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19/05 Menschenrechte;Norm
FrPolG 2005 §60 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schiffkorn, über die Beschwerde des A B in U, geboren am 27. März 1975, vertreten durch Dr. Hermann Holzmann, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Bürgerstraße 17/P, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 26. April 2007, Zl. 2/4033/20/07, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 26. April 2007 wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 60 Abs. 1 und 2 Z. 1 iVm §§ 61, 63 und 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Der Beschwerdeführer lebe seit 1995 mit seiner Familie (Ehegattin und minderjährigen Kindern) in Italien.
Mit dem seit 21. Februar 2006 rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Udine vom 13. Dezember 2005 seien über ihn wegen des Verstosses gegen die Bestimmungen über die Verwendung von Kreditkarten, Plastikgeld und Dokumenten, die zur Abhebung von Bargeld berechtigten, (einer strafbaren Handlung in fortgesetzter Form; Tatbegehung in Udine bis Dezember 2003) eine bedingte Freiheitsstrafe von sechs Monaten und eine unbedingte Geldstrafe von EUR 300,-- verhängt worden.
Am 27. Oktober 2006 sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht Innsbruck wegen des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 und 3 erster Fall Suchtsmittelgesetz - SMG zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten rechtskräftig verurteilt worden, weil er zu datumsmäßig jeweils nicht mehr feststellbaren Zeitpunkten, ca. im Frühjahr 2006, in Mils, Udine und an anderen Orten den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgifte in einer großen Menge (Abs. 6) von Italien aus- und nach Österreich eingeführt sowie in Verkehr gesetzt habe, wobei er jeweils gewerbsmäßig gehandelt habe, und zwar
"1. durch Schmuggel von ca. 50 Gramm qualitativ hochwertigem Kokain von Udine nach Tirol über einen nicht bekannten italienisch/österreichischen Grenzübergang;
2. durch Verkauf von insgesamt ca. 240 Gramm an qualitativ hochwertigem Kokain an den abgesondert verfolgten (M.( im Verlauf von drei zeitlich knapp aufeinander folgenden Teilgeschäften."
Das Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers zeige deutlich seine negative Einstellung zur Rechtsordnung. Daraus ergebe sich die Folgerung, dass sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit (§ 60 Abs. 1 Z. 1 FPG) und in Ansehung des Urteils des Landesgerichtes Innsbruck auch die (sogenannte Volks-)Gesundheit (§ 60 Abs. 1 Z. 2 FPG) gefährde. Seine Verurteilung vom 27. Oktober 2006 zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten erfülle den Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 erster Fall FPG.
Ein relevanter Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Beschwerdeführers im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG liege insofern vor, als er auf Grund seiner "Arbeits-Beschäftigung" in Italien als LKWbzw. Fernfahrer nach Österreich komme und/oder durch Österreich fahren müsse. Dieser Eingriff mache das Aufenthaltsverbot gegen ihn im Grund des § 66 Abs. 1 leg. cit. jedoch nicht unzulässig. Die sich im Gesamt(fehl)verhalten manifestierende Neigung, sich über die Rechtsordnung hinwegzusetzen, mache die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele der Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen und des Schutzes der Rechte anderer (auf Vermögen und Gesundheit) dringend geboten. Seine privaten und familiären Interessen am Aufenthalt im Bundesgebiet wögen nicht so schwer wie die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung dieser Maßnahme, weshalb die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch im Grund des § 66 Abs. 2 FPG zulässig sei.
Der Beschwerdeführer lebe seit 1995 in Italien, zunächst zwei Jahre in Palermo, seither in Udine. Er sei verheiratet und habe drei minderjährige Kinder. Seit ca. sechs Jahren sei er in Udine bei einem Unternehmen als Fernfahrer beschäftigt. Mit den Möbellieferungen sei er nach Österreich, Deutschland, Schweiz und Frankreich gekommen (laut seinen Angaben vom 8. Juni 2006).
Der Beschwerdeführer sei im Bundesgebiet dementsprechend nicht integriert. Sein privater und familiärer Lebensmittelpunkt befinde sich in Italien. Es bestehe ein großes öffentliches Interesse an seinem Nicht-Aufenthalt im Bundesgebiet. Der Schutz fremden Vermögens und der Gesundheit habe ein sehr großes öffentliches Gewicht. Es müsse daher - insbesondere vor dem Hintergrund seiner schweren Delikte in Österreich auf dem Suchtgiftsektor - in Kauf genommen werden, dass er durch das Aufenthaltsverbot in seiner Arbeitsausübung in Italien als grenzüberschreitender LKW-Fahrer beeinträchtigt werde und eventuell seinen Arbeitsplatz in Italien verliere.
Im Hinblick darauf, dass keine, nicht bereits im Rahmen der Interessenabwägung berücksichtigten Umstände vorlägen, könne von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des von der Behörde gemäß § 60 Abs. 1 FPG zu übenden Ermessens Abstand genommen werden. Angesichts seiner schweren Verurteilung durch das Landesgericht Innsbruck zu einer unbedingten 18-monatigen Freiheitsstrafe sei es auch nicht im Sinn des Gesetzes, ihn im Rahmen der Ausübung des behördlichen Ermessens nicht mit einem Aufenthaltsverbot zu belegen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. In der Beschwerde bleibt die Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG verwirklicht sei, unbekämpft. Im Hinblick auf die rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Landesgericht Innsbruck begegnet diese Beurteilung keinen Bedenken.
2.1. Die Beschwerde bringt vor, dass sich der Beschwerdeführer nur aus Unbesonnenheit und falsch verstandener Freundschaft dazu habe hinreißen lassen, Suchtgift nach Österreich zu bringen, und er hieraus lediglich EUR 500,-- erzielt habe. Er habe ein Jahr in Haft verbracht und daraus gelernt. Dass er neuerlich wagen würde, die innere Sicherheit Österreichs und die Gesundheit anderer durch weitere Straftaten nach dem SMG zu beeinträchtigen, sei vernünftigerweise nicht mehr zu befürchten.
2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Nach den insoweit unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde ist der Beschwerdeführer bereits im Jahr 2003 in Italien dadurch straffällig geworden, dass er gegen die Bestimmungen über die Verwendung von Kreditkarten, Plastikgeld und Dokumenten, die zur Abhebung von Bargeld berechtigten, verstoßen hat, weshalb er von einem italienischen Gericht am 13. Dezember 2005 zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten und einer unbedingten Geldstrafe von EUR 300,-- verurteilt wurde.
Diese - ausländische - Verurteilung konnte ihn jedoch nicht davon abhalten, in weit massiverer Weise straffällig zu werden. So schmuggelte er im Frühjahr 2006 gewerbsmäßig, das heißt in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung der Straftaten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (vgl. § 70 StGB), - wie oben (I.1.) dargestellt - ca. 50 g hochwertiges Kokain von Italien nach Österreich und verkaufte insgesamt ca. 240 g hochwertiges Kokain an einen anderen im Verlauf von drei zeitlich knapp aufeinanderfolgenden Teilgeschäften. Eine solche große Menge an Suchtgift ist geeignet, Gewöhnung hervorzurufen und in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen (vgl. § 28 Abs. 6 SMG). Im Hinblick darauf, dass erfahrungsgemäß die Wiederholungsgefahr bei der Suchtgiftkriminalität besonders groß ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. April 2007, Zl. 2007/18/0196), begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinen Bedenken. Auch lag das gravierende Fehlverhalten des Beschwerdeführers nach dem SMG bei Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht so lange zurück, um auf Grund des seither verstrichenen Zeitraumes auf einen Wegfall oder eine wesentliche Minderung der von ihm auf Grund dieses Fehlverhaltens ausgehenden Gefahr schließen zu können. Entgegen der Beschwerdeansicht lagen daher keine Gründe für die Annahme vor, dass der Beschwerdeführer, der bereits einmal (durch die Begehung eines Vermögensdeliktes) straffällig geworden war, keine weiteren Straftaten mehr begehen werde.
3. Bei der Interessenabwägung nach § 66 Abs. 1 und 2 FPG hat die belangte Behörde berücksichtigt, dass der seit dem Jahr 1995 in Italien aufhältige Beschwerdeführer, der dort mit seiner Ehegattin und drei minderjährigen Kindern lebt und in Udine als Fernfahrer beschäftigt ist, im Rahmen seiner Berufstätigkeit LKW-Fahrten in Österreich durchzuführen hat, und im Hinblick darauf zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG angenommen. Sie hat jedoch ebenso zutreffend den Standpunkt vertreten, dass diese Maßnahme (zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen) dringend geboten und somit gemäß § 66 Abs. 1 FPG zulässig sei, manifestiert sich doch in dem von ihm gewerbsmäßig in Bezug auf Suchtgift in einer großen Menge begangenen Verbrechen die von ihm ausgehende massive Gefahr für die Allgemeinheit.
Im Hinblick darauf konnte die Interessenabwägung im Grund des § 66 Abs. 2 FPG nicht zu seinen Gunsten ausgehen. Wenngleich die mit seiner Berufsausübung verbundenen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers nicht unbeträchtlich sind, hat die belangte Behörde der durch sein gravierendes Fehlverhalten bewirkten Gefährdung der öffentlichen Interessen und damit den nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes - selbst unter Berücksichtigung des von der Beschwerde behaupteten Umstandes, dass er für seinen Arbeitgeber als Fernfahrer de facto nicht mehr einsetzbar und als Stellenwerber gänzlich uninteressant wäre - zutreffend kein geringeres Gewicht beigemessen als seinen gegenläufigen persönlichen Interessen.
4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat - gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
5. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am 3. Juli 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2007180385.X00Im RIS seit
06.08.2007Zuletzt aktualisiert am
25.01.2009