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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §10;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der HY in S, vertreten durch Mag. Dr. Bernhard Rosenkranz, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Plainstraße 23, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Salzburg vom 18. Jänner 2005, Zl. LGS SBG/2/0566/2005, betreffend Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde gemäß § 10 i.V.m. § 38 AlVG den Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe für die Zeit vom 8. Oktober 2004 bis 2. Dezember 2004 ausgesprochen. Begründend führte die belangte Behörde - nach Wiedergabe des Berufungsvorbringens und Darlegung der anzuwendenden Rechtslage - aus, dass das letzte längere, die Arbeitslosigkeit ausschließende Dienstverhältnis der Beschwerdeführerin am 22. Oktober 2003 geendet habe. Die Beschwerdeführerin sei seither beinahe durchgehend arbeitslos und bezöge Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Seit 24. Mai 2004 beziehe die Beschwerdeführerin beinahe durchgehend Notstandshilfe. Der Beschwerdeführerin sei vom Arbeitsmarktservice Salzburg am 30. September 2004 per Post eine Beschäftigung als Maschinenarbeiterin bei einem näher bezeichneten Personalbereitstellungsunternehmen zugewiesen worden. Bei dieser Beschäftigung handle es sich um eine Vollzeitbeschäftigung im 4- Schicht-Betrieb; die Erreichbarkeit des Arbeitsortes sei mit einem Firmenzubringer gegeben. Aus der Rückmeldung des Unternehmens gehe hervor, dass es zu keiner Einstellung gekommen sei. Um die Gründe dafür zu klären, habe das Arbeitsmarktservice Kontakt mit dem Unternehmen aufgenommen. Ein Mitarbeiter des Unternehmens habe angegeben, dass es zu keiner Einstellung gekommen sei, weil die Beschwerdeführerin nur im 2-Schicht-Modell habe arbeiten wollen. Bei der ihr zugewiesenen Beschäftigung handle es sich jedoch um eine Beschäftigung als Maschinenarbeiterin im 4-Schicht-Betrieb.
Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens habe die belangte Behörde Kontakt mit Frau M. vom Personalbereitstellungsunternehmen aufgenommen und diese nach Vorhalt des Berufungsvorbringens über den Ablauf des Vorstellungsgespräches befragt. M. habe mitgeteilt, dass zum damaligen Zeitpunkt dringend Maschinenarbeiterinnen für einen 4-Schicht-Betrieb gesucht worden seien, weshalb sie einige vom Arbeitsmarktservice genannte Arbeitssuchende angerufen habe, darunter auch die Beschwerdeführerin. Die Beschwerdeführerin sei am 4. Oktober 2004 in das Personalbüro des Unternehmens gekommen. M. habe ihr die Beschäftigung vorgestellt und das 4-Schicht-Modell genau erklärt. Die Beschwerdeführerin habe darauf angegeben, dass sie nur 2 Schichten arbeiten wolle. Sie habe nicht gesagt, dass sie grundsätzlich bereit wäre, 4 Schichten zu arbeiten. Da M. damals jedoch dringend eine Arbeitskraft gesucht habe, die bereit war, 4 Schichten zu arbeiten, sei die Beschwerdeführerin für M. nicht in Frage gekommen. Sie sei jedoch für den Fall, dass eine Beschäftigung mit 2-Schicht-Arbeit zu vergeben gewesen wäre, vorgemerkt worden. Dies sei dann auch der Fall gewesen und die Beschwerdeführerin habe am 27. Oktober 2004 bei einem anderen Unternehmen gearbeitet.
Der Beschwerdeführerin sei die Aussage von M. zur Kenntnis gebracht worden. In ihrer Stellungnahme habe die Beschwerdeführerin ausgeführt, dass sie nicht nach Aufforderung durch das Arbeitsmarktservice, sondern nach Aufforderung durch das Personalbereitstellungsunternehmen zu einem Vorstellungsgespräch gekommen sei. Dieses Gespräch sei ausführlich gewesen und sie habe ihre Vorstellungen mit M. besprochen, wobei sie auch mitgeteilt habe, dass sie lieber 2 Schichten arbeiten würde, aber wenn es nicht anders gehe, auch das 4-Schicht-Modell akzeptieren würde. Erst am 5. Oktober 2004 habe sie das Stellenangebot des Arbeitsmarktservice erhalten; sie habe sich daraufhin neuerlich zum Personalbereitstellungsunternehmen begeben und das Schreiben des Arbeitsmarktservice vorgezeigt. Der Mitarbeiter des Unternehmens habe das Stellenangebot gestempelt und unterschrieben und darauf verwiesen, dass sich die Beschwerdeführerin bereits am 4. Oktober 2004 vorgestellt habe. Es sei der Beschwerdeführerin keine Möglichkeit gegeben worden, eine Erklärung abzugeben oder etwas hinzuzufügen. Wäre die Beschwerdeführerin gefragt worden, ob sie die Stelle annehmen wolle, hätte sie mit Sicherheit diese Frage bejaht, weil sie wisse, dass sie ein Stellenangebot des Arbeitsmarktservice nicht unbegründet ablehnen dürfe, um die damit verbundenen Sanktionen zu verhindern.
In den Sachverhaltsfeststellungen hielt die belangte Behörde fest, dass der Beschwerdeführerin bereits am 4. Oktober 2004 das vom Arbeitsmarktservice zugewiesene Beschäftigungsangebot als Maschinenarbeiterin im 4-Schicht-Modell vorgestellt worden sei. Die belangte Behörde folge der Aussage von M., wonach die Beschwerdeführerin nach der Vorstellung der Beschäftigung sowie des 4-Schicht-Modells erklärt habe, dass sie nur 2 Schichten arbeiten wolle, und dass sie nicht gesagt habe, dass sie grundsätzlich bereit wäre, 4 Schichten zu arbeiten. Diese Aussage sei deshalb glaubwürdig, da M. angegeben habe, damals dringend Mitarbeiterinnen für einen 4-Schicht-Betrieb gesucht zu haben und sie die Beschwerdeführerin bei ihrem Angebot, "wenn es nicht anders geht auch das 4-Schicht-Modell zu akzeptieren" jedenfalls eingestellt hätte. Die belangte Behörde habe keine Veranlassung, an der Glaubwürdigkeit von M. zu zweifeln, da kein Grund zur Annahme bestehe, dass diese einer Kundin des Arbeitsmarktservice durch eine falsche Aussage Schaden zufügen wolle. Bei der der Beschwerdeführerin am 4. Oktober 2004 angebotenen Beschäftigung als Maschinenarbeiterin im 4-Schicht-Betrieb handle es sich um eine sonst sich bietende Arbeitsmöglichkeit. Umstände, die eine Unzumutbarkeit dieses angebotenen Beschäftigungsverhältnisses im Sinne der Bestimmungen des § 9 Abs. 2 und 3 AlVG begründen würden, habe die Beschwerdeführerin nicht vorgebracht und hätten auch aus dem Akteninhalt nicht festgestellt werden können. Dieses zumutbare Beschäftigungsverhältnis sei nicht zu Stande gekommen, weil die Beschwerdeführerin nur 2 Schichten habe arbeiten wollen. Die Beschwerdeführerin habe mit ihrem Verhalten jedenfalls in Kauf genommen, dass dieses zumutbare Beschäftigungsverhältnis nicht zu Stande komme. Sie habe damit einen Tatbestand der Arbeitsvereitelung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG erfüllt. Im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung seien auch keine berücksichtigungswürdigen Gründe, wie z.B. eine nachträgliche nachhaltige Beschäftigungsaufnahme innerhalb der verhängten Ausschlussfrist bei einem anderen Dienstgeber festzustellen, die eine Nachsicht gemäß § 10 Abs. 2 AlVG bewirken hätten können. Die Beschäftigung der Beschwerdeführerin am 27. Oktober 2004 könne nicht als berücksichtigungswürdig gelten, da es sich hiebei um keine nachhaltige Beschäftigungsaufnahme handle. Da bereits innerhalb von einem Jahr vor Verhängung dieser Ausschlussfrist eine Ausschlussfrist verhängt worden sei, nämlich vom 25. Mai bis 5. Juli 2004, betrage der Anspruchsverlust 8 Wochen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. § 10 AlVG in der Fassung BGBl. Nr. 201/1996, lautet:
"§ 10. (1) Wenn der Arbeitslose
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sich weigert, eine ihm von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, oder
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sich ohne wichtigen Grund weigert, einem Auftrag zur Nach(Um)schulung zu entsprechen oder durch sein Verschulden den Erfolg der Nach(Um)schulung vereitelt, oder
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ohne wichtigen Grund die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt verweigert oder den Erfolg der Maßnahme vereitelt, oder
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auf Aufforderung durch die regionale Geschäftsstelle nicht bereit oder in der Lage ist, ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung glaubhaft zu machen,
verliert er für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Liegt im Zeitraum eines Jahres vor dem Beginn eines Anspruchsverlustes bereits ein früherer Anspruchsverlust, so beträgt der im ersten Satz genannte Zeitraum acht Wochen. Die Zeiten des Anspruchsverlustes verlängern sich um die in ihnen liegenden Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen wurde.
(2) Der Ausschluß vom Bezug des Arbeitslosengeldes ist in berücksichtigungswürdigen Fällen, wie zB Aufnahme einer anderen Beschäftigung, ganz oder teilweise nachzusehen. Vor dieser Nachsicht sowie vor Erlassung einer Entscheidung gemäß Abs. 1 ist der Regionalbeirat anzuhören."
Gemäß § 79 Abs. 78 AlVG treten (u.a.) die §§ 9 und 10 AlVG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 77/2004 mit 1. Jänner 2005 in Kraft und geltend für die Beurteilung von Sachverhalten, die sich nach Ablauf des 31. Dezember 2004 ereignet haben. Auf Sachverhalte, die sich - wie im vorliegenden Fall - vor dem 1. Jänner 2005 ereignet haben, sind diese Bestimmungen in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2004 geltenden Fassung - wie sie oben wiedergegeben ist - weiter anzuwenden.
2. Die Beschwerdeführerin macht unter Hinweis auf die hg. Rechtsprechung geltend, dass Vereitelung im Sinn des § 10 Abs. 1 AlVG ein vorsätzliches Handeln des Arbeitslosen verlange, wobei bedingter Vorsatz genüge. Ein bloß fahrlässiges Handeln reiche zur Verwirklichung dieses Tatbestandes nicht hin. Die Beschwerdeführerin habe kein vorsätzliches Verhalten gesetzt. Sie habe gesagt, sie wolle lieber 2 Schichten arbeiten und es sei nachvollziehbar, dass das Unternehmen die Beschwerdeführerin nicht beschäftige, wenn diese ein 2-Schicht-Modell bevorzuge. Die Beschwerdeführerin habe sich nach Erhalt des Schreibens des Arbeitsmarktservice vom 30. September 2004 (in dem ihr die Beschäftigungsmöglichkeit im 4-Schicht-Betrieb bekannt gegeben wurde) nochmals an das betreffende Unternehmen gewandt. Wäre sie nicht bereit gewesen, im 4-Schicht-Betrieb zu arbeiten, hätte sie sich gar nicht zu diesem Unternehmen begeben müssen. Dieses Unternehmen habe jedoch kein Interesse mehr an der Arbeitsleistung der Beschwerdeführerin gehabt. Unter "gesamtschauender" Betrachtung des Verhaltens der Beschwerdeführerin, wobei noch zu berücksichtigen sei, dass diese nicht gut Deutsch spreche, müsse die rechtliche Beurteilung vorgenommen werden, dass die Beschwerdeführerin nicht vorsätzlich gehandelt habe. Um der Beschwerdeführerin ein Handeln mit dolus eventualis vorzuwerfen, hätte es zumindest eines von der Beschwerdeführerin unterschriebenen Hinweises des Inhaltes bedurft, dass "die Weigerung nach dem 4-Schicht-Modell" zur Folge habe, dass der Anspruch auf Notstandshilfe verloren gehe. Die Mitarbeiterin des Personalbereitstellungsunternehmens habe auch nicht ausgeführt, dass sie mündlich auf die Folgen des Verhaltens der Beschwerdeführerin hingewiesen hätte. Die Beschwerdeführerin habe gedacht, sie hätte eine Entscheidungsfreiheit, insbesondere, weil sie vom Personalbereitstellungsunternehmen direkt angerufen worden sei und nicht vom Arbeitsmarktservice verwiesen worden sei.
Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass die Beschwerdeführerin nach den Feststellungen der belangten Behörde im Vorstellungsgespräch erklärt hat, nur in 2 Schichten arbeiten zu wollen. Es kann kein Zweifel bestehen, dass eine Äußerung, nur im 2-Schicht-Betrieb arbeiten zu wollen, im Fall einer angebotenen Beschäftigung im 4-Schicht-Betrieb eine Vereitelungshandlung darstellt, da die Beschwerdeführerin damit zum Ausdruck brachte, die ihr angebotene Beschäftigung nicht annehmen zu wollen. Eine "Belehrungspflicht" über die Folgen der Ablehnung eines Arbeitsangebotes, wie sie die Beschwerdeführerin offenbar annimmt, besteht für einen potenziellen Dienstgeber nicht.
Die Beschwerdeführerin ist verpflichtet, nicht nur ihr vom Arbeitsmarktservice direkt zugewiesene zumutbare Beschäftigungen anzunehmen, sondern auch sonstige sich bietende zumutbare Beschäftigungsverhältnisse einzugehen, um die Arbeitslosigkeit zu beenden. Dass die Beschäftigung im 4-Schicht-Betrieb nicht zumutbar gewesen wäre, hat die Beschwerdeführerin weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde behauptet.
3. Die belangte Behörde hat dem Sachvorbringen der Beschwerdeführerin, sie habe erklärt "wenn es nicht anders geht, auch das 4-Schicht-Modell zu akzeptierten" keinen Glauben geschenkt. Soweit sich die Beschwerdeführerin dagegen wendet, ist ihr entgegenzuhalten, dass sie damit - ebenso wie mit den Ausführungen zur Glaubwürdigkeit der Mitarbeiterin des Personalbereitstellungsunternehmens sowie dem Hinweis auf die neuerliche Vorstellung am 6. Oktober 2004 - die Beweiswürdigung der belangten Behörde bemängelt, welche der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof nur dahin unterworfen ist, ob der maßgebende Sachverhalt ausreichend ermittelt wurde und ob die hiebei angestellten Erwägungen schlüssig sind, was dann der Fall ist, wenn sie den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut nicht widersprechen (vgl. u.v.a. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2007, Zl. 2005/05/0311).
Der Verwaltungsgerichtshof vermag jedoch nicht zu erkennen, dass die Beweiswürdigung der belangten Behörde unschlüssig wäre. Die belangte Behörde hat auf Stellungnahmen eines Mitarbeiters des Personalbereitstellungsunternehmens sowie auf die Aussagen von M., die das Bewerbungsgespräch mit der Beschwerdeführerin geführt hat, Bezug genommen und dargelegt, aus welchen Erwägungen heraus sie die Aussage von M. als glaubwürdig erachtet. Diese Überlegungen sind nicht als unschlüssig zu erkennen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 4. Juli 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2005080037.X00Im RIS seit
15.08.2007