Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Gabriele A*****, vertreten durch Dr. Peter Hrubesch, Rechtsanwalt in Salzburg, wider den Antragsgegner Jürgen A*****, vertreten durch Dr. Ingrid Stöger und Dr. Roger Reyman, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen §§ 81 ff EheG, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 22. September 2004, GZ 21 R 278/04h-9, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 14. Mai 2004, GZ 4 C 26/04x-4, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin ist schuldig, dem Antragsgegner die mit EUR 399,74 (darin EUR 66,62 USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Ehe der Parteien wurde mit Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 31. 1. 2003 aus gleichteiligem Verschulden beider Teile geschieden. Das Urteil wurde den Rechtsvertretern beider Parteien am 4. 2. 2003 zugestellt. Beide erhoben am 4. 3. 2003 ausschließlich gegen den Verschuldensausspruch Berufung.
Am 5. 1. 2004 beantragte die Antragstellerin beim Erstgericht die Bewilligung der Verfahrenshilfe (auch die Beigebung eines Rechtsanwalts) für das Aufteilungsverfahren. Weiteres Vorbringen wurde nicht erstattet. Der Antrag wurde mit Beschluss vom 11. 2. 2004 zu 4 Nc 1/04x bewilligt und Dr. Peter Hrubesch mit Bescheid der Salzburger Rechtsanwaltskammer zum 20. 2. 2004 zum Verfahrenshelfer bestellt. Am 12. 3. 2004 wurde eine Gleichschrift des Bestellungsbescheides an den Verfahrenshelfer und an die Antragstellerin abgefertigt.
Mit dem am 23. 3. 2004 beim Erstgericht eingelangten Antrag begehrte die Antragstellerin, vertreten durch den Verfahrenshelfer, die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse nach §§ 81 ff EheG.
Der Antragsgegner wendete im Wesentlichen ein, dass die materiellrechtliche Fallfrist des § 95 EheG zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits abgelaufen und ein allfälliger Aufteilungsanspruch daher erloschen sei.
Das Erstgericht wies den Aufteilungsantrag ab. Die Jahresfrist des § 95 EheG laufe ab formeller Rechtskraft des Urteils auf Scheidung. Der Aufteilungsantrag sei erst am 23. 3. 2004 eingelangt und der am 5. 1. 2004 eingebrachte Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe nicht derart konkretisiert gewesen, dass er als „vorbereitender" (gemeint: verfahrenseinleitender) Schriftsatz gewertet werden könne. Die materiellrechtliche Jahresfrist des § 95 EheG sei daher verstrichen.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach berichtigend bzw ergänzend letztlich aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR nicht übersteige und dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Nach ständiger Rechtsprechung sei die in § 95 EheG normierte Jahresfrist zur Geltendmachung eines Aufteilungsanspruchs nach §§ 81 ff EheG eine materiellrechtliche Fallfrist, die mit dem Eintritt der formellen Rechtskraft der Entscheidung über die Scheidung zu laufen beginne. Dies gelte auch dann, wenn in einem Teilurteil zunächst nur über das Scheidungsbegehren erkannt worden sei. Auf die materiellrechtliche Ausschlussfrist seien die Verjährungsvorschriften sinngemäß anzuwenden. Gerichtliche Schritte, die die Geltendmachung eines Rechts bloß vorbereiten, wie etwa der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe, könnten die Verjährung nur dann unterbrechen, wenn dieser Antrag bereits als verfahrenseinleitender Schriftsatz zu beurteilen sei und den Sachverhalt sowie das Begehren individualisiert und deutlich erkennen lasse. Dass diese Grundsätze auch im Bereich des § 95 EheG gelten, habe der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach klargestellt. Nach der Rechtsprechung werde der Lauf der Frist des § 95 EheG etwa dann unterbrochen, wenn ein dem Verfahrenshilfeantrag und Vermögensbekenntnis angeschlossenes „Datenblatt" die der gerichtlichen Entscheidung unterworfenen Vermögensteile erkennbar aufliste und den Wunsch nach deren Aufteilung zum Ausdruck bringe, auch wenn der Antrag keinen formellen Aufteilungsvorschlag enthalte. Werde ausdrücklich nur die Bewilligung der Verfahrenshilfe in vollem Umfang beantragt, so sei einem derartigen Antrag keineswegs ein auf Einleitung eines Zivilprozesses und Sachentscheidung über einen Urteilsantrag gerichtetes Rechtsschutzziel zu entnehmen, selbst wenn sich daraus ergebe, aus welchem Sachverhalt der Einschreiter bestimmte Ansprüche ableite, die er mit der von ihm beabsichtigten Klage bzw dem verfahrenseinleitenden Antrag gerichtlich geltend machen wolle. Der Verfahrenshilfeantrag der Antragstellerin lasse weder ein Begehren erkennen, noch jene Gegenstände, auf die sich das Aufteilungsverfahren beziehen solle. Rechtsverlust trete bei einer materiellrechtlichen Präklusivfrist wie jener des § 95 EheG auch dann ein, wenn die Geltendmachung des Rechts während der Frist unverschuldet unterblieben sei. Lediglich dann, wenn die Berufung des durch den Ablauf der Präklusivfrist Begünstigten (hier: des Antragsgegners) auf diese Ausschlussfrist gegen Treu und Glauben verstieße, dieser also ein Verhalten gesetzt hätte, durch das die anspruchsberechtigte Antragstellerin veranlasst worden sei, ihre Forderung nicht geltend zu machen, müsste der Antragsgegner die Ausübung dieses Rechts auch noch nach verstrichener Frist zulassen und das bereits erloschene Recht als bestehend hinnehmen. Ein solcher Verstoß des Antragsgegners sei von der Antragstellerin weder behauptet worden, noch fänden sich dafür Anhaltspunkte im Akt. Der den Ausführungen der Antragstellerin zu entnehmende Vorwurf einer zu langsamen Bearbeitung ihres Verfahrenshilfeantrags durch das Gericht könne die Präklusionswirkung der Versäumung der in § 95 EheG normierten Jahresfrist nicht beseitigen.Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach berichtigend bzw ergänzend letztlich aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR nicht übersteige und dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Nach ständiger Rechtsprechung sei die in § 95 EheG normierte Jahresfrist zur Geltendmachung eines Aufteilungsanspruchs nach §§ 81 ff EheG eine materiellrechtliche Fallfrist, die mit dem Eintritt der formellen Rechtskraft der Entscheidung über die Scheidung zu laufen beginne. Dies gelte auch dann, wenn in einem Teilurteil zunächst nur über das Scheidungsbegehren erkannt worden sei. Auf die materiellrechtliche Ausschlussfrist seien die Verjährungsvorschriften sinngemäß anzuwenden. Gerichtliche Schritte, die die Geltendmachung eines Rechts bloß vorbereiten, wie etwa der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe, könnten die Verjährung nur dann unterbrechen, wenn dieser Antrag bereits als verfahrenseinleitender Schriftsatz zu beurteilen sei und den Sachverhalt sowie das Begehren individualisiert und deutlich erkennen lasse. Dass diese Grundsätze auch im Bereich des § 95 EheG gelten, habe der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach klargestellt. Nach der Rechtsprechung werde der Lauf der Frist des Paragraph 95, EheG etwa dann unterbrochen, wenn ein dem Verfahrenshilfeantrag und Vermögensbekenntnis angeschlossenes „Datenblatt" die der gerichtlichen Entscheidung unterworfenen Vermögensteile erkennbar aufliste und den Wunsch nach deren Aufteilung zum Ausdruck bringe, auch wenn der Antrag keinen formellen Aufteilungsvorschlag enthalte. Werde ausdrücklich nur die Bewilligung der Verfahrenshilfe in vollem Umfang beantragt, so sei einem derartigen Antrag keineswegs ein auf Einleitung eines Zivilprozesses und Sachentscheidung über einen Urteilsantrag gerichtetes Rechtsschutzziel zu entnehmen, selbst wenn sich daraus ergebe, aus welchem Sachverhalt der Einschreiter bestimmte Ansprüche ableite, die er mit der von ihm beabsichtigten Klage bzw dem verfahrenseinleitenden Antrag gerichtlich geltend machen wolle. Der Verfahrenshilfeantrag der Antragstellerin lasse weder ein Begehren erkennen, noch jene Gegenstände, auf die sich das Aufteilungsverfahren beziehen solle. Rechtsverlust trete bei einer materiellrechtlichen Präklusivfrist wie jener des Paragraph 95, EheG auch dann ein, wenn die Geltendmachung des Rechts während der Frist unverschuldet unterblieben sei. Lediglich dann, wenn die Berufung des durch den Ablauf der Präklusivfrist Begünstigten (hier: des Antragsgegners) auf diese Ausschlussfrist gegen Treu und Glauben verstieße, dieser also ein Verhalten gesetzt hätte, durch das die anspruchsberechtigte Antragstellerin veranlasst worden sei, ihre Forderung nicht geltend zu machen, müsste der Antragsgegner die Ausübung dieses Rechts auch noch nach verstrichener Frist zulassen und das bereits erloschene Recht als bestehend hinnehmen. Ein solcher Verstoß des Antragsgegners sei von der Antragstellerin weder behauptet worden, noch fänden sich dafür Anhaltspunkte im Akt. Der den Ausführungen der Antragstellerin zu entnehmende Vorwurf einer zu langsamen Bearbeitung ihres Verfahrenshilfeantrags durch das Gericht könne die Präklusionswirkung der Versäumung der in Paragraph 95, EheG normierten Jahresfrist nicht beseitigen.
Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts (§ 16 Abs 3 AußStrG a.F.) unzulässig.Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts (§ 16 Absatz 3, AußStrG a.F.) unzulässig.
Rechtliche Beurteilung
Die angefochtene Entscheidung steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach der Lauf der materiellen Ausschlussfrist des § 95 EheG mit dem Eintritt der formellen Rechtskraft der Entscheidung über die Scheidung beginnt (8 Ob 2016/96w; 4 Ob 37/98i; 9 Ob 143/99s; 8 Ob 12/01z ua), sowie dass die formelle Rechtskraft des Scheidungsurteils auch dann eintritt, wenn das erstinstanzliche Urteil nur im Verschuldensausspruch, nicht jedoch im Ausspruch über die Scheidung angefochten wird. Die mangelnde Anfechtung des Scheidungsausspruchs ist einem Rechtsmittelverzicht gleichzuhalten (SZ 63/47; NZ 1999, 86; 1 Ob 35/00d; 8 Ob 12/01z ua). Auch auf die Ausschlussfrist des § 95 EheG, deren Nichtbeachtung zum Anspruchsverlust führt, werden die Verjährungsvorschriften sinngemäß angewandt (EvBl 1991/123 mwH; 8 Ob 12/01z mwN; 7 Ob 325/01x ua). Gerichtliche Schritte, die die Geltendmachung eines Rechts bloß vorbereiten, wie etwa der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe, unterbrechen die Verjährung grundsätzlich nicht (SZ 52/78; SZ 60/286; 8 Ob 12/01z; 7 Ob 325/01x; RIS-Justiz RS0034826, RS0034588). Lediglich dann, wenn der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe bereits als verfahrenseinleitender Schriftsatz zu beurteilen ist, wenn er also den Sachverhalt und das Begehren individualisiert und deutlich erkennen lässt, wird dadurch bereits der Lauf der Frist unterbrochen (SZ 60/286; 9 Ob 260/00a; 8 Ob 12/01z; 7 Ob 325/01x; RIS-Justiz RS0034695 ua).
In der rechtlichen Beurteilung der Vorinstanzen, dass der von der Rechtsmittelwerberin gestellte Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe „für das Aufteilungsverfahren", der weiteres Vorbringen nicht erhielt, die angeführten Voraussetzungen für die Unterbrechung der Frist des § 95 EheG nicht erfüllte, kann eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung nicht erblickt werden. Dies gesteht die Antragstellerin in ihrem Revisionsrekurs ohnehin ausdrücklich zu.
Nach ständiger Rechtsprechung tritt der Rechtsverlust bei einer Präklusivfrist auch dann ein, wenn die Geltendmachung des Rechts während ihrer Laufzeit unverschuldet unterblieben ist (SZ 54/181; 7 Ob 250/01t; RIS-Justiz RS0034591 ua). Allerdings wird die „replicatio doli" gegen die Versäumung der Frist anerkannt; ein Anspruchsverlust nach § 95 EheG tritt daher nicht ein, wenn die Berufung des aus dem Fristablauf Begünstigten auf die Verfristung gegen Treu und Glauben verstieße; dies ist der Fall, wenn die Unterlassung rechtzeitiger Antragstellung durch ein Verhalten des Antragsgegners veranlasst wurde, zB wenn der eine Ehegatte beim anderen nach objektiven Maßstäben den Eindruck erweckte, es würden dessen Ansprüche auf gemeinsames Vermögen und Ersparnisse auch ohne gerichtliches Aufteilungsverfahren befriedigt, oder wenn ein Ehegatte das Vorhandensein von Vermögenswerten verheimlicht (Stabentheiner in Rummel ABGB3 § 95 EheG Rz 4 mwH; 2 Ob 6/04b). Eine gegen Treu und Glauben verstoßende Berufung auf den Ablauf einer Ausschlussfrist liegt aber nicht schon allein dann vor, wenn die Frist unverschuldet versäumt wurde. Erforderlich ist vielmehr ein solches Verhalten des Anspruchsgegners, durch das der Anspruchsberechtigte veranlasst wurde, seine Forderung nicht fristgerecht geltend zu machen (RIS-Justiz RS0016824). Ein derartiges Verhalten des Antragsgegners wurde hier jedoch zu keinem Zeitpunkt behauptet. Vielmehr vertritt die Antragstellerin in ihrem Rechtsmittel die Auffasssung, dass eine materiellrechtliche Ausschlussfrist dann gewahrt bliebe, „wenn die Fristversäumung durch ein rechtswidriges Verhalten des mit der Erledigung eines verfahrensvorbereitenden Antrags, dem ein Rechtsschutzziel zu entnehmen ist, befassten Gerichts veranlasst wurde, und den Antragsteller an der Fristversäumnis kein Mitverschulden treffe".
Mit dieser Argumentation wirft die Rechtsmittelwerberin keine Rechtsfrage von der Qualität des § 14 Abs 1 AußStrG auf, da nach der dargestellten ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofs gerade auch eine unverschuldete Versäumung der Präklusivfrist zum Rechtsverlust führt und die Berufung auf einen Verstoß gegen Treu und Glauben schon begrifflich ein entsprechendes Verhalten des Antragsgegners - und nicht bloß eines Dritten - voraussetzt.Mit dieser Argumentation wirft die Rechtsmittelwerberin keine Rechtsfrage von der Qualität des § 14 Absatz eins, AußStrG auf, da nach der dargestellten ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofs gerade auch eine unverschuldete Versäumung der Präklusivfrist zum Rechtsverlust führt und die Berufung auf einen Verstoß gegen Treu und Glauben schon begrifflich ein entsprechendes Verhalten des Antragsgegners - und nicht bloß eines Dritten - voraussetzt.
Im Umstand, dass ein Verfahrenshilfeantrag für sich allein zur Unterbrechung einer materiellrechtlichen Frist nicht ausreicht, liegt eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes.
Der Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen.
Gemäß § 234 AußStrG sind dem Antragsgegner die zur Bekämpfung des unzulässigen Revisionsrekurses der Antragstellerin notwendigen Kosten der Revisionsrekursbeantwortung nach Billigkeit zuzusprechen, zumal er auch auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat.
Textnummer
E76968European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2005:0010OB00045.05G.0412.000Im RIS seit
12.05.2005Zuletzt aktualisiert am
24.11.2010