Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der beim Bezirksgericht Linz anhängigen Pflegschaftssache des mj Omar K*****, geboren am 22. Dezember 2000, infolge Vorlage des Aktes GZ 20 P 52/04b des Bezirksgerichtes Linz zur Genehmigung einer Zuständigkeitsübertragung in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Übertragung der Zuständigkeit der Pflegschaftssache 20 P 52/04b durch das Bezirksgericht Linz an das Bezirksgericht Fünfhaus wird nicht genehmigt.
Text
Begründung:
Der minderjährige Omar ist ehelicher Sohn seiner in Scheidung lebenden Eltern. Nach einer Mitteilung des Einwohner- und Standesamtes Linz ist er nicht österreichischer Staatsbürger. Am 8. 4. 2004 beantragte der Genannte, der damals mit seiner Mutter in Ägypten lebte, beim Bezirksgericht Linz zu 20 P 52/04b, den in Linz lebenden Vater zu monatlichen Unterhaltszahlungen in Höhe von EUR 150 ab 1. 4. 2004 zu verpflichten. Das angerufene Gericht verpflichtete den Vater mit Beschluss vom 15. 6. 2004 zur Zahlung von EUR 108 monatlich und wies das Mehrbegehren ab. Über Rekurs des Vaters und des Kindes hob das Landesgericht Linz als Rekursgericht diese Entscheidung mit Beschluss vom 9. 11. 2004, 15 R 331/04h-17, auf und verwies die Pflegschaftssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Bezirksgericht Linz zurück, wobei es diesem auftrug, im Hinblick auf den im Ausland gelegenen Wohnsitz des ausländischen Minderjährigen die Fragen der inländischen Gerichtsbarkeit, des zulässigen Rechtsweges und der örtlichen Zuständigkeit (iSd § 110 iVm § 42 JN) zu prüfen.Der minderjährige Omar ist ehelicher Sohn seiner in Scheidung lebenden Eltern. Nach einer Mitteilung des Einwohner- und Standesamtes Linz ist er nicht österreichischer Staatsbürger. Am 8. 4. 2004 beantragte der Genannte, der damals mit seiner Mutter in Ägypten lebte, beim Bezirksgericht Linz zu 20 P 52/04b, den in Linz lebenden Vater zu monatlichen Unterhaltszahlungen in Höhe von EUR 150 ab 1. 4. 2004 zu verpflichten. Das angerufene Gericht verpflichtete den Vater mit Beschluss vom 15. 6. 2004 zur Zahlung von EUR 108 monatlich und wies das Mehrbegehren ab. Über Rekurs des Vaters und des Kindes hob das Landesgericht Linz als Rekursgericht diese Entscheidung mit Beschluss vom 9. 11. 2004, 15 R 331/04h-17, auf und verwies die Pflegschaftssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Bezirksgericht Linz zurück, wobei es diesem auftrug, im Hinblick auf den im Ausland gelegenen Wohnsitz des ausländischen Minderjährigen die Fragen der inländischen Gerichtsbarkeit, des zulässigen Rechtsweges und der örtlichen Zuständigkeit (iSd Paragraph 110, in Verbindung mit Paragraph 42, JN) zu prüfen.
Am 14. 9. 2004 beantragte die mittlerweile mit dem Kind nach Österreich zurückgekehrte Mutter beim Bezirksgericht Fünfhaus zu 2 P 185/04p, ihr die Obsorge über den Sohn einzuräumen und diese dem Vater gleichzeitig zur Gänze zu entziehen, wobei sie für sich und offenbar auch für den Minderjährigen eine in Wien 15 gelegene Wohnanschrift angab. Das Bezirksgericht Fünfhaus übermittelte diesen Antrag dem Bezirksgericht Linz „zur Einbeziehung zu 20 P 52/04b", welches seinerseits mit dem nunmehr zur Genehmigung vorgelegten Beschluss vom 9. 2. 2005, 20 P 52/04b-23, die Zuständigkeit zur Besorgung dieser Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Fünfhaus übertrug. Es begründete diese Zuständigkeitsübertragung damit, dass laut vorliegender Meldebestätigungen Mutter und Kind im Sprengel des Bezirksgerichts Fünfhaus wohnhaft seien, das Bezirksgericht Linz „örtlich unzuständig" und beim Bezirksgericht Fünfhaus zu 2 P 185/04p ein Obsorgeverfahren anhängig sei.
Das Bezirksgericht Fünfhaus verweigert seinerseits mit Beschluss die Übernahme der Zuständigkeit zur Besorgung dieser Pflegschaftssache. Das Bezirksgericht Linz habe sich seinerzeit in das Unterhaltsverfahren „eingelassen" und hierüber auch beschlussmäßig entschieden. Die vom Rekursgericht zu den genannten Prozessvoraussetzungen (insbesondere der inländischen Gerichtsbarkeit) aufgetragenen Prüfungen habe das Bezirksgericht Linz bis dato nicht vorgenommen. Durch eine Zuständigkeitsübertragung sei auch keine Verbesserung des Schutzes des Kindes zu erwarten, zumal das Bezirksgericht Linz mit dem (im Unterhaltsverfahren relevanten) Sachverhalt „bestens vertraut" sei. Der Obsorgeantrag beim Bezirksgericht Fünfhaus sei bloß im Rechtshilfeweg erhoben und sodann zur Einbeziehung an das Bezirksgericht Linz überwiesen worden. Das Bezirksgericht Linz legt nunmehr die Akten dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung „über den Zuständigkeitsstreit" vor.
Rechtliche Beurteilung
Das Bezirksgericht Linz hat seine zur Genehmigung vorgelegte Entscheidung ausdrücklich auf § 111 JN gestützt. Gemäß § 111 Abs 1 JN kann die Zuständigkeit in Vormundschafts- und Pflegschaftssachen - auf Antrag oder von Amts wegen - vom zuständigen Gericht auf ein anderes Gericht übertragen werden, wenn dies im Interesse des Mündels oder Pflegebefohlenen gelegen erscheint, namentlich das Kindeswohl fördert. Die Bestimmung nimmt darauf Bedacht, dass ein örtliches Naheverhältnis zwischen dem Pflegschaftsgericht und dem Minderjährigen oder sonstigen Pflegebefohlenen in der Regel zweckmäßig ist; verlegt er den Mittelpunkt seiner gesamten Lebensführung und wirtschaftlichen Existenz in einen anderen Gerichtssprengel, so kann auch die Zuständigkeit dorthin übertragen werden (Mayr in Rechberger, ZPO2 Rz 1 und 2 zu § 111 JN und die dort angeführte Rechtsprechung). Offene Anträge hindern eine Übertragung grundsätzlich nicht, doch kann im Einzelfall eine Entscheidung durch das schon bisher zuständige Gericht zweckmäßiger sein, insbesondere wenn sich dieses bereits eingehend mit dem offenen Antrag befasst und dazu Vernehmungen durchgeführt hat (Mayr aaO Rz 4 zu § 111 JN; RIS-Justiz RS0047032; RS0046972; RS0046895). Bei offenen Anträgen um Obsorgeentscheidungen hat die frühere Rechtsprechung von diesem Grundsatz eine Ausnahme gemacht (so zB 4 Nd 501/94; 4 Nd 507/94). In der jüngeren Rechtsprechung wird aber die Auffassung vertreten, dass sich die Prüfung der Zweckmäßigkeit der Zuständigkeitsübertragung während eines aufrechten Obsorgestreites ausschließlich daran zu orientieren hat, welches Gericht die für die Entscheidung maßgeblichen Umstände sachgerechter und umfassender beurteilen kann (RIS-Justiz RS0047027 [T 2, T 3, T 4]).Das Bezirksgericht Linz hat seine zur Genehmigung vorgelegte Entscheidung ausdrücklich auf Paragraph 111, JN gestützt. Gemäß Paragraph 111, Absatz eins, JN kann die Zuständigkeit in Vormundschafts- und Pflegschaftssachen - auf Antrag oder von Amts wegen - vom zuständigen Gericht auf ein anderes Gericht übertragen werden, wenn dies im Interesse des Mündels oder Pflegebefohlenen gelegen erscheint, namentlich das Kindeswohl fördert. Die Bestimmung nimmt darauf Bedacht, dass ein örtliches Naheverhältnis zwischen dem Pflegschaftsgericht und dem Minderjährigen oder sonstigen Pflegebefohlenen in der Regel zweckmäßig ist; verlegt er den Mittelpunkt seiner gesamten Lebensführung und wirtschaftlichen Existenz in einen anderen Gerichtssprengel, so kann auch die Zuständigkeit dorthin übertragen werden (Mayr in Rechberger, ZPO2 Rz 1 und 2 zu Paragraph 111, JN und die dort angeführte Rechtsprechung). Offene Anträge hindern eine Übertragung grundsätzlich nicht, doch kann im Einzelfall eine Entscheidung durch das schon bisher zuständige Gericht zweckmäßiger sein, insbesondere wenn sich dieses bereits eingehend mit dem offenen Antrag befasst und dazu Vernehmungen durchgeführt hat (Mayr aaO Rz 4 zu Paragraph 111, JN; RIS-Justiz RS0047032; RS0046972; RS0046895). Bei offenen Anträgen um Obsorgeentscheidungen hat die frühere Rechtsprechung von diesem Grundsatz eine Ausnahme gemacht (so zB 4 Nd 501/94; 4 Nd 507/94). In der jüngeren Rechtsprechung wird aber die Auffassung vertreten, dass sich die Prüfung der Zweckmäßigkeit der Zuständigkeitsübertragung während eines aufrechten Obsorgestreites ausschließlich daran zu orientieren hat, welches Gericht die für die Entscheidung maßgeblichen Umstände sachgerechter und umfassender beurteilen kann (RIS-Justiz RS0047027 [T 2, T 3, T 4]).
Die Übertragung der Zuständigkeit gemäß § 111 Abs 1 JN setzt aber voraus, dass das übertragende Gericht auch bisher nach dem Gesetz zur Besorgung der Vormundschafts-(Pflegschafts-)sache zuständig war. Andernfalls hat es in jeder Lage des Verfahrens seine Unzuständigkeit auszusprechen und die Sache an das zuständige Gericht zu überweisen (Fucik in Fasching, Zivilprozessgesetze2 I Rz 2 zu § 111 JN; RIS-Justiz RS0107254; RS0109369). Ist die Zuständigkeit des ursprünglich angerufenen Gerichts nicht gegeben, dann fehlt eine wesentliche Voraussetzung für die Zuständigkeitsübertragung nach § 111 JN; diese ist in einem solchen Fall zu verweigern (1 Nd 502/98 zur gleichgelagerten Problematik bei der Delegierung gemäß § 31 JN). Im vorliegenden Fall ist ungeklärt, ob die Voraussetzungen für die inländische Gerichtsbarkeit (§ 110 JN) und die örtliche Zuständigkeit des Bezirksgerichts Linz (§ 109 JN) gegeben sind. Das Landesgericht Linz hat dem Bezirksgericht Linz im Unterhaltsfestsetzungsverfahren aufgetragen, die Staatsbürgerschaft des Minderjährigen und dessen Aufenthalt zu erheben und anhand dieser Feststellungen die Fragen der inländischen Gerichtsbarkeit, des zulässigen Rechtsweges und der örtlichen Zuständigkeit zu klären. Eine solche Klärung ist bisher nicht erfolgt. In dieser Lage des Verfahrens ist dem Bezirksgericht Linz eine Übertragung der Vormundschaftssache gemäß § 111 JN verwehrt. Die dennoch vorgenommene Zuständigkeitsübertragung ist daher nicht zu genehmigen.Die Übertragung der Zuständigkeit gemäß Paragraph 111, Absatz eins, JN setzt aber voraus, dass das übertragende Gericht auch bisher nach dem Gesetz zur Besorgung der Vormundschafts-(Pflegschafts-)sache zuständig war. Andernfalls hat es in jeder Lage des Verfahrens seine Unzuständigkeit auszusprechen und die Sache an das zuständige Gericht zu überweisen (Fucik in Fasching, Zivilprozessgesetze2 römisch eins Rz 2 zu Paragraph 111, JN; RIS-Justiz RS0107254; RS0109369). Ist die Zuständigkeit des ursprünglich angerufenen Gerichts nicht gegeben, dann fehlt eine wesentliche Voraussetzung für die Zuständigkeitsübertragung nach Paragraph 111, JN; diese ist in einem solchen Fall zu verweigern (1 Nd 502/98 zur gleichgelagerten Problematik bei der Delegierung gemäß Paragraph 31, JN). Im vorliegenden Fall ist ungeklärt, ob die Voraussetzungen für die inländische Gerichtsbarkeit (Paragraph 110, JN) und die örtliche Zuständigkeit des Bezirksgerichts Linz (Paragraph 109, JN) gegeben sind. Das Landesgericht Linz hat dem Bezirksgericht Linz im Unterhaltsfestsetzungsverfahren aufgetragen, die Staatsbürgerschaft des Minderjährigen und dessen Aufenthalt zu erheben und anhand dieser Feststellungen die Fragen der inländischen Gerichtsbarkeit, des zulässigen Rechtsweges und der örtlichen Zuständigkeit zu klären. Eine solche Klärung ist bisher nicht erfolgt. In dieser Lage des Verfahrens ist dem Bezirksgericht Linz eine Übertragung der Vormundschaftssache gemäß Paragraph 111, JN verwehrt. Die dennoch vorgenommene Zuständigkeitsübertragung ist daher nicht zu genehmigen.
Anmerkung
E76856 2Nc7.05kEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2005:0020NC00007.05K.0331.000Dokumentnummer
JJT_20050331_OGH0002_0020NC00007_05K0000_000