Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 21. April 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Fuchsloch als Schriftführer in der Strafsache gegen Josef R***** wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 StGB, AZ 4 U 81/04y des Bezirksgerichtes St. Pölten, über die vom Generalprokurator gegen den Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten vom 8. November 2004, AZ 9 Bl 138/04 (ON 23), erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Mag. Knibbe, und des Verteidigers Dr. Thun zu Recht erkannt:Der Oberste Gerichtshof hat am 21. April 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Fuchsloch als Schriftführer in der Strafsache gegen Josef R***** wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach Paragraph 88, Absatz eins, StGB, AZ 4 U 81/04y des Bezirksgerichtes St. Pölten, über die vom Generalprokurator gegen den Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten vom 8. November 2004, AZ 9 Bl 138/04 (ON 23), erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Mag. Knibbe, und des Verteidigers Dr. Thun zu Recht erkannt:
Spruch
In der Strafsache AZ 4 U 81/04y des Bezirksgerichtes St. Pölten verletzt der Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten als Beschwerdegericht vom 8. November 2004, AZ 9 Bl 138/04 (ON 23), § 90h Abs 5 StPO.In der Strafsache AZ 4 U 81/04y des Bezirksgerichtes St. Pölten verletzt der Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten als Beschwerdegericht vom 8. November 2004, AZ 9 Bl 138/04 (ON 23), Paragraph 90 h, Absatz 5, StPO.
Dieser Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst der Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 24. September 2004, GZ 4 U 81/04y-19, nicht Folge gegeben.
Text
Gründe:
Im Verfahren AZ 4 U 81/04y des Bezirksgerichtes St. Pölten wurde dem Beschuldigten Josef R***** mit Bestrafungsantrag vom 19. April 2004 ein von der Staatsanwaltschaft als Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 StGB beurteiltes Verhalten zur Last gelegt (ON 6).Im Verfahren AZ 4 U 81/04y des Bezirksgerichtes St. Pölten wurde dem Beschuldigten Josef R***** mit Bestrafungsantrag vom 19. April 2004 ein von der Staatsanwaltschaft als Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach Paragraph 88, Absatz eins, StGB beurteiltes Verhalten zur Last gelegt (ON 6).
Nach der am 1. Juni 2004 zur Durchführung diversioneller Maßnahmen auf unbestimmte Zeit vertagten Hauptverhandlung unterbreitete der Bezirksrichter nach Anhörung der Staatsanwaltschaft, die einem diversionellen Vorgehen nicht zustimmte (ON 12), dem Beschuldigten mit (am 14. Juli 2004 zugestellter) Note vom 18. Juni 2004 (ON 11) den Vorschlag (§ 90c Abs 4 iVm § 90b StPO) auf Verfahrenseinstellung gemäß §§ 90b und 90c StPO gegen Zahlung eines Geldbetrages von 1.026,60 Euro (hievon 70 Euro Pauschalkosten und 426,60 Euro Sachverständigengebühr).Nach der am 1. Juni 2004 zur Durchführung diversioneller Maßnahmen auf unbestimmte Zeit vertagten Hauptverhandlung unterbreitete der Bezirksrichter nach Anhörung der Staatsanwaltschaft, die einem diversionellen Vorgehen nicht zustimmte (ON 12), dem Beschuldigten mit (am 14. Juli 2004 zugestellter) Note vom 18. Juni 2004 (ON 11) den Vorschlag (Paragraph 90 c, Absatz 4, in Verbindung mit Paragraph 90 b, StPO) auf Verfahrenseinstellung gemäß Paragraphen 90 b und 90c StPO gegen Zahlung eines Geldbetrages von 1.026,60 Euro (hievon 70 Euro Pauschalkosten und 426,60 Euro Sachverständigengebühr).
Nach Zahlung des Betrages wurde das Verfahren mit Beschluss des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 4. August 2004 (ON 15) der entgegen § 90 l Abs 2 letzter Satz StPO dem Beschuldigten zugestellt wurde, bevor er der Staatsanwaltschaft gegenüber in Rechtskraft erwachsen war, gemäß §§ 90b und 90c Abs 5 StPO eingestellt.Nach Zahlung des Betrages wurde das Verfahren mit Beschluss des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 4. August 2004 (ON 15) der entgegen Paragraph 90, l Absatz 2, letzter Satz StPO dem Beschuldigten zugestellt wurde, bevor er der Staatsanwaltschaft gegenüber in Rechtskraft erwachsen war, gemäß Paragraphen 90 b und 90c Absatz 5, StPO eingestellt.
Das Landesgericht St. Pölten gab der dagegen von der Staatsanwaltschaft erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 6. September 2004, AZ 9 Bl 109/04, Folge und trug dem Erstgericht - ausgehend von der (nicht förmlich erfolgten) Aufhebung des angefochtenen Beschlusses - die Fortsetzung des Verfahrens auf (ON 18).
Mit Beschluss vom 24. September 2004 (ON 19) wies daraufhin das Bezirksgericht St. Pölten den Rechnungsführer an, den Betrag von 1.026,60 Euro an den Beschuldigten rückzuüberweisen. Das Landesgericht St. Pölten gab der dagegen erhobenen Beschwerde der Staatsanwaltschaft mit Beschluss vom 8. November 2004, AZ 9 Bl 138/04 (ON 23), Folge und hob den angefochtenen Beschluss ersatzlos auf. Zur Begründung führte es an, gemäß § 90h Abs 5 letzter Satz StPO sei eine Rückzahlung von nach § 90c StPO geleisteten Geldbeträgen im Gesetz nur für den Fall vorgesehen, dass der Verdächtige freigesprochen oder sonst außer Verfolgung gesetzt werde. § 90h Abs 5 StPO sei auch auf Fälle anzuwenden, in denen (wie vorliegend) nach einer diversionellen Verfahrenseinstellung durch das Erstgericht auf Grund einer Rechtsmittelentscheidung die Fortsetzung des Verfahrens angeordnet wird.Mit Beschluss vom 24. September 2004 (ON 19) wies daraufhin das Bezirksgericht St. Pölten den Rechnungsführer an, den Betrag von 1.026,60 Euro an den Beschuldigten rückzuüberweisen. Das Landesgericht St. Pölten gab der dagegen erhobenen Beschwerde der Staatsanwaltschaft mit Beschluss vom 8. November 2004, AZ 9 Bl 138/04 (ON 23), Folge und hob den angefochtenen Beschluss ersatzlos auf. Zur Begründung führte es an, gemäß Paragraph 90 h, Absatz 5, letzter Satz StPO sei eine Rückzahlung von nach Paragraph 90 c, StPO geleisteten Geldbeträgen im Gesetz nur für den Fall vorgesehen, dass der Verdächtige freigesprochen oder sonst außer Verfolgung gesetzt werde. Paragraph 90 h, Absatz 5, StPO sei auch auf Fälle anzuwenden, in denen (wie vorliegend) nach einer diversionellen Verfahrenseinstellung durch das Erstgericht auf Grund einer Rechtsmittelentscheidung die Fortsetzung des Verfahrens angeordnet wird.
Rechtliche Beurteilung
Der zuletzt genannte Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten steht, wie der Generalprokurator in der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt, mit dem Gesetz nicht im Einklang. Die Bestimmung des § 90h Abs 5 StPO, der zufolge im Fall nachträglicher Einleitung oder Fortsetzung des Strafverfahrens vom Verdächtigen im Zusammenhang mit der Diversion erbrachte Leistungen bei einer allfälligen Strafbemessung zu berücksichtigen und nach § 90c StPO geleistete Geldbeträge zurückzuzahlen sind, wenn der Verdächtige freigesprochen oder sonst außer Verfolgung gesetzt wird, stellt ausschließlich auf Fälle nachträglicher Einleitung oder Fortsetzung des Strafverfahrens nach § 90h Abs 2 StPO ab. Zu solchen Fällen kommt es, wenn der Verdächtige den Geldbetrag samt allfälliger Schadensgutmachung nicht vollständig oder nicht rechtzeitig zahlt (§ 90h Abs 2 Z 1 StPO) oder gegen den Verdächtigen vor Zahlung des (gesamten) Geldbetrages samt allfälliger Schadensgutmachung ein (anderes) Strafverfahren eingeleitet wird (Z 3).Der zuletzt genannte Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten steht, wie der Generalprokurator in der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt, mit dem Gesetz nicht im Einklang. Die Bestimmung des Paragraph 90 h, Absatz 5, StPO, der zufolge im Fall nachträglicher Einleitung oder Fortsetzung des Strafverfahrens vom Verdächtigen im Zusammenhang mit der Diversion erbrachte Leistungen bei einer allfälligen Strafbemessung zu berücksichtigen und nach Paragraph 90 c, StPO geleistete Geldbeträge zurückzuzahlen sind, wenn der Verdächtige freigesprochen oder sonst außer Verfolgung gesetzt wird, stellt ausschließlich auf Fälle nachträglicher Einleitung oder Fortsetzung des Strafverfahrens nach Paragraph 90 h, Absatz 2, StPO ab. Zu solchen Fällen kommt es, wenn der Verdächtige den Geldbetrag samt allfälliger Schadensgutmachung nicht vollständig oder nicht rechtzeitig zahlt (Paragraph 90 h, Absatz 2, Ziffer eins, StPO) oder gegen den Verdächtigen vor Zahlung des (gesamten) Geldbetrages samt allfälliger Schadensgutmachung ein (anderes) Strafverfahren eingeleitet wird (Ziffer 3,).
Der hier gegebene Fall vollständiger und rechtzeitiger Zahlung des Geldbetrages in Erwartung diversioneller Verfahrensbeendigung, die aber auf Grund erfolgreicher Anfechtung durch die Staatsanwaltschaft (§ 90 l Abs 3 StPO) ausbleibt, wird von § 90h Abs 5 StPO nicht erfasst. § 90 l StPO sieht eine dem § 90h Abs 5 StPO entsprechende Regelung nicht vor. Anhaltspunkte für eine planwidrige Gesetzeslücke bestehen nicht, sodass auch eine analoge Anwendung dieser Bestimmung nicht in Betracht kommt (aM Einführungserlass zur Strafprozessnovelle 1999).Der hier gegebene Fall vollständiger und rechtzeitiger Zahlung des Geldbetrages in Erwartung diversioneller Verfahrensbeendigung, die aber auf Grund erfolgreicher Anfechtung durch die Staatsanwaltschaft (Paragraph 90, l Absatz 3, StPO) ausbleibt, wird von Paragraph 90 h, Absatz 5, StPO nicht erfasst. Paragraph 90, l StPO sieht eine dem Paragraph 90 h, Absatz 5, StPO entsprechende Regelung nicht vor. Anhaltspunkte für eine planwidrige Gesetzeslücke bestehen nicht, sodass auch eine analoge Anwendung dieser Bestimmung nicht in Betracht kommt (aM Einführungserlass zur Strafprozessnovelle 1999).
Es sind daher die bereicherungsrechtlichen Grundsätze des ABGB (§§ 1431 ff) anzuwenden, wonach eine durch Wegfall des Rechtsgrundes ungerechtfertigte Vermögensverschiebung rückgängig zu machen ist (condictio causa finita; vgl Rummel in Rummel, ABGB3 § 1435 Rz 3). Leistet also - wie vorliegend - der Verdächtige den vollständigen Geldbetrag nach gerichtlicher Mitteilung (§ 90c Abs 4 StPO) in Erwartung der diversionellen Beendigung des Verfahrens, so ist der Betrag zurückzuzahlen, wenn infolge erfolgreicher Anfechtung des Einstellungsbeschlusses (§ 90c Abs 5 StPO) durch den Staatsanwalt (§ 90 l Abs 3 StPO) die Rechtsgrundlage für die Zahlung entfällt (15 Os 147/04).Es sind daher die bereicherungsrechtlichen Grundsätze des ABGB (Paragraphen 1431, ff) anzuwenden, wonach eine durch Wegfall des Rechtsgrundes ungerechtfertigte Vermögensverschiebung rückgängig zu machen ist (condictio causa finita; vergleiche Rummel in Rummel, ABGB3 Paragraph 1435, Rz 3). Leistet also - wie vorliegend - der Verdächtige den vollständigen Geldbetrag nach gerichtlicher Mitteilung (Paragraph 90 c, Absatz 4, StPO) in Erwartung der diversionellen Beendigung des Verfahrens, so ist der Betrag zurückzuzahlen, wenn infolge erfolgreicher Anfechtung des Einstellungsbeschlusses (Paragraph 90 c, Absatz 5, StPO) durch den Staatsanwalt (Paragraph 90, l Absatz 3, StPO) die Rechtsgrundlage für die Zahlung entfällt (15 Os 147/04).
Mit der Feststellung der dem Beschuldigten nachteiligen Gesetzesverletzung waren gemäß § 292 letzter Satz StPO die Aufhebung des Beschlusses und die Abweisung der Beschwerde der Staatsanwaltschaft zu verbinden.Mit der Feststellung der dem Beschuldigten nachteiligen Gesetzesverletzung waren gemäß Paragraph 292, letzter Satz StPO die Aufhebung des Beschlusses und die Abweisung der Beschwerde der Staatsanwaltschaft zu verbinden.
Anmerkung
E77191 15Os32.05bEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2005:0150OS00032.05B.0421.000Dokumentnummer
JJT_20050421_OGH0002_0150OS00032_05B0000_000