TE Vfgh Erkenntnis 2002/11/26 B1524/01

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Veröffentlicht am 26.11.2002
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Index

63 Allgemeines Dienst- und Besoldungsrecht
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979

Norm

BDG 1979 §38

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Versetzung und Abberufung von der Leitungsfunktion eines Dienststellenleiters bei der Gendarmerie

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1.1. Mit Bescheid des Landesgendarmeriekommandos für Niederösterreich vom 9.7.2001 wurde der Beschwerdeführer - als ehemaliger Chefinspektor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund stehend - gemäß §38 Abs2 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, BGBl. 1979/333, (BDG 1979) mit Wirksamkeit vom 8.1.2001 von Amts wegen vom Grenzüberwachungsposten Katzelsdorf, Bezirk Mistelbach, zur Grenzkonstrollstelle Hohenau an der March, Bezirk Gänserndorf, versetzt. Nach dem Spruch des Bescheides sei er dort als Sachbearbeiter in Verwendung zu nehmen und hätte im Übrigen die Gründe für den Arbeitsplatzwechsel selbst zu vertreten.

1.1.2. Der Bescheid wird (auszugsweise) wie folgt begründet:

"Gemäß §38 Abs2 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 ist eine Versetzung von Amts wegen zulässig, wenn ein wichtiges dienstliches Interesse daran besteht.

Gegen Sie wurden insgesamt drei anonyme Beschwerdeschreiben eingebracht, und zwar am 29. bzw 30. Juni 2000 beim Gendarmeriezentralkommando (GZK), am 10. bzw 11. Juli 2000 bei der Staatsanwaltschaft Korneuburg und beim GZK sowie während der bereits gegen Sie laufenden Erhebungen am 21. November 2000 beim BGK Gänserndorf.

Bezüglich der anonymen Schreiben vom Juni bzw Juli 2000 wurde das Landesgendarmeriekommando im September 2000 vom GZK angewiesen, die entsprechenden Erhebungen durchzuführen. Mit den Erhebungen betreffend der Ihnen vorgeworfenen Vermögensdelikte beauftragte das Landesgendarmeriekommando (LGK) die Kriminalabteilung (KA) des LGK. Nach Abschluss der strafrechtlichen Erhebungen durch die KA wurde vom LGK eine Ermittlungskommission bestellt und mit den weiteren Erhebungen beauftragt.

...

Wie die Erhebungen der Ermittlungskommissionen ergaben, sind Sie mit der Leitung des GÜP Katzelsdorf überfordert. Sie übten Ihre Funktion als Leiter der Dienststelle oberflächlich aus und nahmen Ihre Aufgaben nur scheinbar wahr. Sie nutzten die Dienstzeit vielfach zur Erledigung privater Angelegenheiten und Ihre dienstliche Stellung zur Verschaffung finanzieller Vorteile. Sie haben in Ausübung Ihrer Funktion als Kommandant des GÜP Katzelsdorf und unter Ausnützung Ihrer Amtsstellung seit 1. März 1997 - aber auch außer Dienst - folgende Verfehlungen begangen:

Faktum 1

...

Zusammenfassende Feststellungen

Durch Ihr eingangs bezeichnetes - eines Beamten, vor allem eines Dienststellenleiters unwürdiges - Verhalten (Mitnahme von totgefahrenen Feldhasen, 'Stierlen' in einem Alteisencontainer etc) und der rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung wegen des Verbrechens des Amtsmissbrauches leidet objektiv nicht nur Ihr eigenes Ansehen und Ihre Autorität und der Erfolg Ihrer Tätigkeit als Exekutivorgan und als Dienststellenleiter, sondern darüber hinaus auch das Ansehen und der Betrieb auf Ihrer Stammdienststelle. Sie haben dadurch auch das Ansehen der Beamtenschaft im allgemeinen und der Bundesgendarmerie im besonderen herabgesetzt. Das hat zur Folge, dass dadurch nicht nur die Achtung, welche Sie zur Wahrnehmung Ihres schwierigen Exekutivdienstes benötigen, sondern auch das Vertrauensverhältnis, das zwischen Ihnen und der Verwaltung besteht und die Grundlage des Beamtentums bildet, schwer erschüttert wird.

Durch das Ihnen zum Vorwurf gemachte Verhalten haben Sie objektiv das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung Ihrer dienstlichen Aufgaben schwerstens beeinträchtigt und auf Grund Ihres schweren Autoritäts- und Ansehensverlustes jegliche Akzeptanz der Mitarbeiter und der Vorgesetzten, aber auch der Bevölkerung verloren.

Als Dienststellenleiter haben Sie die Dienstaufsicht über Ihre Mitarbeiter wahrzunehmen, weshalb Sie verpflichtet sind, mit gutem Beispiel voranzugehen. Durch Ihr bezeichnetes Fehlverhalten haben Sie jedoch Ihre Vorbildwirkung als Vorgesetzter gröblichst vernachlässigt.

Sie haben durch das Ihnen zum Vorwurf gemachte Verhalten das Postenklima schwerstens beeinträchtigt und objektiv innerhalb der Beamtenschaft Ihrer Stammdienststelle schwere Konflikte und Spannungen eingebracht und dadurch auch das für die erfolgreiche Erfüllung der dienstlichen Aufgaben unbedingt erforderliche Vertrauensverhältnis zwischen Ihnen und Ihren Mitarbeitern in einem Maße beeinträchtigt, dass künftighin eine gedeihliche Zusammenarbeit nicht mehr möglich ist. Sie haben dadurch aber auch schwere Spannungen zwischen Ihnen und Ihren Mitarbeitern und den Vorgesetzten des BGK Mistelbach verursacht und deren Vertrauen missbraucht. Ein geordneter Dienstbetrieb ist jedoch nur bei Bestehen eines entsprechenden Vertrauensverhältnisses zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten möglich.

Die Vorgesetzten müssen sich darauf verlassen können, dass Sie die Ihnen zukommenden Aufgaben eigeninitiativ bzw selbstständig erledigen, Sie diese richtig informieren und die erhaltenen Weisungen in Beachtung der bestehenden gesetzlichen Bestimmungen und Vorschriften befolgen. Sie sind durch das Ihnen zum Vorwurf gemachte Fehlverhalten Ihrer Verpflichtung gemäß §43 BDG nicht nachgekommen, Ihre dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den Ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen.

Sie haben Ihren Dienst nicht gewissenhaft versehen, indem Sie im Dienst wiederholt geschlafen und sich privaten Interessen gewidmet haben und dadurch unmittelbar bzw mittelbar an der Dienstausübung behindert waren.

Die eingangs objektiv festgestellten Tatsachen rechtfertigen den Schluss, dass Sie die Ihnen als Dienststellenleiter zukommenden dienstlichen Aufgaben nicht erfüllen wollen oder aus inneren oder äußeren Gründen nicht oder nicht mehr erfüllen können. Als Dienststellenleiter haben Sie die Dienstaufsicht und die Kontrolle über Ihre Mitarbeiter wahrzunehmen. Anstatt die Mitarbeiter anzuleiten und zu überwachen, haben Sie diese bei der Erfüllung ihrer dienstlichen Aufgaben sich selbst überlassen. Sie haben dadurch die Pflicht zur Wahrung der von Ihnen geforderten Vorbildwirkung verletzt. Diese Tatsachen rechtfertigen den Schluss, dass Sie nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, die Einhaltung der Dienstpflichten bei Ihnen zu gewährleisten und Ihre Vorgesetztenfunktion ordnungsgemäß zu erfüllen, insbesondere im Hinblick auf die Beispielsfolgerungen und den Autoritätsverlust.

Angesichts Ihrer mangelnden Kenntnisse in der Leitung einer Gendarmeriedienststelle und der Kenntnisse der einschlägigen Vorschriften zur Postenführung sowie der mangelnden Fähigkeiten im Umgang mit Mitarbeitern und des objektiv festgestellten Fehlverhaltens muss Ihnen die persönliche und fachliche Eignung zur Ausübung einer Vorgesetztenfunktion aberkannt werden.

Das gegen Sie eingeleitete Disziplinarverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Das Landesgendarmeriekommando hat daher als Dienstbehörde unter dem Gesichtspunkt der wichtigen dienstlichen Interessen selbstständig die Frage zu beurteilen, ob Sie durch Ihr Verhalten gegen Ihre Dienstpflichten verstoßen haben und diese Beurteilung der Entscheidung zugrunde zu legen, ohne damit in das anhängige Disziplinarverfahren einzugreifen.

Zu jenen Fakten, bei denen die Disziplinarkommission kein Disziplinarverfahren eingeleitet hat, wird festgestellt, dass die Frage, ob ein Verhalten eines Beamten seine Versetzung aus dem Grunde wichtiger dienstlicher Interessen rechtfertigt, von der Frage zu trennen ist, ob das Verhalten auch einer disziplinären Ahndung unterliegt. Es kann daher eine eine Versetzung rechtfertigende Dienstpflichtverletzung vorliegen, ohne dass eine disziplinäre Maßnahme getroffen wird, etwa weil kein Verschulden gegeben ist, weil Verjährung eingetreten ist oder weil keine Disziplinaranzeige erstattet wird.

Das Landesgendarmeriekommando stellt zusammenfassend fest, dass Sie - unbeschadet des Freispruches bei Gericht hinsichtlich jener Fakten, zu denen die StA Korneuburg gegen Sie die Anklageschrift eingebracht hatte (Aneignung von Reifen der Dienstkraftfahrzeuge, von Alteisen der Fa Fuhrmann und von verendeten Feldhasen) und unbeschadet einer eventuellen disziplinären Ahndung - durch das Ihnen zum Vorwurf gemachte Verhalten Dienstpflichtverletzungen begangen haben. Wegen der Art und Schwere dieser Dienstpflichtverletzungen und der rechtskräftigen Verurteilung wegen Amtsmissbrauches sowie der schweren Erschütterung des Vertrauens der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung Ihrer dienstlichen Aufgaben, Ihres schweren Autoritäts- und Ansehensverlustes, des Vertrauensbruches zwischen Ihnen und der Bevölkerung, den Mitarbeitern und Vorgesetzten und den objektiv bestehenden schweren und unüberbrückbaren Spannungen zwischen Ihnen und Ihren Mitarbeitern und Vorgesetzten, ist Ihre Belassung auf Ihrer derzeitigen Stammdienststelle nicht mehr vertretbar.

Aus den angeführten Gründen besteht ein wichtiges dienstliches Interesse daran, Sie von Ihrer derzeitigen Stammdienststelle abzuziehen und der GREKO Hohenau an der March zuzuweisen.

Als Sofortmaßnahme war bzw ist es zur Aufrechterhaltung eines ordnungsgemäßen Dienstbetriebes auf dem GÜP Katzelsdorf erforderlich, Sie von Ihrer Stammdienststelle abzuziehen und zunächst zum GP Wolkersdorf zuzuteilen.

Sie sind mit Ihrer Familie in Rannersdorf wohnhaft. Die Wegstrecke von Ihrem Wohnort zum zukünftigen Dienstort Hohenau an der March beträgt ca 15 km und ist annähernd gleich lang, wie jene zum GÜP Katzelsdorf. Bei der Wahl Ihrer künftigen Dienststelle wurde im Rahmen des Möglichen auf Ihre persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse Rücksicht genommen.

Von der in Aussicht genommenen Versetzung wurden Sie gemäß §38 Abs6 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 mit Schreiben vom 18. April 2001, GZ 6221/533-20/01, verständigt. Sie wurden in Kenntnis gesetzt, dass es Ihnen freistehe, binnen zwei Wochen nach der Zustellung dieser Verständigung Einwendungen gegen die beabsichtigte Maßnahme schriftlich beim Landesgendarmeriekommando für Niederösterreich vorzubringen. Da Sie jedoch innerhalb der angegebenen Frist solche Einwendungen nicht vorgebracht haben, gilt dies als Zustimmung zur Versetzung."

1.2.1. Die Berufungskommission beim Bundesministerium für öffentliche Leistung und Sport gab mit Bescheid vom 25.9.2001 der vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Landesgendarmeriekommandos für Niederösterreich eingebrachten Berufung keine Folge.

1.2.2. Die Berufungskommission begründet ihren Bescheid wörtlich wie folgt:

"Die Dienstbehörde I. Instanz hat den gegenständlich angefochtenen Bescheid umfangreich begründet, wobei u.a. ausgeführt wurde, dass der Berufungswerber (BW) von der in Aussicht genommenen Versetzung und künftigen Verwendung mit Schreiben vom 18. April 2001, GZ 6221/533-20/01, gemäß §38 Abs6 BDG verständigt und in Kenntnis gesetzt worden ist, dass es ihm frei stehe, binnen zwei Wochen nach Zustellung schriftliche Einwendungen zu erheben. Da der BW jedoch innerhalb dieser Frist keine Einwendungen erhoben habe, gelte dies als Zustimmung zur Versetzung. Schließlich wird im bekämpften Bescheid festgestellt, dass der BW mit seiner Familie in Rannersdorf wohnhaft sei und die Wegstrecke von seinem Wohnort zum künftigen Dienstort Hohenau an der March 15 Kilometer betrage, also annähernd gleich lang sei, wie jene zum Grenzüberwachungsposten Katzelsdorf.

Der BW setzt sich in seiner Berufung mit der Begründung des Bescheides der Erstbehörde zwar grundsätzlich eingehend auseinander, geht aber weder auf den Vorhalt der mangelnden Einwendungen i.S.d.

§38 Abs6 BDG noch auf die Ausführungen über die in etwa gleichen Entfernungen zwischen seinem Wohnort und dem alten bzw. neuen Dienstort ein.

Die Berufungskommission hat hiezu erwogen:

Die Dienstbehörde I. Instanz hat dem BW in ihrem Schreiben vom 18. April 2001, worin er von der beabsichtigten Versetzung und künftigen Verwendung verständigt worden ist, beinahe alle jene Gründe (ca. '20 Fakten') genannt, die später auch in der Begründung des Versetzungsbescheides ins Treffen geführt worden sind. Jener Passus, in dem fälschlich von einer rechtskräftigen Verurteilung des BW wegen Amtsmissbrauchs (Hauptverhandlung am 20. April 2001) gesprochen wird, fehlt naturgemäß im erwähnten Verständigungsschreiben der Erstbehörde. Tatsache ist, dass der BW dieses Schreiben am 24. April 2001 eigenhändig übernommen und dagegen keine Einwendungen erhoben hat.

§38 Abs6 BDG lautet:

'Ist die Versetzung des Beamten von Amts wegen in Aussicht genommen, so ist er hievon schriftlich unter Bekanntgabe seiner neuen Dienststelle und Verwendung mit dem Beifügen zu verständigen, daß es ihm freisteht, gegen die beabsichtigte Maßnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung Einwendungen vorzubringen. Werden innerhalb der angegebenen Frist solche Einwendungen nicht vorgebracht, so gilt dies als Zustimmung zur Versetzung.'

Einwendungen im Sinne dieser Bestimmung sind Vorbringen des von der angekündigten Personalmaßnahme betroffenen Beamten, denen die Behauptung zugrunde liegt, dass die geplante Versetzung in seine subjektiven Rechte eingreife oder zumindest unzweckmäßig sei. Dem Begriff 'Einwendungen' ist somit die Behauptung eines derartigen Grundes immanent. Tatsache ist allerdings, dass der BW überhaupt keine Einwendungen erhoben hat und er daher nach der Fiktion des §38 Abs6 letzter Satz leg.cit. als der Versetzung zustimmend anzusehen ist.

Der Umstand, dass sich die Erstbehörde im angefochtenen Bescheid nicht auf die Feststellung der mangels Einwendungen als gegeben anzusehenden Zustimmung zur Versetzung beschränkt hat und neuerlich die bereits in der Verständigung vom 18. April 2001 gemachten Vorhalte, großteils sogar in wortwörtlicher Wiedergabe, begründend dargelegt hat, vermag keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zu begründen (vgl. VwGH 24.1.1996, 95/12/0056; 11.8.1995, 92/12/0049; 10.11.1986, 86/12/0016 ua). Bei dieser Sachlage kann auch der im angefochtenen Bescheid (erstmalig) gemachte, fälschliche Hinweis auf die Rechtskraft der Verurteilung des BW in Bezug auf das in der Begründung genannte Faktum 1) nicht schädlich sein, weil er nicht weiter aufrechterhalten wird und sich dadurch die Bescheidbegründung auf jene Fakten reduziert, die vom BW ursprünglich uneingewendet geblieben waren, wodurch die Fiktion seiner Zustimmung zur Versetzung begründet wurde."

1.3.1. Gegen diesen Bescheid der Berufungskommission wendet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides begehrt wird.

1.3.2. In der Beschwerdeschrift heißt es wörtlich wie folgt:

"Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid in seinem verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz insoferne als geschädigt, als die Bestimmungen des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 nicht aus den Gründen des §38 Abs2 dieses Gesetzes, sondern aus disziplinarrechtlich zu beurteilenden Gründen angewendet wurde, und zwar ohne Durchführung eines kontradiktorischen Disziplinarverfahrens. Damit verstößt der angefochtene Bescheid auch gegen Art21 B-VG, aber auch gegen Bestimmungen der MRK, insbesonders Artikel 6.

...

Wie sich aus dem Versetzungsbescheid des LGK NÖ ergibt, wurde die Versetzung zwar mit einem 'wichtigen dienstlichen Interesse' begründet, das aber offenbar aus Umständen gefolgert wurde, die in einem kontradiktorischen Disziplinarverfahren festgestellt hätten werden müssen.

Tatsächlich wurde ein Disziplinarverfahren gegen mich nie eröffnet und ist auch heute nicht anhängig.

Dennoch wurde die Versetzung ausführlichst mit angeblichen Fakten begründet, welche ausnahmslos disziplinarrechtlich behandelt hätten werden müssen.

§38 BDG regelt die Versetzung von Beamten aus anderen, also nicht aus disziplinarrechtlichen Gründen, etwa weil der Beamte an seinem bisherigen Dienstort nicht mehr benötigt wird, oder eben andere Gründe für die Behörde vorliegen, den Beamten an einem anderen Dienstort zu verwenden. Nur bei einer derartigen Versetzung, also aus Gründen, die im Interesse der Behörde und nicht in der Person des Beamten liegen, kann eine Versetzung gem. §38 BDG erfolgen und nur in diesen Fällen hat der Beamte die Möglichkeit und das Recht sich gegen eine solche Versetzung auszusprechen.

Wie sich aus dem angefochtenen Bescheid ergibt, wurde meiner Berufung gegen die Versetzung vor allem deshalb nicht stattgegeben, weil ich mich nicht innerhalb der Frist des §38 Abs6 BDG gegen die Versetzung ausgesprochen habe. Dies war aber weder notwendig noch möglich, da meine Versetzung in Wahrheit nicht aus den Gründen des §38 BDG, sondern mit disziplinarrechtlich zu behandelnden Vorwürfen begründet wurde, und zwar ohne ein darüber abgeführtes Disziplinarverfahren.

Ich hatte daher bis heute nicht die Möglichkeit mich gegen die gegen mich erhobenen Vorwürfe zu wehren, ausgenommen jene Behauptungen, die Gegenstand des gegen mich eingeleiteten gerichtlichen Strafverfahrens wegen angeblichen Amtsmißbrauchs waren.

Das Landesgericht Korneuburg hielt daher sowohl in der mündlichen als auch in der schriftlichen Begründung fest, daß die Anklagefakten möglicherweise Gegenstand disziplinarrechtlicher Erörterungen und Entscheidungen, aber nicht eines strafgerichtlichen Verfahrens seien.

Auch der angefochtene Bescheid soll offenbar die Durchführung eines Disziplinarverfahrens ersparen, indem er zwar mit disziplinarrechtlich zu beurteilenden Fakten arbeitet, aber eine Versetzung gem. §38 BDG anordnet.

Die mir dadurch auferlegte Versetzung ist damit nicht nur gesetzes- und rechtswidrig, sondern für mich auch mit materiellen Nachteilen verbunden. Mein Gehalt wurde jedenfalls inzwischen ohne Bescheid darüber um ca. S 2.000,- monatlich verringert, was sich möglicherweise daraus ergibt, daß ich als Folge der Versetzung nicht mehr Kommandant eines Gend.Postenkommandos, sondern nur mehr Sachbearbeiter bei einem Gend.Postenkommando bin.

In den angefochtenen Bescheiden werde ich zwar noch mit meinem Dienstrang, nämlich Chefinspektor bezeichnet. In einem mir zuletzt zugegangenen Schreiben wird mein Rang allerdings mit Bezirksinspektor angegeben, und zwar wiederum ohne daß ich über eine Rückstufung einen Bescheid erhalten hätte.

Obwohl dies für eine Entscheidung über meine Beschwerde belanglos ist, möchte ich abschließend bemerken, daß mir bewußt ist, daß ich meinen Dienst als Gend.Beamter nicht fortsetzen kann, und zwar weniger als Folge des dargelegten Vorgehens gegen mich, sondern aus gesundheitlichen Gründen. Ich war tatsächlich (wie im Versetzungsbescheid des LGK auch ausdrücklich vermerkt wurde) als Kommandant des GÜP Katzelsdorf 'überfordert'. Dies kann mir allerdings nicht disziplinär zum Vorwurf gemacht werden und kann überdies auch Gründe haben, die nicht in meiner Person, sondern darin liegen, daß ich als Kommandant des GÜP von der vorgesetzten Behörde nicht ausreichend unterstützt wurde. Ich bin jedenfalls gesundheitlich derart geschädigt, daß ich inzwischen den Antrag auf vorzeitige Pensionierung gestellt habe, der durch ärztliche Gutachten begründet wird. Durch den gesetzlich nicht ausreichend bzw. nicht richtig begründeten Versetzungsbescheid würden voraussichtlich auch meine Pensionsansprüche gekürzt und kann ich auch aus diesem Grunde den Bescheid nicht hinnehmen."

[Inzwischen wurde der Beschwerdeführer mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22.3.2002 gemäß §14 Abs1 BDG 1979 - mit Ablauf des 30.4.2002 - in den Ruhestand versetzt.]

1.4. Die belangte Behörde legte über Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie den Beschwerdebehauptungen entgegentritt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

2. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

2.1. Die hier in erster Linie maßgebende Bestimmung des §38 BDG 1979 (idF BGBl. I 1998/123) lautet - auszugsweise - wie folgt:

"Versetzung

§38 (1) Eine Versetzung liegt vor, wenn der Beamte einer anderen Dienststelle zur dauernden Dienstleistung zugewiesen wird.

(2) Die Versetzung ist von Amts wegen zulässig, wenn ein wichtiges dienstliches Interesse daran besteht. Während des provisorischen Dienstverhältnisses ist eine Versetzung auch ohne wichtiges dienstliches Interesse zulässig.

(3) Ein wichtiges dienstliches Interesse liegt insbesondere vor

1.

bei Änderungen der Verwaltungsorganisation einschließlich der Auflassung von Arbeitsplätzen oder

2.

bei Besetzung eines freien Arbeitsplatzes einer anderen Dienststelle, für den keine geeigneten Bewerber vorhanden sind, wenn der Beamte die für diesen Arbeitsplatz erforderliche Ausbildung und Eignung aufweist, oder

3.

wenn der Beamte nach §81 Abs1 Z3 den zu

erwartenden Arbeitserfolg nicht aufgewiesen hat oder

4.

wenn über den Beamten eine Disziplinarstrafe rechtskräftig verhängt wurde und wegen der Art und Schwere der von ihm begangenen Dienstpflichtverletzung die Belassung des Beamten in der Dienststelle nicht vertretbar erscheint.

(4) Bei einer Versetzung an einen anderen Dienstort von Amts wegen sind die persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse des Beamten zu berücksichtigen. Eine Versetzung ist - ausgenommen in den Fällen des Abs3 Z3 und 4 sowie in jenen Fällen, in denen abweichend vom Abs3 Z4 noch keine rechtskräftige Disziplinarstrafe verhängt worden ist - unzulässig, wenn sie für den Beamten einen wesentlichen wirtschaftlichen Nachteil bedeuten würde und ein anderer geeigneter Beamter, bei dem dies nicht der Fall ist, zur Verfügung steht.

(5) ...

(6) Ist die Versetzung des Beamten von Amts wegen in Aussicht genommen, so ist er hievon schriftlich unter Bekanntgabe seiner neuen Dienststelle und seiner neuen Verwendung mit dem Beifügen zu verständigen, daß es ihm freisteht, gegen die beabsichtigte Maßnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung Einwendungen vorzubringen. Werden innerhalb der angegebenen Frist solche Einwendungen nicht vorgebracht, so gilt dies als Zustimmung zur Versetzung.

(7) Die Versetzung ist mit Bescheid zu verfügen; in diesem ist festzustellen, ob der Beamte die für die Versetzung maßgebenden Gründe gemäß §§141a, 145b oder 152c BDG 1979 zu vertreten hat oder nicht. Eine Berufung gegen diesen Bescheid hat keine aufschiebende Wirkung. Der vom Beamten zuletzt innegehabte Arbeitsplatz darf bis zur Rechtskraft des Bescheides nicht auf Dauer besetzt werden.

(8) Im Fall der Versetzung an einen anderen Dienstort ist dem Beamten eine angemessene Übersiedlungsfrist zu gewähren."

2.2.1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 11.682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde den angewendeten Rechtsvorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellte oder wenn sie bei der Erlassung des Bescheides Willkür übte.

2.2.2. Da der Verfassungsgerichtshof gegen die den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften (so insbesondere gegen §38 BDG) keine verfassungsrechtlichen Bedenken hegt (vgl. VfSlg. 14.573/1996, S 52; ferner VfSlg. 14.658/1996, 14.854/1997 uva.) und die Bescheidbegründung keinen Anhaltspunkt für die Annahme liefert, dass die Berufungskommission dem BDG 1979 einen verfassungswidrigen Inhalt beigemessen hätte, könnte der Beschwerdeführer durch den bekämpften Bescheid im genannten Grundrecht nur verletzt worden sein, wenn der Berufungskommission Willkür zum Vorwurf zu machen wäre.

Darüber, welche Umstände gegeben sein müssen, damit einer Behörde Willkür anzulasten ist, lässt sich keine allgemeine Aussage treffen. Ob Willkür vorliegt, kann nur dem Gesamtbild des Verhaltens der Behörde im einzelnen Fall entnommen werden (zB VfSlg. 5491/1967, 6404/1971, 6471/1971, 8808/1980, 14.573/1996 uva.).

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtspr.; VfSlg. 10.338/1985, 11.213/1987). Auch eine denkunmögliche Gesetzesanwendung kann Willkür indizieren (VfSlg. 9561/1992, 14.814/1997).

2.2.3. Keiner dieser Mängel liegt jedoch hier vor. Weder hat sich für den Verfassungsgerichtshof ergeben, dass das Ermittlungsverfahren an einem in die Verfassungssphäre reichenden Mangel leide, noch kann von einem gehäuften Verkennen der Rechtslage oder gar von denkunmöglicher Gesetzesanwendung die Rede sein.

Insbesondere ist die Rechtsmeinung der belangten Behörde - die sich dabei auf Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu stützen vermag -, dass der Beschwerdeführer, der gegen seine von Amts wegen in Aussicht genommene und ihm zunächst gemäß §38 Abs6 BDG 1979 mitgeteilte Versetzung keine Einwendungen erhoben habe, nach der Fiktion des §38 Abs6 BDG 1979 als der Versetzung zustimmend anzusehen sei, als vertretbar zu qualifizieren. Daran ändert auch das Vorbringen des Beschwerdeführers nichts, solche Einwendungen wären weder notwendig noch möglich gewesen, weil seine Versetzung "in Wahrheit nicht aus den Gründen des §38 BDG 1979, sondern mit disziplinarrechtlich zu behandelnden Vorwürfen begründet" worden sei. Ebenfalls als vertretbar zu qualifizieren ist die Auffassung der Berufungskommission, der Umstand, dass sich die Erstbehörde in dem mit Berufung angefochtenen Bescheid nicht auf die Feststellung der mangels Einwendungen als gegeben anzusehenden Zustimmung des Beschwerdeführers zur Versetzung beschränkt habe, sondern neuerlich die bereits in der Verständigung des Beschwerdeführers von seiner von Amts wegen in Aussicht genommenen Versetzung gemachten Vorhalte begründend dargelegt habe, vermöge keine Rechtswidrigkeit des erstinstanzlichen Bescheides zu begründen.

Unabhängig von dieser - unter verfassungsrechtlichen Aspekten - zu treffenden Qualifikation der behördlichen Rechtsmeinung ist der in der Beschwerde aufgestellten Behauptung - eine Verletzung des Beschwerdeführers im Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz durch den angefochtenen Bescheid sei insoferne gegeben "als die Bestimmungen des BDG 1979 nicht aus den Gründen des §38 Abs2 dieses Gesetzes, sondern aus disziplinarrechtlich zu beurteilenden Gründen angewendet" worden sei - die vom Verfassungsgerichtshof in ständiger Judikatur vertretene Rechtsauffassung entgegen zu halten, wonach die Frage, ob eine Versetzung mit wichtigen dienstlichen Interessen begründet werden kann, unabhängig von der weiteren Frage zu sehen ist, ob das hiefür maßgebliche Verhalten des Beamten auch disziplinarrechtlichen Sanktionen unterliegt (s. VfSlg. 8450/1978, VfGH 25.9.2001 B245/01; vgl. VfGH 19.6.2000 B2042/99, 19.6.2000 B1249/99, 29.2.2000 B1422/98, 9.6.1997 B3830/95 ua.).

2.3. Aus welchen Gründen der angefochtene Bescheid - wie der Beschwerdeführer schließlich behauptet - "gegen Bestimmungen der EMRK, insbesondere Art6", oder gegen Art21 B-VG verstoßen soll, wurde in der Beschwerdeschrift nicht dargelegt und ist für den Verfassungsgerichtshof nach Lage des Falles auch nicht ersichtlich.

3. Die getroffene behördliche Entscheidung weist somit keine in die Verfassungssphäre reichenden Mängel auf. Ob der bekämpften Entscheidung auch darüber hinaus eine in jeder Hinsicht richtige Gesetzesanwendung zu Grunde liegt, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch nicht in einem - wie hier vorliegenden - Fall, in dem eine Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof nicht in Betracht kommt (vgl. VfSlg. 9541/1982 und die dort angeführte Vorjudikatur; VfSlg. 14.807/1997 uva.).

4.1. Der Beschwerdeführer wurde sohin aus den in der Beschwerde vorgetragenen Erwägungen weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt.

Das Beschwerdeverfahren hat auch nicht ergeben, dass dies aus anderen, in der Beschwerde nicht dargelegten Gründen der Fall gewesen wäre.

4.2. Die Beschwerde war daher abzuweisen.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Dienstrecht, Disziplinarrecht, Versetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:B1524.2001

Dokumentnummer

JFT_09978874_01B01524_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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