TE OGH 2005/4/6 9Ob80/04m

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Veröffentlicht am 06.04.2005
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Malgorzata W***** D*****, Lehrerin, P*****, vertreten durch Dr. Karl Heinz Kramer, Rechtsanwalt in Villach, gegen die beklagte Partei B***** ***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. iur. Oliver Lorber, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen EUR 8.430 sA, über die Revision (Revisionsinteresse EUR 7.584) der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgericht vom 28. April 2004, GZ 3 R 48/04z-45, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Spittal an der Drau vom 2. Dezember 2003, GZ 1 C 646/02h-40, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 665,66 (darin EUR 110,94 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Am 1. 2. 2002 ereignete sich in Bad K***** im Bereich der Einmündung des Zufahrtsweges von der Mittelstation der K*****bahn und der Talstation der S*****bahn in die K*****-Talabfahrt, zu der im Mündungsbereich dieses Zufahrtswegs auch die Abfahrt vom S***** stößt, ein Schiunfall, bei welchem die Klägerin verletzt wurde. Die Klägerin war im Besitz eines entgeltlich erworbenen Schipasses, welcher sie zur Benützung der von der Beklagten betreuten Schipisten berechtigte.

Der Bereich zwischen den genannten Seilbahnstationen und der daran anschließende Zufahrtsweg zur Abfahrt verlaufen nahezu ohne Gefälle. Dieser Zufahrtsweg bildet für abfahrende Schifahrer eine leichte Linkskurve. Durch den links ansteigenden Hang und die dort befindliche Seilbahnstation kann bei Einfahrt in den ca 4 m breiten Weg dessen Einmündungsbereich in die Abfahrt nicht eingesehen werden.

Am Unfallstag war ca eine Stunde vor dem Unfall mit einem Tankwagen Diesel zur Talstation des Doppelsesselliftes der S*****bahn geliefert worden. Zu diesem Zwecke hatte der Tankwagen zunächst die Piste queren müssen. Dies war auch beim Rücktransport erforderlich gewesen. Dabei war der Zufahrtsweg derart gesichert worden, dass oberhalb desselben ein Mitarbeiter der Beklagten mit einem Skidoo mit eingeschalteter Beleuchtung Aufstellung genommen und Schifahrer, so auch die Klägerin, am Befahren des Weges gehindert hatte. Da bei der Querung durch das Tankfahrzeug tiefe Fahrspuren in die Piste eingegraben worden waren, musste anschließend - gegen 11.00 Uhr - ein Mitarbeiter der Beklagten die Abfahrt in der Nähe der Einfahrt des Zufahrtsweges mit einem Pistengerät planieren. Ein weiterer Mitarbeiter der Beklagten hatte die Aufgabe übernommen, das Queren der Pisten durch die Pistenraupe gegenüber Schifahrern zu sichern, die von oben die Abfahrt, nicht jedoch den Zufahrtsweg herunterkamen. Während dieser Tätigkeit sah er eine aus dem Zufahrtsweg herauskommende Personengruppe, in der sich auch Schilehrer mit ihren Gruppen befanden. Er wies daraufhin den Pistengerätfahrer an, stehenzubleiben und lief den sich nähernden Schifahrern entgegen, um diese vor der Gefahr zu warnen. Währenddessen sperrte niemand mehr den Zufahrtsweg im Bereich der Mittelstation ab. Die Klägerin fuhr deshalb innerhalb einer Personengruppe in den Zufahrtsweg ein. Als sie die Einmündung des Zufahrtsweges in die S*****abfahrt erreichte, sah sie plötzlich die Pistenraupe und unmittelbar vor dieser die angehaltenen Schifahrer. Da die Klägerin nicht Platz genug hatte, um an dem durch die Schifahrer gebildeten Hindernis vorbeizufahren, musste sie mittels „Schneepflugbremse" anhalten. Dies gelang ihr auch. Cirka ein bis drei Sekunden nach Erreichen des Stillstandes prallte jedoch ein nachfolgendes Kind auf die Klägerin, sodass diese - ca 15 bis 20 m vom Pistengerät entfernt - stürzte und sich dabei Verletzungen an beiden Knien zuzog.

Die Klägerin begehrte von der Beklagten Schmerzensgeld sowie den Ersatz der Kosten für medizinische Behandlung und Inanspruchnahme einer Haushaltshilfe aus dem Titel des Schadenersatzes. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zunächst mit - rechtskräftig gewordenem - Teilurteil durch Zuspruch von EUR 691 sA sowie im Endurteil durch Zuerkennung von weiteren EUR 7.584 sA statt und wies (rechtskräftig) ein Mehrbegehren von EUR 846 sA ab. Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt übernahm es aufgrund einer gemäß § 499 Abs 2 ZPO eingetretenen Bindung die vom Berufungsgericht im ersten Rechtsgang vertretene Rechtsauffassung. Danach wäre die Beklagte aufgrund des Vertrages mit der Klägerin verhalten gewesen, der durch sie adäquat verursachten Gefahrensituation dadurch zu begegnen, dass sie bereits bei der Einfahrt in den Zufahrtsweg einen Sicherungsposten aufgestellt hätte, welcher das Einfahren von Schifahrern und damit die Notwendigkeit plötzlichen Abbremsens verhindert hätte. Dies sei jedoch unterblieben. Die Verletzung der Klägerin durch ein nachfolgendes, ungebremst an sie anfahrendes Kind sei der Beklagten als adäquate Folge ihrer Unterlassung zuzurechnen. Das Berufungsgericht bestätigte, ausgehend von seiner dem Erstgericht überbundenen Rechtsansicht, das Ersturteil. Es sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil Differenzen zwischen der Rechtsprechung (1 Ob 582/86) und dem Schrifttum hinsichtlich des Sorgfaltsmaßstabs beim Einsatz von Pistengeräten auf Schipisten während des Abfahrtsbetriebes bestünden und außerdem Rechtsprechung zur Vorwerfbarkeit des Verhaltens eines Pistenerhalters bei hinzutretendem Fehlverhalten anderer Schifahrer fehle. Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch (§ 508a Abs 1 ZPO) ist die Revision der Beklagten nicht zulässig.Die Klägerin begehrte von der Beklagten Schmerzensgeld sowie den Ersatz der Kosten für medizinische Behandlung und Inanspruchnahme einer Haushaltshilfe aus dem Titel des Schadenersatzes. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zunächst mit - rechtskräftig gewordenem - Teilurteil durch Zuspruch von EUR 691 sA sowie im Endurteil durch Zuerkennung von weiteren EUR 7.584 sA statt und wies (rechtskräftig) ein Mehrbegehren von EUR 846 sA ab. Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt übernahm es aufgrund einer gemäß Paragraph 499, Absatz 2, ZPO eingetretenen Bindung die vom Berufungsgericht im ersten Rechtsgang vertretene Rechtsauffassung. Danach wäre die Beklagte aufgrund des Vertrages mit der Klägerin verhalten gewesen, der durch sie adäquat verursachten Gefahrensituation dadurch zu begegnen, dass sie bereits bei der Einfahrt in den Zufahrtsweg einen Sicherungsposten aufgestellt hätte, welcher das Einfahren von Schifahrern und damit die Notwendigkeit plötzlichen Abbremsens verhindert hätte. Dies sei jedoch unterblieben. Die Verletzung der Klägerin durch ein nachfolgendes, ungebremst an sie anfahrendes Kind sei der Beklagten als adäquate Folge ihrer Unterlassung zuzurechnen. Das Berufungsgericht bestätigte, ausgehend von seiner dem Erstgericht überbundenen Rechtsansicht, das Ersturteil. Es sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil Differenzen zwischen der Rechtsprechung (1 Ob 582/86) und dem Schrifttum hinsichtlich des Sorgfaltsmaßstabs beim Einsatz von Pistengeräten auf Schipisten während des Abfahrtsbetriebes bestünden und außerdem Rechtsprechung zur Vorwerfbarkeit des Verhaltens eines Pistenerhalters bei hinzutretendem Fehlverhalten anderer Schifahrer fehle. Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch (Paragraph 508 a, Absatz eins, ZPO) ist die Revision der Beklagten nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Auch bei Bedachtnahme auf die im Schrifttum vertretenen Ansichten, die zum Teil einen geringeren Sorgfaltsmaßstab als den zu 1 Ob 582/86 (= ZVR 1988/7) aufgezeigten fordern (Pichler/Holzer, Handbuch des österreichischen Schirechts, 66 ff; Pichler, Zusammenprall eines unmündigen Schifahrers mit einem Pistengerät, ÖJZ 1987, 737 ff;

Dittrich, Unfälle mit Pistengeräten, ZVR 1990, 65 ff;

Dittrich/Reindl/Stabentheiner, Bergbefördung, Pistenbetreuung, Wintersport - Verhaltenspflichten und Handelsmöglichkeiten des Seilbahnunternehmers - 15 Jahre Seilbahnsymposium, ZVR 1996, 194 ff [202 ff], Maler-Hutter, Zur Gefährdungshaftung von Pistenpräpariermaschinen, ZVR 1989, 97 ff; siehe die Zusammenfassung in 4 Ob 2372/96v), ist keine Verkennung der Rechtslage durch das Berufungsgericht zu sehen, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden müsste. Der hier zu beurteilende Fall bietet (wie schon zu 4 Ob 2372/96v) auch keinen Anlass, die grundsätzliche Frage zu entscheiden, ob während des Liftbetriebes jede nicht unbedingt notwendige Fahrt des Pistengeräts zu unterbleiben hat. Selbst wenn man nämlich der Beklagten einräumt, dass der Einsatz des Pistengerätes notwendig war, um eine Gefahrenquelle, nämlich die durch den Tanktransport entstandenen Spurrillen auf der Piste, zu beseitigen, wäre für sie nichts zu gewinnen, weil dann - wie das Berufungsgericht zutreffend und in Übereinstimmung mit der überwiegenden Lehrmeinung dargelegt hat - der Einsatz unter höchstmöglicher Vorsicht zu bewerkstelligen gewesen wäre. Auch dann, wenn man Pistengeräte als typische Erscheinung auf einer Schipiste ansieht (Dittrich/Reindl/Stabentheiner aaO 202), enthebt das den Betreiber des Pistengerätes nicht der Pflicht, auf die Möglichkeit Bedacht zu nehmen, dass Schifahrer - nicht auf Sicht fahrend - zu Tale fahren (4 Ob 2372/96v). Ob und in welchen Umfang daher Sicherungsmaßnahmen notwendig sind, kann letztlich nur anhand des konkreten Einzelfalls beurteilt werden. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, dass ein bereits bei der Einfahrt in den unübersichtlich verlaufenden Weg aufgestellter Sicherungsposten erforderlich gewesen wäre, ist jedenfalls auch unter dem Aspekt vertretbar, dass Pistengeräte keine atypische Gefahr darstellen. Auch die Frage des adäquaten Kausalzusammenhanges wurde vom Berufungsgericht mit vertretbarer Rechtsauffassung bejaht und gibt keinen Anlass zu einer weiteren Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof. Nach der Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0022918) liegt ein adäquater Kausalzusammenhang nämlich auch dann vor, wenn eine weitere Ursache für den entstandenen Schaden dazugetreten ist und nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge dieses Hinzutreten als wahrscheinlich zu erwarten ist, jedenfalls aber nicht außerhalb der menschlichen Erwartung liegt. Es kommt nur darauf an, ob nach den allgemeinen Kenntnissen und Erfahrungen das Hinzutreten der weiteren Ursache, wenn auch nicht gerade normal, so doch wenigstens nicht gerade außergewöhnlich ist. Im vorliegenden Fall ist in Betracht zu ziehen, dass durch den Einsatz des Pistengerätes eine Reihe von Personen gezwungen war, am Ende eines unübersichtlichen Zufahrtsweges stehenzubleiben, wodurch für nachkommende Schifahrer ein erhebliches Hindernis entstand. Es ist daher auch keineswegs außergewöhnlich, dass ein - offensichtlich nicht auf Sicht fahrendes - die Gefahrensituation nicht erkennendes Kind mit einer wegen des Hindernisses anhaltenden, stehenden Person kollidiert und diese verletzt.

Zusammenfassend vermag daher die Revisionswerberin keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.Zusammenfassend vermag daher die Revisionswerberin keine erhebliche Rechtsfrage iSd Paragraph 502, Absatz eins, ZPO aufzuzeigen.

Die Revisionsbeantwortung der Klägerin diente der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung, weil darin auf die Unzulässigkeit der Revision der Beklagten hingewiesen wurde. Die Klägerin hat daher Anspruch auf Ersatz der Kosten nach §§ 41, 50 ZPO.Die Revisionsbeantwortung der Klägerin diente der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung, weil darin auf die Unzulässigkeit der Revision der Beklagten hingewiesen wurde. Die Klägerin hat daher Anspruch auf Ersatz der Kosten nach Paragraphen 41,, 50 ZPO.

Anmerkung

E77021 9Ob80.04m

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2005:0090OB00080.04M.0406.000

Dokumentnummer

JJT_20050406_OGH0002_0090OB00080_04M0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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