Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** *****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Walter Mörth und Dr. Georg Buder, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei C***** ***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Candidus Cortolezis, Rechtsanwalt in Graz, wegen EUR 30.566,80 sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 12. Oktober 2004, GZ 3 157/04i-156, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 8. Juni 2004, GZ 11 Cg 294/97x-152, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Urteile der Vorinstanzen, welche hinsichtlich der Abweisung eines Betrages von EUR 15.021,22 sA mangels Anfechtung als in Rechtskraft erwachsen unberührt bleiben, werden im Übrigen (dh hinsichtlich der Abweisung des Mehrbetrages von EUR 15.545,58 sA) aufgehoben.
In diesem Umfang wird die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die Beklagte erteilte der Klägerin im Frühjahr 1994 den Auftrag zur Errichtung eines Tennishalle in Graz. Dabei handelte es sich um eine Konstruktion aus Profilblechen mit einem Satteldach. Die Neigung des Satteldaches ist derartig, dass bei Schneefall mit einem Abrutschen des Schnees vom Dach gerechnet werden muss. Dennoch wurden Schneefänger nur in dem Bereich angeboten und angebracht, wo die Halle an einen gemauerten Zubau anschließt. In diesem Bereich wurde auch eine Heizung der als Kastenrinne ausgeführten Dachrinne eingebaut. Schon im folgenden Winter 1994/1995 führte vom Hallendach abrutschender Schnee zur Beschädigung der Kastenrinne, welche der Schneelast nicht Stand halten konnte. Im Zuge der Reklamationen durch die Beklagte übermittelte die Klägerin zunächst am 1. 2. 1995 ein Telefax, in welchem es heißt: "Wir beziehen uns auf das mit ihnen geführte Telefonat vom 30. 1. In der Anlage möchten wir ihnen das Ausführungsdetail der Kastenrinne überreichen. In schneereichen Gegenden werden grundsätzlich Schneefänger empfohlen, vor allem bei stark geneigten Dächern. Wir werden uns den Schaden bei nächster Gelegenheit eventuell kommende Woche ansehen. Eine Erneuerung bzw Reparatur dürfen wir im Zusammenhang mit den Wärmebrücken an der Wand am Bau persönlich besprechen. Bis dahin ersuchen wir sie zu überlegen, ob ein nachträglicher Einbau von Schneefängern sinnvoll wäre" (Beil ./A). Am 27. 4. 1995 übermittelte die Klägerin ein weiteres Telefax an den Geschäftsführer der Beklagten, in welchem es heißt: "Wir beziehen uns auf das mit ihnen geführte Gespräch vom 29. 3. in Besichtigung des Schadens. Wir möchten ihnen nochmals bestätigen, dass die Rinnenkonstruktion einwandfrei und nach dem ihnen vorliegenden Detail K201 ausgeführt wurde. Es handelt sich dabei um keine spenglermäßige Rinne, sondern um eine gefällelose Kastenrinne. Wie ihnen zugesagt, werden wir ihnen eine neue Lieferung der beschädigten Rinnenteile auf Kulanz durchführen; dürfen ihnen jedoch nochmals den nachträglichen Einbau von Schneefängern am Hallendach empfehlen." (Beil ./B).
Die Ursache für die Beschädigung lag nicht in einem Fehler der Dachrinnenkonstruktion, sondern darin, dass die Schneelast ungebremst Druck auf die Dachrinne hatte ausüben können. Derartige Beschädigungen können durch die Anbringung von Schneefängern vermieden werden. Vor Eintritt des Schadens war keine Warnung der Klägerin dahin erfolgt, dass bei Nichtanbringen von Schneefängern durch herabrutschenden oder herabfallenden Schnee Beschädigungen des Gebäudes die Folge sein könnten. Auch nach der Reparatur des Schadens vom Winter 1994/1995 gab es keine über die Schreiben Beilage ./A, B hinausgehende Warnung. Im folgenden Winter 1995/1996 wurde durch herabrutschenden Schnee nicht nur die Dachrinnenkonstruktion beschädigt, sondern es prallten auf den Boden herabfallende Schneemassen von dort ab und drückten die senkrechten Fassadenplatten ein. Um die an der Fassade entstandenen Schäden zu vermeiden, wäre es ebenfalls notwendig gewesen, entweder Schneefänger am Dach anzubringen oder aber eine stabilere Fassadenkonstruktion zu wählen. Für eine provisorische Reparatur des (zweiten) Schadens an der Dachrinne wendete die beklagte Partei ATS 7.208,40 (= EUR 523,85) auf. Darüber hinaus wurde außer Streit gestellt, dass für die endgültige Behebung der Schäden an der Fassade und den Hängerinnen ein Bruttobetrag von zusammen EUR 30.042,45 erforderlich ist.
Die Klägerin hatte der Beklagten vereinbarungsgemäß als Haftrücklass eine zeitlich befristete Bankgarantie gestellt. Die beklagte Partei rief davon ATS 454.834,20 (= EUR 33.054,09) ab.
Mit ihrer Klage vom 1. 12. 1997 begehrte die Klägerin die Rückzahlung dieses Betrages. Die Beklagte habe die Bankgarantie vereinbarungswidrig in Anspruch genommen. Der Schaden an der Halle sei nicht durch einen Konstruktionsfehler, sondern durch höhere Gewalt entstanden. Dem Einwand der Warnpflichtverletzung hielt die Klägerin entgegen, dass sie zunächst Schneenasen im gesamten Dachbereich angeboten habe, dies aber von der Beklagten aus Kostengründen abgelehnt worden sei. Nach dem von der Klägerin auf eigene Kosten behobenen Schaden im Winter 1994/1995 sei die Beklagte ausdrücklich auf die Notwendigkeit der Anbringung von Schneefängern hingewiesen worden, dennoch habe diese deren Montage nicht veranlasst. Die Beschädigungen des Winters 1995/1996 seien daher auf das Alleinverschulden der Vertreter der Beklagten zurückzuführen.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie wendete zunächst ein, dass die beschädigten Dachrinnen unsachgemäß montiert worden sein. Auch sei die Klägerin als Werkunternehmerin ihrer Warnpflicht (§ 1168a ABGB) nicht nachgekommen. Sie habe es unterlassen, auf mögliche Schäden durch abrutschenden Schnee an den Dachrinnen und der Hallenwand hinzuweisen, wenn keine Schneefänger montiert würden. Neben (im zweiten Rechtsgang nicht mehr aufrechten) Einwendungen, welche aus einem angeblich zu großen Wärmedurchlässigkeitswert der Halle resultierten (Mängelrüge, Irrtum, mangelnde Fälligkeit), hielt die Beklagte dem Klagebetrag kompensando jene Aufwendungen entgegen, die zur Schadensbehebung notwendig sind bzw teilweise für eine notdürftige Schadensbehebung aufgewendet wurden, nämlich ATS 420.608 (= EUR 30.566,80). Auch die Schreiben Beilage ./A und B könnten nicht als Erfüllung der Warnpflicht gelten, weil darin Schneefänger nur empfohlen worden, jedoch kein Hinweis auf mögliche Schäden an Fassadenteilen erfolgt sei.Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie wendete zunächst ein, dass die beschädigten Dachrinnen unsachgemäß montiert worden sein. Auch sei die Klägerin als Werkunternehmerin ihrer Warnpflicht (Paragraph 1168 a, ABGB) nicht nachgekommen. Sie habe es unterlassen, auf mögliche Schäden durch abrutschenden Schnee an den Dachrinnen und der Hallenwand hinzuweisen, wenn keine Schneefänger montiert würden. Neben (im zweiten Rechtsgang nicht mehr aufrechten) Einwendungen, welche aus einem angeblich zu großen Wärmedurchlässigkeitswert der Halle resultierten (Mängelrüge, Irrtum, mangelnde Fälligkeit), hielt die Beklagte dem Klagebetrag kompensando jene Aufwendungen entgegen, die zur Schadensbehebung notwendig sind bzw teilweise für eine notdürftige Schadensbehebung aufgewendet wurden, nämlich ATS 420.608 (= EUR 30.566,80). Auch die Schreiben Beilage ./A und B könnten nicht als Erfüllung der Warnpflicht gelten, weil darin Schneefänger nur empfohlen worden, jedoch kein Hinweis auf mögliche Schäden an Fassadenteilen erfolgt sei.
Im ersten Rechtsgang erwuchs die Zuerkennung eines Betrages von EUR 2.487,29 sA in Rechtskraft. Im zweiten Rechtsgang erkannte das Erstgericht die Forderung der Klägerin mit EUR 30.566,80 als zu Recht bestehend, die Gegenforderung der Beklagten in der selben Höhe als zu Recht bestehend und wies daher das Klagebegehren von (restlichen) EUR 30.566,80 sA ab. Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, dass die Klägerin als Werkunternehmerin der ihr obliegenden Warnpflicht nicht ausreichend nachgekommen sei und daher für die daraus erwachsenen Schäden am Werk zu haften habe.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. In seiner rechtlichen Beurteilung wies das Berufungsgericht darauf hin, dass von der Warnpflicht des Werkunternehmers offenkundige und für jedermann sogleich erkennbare Gefahren nicht umfasst seien. Der Klägerin sei keine Verletzung der Warnpflicht vorzuwerfen, soweit durch den Schneefall vom Winter 1995/1996 erneut Beschädigungen der schon einmal reparierten Dachrinne eingetreten seien. Von einer solchen Offenkundigkeit und dem Entfall einer Warnpflicht könne jedoch hinsichtlich der an der Fassade eingetretenen Schäden nicht die Rede sein, weil auch die Schreiben Beilage ./A und B keinerlei Hinweis auf derartige mögliche Folgen enthalten haben. Da die Fassadenkonstruktion nicht so dimensioniert gewesen sei, dass sie dem Druck herabfallenden und vom Boden zurückprallenden Schnees Stand hielte, hätte die Beklagte diesbezüglich gewarnt werden müssen, zumal das Anbringen von Schneefängern diese Folgen vermieden hätte. Trotz dieser Differenzierung erachtete das Berufungsgericht die gesamten von der Beklagten eingewendeten Schadensbehebungskosten als berechtigt.
Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin lediglich insoweit, als mit dem angefochtenen Urteil die Abweisung eines EUR 15.021,22 sA übersteigenden Klagebetrages bestätigt wurde.
Die Revision ist zulässig, weil die Rechtsauffassung, wonach die Beklagte Anspruch auf Ersatz ihrer gesamten Aufwendungen zur Schadensbehebung habe, auf einer offenbar irrig angenommenen Sachverhaltsgrundlage beruht; sie ist im Umfang des Aufhebungsantrages auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Klägerin bestreitet im Revisionsverfahren nicht mehr, dass sie für die an den Fassadenflächen aufgetretenen Schäden als Folge einer Warnpflichtverletzung haftet. Sie wendet sich lediglich gegen ihre Inanspruchnahme für die an den Dachrinnen eingetretenen Schäden, weil sie diesbezüglich ihrer Warnpflicht nachgekommen sei bzw, wie vom Berufungsgericht selbst aufgezeigt, wegen der Offenkundigkeit möglicher Folgen seit dem Schadenseintritt im Winter 1994/1995 keine Warnpflicht mehr bestanden habe. Dennoch habe das Berufungsgericht einen Anspruch der Beklagten auf Behebung des Gesamtschadens bejaht.
Einem Werkunternehmer steht grundsätzlich der Beweis offen, dass im konkreten Fall eine Warnung iSd § 1168a ABGB nicht erforderlich war (RIS-Justiz RS0022273 insbesondere [T5] = SZ 2002/23). Wie festgestellt wurde, wies die Klägerin nach Eintritt des ersten Schneeschadens vom Winter 1994/1995 mit Schreiben vom 27. 4. 1995 (Beil ./B) ausdrücklich darauf hin, dass die Rinnenkonstruktion einwandfrei ausgeführt worden sei und der nachträgliche Einbau von Schneefängern am Hallendach empfohlen werde. Damit war aber für die Geschäftsführer der Beklagten offenkundig, dass ursächlich nicht eine unzureichende Dimensionierung der Kastenrinne gewesen ist, sondern die Schadensursache vielmehr im Schneedruck zu suchen war und dass im Falle der Nichtanbringung von Schneefängern derartige Schäden an der Dachrinne jederzeit wieder auftreten könnten. Infolge dieser Offenkundigkeit (RIS-Justiz RS0022081) bestand daher, soweit es um künftige Schäden an der Dachrinne durch abrutschenden Schnee ging, keine Warnpflicht der klagenden Werkunternehmerin mehr. Die von der Beklagten vertretene Ansicht würde zu einer unzulässigen Überspannung der Warnpflichten eines Werkunternehmers führen. Daraus folgt, dass die Inanspruchnahme der Bankgarantie für die Behebung der (der Höhe nach noch nicht feststehenden) Schäden an der Dachrinne genausowenig berechtigt war, wie die Einwendung des Betrages, welcher für die vorläufige Reparatur der Dachrinne nach dem zweiten Schadensfall aufgewendet wurde.Einem Werkunternehmer steht grundsätzlich der Beweis offen, dass im konkreten Fall eine Warnung iSd Paragraph 1168 a, ABGB nicht erforderlich war (RIS-Justiz RS0022273 insbesondere [T5] = SZ 2002/23). Wie festgestellt wurde, wies die Klägerin nach Eintritt des ersten Schneeschadens vom Winter 1994/1995 mit Schreiben vom 27. 4. 1995 (Beil ./B) ausdrücklich darauf hin, dass die Rinnenkonstruktion einwandfrei ausgeführt worden sei und der nachträgliche Einbau von Schneefängern am Hallendach empfohlen werde. Damit war aber für die Geschäftsführer der Beklagten offenkundig, dass ursächlich nicht eine unzureichende Dimensionierung der Kastenrinne gewesen ist, sondern die Schadensursache vielmehr im Schneedruck zu suchen war und dass im Falle der Nichtanbringung von Schneefängern derartige Schäden an der Dachrinne jederzeit wieder auftreten könnten. Infolge dieser Offenkundigkeit (RIS-Justiz RS0022081) bestand daher, soweit es um künftige Schäden an der Dachrinne durch abrutschenden Schnee ging, keine Warnpflicht der klagenden Werkunternehmerin mehr. Die von der Beklagten vertretene Ansicht würde zu einer unzulässigen Überspannung der Warnpflichten eines Werkunternehmers führen. Daraus folgt, dass die Inanspruchnahme der Bankgarantie für die Behebung der (der Höhe nach noch nicht feststehenden) Schäden an der Dachrinne genausowenig berechtigt war, wie die Einwendung des Betrages, welcher für die vorläufige Reparatur der Dachrinne nach dem zweiten Schadensfall aufgewendet wurde.
Da die Klägerin die Verletzung ihrer Warnpflichten und daraus folgend ihre Haftung für Schäden an der Fassade nicht mehr bestreitet, ist ein Anspruch der Beklagten soweit zu bejahen, als Aufwendungen zur Behebung der Schäden an der Fassade anfallen. Insoweit besteht aber ein rechtlicher Feststellungsmangel (sekundärer Verfahrensmangel), weil nur ein Pauschalbetrag für die Gesamtschadensbehebung an Dachrinnen und Fassadenteilen außer Streit gestellt wurde und der Aufwand für die Behebung der Schäden an den Fassadenteilen ohne weitere Feststellungen nicht, wie von der Revisionswerberin begehrt, einfach mit der Hälfte des Gesamtschadens festgesetzt werden kann.
Da diesbezüglich sowohl ein detailliertes Vorbringen als auch eine Verfahrensergänzung erforderlich sein werden, erweist sich die Zurückverweisung der Rechtssache an die erste Instanz als notwendig.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.Der Kostenvorbehalt beruht auf Paragraph 52, Absatz eins, ZPO.
Textnummer
E76916European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2005:0090OB00148.04M.0406.000Im RIS seit
06.05.2005Zuletzt aktualisiert am
17.07.2012