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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §46 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der E in W, vertreten durch die Burghofer & Pacher Rechtsanwälte GmbH, 1060 Wien, Köstlergasse 1/30, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 17. Februar 2006, Zl. LGSW/Abt. 3-AlV/1218/56/2005-8353, betreffend Anspruch auf Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführerin wurde am 19. Mai 2005 vom Arbeitsmarktservice Wien Huttengasse ein Antragsformular zur Geltendmachung von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung ausgegeben, auf dem "Arbeitslosengeld" angekreuzt wurde. Auf der ersten Seite des Formulars findet sich die Anleitung, dass der Antrag innerhalb der angegebenen Frist - handschriftlich wurde der 4. Mai 2005 hinzugefügt - persönlich abzugeben ist. Danach wird auf Folgendes hingewiesen: "Sollten Sie die Frist nicht einhalten können, vereinbaren Sie rechtzeitig eine Terminverlängerung, ansonsten kann die Leistung erst ab dem Tag gewährt werden, an dem Sie den Antrag abgeben!" Handschriftlich sind darauf nach dem Vermerk "Rückgabefrist verlängert bis:" die Daten 23. Mai. 2005, 27. Juni 2005 (gestempelt) und 11. Juli 2005 angeführt und als fehlende Unterlagen die Arbeitsbescheinigung und die Schulbesuchsbestätigung genannt.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde in Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides festgestellt, dass der Beschwerdeführerin - erst - ab 11. November 2005 der Bezug von Arbeitslosengeld zustehe.
In der Begründung verwies die belangte Behörde auf die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides, in dem das Arbeitslosengeld ab dem 11. November 2005 zugesprochen worden sei, weil an diesem Tag der Anspruch geltend gemacht worden sei. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung habe die Beschwerdeführerin eingewendet, sie habe den Antrag auf Arbeitslosengeld am 19. April 2005 abgegeben, es habe jedoch die Arbeitsbescheinigung gefehlt. Es seien Schwierigkeiten bei der Beschaffung der Arbeitsbescheinigung beim ehemaligen Dienstgeber der Beschwerdeführerin aufgetreten. Am 19. Juni 2005 habe die Beschwerdeführerin beim Arbeitsmarktservice vorgesprochen, obwohl ihr dieser Termin nicht förmlich vorgeschrieben worden sei.
Es könne festgestellt werden - so die belangte Behörde weiter -, dass an die Beschwerdeführerin am 19. April 2005 ein Antragsformular auf Arbeitslosengeld ausgegeben worden sei, auf dem als Rückgabetermin der 4. Mai 2005 angeführt gewesen sei. Dem Antragsformular könne weiter entnommen werden, dass der Beschwerdeführerin dieser Termin wegen Fehlens der Arbeitsbescheinigung und der Schulbesuchsbestätigung bis zum 23. Mai 2005 verlängert worden sei. Weiters sei eine Verlängerung auf den 27. Juni und dann auf den 11. Juli 2005 erfolgt. Tatsächlich habe die Beschwerdeführerin das Antragsformular am 11. November 2005 abgegeben. In der dazu aufgenommenen Niederschrift habe sie als Grund für die verspätete Antragsrückgabe angegeben, man habe der Beschwerdeführerin in der Servicezone am 27. Juni 2005 gesagt, dass sie wieder vorsprechen solle, sobald sie die Arbeitsbescheinigung habe, die übrigen Termine seien in der Beratungszone. Die Beschwerdeführerin sei nicht darauf hingewiesen worden, dass der Termin in der Servicezone bis 11. Juli 2005 verlängert worden sei.
Nach Darstellung der von ihr angewendeten Rechtsvorschriften führte die belangte Behörde in rechtlicher Hinsicht aus, dass die Beschwerdeführerin den Antrag auf Arbeitslosengeld nicht termingemäß abgegeben habe und auch keine triftigen Gründe vorlägen, die eine verspätete Abgabe entschuldigen würden. Die Verlängerung des Abgabetermins bis zum 11. Juli 2005 sei auf dem Antragsformular in der dafür vorgesehenen Rubrik ersichtlich gewesen. Zugleich werde dort auch auf die Rechtsfolgen einer verspäteten Abgabe hingewiesen. Die verzögerte Ausstellung der Arbeitsbescheinigung durch den ehemaligen Dienstgeber der Beschwerdeführerin stelle keinen triftigen Grund dar, weil die gesetzlichen Bestimmungen gerade für diesen Fall vorsehen, dass das Arbeitsmarktservice die Ausstellung einer Ersatzbescheinigung vom Träger der Krankenversicherung verlangen könne. Da die Beschwerdeführerin am 11. Juli 2005 nicht vorgesprochen habe, habe eine solche Vorgangsweise mit ihr nicht abgeklärt werden können. Für den 19. Juni 2005 werde der Beschwerdeführerin kein Versäumnis vorgeworfen, der Termin am 27. Juni 2005 sei schriftlich vereinbart und von der Beschwerdeführerin zur Kenntnis genommen worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die Beschwerdeführerin gesteht in der Beschwerde zu, dass sie den "ihr gesetzten Termin deshalb nicht eingehalten (hat), weil ihr vormaliger Dienstgeber eben nicht in der Lage war, ihr eine Bestätigung auszustellen". Die Beschwerdeführerin sieht darin einen triftigen Grund, aus dem sie die Frist zur Rückgabe des Antragsformulares samt fehlender Unterlagen (Arbeitsbescheinigung und Schulbesuchsbestätigung) nicht einhalten musste.
§ 17 Abs. 1 AlVG in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 77/2004 lautet auszugsweise:
"Das Arbeitslosengeld gebührt ab dem Eintritt der Arbeitslosigkeit, wenn die Arbeitslosmeldung bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice unverzüglich nach der Kenntnis der Kündigung oder sonstigen Auflösung oder Nichtverlängerung des Arbeitsverhältnisses oder von der Beendigung der Beschäftigung und die Geltendmachung des Anspruches auf Arbeitslosengeld binnen einer Woche nach dem Eintritt der Arbeitslosigkeit erfolgt, sämtliche Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld erfüllt sind und der Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht gemäß § 16 ruht. ... Bei späterer Meldung gebührt das Arbeitslosengeld frühestens ab dem Tag der Geltendmachung."
§ 46 AlVG in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 77/2004 lautet in den für den Beschwerdefall maßgeblichen Passagen:
" (1) Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ist bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle persönlich geltend zu machen. Für die Geltendmachung des Anspruches ist das bundeseinheitliche Antragsformular zu verwenden. Das Arbeitsmarktservice hat neben einem schriftlichen auch ein elektronisches Antragsformular zur Verfügung zu stellen. Der Anspruch gilt erst dann als geltend gemacht, wenn die arbeitslose Person bei der regionalen Geschäftsstelle persönlich vorgesprochen und das ausgefüllte Antragsformular abgegeben hat. Hat die arbeitslose Person zum Zweck der Geltendmachung des Anspruches bereits persönlich vorgesprochen und können die Anspruchsvoraussetzungen auf Grund des eingelangten Antrages ohne weitere persönliche Vorsprache beurteilt werden, so kann die regionale Geschäftsstelle vom Erfordernis der persönlichen Abgabe des Antrages absehen. Eine persönliche Abgabe des Antrages ist insbesondere nicht erforderlich, wenn die arbeitslose Person aus zwingenden Gründen, wie Arbeitsaufnahme oder Krankheit, verhindert ist, den Antrag persönlich abzugeben. Die Abgabe (das Einlangen) des Antrages ist der arbeitslosen Person zu bestätigen. Hat die regionale Geschäftsstelle zur Beibringung des ausgefüllten Antragsformulars oder von sonstigen Unterlagen eine Frist bis zu einem bestimmten Zeitpunkt gesetzt und wurde diese ohne triftigen Grund versäumt, so gilt der Anspruch erst ab dem Tag als geltend gemacht, ab dem die beizubringenden Unterlagen bei der regionalen Geschäftsstelle eingelangt sind.
...
(4) Der Arbeitslose hat seinen Anspruch bei der regionalen Geschäftsstelle nachzuweisen. Er hat eine Bestätigung des Dienstgebers über die Dauer und Art des Dienstverhältnisses, die Art der Lösung des Dienstverhältnisses und erforderlichenfalls über die Höhe des Entgeltes beizubringen. Die Bestätigung über die Höhe des Entgeltes ist über Aufforderung durch die regionale Geschäftsstelle beizubringen, wenn keine Jahresbemessungsgrundlage (§ 21 Abs. 1) vorliegt. Der Dienstgeber ist zur Ausstellung dieser Bestätigung verpflichtet. Die näheren Bestimmungen hierüber erlässt der Bundesminister für soziale Verwaltung durch Verordnung. Wenn die regionale Geschäftsstelle dem Arbeitslosen keine zumutbare Arbeit vermitteln kann, hat sie über den Anspruch zu entscheiden.
Auf Grund des § 46 Abs. 4 AlVG wurde die Verordnung über die Arbeitsbescheinigung zur Geltendmachung von Arbeitslosengeld (Arbeitsbescheinigungsverordnung - ABVO), BGBl. Nr. 301/1996, erlassen, in der es unter anderem heißt:
"§ 1. (1) Zum Nachweis der arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung, auf die der Anspruch auf Arbeitslosengeld gestützt wird, hat der Arbeitslose eine Bestätigung des Arbeitgebers beizubringen.
...
§ 2. Die Arbeitsbescheinigung ist auf dem vom Arbeitsmarktservice aufgelegten und bei den regionalen Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice erhältlichen Vordruck zu erstellen. Arbeitsbescheinigungen, die im Wege der automationsunterstützten Datenverarbeitung erstellt wurden, sind zulässig, sofern sie inhaltlich mit dem amtlichen Vordruck übereinstimmen.
§ 3. Die Arbeitsbescheinigung ist vom Arbeitgeber oder dessen Beauftragten zu fertigen. Zweitausfertigungen der Arbeitsbescheinigung sind als solche zu bezeichnen.
§ 4. Die Träger der Krankenversicherung sind verpflichtet, auf Ersuchen der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice auf der Arbeitsbescheinigung anzugeben, ob und in welcher Zeit der Arbeitnehmer arbeitslosenversichert war, welcher Arbeitsverdienst der Versicherung zugrunde gelegt wurde, soweit die Berechnung der Beiträge nicht nach dem Lohnsummenverfahren erfolgt, und in welcher Zeit allenfalls Krankengeld bezogen wurde."
Nach dem klaren Wortlaut des § 46 Abs. 1 AlVG kommt es für die Qualifizierung eines Sachgeschehens als "Geltendmachung des Anspruches", an die das Gesetz den Beginn des Bezuges von Leistungen nach dem AlVG knüpft, auf die persönliche Abgabe des Antrages bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle unter Verwendung des hiefür bundeseinheitlich aufgelegten Antragsformulares innerhalb der genannten Frist an. Dabei bildet der Nachweis des Anspruches nach § 46 Abs. 4 AlVG kein Erfordernis für die Geltendmachung, sondern für die Entscheidung über den nach Abs. 1 geltend gemachten Anspruch (vgl. das Erkenntnis vom 4. April 2002, Zl. 99/08/0062).
§ 46 Abs. 1 letzter Satz leg. cit. regelt den Fall, dass die Frist, die die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Beibringung des ausgefüllten Antragsformulars oder von sonstigen Unterlagen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt gesetzt hat ohne triftigen Grund versäumt wurde. In diesem Fall gilt der Anspruch erst ab dem Tag als geltend gemacht, ab dem die beizubringenden Unterlagen bei der regionalen Geschäftsstelle eingelangt sind. Die Unterlagen gelten hingegen als rechtzeitig eingelangt, wenn die Terminüberschreitung aus einem triftigen Grund erfolgt.
Vor diesem Hintergrund erweist sich die Verneinung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld der Beschwerdeführerin für den Zeitraum vor der Antragstellung als dem Gesetz entsprechend. Allein im Fehlen von Unterlagen, die beizubringen sind, ist kein triftiger Grund zu sehen, den Rückgabetermin für das Antragsformular nicht einzuhalten bzw. rechtzeitig um Fristverlängerung anzusuchen (vgl. das schon zitierte Erkenntnis vom 4. April 2002, Zl. 99/08/0062, dem auch die Frage des Fehlens einer Arbeitsbestätigung eines insolventen Arbeitgebers zu Grund gelegen ist); ebenso wenig ist die regionale Geschäftsstelle berechtigt, das Antragsformular mit dem Hinweis auf das Fehlen der Arbeitsbescheinigung zurückzuweisen.
Verweist die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf die Bestimmung des § 4 ABVO auf die Möglichkeit der Beschaffung einer Ersatzarbeitsbestätigung durch die belangte Behörde, verkennt sie -
wie offenbar auch die belangte Behörde -, dass diese Norm das Vorliegen einer Arbeitsbescheinigung voraussetzt, "auf der" der Krankenversicherungsträger verpflichtet ist, bestimmte Daten anzugeben.
Soweit die Beschwerdeführerin als Verfahrensfehler eine Verletzung der Anleitungspflicht der erstinstanzlichen Behörde behauptet, weil diese es unterlassen habe, sie dahin anzuleiten, das Formular sofort abzugeben bzw. dass eine Ersatzbeschaffung möglich sei, ist ihr unter Hinweis auf die dargestellte Rechtslage (§ 46 AlVG, § 4 ABVO) zu entgegnen, dass dies gesetzlich nicht vorgesehen, im Hinblick auf den für die Vorlage des Formulars ohnehin zu vereinbarenden Termin aber auch nicht erforderlich ist; schon deshalb kann die eine Anleitung in diese Richtung unterlassende Behörde die Anleitungspflicht nicht verletzt haben.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Wien, am 4. Juli 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006080115.X00Im RIS seit
15.08.2007