßnahmen gemäß Abs. 6 Z. 4 gedeckt werden können, unter folgenden Voraussetzungen abgebrochen und durch einen Neubau an gleicher Stelle ersetzt werden:

1. der Neubau des Gebäudes muss durch Sonderausweisung im Flächenwidmungsplan für zulässig erklärt werden;

2. das Gebäude muss während eines Zeitraums von mindestens fünf Jahren vor der Anregung auf Sonderausweisung gemäß Z. 1 durchgehend bewohnt worden sein;

3. der Neubau darf erst nach Abbruch des Altbestands ausgeführt werden, nicht wesentlich von den Gebäudedimensionen des Altbestands abweichen und das Orts- und Landschaftsbild nicht beeinträchtigen; die Baubehörde hat diesbezüglich ein Gutachten der Landesregierung einzuholen;

4. der Neubau muss durch eine geeignete öffentliche Verkehrsfläche oder eine Verbindung zum öffentlichen Straßennetz aufgeschlossen sein.

(9) Die Beherbergung von Gästen als häusliche Nebenbeschäftigung ist nur in bestehenden Gebäuden zulässig."

Die Widmung "Grünzug" ist eine besondere Ausweisung der Widmung "Grünland" im Sinne des § 30 Abs. 3 Z. 5 Oö. Raumordnungsgesetz 1994.

Gemäß § 30 Abs. 5 Oö. Raumordnungsgesetz 1994 dürfen im Grünland nur Bauten und Anlagen errichtet werden, die nötig sind, um dieses bestimmungsgemäß zu nutzen (Abs. 2 bis 4).

Die Beschwerdeführer behaupten nicht, dass die gegenständliche Doppelgarage zur bestimmungsgemäßen Nutzung des als Trenngrün-Seeufer gewidmeten Grundstückes nötig wäre, weshalb der Verwaltungsgerichtshof keine Rechtswidrigkeit des auf § 103 Abs. 1 Oö. Gemeindeordnung 1990 gestützten angefochtenen Bescheides zu erkennen vermag, zumal bei Berücksichtigung der von den Beschwerdeführern angezogenen Interessen für die Bewilligung dieser Doppelgarage die Einhaltung des Flächenwidmungsplanes unterlaufen würde. Es ist in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung, ob die Doppelgarage im Hinblick auf die geplante Ausgestaltung mit dem Ort- und Landschaftsbild im Einklang steht. Eine Bedachtnahme auf die erworbenen Rechte im Sinne des § 98 Oö. Gemeindeordnung 1990 kann nicht dazu führen, dass ein Widerspruch zum Flächenwidmungsplan im Rahmen der Ausübung des Aufsichtsrechtes nach § 103 Abs. 1 Oö Gemeindeordnung 1990 nicht wahrzunehmen ist.

In diesem Zusammenhang ist auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 14614 zu verweisen, wonach es sachlich vertretbar ist, durch eine raumordnungspolitischen Zwecken dienende Grünzugswidmung den weiteren Ausbau rechtmäßig im Grünzug bestehender Wohnbauten zu verhindern.

Da es sich bei der in Widerspruch zum Flächenwidmungsplan erteilten Baubewilligung um eine grobe Rechtsverletzung handelt und die Beschwerdeführer auch nicht konkret darzulegen vermögen, dass durch die Aufhebung der gesetzwidrig erteilten Baubewilligung in die von ihnen erworbenen Rechte in unverhältnismäßiger Weise eingegriffen worden sei, ist der belangten Behörde darin zu folgen, dass die ausgesprochene Aufhebung der Baubewilligung dem Gebot der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in erworbene Rechte hinreichend Rechnung trägt. Der Rechtsirrtum der Gemeindeorgane, der neue Flächenwidmungsplan sei wegen vorheriger Antragstellung nicht anwendbar, kann bei dieser Abwägung ebenso wenig eine Rolle spielen, wie die nunmehr beanstandete Verzögerung; dieser hätte mit den Mitteln des § 73 AVG begegnet werden können.

Aus diesen Gründen war daher die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 3. Juli 2007

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Planung Widmung BauRallg3 Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde Zurückweisung wegen entschiedener Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006050079.X00

Im RIS seit

09.08.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten