Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Marijo M*****, geboren am 8. April 1988, vertreten durch die Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie, Rechtsfürsorge, Bezirk 3, Sechskrügelgasse 11, 1030 Wien, über dessen Revisionsrekurs gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 19. Oktober 2004, GZ 44 R 514/04w-43, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 2. September 2004, GZ 6 P 284/99f-39, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Der Minderjährige und seine Eltern sind Staatsangehörige von Kroatien. Die Unterhaltspflicht des Vaters wurde zuletzt (Beschluss vom 30. 8. 2002) mit EUR 140 monatlich festgesetzt (ON 36). Mit Schriftsatz vom 30. 8. 2004 (ON 37) beantragte der Minderjährige die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen in dieser Höhe, da die Exekution auf das Arbeitseinkommen bzw auf das Einkommen aus Bezügen des AMS den laufenden Unterhalt für die letzten sechs Monate nicht gedeckt habe.
Das Erstgericht wies diesen Antrag ab. Die Verordnung zur Ausdehnung der Bestimmungen über Familienleistungen auf Drittstaatsangehörige - gemeint: die Verordnung (EG) Nr 859/2003 des Rates vom 14. Mai 2003 zur Ausdehnung der Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 und der Verordnung (EWG) Nr 574/72 auf Drittstaatsangehörige - wirke sich nicht zugunsten des Mj aus, da sie keine Anwendung in Situationen finde, die mit keinem Element über die Grenze eines einzigen Mitgliedstaats hinauswiesen.
Das Rekursgericht gab dem dagegen vom Jugendwohlfahrtsträger erhobenen Rekurs keine Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei (ON 43 idF des Berichtigungsbeschlusses ON 47). Die zitierte Verordnung (EG) Nr 859/2003 ziele offenbar darauf ab, aus Drittstaaten stammende Wanderarbeitnehmer innerhalb des EWR mit Bürgern eines Mitgliedstaats gleichzustellen; jedenfalls müsse aber eine Verbindung mit wenigstens zwei Mitgliedsstaaten bestehen. Wenn die Situation eines Drittstaatsangehörigen ausschließlich Verbindungen zu einem Drittstaat und einem einzigen Mitgliedstaat aufweise, sei diese Verordnung hingegen nicht anwendbar.Das Rekursgericht gab dem dagegen vom Jugendwohlfahrtsträger erhobenen Rekurs keine Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei (ON 43 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses ON 47). Die zitierte Verordnung (EG) Nr 859/2003 ziele offenbar darauf ab, aus Drittstaaten stammende Wanderarbeitnehmer innerhalb des EWR mit Bürgern eines Mitgliedstaats gleichzustellen; jedenfalls müsse aber eine Verbindung mit wenigstens zwei Mitgliedsstaaten bestehen. Wenn die Situation eines Drittstaatsangehörigen ausschließlich Verbindungen zu einem Drittstaat und einem einzigen Mitgliedstaat aufweise, sei diese Verordnung hingegen nicht anwendbar.
Rechtliche Beurteilung
Die Gleichstellung sei vielmehr ausdrücklich ausgeschlossen, wenn - wie im vorliegenden Fall - sowohl das unterhaltsberechtigte Kind, als auch der unterhaltspflichtige Vater Staatsangehörige eines Drittstaates seien und beide ausschließlich eine Beziehung zu Österreich, aber zu keinem anderen Mitgliedstaat des EWR hätten. Aus der Aktenlage gehe nicht hervor und es werde auch im Rekurs nicht behauptet, dass der Vater bzw die Minderjährige jemals in einem anderen Mitgliedstaat wohnhaft bzw berufstätig gewesen seien oder ein anderes „Element über die Grenzen eines Mitgliedstaats" hinausweise.
Den Zulassungsausspruch begründete das Rekursgericht damit, dass zur Rechtsfrage unter welchen Voraussetzungen die Verordnung (EG) Nr 859/2003 bei der Gewährung von Unterhaltsvorschüssen anwendbar sei, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege.
Der Revisionsrekurs (auf den gemäß der Übergangsbestimmung des § 203 Abs 7 AußStrG idF BGBl I 2003/111 alle bisher in Geltung gestandenen Vorschriften über das Revisionsrekursverfahren weiter anzuwenden sind, weil die Entscheidung erster Instanz noch im Jahr 2004 erging [3 Ob 14/05p]) ist - ungeachtet des den Obersten Gerichtshof gemäß § 16 Abs 3 AußStrG aF nicht bindenden Zulässigkeitsausspruches des Rekursgerichtes - mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG aF unzulässig.Der Revisionsrekurs (auf den gemäß der Übergangsbestimmung des § 203 Abs 7 AußStrG in der Fassung BGBl I 2003/111 alle bisher in Geltung gestandenen Vorschriften über das Revisionsrekursverfahren weiter anzuwenden sind, weil die Entscheidung erster Instanz noch im Jahr 2004 erging [3 Ob 14/05p]) ist - ungeachtet des den Obersten Gerichtshof gemäß § 16 Abs 3 AußStrG aF nicht bindenden Zulässigkeitsausspruches des Rekursgerichtes - mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG aF unzulässig.
Richtig ist, dass der Oberste Gerichtshof erst nach der Entscheidung des Rekursgerichtes in seinen, einen vergleichbaren Sachverhalt betreffenden Entscheidungen 6 Ob 151/04f vom 21. 10. 2004; 6 Ob 269/04h vom 25. 11. 2004 die zutreffende Begründung des Rekursgerichtes gebilligt hat. Nach diesen Ausführungen, denen sich jüngst (E v 18. 2. 2005, 10 Ob 5/05s) auch der erkennende Senat angeschlossen hat, ist zwar davon auszugehen, dass der Unterhaltsvorschuss nach dem österreichischen UVG eine Familienleistung im Sinn von Art 4 Abs 1 Buchstabe h der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 geänderten und aktualisierten Fassung ist. Daher haben die im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnenden Personen, für die diese Verordnung gilt, gemäß deren Art 3 unter denselben Voraussetzungen wie Inländer Anspruch auf eine solche im Recht dieses Mitgliedstaats vorgesehene Leistung (SZ 74/61). Kroatien ist aber kein Mitgliedstaat, sodass diesem Staat angehörige Kinder, die in Österreich wohnen, gemäß § 2 Abs 1 UVG keinen Anspruch auf Unterhaltsvorschuss haben. Auch aus der im Revisionsrekurs zitierten Verordnung (EG) Nr 859/2003 lässt sich für den gegenteiligen Rechtsstandpunkt des Jugendwohlfahrtsträgers nichts gewinnen. Der letzte Halbsatz ihres Art 1 („... wenn sie ihren rechtmäßigen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat haben und und ihre Situation mit einem Element über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweist") bringt vielmehr zum Ausdruck, dass die Anwendung der Verordnung, wie in Punkt 12 ihrer Erwägungen unmissverständlich ausgeführt wird, eine Beziehung der Situation zu einem weiteren Mitgliedstaat voraussetzt, wenn der Anspruchswerber ein Drittstaatsangehöriger ist.Richtig ist, dass der Oberste Gerichtshof erst nach der Entscheidung des Rekursgerichtes in seinen, einen vergleichbaren Sachverhalt betreffenden Entscheidungen 6 Ob 151/04f vom 21. 10. 2004; 6 Ob 269/04h vom 25. 11. 2004 die zutreffende Begründung des Rekursgerichtes gebilligt hat. Nach diesen Ausführungen, denen sich jüngst (E v 18. 2. 2005, 10 Ob 5/05s) auch der erkennende Senat angeschlossen hat, ist zwar davon auszugehen, dass der Unterhaltsvorschuss nach dem österreichischen UVG eine Familienleistung im Sinn von Art 4 Abs 1 Buchstabe h der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 geänderten und aktualisierten Fassung ist. Daher haben die im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnenden Personen, für die diese Verordnung gilt, gemäß deren Art 3 unter denselben Voraussetzungen wie Inländer Anspruch auf eine solche im Recht dieses Mitgliedstaats vorgesehene Leistung (SZ 74/61). Kroatien ist aber kein Mitgliedstaat, sodass diesem Staat angehörige Kinder, die in Österreich wohnen, gemäß § 2 Abs 1 UVG keinen Anspruch auf Unterhaltsvorschuss haben. Auch aus der im Revisionsrekurs zitierten Verordnung (EG) Nr 859/2003 lässt sich für den gegenteiligen Rechtsstandpunkt des Jugendwohlfahrtsträgers nichts gewinnen. Der letzte Halbsatz ihres Artikel eins, („... wenn sie ihren rechtmäßigen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat haben und und ihre Situation mit einem Element über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweist") bringt vielmehr zum Ausdruck, dass die Anwendung der Verordnung, wie in Punkt 12 ihrer Erwägungen unmissverständlich ausgeführt wird, eine Beziehung der Situation zu einem weiteren Mitgliedstaat voraussetzt, wenn der Anspruchswerber ein Drittstaatsangehöriger ist.
In Österreich findet diese Verordnung zudem nur auf Drittstaatsangehörige Anwendung, die die Voraussetzungen des österreichischen Rechts für einen dauerhaften Anspruch auf Familienbeihilfe erfüllen (Anhang II der Verordnung Nr 859/2003). Ob diesem (weiteren) Erfordernis entsprochen ist, ist hier nicht ausschlaggebend, weil der als Grundvoraussetzung für die Anwendung des Gemeinschaftsrechts zu fordernde Gemeinschaftsbezug, wonach Personen, Sachverhalte oder Begehren eine rechtliche Beziehung zu einem anderen Mitgliedstaat aufweisen müssen (vgl 10 Ob 60/03a mwN), fehlt. Sowohl das unterhaltsberechtigte Kind als auch der unterhaltspflichtige Vater sind Staatsangehörige eines Drittstaates; beide haben ausschließlich eine Beziehung zu Österreich, aber zu keinem weiteren Mitgliedstaat. Das Kind fällt daher auch nach Ausdehnung des Anwendungsbereiches der Wanderarbeitnehmerverordnung nicht unter deren Bestimmungen. In den nicht vom Anwendungsbereich der Wanderarbeitnehmerverordnung erfassten Fällen ist der nationale Gesetzgeber grundsätzlich frei, an welche Tatbestände er die Auszahlung von Unterhaltsvorschüssen knüpft (6 Ob 269/04h, 6 Ob 151/04f mwN; zuletzt: 10 ObS 5/05s). Nach dem hier allein zur Anwendung kommenden innerstaatlichen Recht hat das Kind keinen Anspruch auf Vorschüsse, weil es weder österreichischer Staatsangehöriger noch staatenlos ist (§ 2 Ab 1 UVG).In Österreich findet diese Verordnung zudem nur auf Drittstaatsangehörige Anwendung, die die Voraussetzungen des österreichischen Rechts für einen dauerhaften Anspruch auf Familienbeihilfe erfüllen (Anhang II der Verordnung Nr 859/2003). Ob diesem (weiteren) Erfordernis entsprochen ist, ist hier nicht ausschlaggebend, weil der als Grundvoraussetzung für die Anwendung des Gemeinschaftsrechts zu fordernde Gemeinschaftsbezug, wonach Personen, Sachverhalte oder Begehren eine rechtliche Beziehung zu einem anderen Mitgliedstaat aufweisen müssen vergleiche 10 Ob 60/03a mwN), fehlt. Sowohl das unterhaltsberechtigte Kind als auch der unterhaltspflichtige Vater sind Staatsangehörige eines Drittstaates; beide haben ausschließlich eine Beziehung zu Österreich, aber zu keinem weiteren Mitgliedstaat. Das Kind fällt daher auch nach Ausdehnung des Anwendungsbereiches der Wanderarbeitnehmerverordnung nicht unter deren Bestimmungen. In den nicht vom Anwendungsbereich der Wanderarbeitnehmerverordnung erfassten Fällen ist der nationale Gesetzgeber grundsätzlich frei, an welche Tatbestände er die Auszahlung von Unterhaltsvorschüssen knüpft (6 Ob 269/04h, 6 Ob 151/04f mwN; zuletzt: 10 ObS 5/05s). Nach dem hier allein zur Anwendung kommenden innerstaatlichen Recht hat das Kind keinen Anspruch auf Vorschüsse, weil es weder österreichischer Staatsangehöriger noch staatenlos ist (§ 2 Ab 1 UVG).
Die Entscheidung des Rekursgerichtes entspricht somit dieser Rsp (RIS-Justiz RS0119548; zuletzt: 10 ObS 5/05s), weshalb die Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG, die auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes gegeben sein müssen (RIS-Justiz RS0112769), nicht vorliegen (10 ObS 5/05s).
Der Revisionsrekurs der Minderjährigen erweist sich somit als nicht zulässig.
Textnummer
E76620European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2005:0100OB00029.05W.0322.000Im RIS seit
21.04.2005Zuletzt aktualisiert am
11.02.2011