TE OGH 2005/4/12 1Ob20/05f

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Veröffentlicht am 12.04.2005
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj Michael M*****, vertreten durch Mag. Alexander Heinrich, Rechtsanwalt in Salzburg, und des auf seiner Seite beigetretenen Nebenintervenienten Dr. Eckart W*****, vertreten durch Dr. Hermann Fina, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei L*****-Betriebsgesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Ernst Maiditsch, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen EUR 78.886,19 sA und Feststellung (Streitwert EUR 8.720,74), über die außerordentliche Revision und den Rekurs der beklagten Partei gegen das Teilurteil und den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 6. Oktober 2004, GZ 4 R 172/04b-168, womit das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 25. Mai 2004, GZ 25 Cg 263/96g-158, teils bestätigt und teils aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision und der Rekurs der beklagten Partei werden zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Das Berufungsgericht bestätigte mit Teilurteil die Entscheidung des Erstgerichts hinsichtlich der Feststellung der Haftung der Beklagten für alle Folgen der unrichtigen Diagnosen in der Zeit des stationären Aufenthalts des Klägers in einem Landeskrankenhaus vom 24. 2. bis 5. 3. 1995 und der dort zu früh erfolgten Extubation am 11. 3. 1995 sowie hinsichtlich des Leistungsbegehrens im Umfang des Zuspruchs von EUR 21.801,85 sA an Schmerzengeld. Im Übrigen, also im Umfang der Feststellung einer darüber hinausgehenden Haftung der Beklagten für alle Folgen der Behandlungsmängel sowie im Umfang der Stattgebung des Leistungsbegehrens mit weiteren EUR 57.084,34 sA und der Kostenentscheidung, wurde das Ersturteil aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen. Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht nicht zu.

Gegen das Teilurteil und den Aufhebungsbeschluss richten sich die außerordentliche Revision und der - wenngleich nicht als solcher bezeichnete - der Rekurs der Beklagten.

Der Rekurs ist absolut unzulässig:

Hat das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil (zum Teil) aufgehoben, so ist gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss nur zulässig, wenn das Berufungsgericht dies ausgesprochen hat (RZ 1992/18; 3 Ob 546/93; 7 Ob 519/93 ua). Dies ist hier nicht geschehen, sodass der Rekurs zurückzuweisen ist. Die Revision ist gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Vorraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig:Hat das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil (zum Teil) aufgehoben, so ist gemäß Paragraph 519, Absatz eins, Ziffer 2, ZPO der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss nur zulässig, wenn das Berufungsgericht dies ausgesprochen hat (RZ 1992/18; 3 Ob 546/93; 7 Ob 519/93 ua). Dies ist hier nicht geschehen, sodass der Rekurs zurückzuweisen ist. Die Revision ist gemäß Paragraph 508 a, Absatz 2, ZPO mangels der Vorraussetzungen des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO nicht zulässig:

Rechtliche Beurteilung

1. Ein Verstoß gegen die Regeln medizinischer Kunst liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn die vom Arzt gewählte Maßnahme hinter dem in Fachkreisen anerkannten Standard zurückbleibt (SZ 62/125). Ein Arzt handelt dann fehlerhaft, wenn er das in Kreisen gewissenhafter und aufmerksamer Ärzte oder Fachärzte vorausgesetzte Verhalten unterlässt (Harrer in Schwimann, ABGB2, Rz 28 zu § 1300 mwN). Ob hiebei ein haftungsbegründender „Kunstfehler" vorliegt, ist regelmäßig Tatfrage (RIS-Justiz RS0026418) und damit nicht revisibel. Ob die Annahme einer unterlaufenen Fahrlässigkeit zutreffend ist, ist von dem jeweils zur Beurteilung anstehenden Einzelfall abhängig, sodass sich die Antwort auf diese Frage zumeist nicht generalisieren lässt und demgemäß in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO darstellt. Das Berufungsgericht hat die Haftung der Beklagten für Kunstfehler der behandelnden Ärzte bei der Diagnoseerstellung bejaht. Dabei ist es im Einklang mit den oben dargelegten Grundsätzen ohnedies von einem „ex ante"-Standpunkt ausgegangen, indem es insbesonders das problematische Trinkverhalten des neugeborenen Klägers im Zusammenhalt mit den im Pflegebericht angeführten Fußrücken- und Lidödemen als Hinweis auf einen etwaigen Herzfehler erachtete. Dieses Erscheinungsbild hätte - gemessen an den anerkannten ärztlichen Standards - auch nach Abklingen des Neugeboreneninfekts einer Abklärung bedurft, indem etwa ein Thoraxröntgen veranlasst hätte werden müssen (siehe S 24 der Berufungsentscheidung). Dies ist aber unterblieben. Eine grobe Fehlbeurteilung, die ein korrigierendes Eingreifen des Obersten Gerichtshofs erforderlich machte, ist nicht zu erkennen.1. Ein Verstoß gegen die Regeln medizinischer Kunst liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn die vom Arzt gewählte Maßnahme hinter dem in Fachkreisen anerkannten Standard zurückbleibt (SZ 62/125). Ein Arzt handelt dann fehlerhaft, wenn er das in Kreisen gewissenhafter und aufmerksamer Ärzte oder Fachärzte vorausgesetzte Verhalten unterlässt (Harrer in Schwimann, ABGB2, Rz 28 zu Paragraph 1300, mwN). Ob hiebei ein haftungsbegründender „Kunstfehler" vorliegt, ist regelmäßig Tatfrage (RIS-Justiz RS0026418) und damit nicht revisibel. Ob die Annahme einer unterlaufenen Fahrlässigkeit zutreffend ist, ist von dem jeweils zur Beurteilung anstehenden Einzelfall abhängig, sodass sich die Antwort auf diese Frage zumeist nicht generalisieren lässt und demgemäß in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO darstellt. Das Berufungsgericht hat die Haftung der Beklagten für Kunstfehler der behandelnden Ärzte bei der Diagnoseerstellung bejaht. Dabei ist es im Einklang mit den oben dargelegten Grundsätzen ohnedies von einem „ex ante"-Standpunkt ausgegangen, indem es insbesonders das problematische Trinkverhalten des neugeborenen Klägers im Zusammenhalt mit den im Pflegebericht angeführten Fußrücken- und Lidödemen als Hinweis auf einen etwaigen Herzfehler erachtete. Dieses Erscheinungsbild hätte - gemessen an den anerkannten ärztlichen Standards - auch nach Abklingen des Neugeboreneninfekts einer Abklärung bedurft, indem etwa ein Thoraxröntgen veranlasst hätte werden müssen (siehe S 24 der Berufungsentscheidung). Dies ist aber unterblieben. Eine grobe Fehlbeurteilung, die ein korrigierendes Eingreifen des Obersten Gerichtshofs erforderlich machte, ist nicht zu erkennen.

2. Das Berufungsgericht hat die das Verfahren erster Instanz betreffenden, von der Beklagten gerügten Verfahrensmängel behandelt und danach deren Vorliegen verneint. In einem solchen Fall können (allfällige) Verfahrensverstöße nach ständiger Rechtsprechung nicht mehr mit Revision geltend gemacht werden (SZ 62/157; 1 Ob 140/99s uva). Ob ein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt werden soll, ist überdies eine Frage der Beweiswürdigung und auch daher nicht revisibel; dies gilt weiters für die Frage, ob die eingeholten Gutachten die getroffenen Feststellungen rechtfertigen (SZ 68/101 mwN; 7 Ob 11/00v; RIS-Justiz RS0043320) oder ob noch weitere Fragen an die Sachverständigen zu stellen gewesen wären (RS0043163).

3. Nicht zu folgen ist der Ansicht, die Verantwortung der Ärzte der Beklagten werde dadurch aufgehoben, dass dem Nebenintervenienten (= Hausarzt) eine zu den letztlich schadensbegründenden Atemstillständen führende Fehleinschätzung unterlaufen sei, da dieser die schon zuvor zu Hause aufgetretenen Atemstillstände nicht als Grund für eine sofortige Spitalseinweisung des Klägers angesehen habe. Festgestellt ist, dass beim Kläger in den Tagen nach der Entlassung Atemnot sowie mehrere Erstickungsanfälle auftraten, sodass sich die Revisionswerberin, wenn sie von „Atemstillständen" ausgeht, vom festgestellten Sachverhalt entfernt. Selbst wenn aber Erstickungsanfälle nach den Regeln der ärztlichen Kunst bereits ein Grund für eine sofortige Einweisung gewesen sein sollten, hat das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang zutreffend die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Theorie des adäquaten Kausalzusammenhangs (vgl SZ 69/147; 2 Ob 79/98a; JBl 1998, 718 ua) wiedergegeben (S 52 ff der Berufungsentscheidung), wonach in der Regel weitere ärztliche Fehlbehandlungen vom Rechtswidrigkeitszusammenhang eines vorangegangenen Behandlungs- oder Diagnosefehlers umfasst sind (vgl etwa OGH 1 Ob 303/99m mwN; ZVR 1980/299). Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, das Nichterkennen des Herzschadens und die nicht rechtzeitig veranlasste Spitalseinlieferung durch den Nebenintervenienten seien adäquate Folgen des zuvor den Ärzten der Beklagten zur Last zu legenden Diagnosefehlers, steht im Einklang mit dieser Rechtsprechung. Dass der Nebenintervenient grob fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt hätte, wurde nicht vorgebracht.3. Nicht zu folgen ist der Ansicht, die Verantwortung der Ärzte der Beklagten werde dadurch aufgehoben, dass dem Nebenintervenienten (= Hausarzt) eine zu den letztlich schadensbegründenden Atemstillständen führende Fehleinschätzung unterlaufen sei, da dieser die schon zuvor zu Hause aufgetretenen Atemstillstände nicht als Grund für eine sofortige Spitalseinweisung des Klägers angesehen habe. Festgestellt ist, dass beim Kläger in den Tagen nach der Entlassung Atemnot sowie mehrere Erstickungsanfälle auftraten, sodass sich die Revisionswerberin, wenn sie von „Atemstillständen" ausgeht, vom festgestellten Sachverhalt entfernt. Selbst wenn aber Erstickungsanfälle nach den Regeln der ärztlichen Kunst bereits ein Grund für eine sofortige Einweisung gewesen sein sollten, hat das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang zutreffend die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Theorie des adäquaten Kausalzusammenhangs vergleiche SZ 69/147; 2 Ob 79/98a; JBl 1998, 718 ua) wiedergegeben (S 52 ff der Berufungsentscheidung), wonach in der Regel weitere ärztliche Fehlbehandlungen vom Rechtswidrigkeitszusammenhang eines vorangegangenen Behandlungs- oder Diagnosefehlers umfasst sind vergleiche etwa OGH 1 Ob 303/99m mwN; ZVR 1980/299). Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, das Nichterkennen des Herzschadens und die nicht rechtzeitig veranlasste Spitalseinlieferung durch den Nebenintervenienten seien adäquate Folgen des zuvor den Ärzten der Beklagten zur Last zu legenden Diagnosefehlers, steht im Einklang mit dieser Rechtsprechung. Dass der Nebenintervenient grob fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt hätte, wurde nicht vorgebracht.

Eine Fehlbeurteilung, die einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte, liegt insgesamt nicht vor. Die Revision ist sohin zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).Eine Fehlbeurteilung, die einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte, liegt insgesamt nicht vor. Die Revision ist sohin zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (Paragraph 510, Absatz 3, ZPO).

Anmerkung

E77124 1Ob20.05f

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2005:0010OB00020.05F.0412.000

Dokumentnummer

JJT_20050412_OGH0002_0010OB00020_05F0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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