Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Georg B*****, vertreten durch Dr. Helmut Denck, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei D***** Rechtsanwaltspartnerschaft GmbH, *****, wegen 20.639,74 EUR sA, über die Revision (richtig: Revision und Rekurs) der Beklagten gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien vom 29. November 2004, GZ 14 R 121/04y-21, mit dem das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom 20. April 2004, GZ 18 Cg 30/03v-16, teilweise bestätigt, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision und dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst zu Recht erkannt, das angefochtene Teilurteil dahin abzuändern, dass die das Klagebegehren abweisende Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 3.313,28 EUR (darin 375,38 EUR USt und 1.061 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die beklagte Rechtsanwaltspartnerschaft GmbH vertrat den Kläger im Verfahren GZ 18 C 312/01b des Bezirksgerichts Innsbruck. In diesem Verfahren begehrte der Kläger von der Motorbär M***** GmbH in S***** die Zahlung von 9.447,47 EUR sA Zug um Zug gegen Übergabe des Motorrads Marke Suzuki, Modell 1400, MotorNr X 501, welches er bei ihr am 16. April 1999 in gebrauchtem Zustand gekauft hatte. Das Bezirksgericht Innsbruck gab dem Klagebegehren statt. Es stellte - soweit dies für das vorliegende Verfahren von Bedeutung ist - fest, dem Kläger sei nach Übernahme des Motorrads aufgefallen, dass bei Geschwindigkeiten über 100 km/h starke Vibrationen des Lenkers auftreten würden; er habe auch andere Mängel bemerkt. Ende Juli/Anfang August 1999 habe eine Reparatur stattgefunden, bei der der Auspufftopf getauscht worden sei. Die Verkäuferin habe ihm außerdem vorgeschlagen, die Vibrationen zu beheben, dies allerdings lediglich entgeltlich, was der Kläger jedoch abgelehnt habe. Daraufhin habe der Kläger am 23. November 1999 einen Kommissionsvertrag unterschrieben, auf Grund dessen die Verkäuferin des Motorrads versuchen sollte, dieses um 140.000 ATS zu verkaufen. Als sich kein Käufer gefunden habe, habe der Kläger Anfang Mai 2000 das Motorrad wieder abgeholt. Die Mängel am Motorrad hätten zu diesem Zeitpunkt noch immer bestanden, obwohl der Kläger mehrmals auf deren Behebung gedrängt gehabt habe. Daraufhin habe der Kläger das Motorrad zu einer anderen Zweiradhändlerin gebracht, die mehrere Mängel festgestellt habe.Die beklagte Rechtsanwaltspartnerschaft GmbH vertrat den Kläger im Verfahren GZ 18 C 312/01b des Bezirksgerichts Innsbruck. In diesem Verfahren begehrte der Kläger von der Motorbär M***** GmbH in S***** die Zahlung von 9.447,47 EUR sA Zug um Zug gegen Übergabe des Motorrads Marke Suzuki, Modell 1400, MotorNr römisch zehn 501, welches er bei ihr am 16. April 1999 in gebrauchtem Zustand gekauft hatte. Das Bezirksgericht Innsbruck gab dem Klagebegehren statt. Es stellte - soweit dies für das vorliegende Verfahren von Bedeutung ist - fest, dem Kläger sei nach Übernahme des Motorrads aufgefallen, dass bei Geschwindigkeiten über 100 km/h starke Vibrationen des Lenkers auftreten würden; er habe auch andere Mängel bemerkt. Ende Juli/Anfang August 1999 habe eine Reparatur stattgefunden, bei der der Auspufftopf getauscht worden sei. Die Verkäuferin habe ihm außerdem vorgeschlagen, die Vibrationen zu beheben, dies allerdings lediglich entgeltlich, was der Kläger jedoch abgelehnt habe. Daraufhin habe der Kläger am 23. November 1999 einen Kommissionsvertrag unterschrieben, auf Grund dessen die Verkäuferin des Motorrads versuchen sollte, dieses um 140.000 ATS zu verkaufen. Als sich kein Käufer gefunden habe, habe der Kläger Anfang Mai 2000 das Motorrad wieder abgeholt. Die Mängel am Motorrad hätten zu diesem Zeitpunkt noch immer bestanden, obwohl der Kläger mehrmals auf deren Behebung gedrängt gehabt habe. Daraufhin habe der Kläger das Motorrad zu einer anderen Zweiradhändlerin gebracht, die mehrere Mängel festgestellt habe.
Am 30. Mai 2000 habe die Beklagte in Vertretung des Klägers der Motorradverkäuferin die Mängel mitgeteilt und deren Behebung urgiert. Die Motorradverkäuferin habe am 5. Juli 2000 die Vorwürfe bestritten, woraufhin der Kläger am 25. Oktober 2000 ausdrücklich seinen Rücktritt vom Vertrag erklärt und am 12. März 2001 die Klage überreicht habe.
Das Bezirksgericht Innsbruck stellte weiters fest, jeder Kunde habe bei der Motorradverkäuferin 1 Jahr Garantie bekommen, so auch der Kläger. Im Rahmen der Beweiswürdigung führte es aus, der Kommissionsvertrag sei abgeschlossen worden, weil man sich wegen der Mängel nicht habe einigen können.
In rechtlicher Hinsicht vertrat es die Auffassung, der Kläger habe aus dem Titel der Gewährleistung zu Recht die Wandlung des Kaufvertrags erklärt. Dadurch sei der Vertrag ex tunc weggefallen und rückabzuwickeln. Gewährleistungsansprüche müssten bei beweglichen Sachen zwar binnen 6 Monaten geltend gemacht werden, sonst sei die Klage erloschen. Die Geltendmachung der Einrede bleibe dem Erwerber aber vorbehalten, wenn er innerhalb dieser Frist dem Übergeber den Mangel angezeigt habe.
Das Landesgericht Innsbruck als Berufungsgericht wies zu GZ 3 R 268/02m das Klagebegehren auf Grund der Berufung der Motorradverkäuferin ab. Die Gewährleistungsansprüche des Klägers seien erloschen, weil er sie nicht binnen 6 Monaten gerichtlich geltend gemacht habe; ein Fall der Einrede - wie vom Bezirksgericht Innsbruck angenommen - liege nicht vor. Die Gewährleistungsfrist beginne zwar bei Verbesserungsversuchen (erst) ab deren Vollendung bzw ab Vollendung der Verbesserung selbst zu laufen. Der Kläger habe aber Anfang Mai 2000 das Motorrad wieder abgeholt - nachdem die Verkaufsbemühungen gescheitert gewesen seien - und dennoch erst am 12. März 2001 die Klage überreicht, obwohl die Mängel nach wie vor bestanden hätten. Damit sei die (6-monatige) Gewährleistungsfrist bereits abgelaufen gewesen, worauf die Motorradverkäuferin zwar nicht hingewiesen habe, worauf aber auch von Amts wegen Bedacht zu nehmen sei. Eine Verlängerung der Gewährleistungsfrist bzw eine Garantievereinbarung sei vom Kläger nicht behauptet worden, sodass auf die „überschießende" Feststellung, jeder Kunde, so auch der Kläger, habe 1 Jahr Garantie bekommen, nicht Bedacht genommen werden könne.
Im vorliegenden Verfahren begehrte der Kläger von der Beklagten zuletzt 9.447,47 EUR sA Zug um Zug gegen Übergabe des Motorrads sowie 11.192,27 EUR sA, in eventu 20.639,74 EUR sA. Er hätte den Vorprozess gewonnen, hätte die Beklagte vorgebracht, dass ihm von der Motorradverkäuferin eine einjährige Garantiefrist eingeräumt worden sei. Darauf habe das Landesgericht Innsbruck als Berufungsgericht ausdrücklich hingewiesen. Das Berufungsgericht sei von einem Beginn der Verjährungsfrist mit Anfang Mai 2000 ausgegangen. In diesem Fall hätte er von der Motorradverkäuferin 9.447,47 EUR sA Zug um Zug gegen Übergabe des Motorrads erhalten und sich Prozesskosten in Höhe von insgesamt 11.192,27 EUR erspart. Diesen Schaden habe ihm die Beklagte zu ersetzen. Das Motorrad habe keinen Marktwert, weil es nicht typisierungsfähig sei und erhebliche Arbeiten notwendig wären; jedenfalls sei der Marktwert deutlich geringer als der Kaufpreis. Die Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen. Der Kläger sei erst Ende Mai 2000 zu ihr gekommen, nach Einholung der Rechtsschutzdeckung sei die Klage überreicht worden. Die Klage wäre auch unter Berücksichtigung der Garantievereinbarung verfristet gewesen, weil nach den Feststellungen des Bezirksgerichts Innsbruck Ende Juli/Anfang August 1999 die letzten Reparaturarbeiten stattgefunden hätten und darüber hinausgehende Reparaturarbeiten von der Motorradverkäuferin abgelehnt worden seien. Damit sei die Gewährleistungsfrist bereits ab diesem Zeitpunkt gelaufen. Das Erstgericht wies sowohl Haupt- als auch Eventualbegehren ab. Zu prüfen sei, ob der Schaden auch ohne das (fehlerhafte) Verhalten des Rechtsberaters eingetreten wäre. Hätte der Kläger also auch bei einem Vorbringen der Beklagten zur Garantievereinbarung den Vorprozess verloren, wäre keine Kausalität gegeben sei. Bei Prüfung der Kausalität sei der mutmaßliche Verlauf und Ausgang des Verfahrens zu ermitteln. Dabei sei darauf abzustellen, wie das Gericht im Vorprozess „richtigerweise" zu entscheiden gehabt hätte, nicht jedoch darauf, wie es, wären die beanstandeten Unterlassungen unterblieben, tatsächlich entschieden hätte. Richtigerweise hätte im Vorprozess der Beginn der Gewährleistungsfrist spätestens mit Abschluss des Kommissionsvertrags zwischen dem Kläger und der Motorradverkäuferin (23. November 1999) angesetzt werden müssen, weil zu diesem Zeitpunkt deutlich zum Ausdruck gebracht worden sei, dass weitere (unentgeltliche) Verbesserungsarbeiten abgelehnt würden, was dem Kläger auch bekannt und bewusst gewesen sei. Der vom Landesgericht Innsbruck als Berufungsgericht angenommene Zeitpunkt Anfang Mai 2000 sei hingegen unzutreffend. Damit wäre die Gewährleistungsklage aber auch unter Berücksichtigung einer einjährigen Garantiefrist abzuweisen gewesen. Der der Beklagten vorgeworfene Kunstfehler sei somit nicht kausal für den Schaden des Klägers gewesen. Das Berufungsgericht bestätigte die Abweisung des Hauptbegehrens hinsichtlich 9.447,47 EUR sA Zug um Zug gegen Übergabe des Motorrads (Punkt 1), gab dem Hauptbegehren jedoch hinsichtlich 11.192,27 EUR sA mit Teilurteil statt (Punkt 2) und hob das Ersturteil hinsichtlich 9.447,47 EUR sA des Eventualbegehrens auf (Punkt 3). Es erklärte gemäß § 502 Abs 1 ZPO die ordentliche Revision gegen das Teilurteil und gemäß § 519 (Abs 1 Z 2 und) Abs 2 ZPO den Rekurs gegen „den aufhebenden Teil" für zulässig, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage „bekannt" sei, ob beim hypothetischen Nachvollzug des bei Unterbleiben eines Anwaltsfehlers überwiegend wahrscheinlichen Prozessausgangs auch dann darauf abzustellen sei, wie das Gericht richtigerweise zu entscheiden gehabt hätte, wenn die tatsächlich ergangene Entscheidung auf einer unrichtigen Rechtsansicht beruht habe. Des Weiteren liege uneinheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur „Beachtlichkeit einer Berufung" vor, die nur einen Aufhebungsantrag enthalte, obwohl ein Abänderungsantrag geboten gewesen wäre. Bei Prüfung der Kausalität eines Kunstfehlers eines Rechtsanwalts sei hypothetisch nachzuvollziehen, wie das Verfahren mit überwiegender Wahrscheinlichkeit geendet hätte, wenn der Rechtsanwalt das unterlassene Vorbringen rechtzeitig erstattet hätte. Dabei könne aber nicht „in jedem Fall und undifferenziert" auf eine richtige Prozessentscheidung abgestellt werden, so etwa dann nicht, wenn auf Grund einer inhaltlichen Rechtsmittelentscheidung im Vorprozess eine „ganz konkrete Rechtsansicht" vorliege. Das Landesgericht Innsbruck habe in seiner Berufungsentscheidung den Beginn der Gewährleistungsfrist mit Anfang Mai 2000 angesetzt, woraus „der Schluss zu ziehen sei, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit" das klagsstattgebende Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck bestätigt worden wäre, wäre die „überschießende" Feststellung hinsichtlich der Garantievereinbarung durch ein Vorbringen gedeckt gewesen. Umgekehrt sei es „nicht wahrscheinlich", dass das Landesgericht Innsbruck in diesem Fall „völlig anders argumentiert" und so entschieden hätte wie das Erstgericht im vorliegenden Verfahren. „Unabhängig von der Richtigkeit der einen oder anderen Auffassung" sei daher die Unterlassung eines entsprechenden Vorbringens kausal für den eingetretenen Schaden gewesen. Der Rechtsanwalt habe alle erforderlichen Maßnahmen zur Vermeidung von Verjährung oder Verfristung selbst dann zu ergreifen, wenn sie - auf Grund einer vertretbaren Rechtsansicht - möglicherweise nicht notwendig oder gar sinnlos sein könnten. Folge man im vorliegenden Fall der Rechtsansicht des Landesgerichts Innsbruck, wäre Vorbringen zur Garantievereinbarung „unerlässlich" gewesen, um dem Kläger zum Erfolg zu verhelfen. Ein sorgfältiger Anwalt hätte derartiges Vorbringen erstattet, weshalb der Beklagten ein Kunstfehler vorzuwerfen sei. Sie habe daher dem Kläger den frustrierten Kostenaufwand des Vorprozesses in Höhe von 11.192,27 EUR sA zu ersetzen. Insoweit sei der Berufung Folge zu geben, auch wenn der Kläger lediglich einen Aufhebungs- und keinen Abänderungsantrag gestellt habe, weil sich aus der Rechtsrüge der Berufung zu sämtlichen streitgegenständlichen Rechtsfragen sinngemäß und zwanglos auch ein Abänderungsantrag ableiten lasse. Für eine Verpflichtung zur Zahlung von 9.447,47 EUR sA Zug um Zug gegen Übergabe des Motorrads (Hauptbegehren) bestehe jedoch keine gesetzliche Grundlage, vielmehr liege insofern der Schaden des Klägers in der Differenz zwischen dem heutigen Wert des Motorrads und 9.447,47 EUR sA (Eventualbegehren). Diesen Wert habe das Erstgericht allerdings nicht festgestellt, weshalb das Ersturteil teilweise aufzuheben sei.Im vorliegenden Verfahren begehrte der Kläger von der Beklagten zuletzt 9.447,47 EUR sA Zug um Zug gegen Übergabe des Motorrads sowie 11.192,27 EUR sA, in eventu 20.639,74 EUR sA. Er hätte den Vorprozess gewonnen, hätte die Beklagte vorgebracht, dass ihm von der Motorradverkäuferin eine einjährige Garantiefrist eingeräumt worden sei. Darauf habe das Landesgericht Innsbruck als Berufungsgericht ausdrücklich hingewiesen. Das Berufungsgericht sei von einem Beginn der Verjährungsfrist mit Anfang Mai 2000 ausgegangen. In diesem Fall hätte er von der Motorradverkäuferin 9.447,47 EUR sA Zug um Zug gegen Übergabe des Motorrads erhalten und sich Prozesskosten in Höhe von insgesamt 11.192,27 EUR erspart. Diesen Schaden habe ihm die Beklagte zu ersetzen. Das Motorrad habe keinen Marktwert, weil es nicht typisierungsfähig sei und erhebliche Arbeiten notwendig wären; jedenfalls sei der Marktwert deutlich geringer als der Kaufpreis. Die Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen. Der Kläger sei erst Ende Mai 2000 zu ihr gekommen, nach Einholung der Rechtsschutzdeckung sei die Klage überreicht worden. Die Klage wäre auch unter Berücksichtigung der Garantievereinbarung verfristet gewesen, weil nach den Feststellungen des Bezirksgerichts Innsbruck Ende Juli/Anfang August 1999 die letzten Reparaturarbeiten stattgefunden hätten und darüber hinausgehende Reparaturarbeiten von der Motorradverkäuferin abgelehnt worden seien. Damit sei die Gewährleistungsfrist bereits ab diesem Zeitpunkt gelaufen. Das Erstgericht wies sowohl Haupt- als auch Eventualbegehren ab. Zu prüfen sei, ob der Schaden auch ohne das (fehlerhafte) Verhalten des Rechtsberaters eingetreten wäre. Hätte der Kläger also auch bei einem Vorbringen der Beklagten zur Garantievereinbarung den Vorprozess verloren, wäre keine Kausalität gegeben sei. Bei Prüfung der Kausalität sei der mutmaßliche Verlauf und Ausgang des Verfahrens zu ermitteln. Dabei sei darauf abzustellen, wie das Gericht im Vorprozess „richtigerweise" zu entscheiden gehabt hätte, nicht jedoch darauf, wie es, wären die beanstandeten Unterlassungen unterblieben, tatsächlich entschieden hätte. Richtigerweise hätte im Vorprozess der Beginn der Gewährleistungsfrist spätestens mit Abschluss des Kommissionsvertrags zwischen dem Kläger und der Motorradverkäuferin (23. November 1999) angesetzt werden müssen, weil zu diesem Zeitpunkt deutlich zum Ausdruck gebracht worden sei, dass weitere (unentgeltliche) Verbesserungsarbeiten abgelehnt würden, was dem Kläger auch bekannt und bewusst gewesen sei. Der vom Landesgericht Innsbruck als Berufungsgericht angenommene Zeitpunkt Anfang Mai 2000 sei hingegen unzutreffend. Damit wäre die Gewährleistungsklage aber auch unter Berücksichtigung einer einjährigen Garantiefrist abzuweisen gewesen. Der der Beklagten vorgeworfene Kunstfehler sei somit nicht kausal für den Schaden des Klägers gewesen. Das Berufungsgericht bestätigte die Abweisung des Hauptbegehrens hinsichtlich 9.447,47 EUR sA Zug um Zug gegen Übergabe des Motorrads (Punkt 1), gab dem Hauptbegehren jedoch hinsichtlich 11.192,27 EUR sA mit Teilurteil statt (Punkt 2) und hob das Ersturteil hinsichtlich 9.447,47 EUR sA des Eventualbegehrens auf (Punkt 3). Es erklärte gemäß Paragraph 502, Absatz eins, ZPO die ordentliche Revision gegen das Teilurteil und gemäß Paragraph 519, (Absatz eins, Ziffer 2, und) Absatz 2, ZPO den Rekurs gegen „den aufhebenden Teil" für zulässig, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage „bekannt" sei, ob beim hypothetischen Nachvollzug des bei Unterbleiben eines Anwaltsfehlers überwiegend wahrscheinlichen Prozessausgangs auch dann darauf abzustellen sei, wie das Gericht richtigerweise zu entscheiden gehabt hätte, wenn die tatsächlich ergangene Entscheidung auf einer unrichtigen Rechtsansicht beruht habe. Des Weiteren liege uneinheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur „Beachtlichkeit einer Berufung" vor, die nur einen Aufhebungsantrag enthalte, obwohl ein Abänderungsantrag geboten gewesen wäre. Bei Prüfung der Kausalität eines Kunstfehlers eines Rechtsanwalts sei hypothetisch nachzuvollziehen, wie das Verfahren mit überwiegender Wahrscheinlichkeit geendet hätte, wenn der Rechtsanwalt das unterlassene Vorbringen rechtzeitig erstattet hätte. Dabei könne aber nicht „in jedem Fall und undifferenziert" auf eine richtige Prozessentscheidung abgestellt werden, so etwa dann nicht, wenn auf Grund einer inhaltlichen Rechtsmittelentscheidung im Vorprozess eine „ganz konkrete Rechtsansicht" vorliege. Das Landesgericht Innsbruck habe in seiner Berufungsentscheidung den Beginn der Gewährleistungsfrist mit Anfang Mai 2000 angesetzt, woraus „der Schluss zu ziehen sei, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit" das klagsstattgebende Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck bestätigt worden wäre, wäre die „überschießende" Feststellung hinsichtlich der Garantievereinbarung durch ein Vorbringen gedeckt gewesen. Umgekehrt sei es „nicht wahrscheinlich", dass das Landesgericht Innsbruck in diesem Fall „völlig anders argumentiert" und so entschieden hätte wie das Erstgericht im vorliegenden Verfahren. „Unabhängig von der Richtigkeit der einen oder anderen Auffassung" sei daher die Unterlassung eines entsprechenden Vorbringens kausal für den eingetretenen Schaden gewesen. Der Rechtsanwalt habe alle erforderlichen Maßnahmen zur Vermeidung von Verjährung oder Verfristung selbst dann zu ergreifen, wenn sie - auf Grund einer vertretbaren Rechtsansicht - möglicherweise nicht notwendig oder gar sinnlos sein könnten. Folge man im vorliegenden Fall der Rechtsansicht des Landesgerichts Innsbruck, wäre Vorbringen zur Garantievereinbarung „unerlässlich" gewesen, um dem Kläger zum Erfolg zu verhelfen. Ein sorgfältiger Anwalt hätte derartiges Vorbringen erstattet, weshalb der Beklagten ein Kunstfehler vorzuwerfen sei. Sie habe daher dem Kläger den frustrierten Kostenaufwand des Vorprozesses in Höhe von 11.192,27 EUR sA zu ersetzen. Insoweit sei der Berufung Folge zu geben, auch wenn der Kläger lediglich einen Aufhebungs- und keinen Abänderungsantrag gestellt habe, weil sich aus der Rechtsrüge der Berufung zu sämtlichen streitgegenständlichen Rechtsfragen sinngemäß und zwanglos auch ein Abänderungsantrag ableiten lasse. Für eine Verpflichtung zur Zahlung von 9.447,47 EUR sA Zug um Zug gegen Übergabe des Motorrads (Hauptbegehren) bestehe jedoch keine gesetzliche Grundlage, vielmehr liege insofern der Schaden des Klägers in der Differenz zwischen dem heutigen Wert des Motorrads und 9.447,47 EUR sA (Eventualbegehren). Diesen Wert habe das Erstgericht allerdings nicht festgestellt, weshalb das Ersturteil teilweise aufzuheben sei.
Die Beklagte erhebt gegen dieses Teilurteil eine „ordentliche Revision", beantragt jedoch die „vollinhaltliche Abweisung des Klagebegehrens". Da sie sich somit auch gegen die teilweise Aufhebung des erstgerichtlichen Urteils durch das Berufungsgericht wendet, liegen in Wahrheit sowohl eine ordentliche Revision als auch ein Rekurs gegen den aufhebenden Teil der angefochtenen Entscheidung vor.
Rechtliche Beurteilung
Revision und Rekurs der Beklagten sind zulässig; sie sind auch berechtigt.
Der Kläger vertritt im Revisionsverfahren nicht (mehr) die Auffassung, das Landesgericht Innsbruck als Berufungsgericht habe im Vorprozess rechtlich richtig den Beginn der Gewährleistungsfrist mit Anfang Mai 2000 angenommen; er beruft sich vielmehr auf eine Bindung der Gerichte im Regressprozess an die im Vorprozess vertretene (allenfalls auch unrichtige) Rechtsansicht. Die Beklagte meint demgegenüber, bei der Prüfung des hypothetischen Verfahrensverlaufs unter Berücksichtigung des unterbliebenen Vorbringens komme es nicht auf den tatsächlichen Rechtsstandpunkt des Gerichts im Vorprozess an, sondern auf den richtigen. Richtigerweise wäre die Klage aber auch abzuweisen gewesen, wenn die Garantiefrist mit einem Jahr angenommen worden wäre.
Der Oberste Gerichtshof hat sich bereits mehrfach mit der - letztlich auch hier zu beurteilenden - Frage auseinandergesetzt, ob es im Vorprozess auf die tatsächliche oder auf die richtige Rechtsansicht des Gerichts ankommt (1 Ob 151/01i = SZ 74/159; 6 Ob 322/02z = RdW 2003/305; 1 Ob 260/04y) und dazu unter Berufung auf Lehre und deutsche Rechtsprechung ausgeführt:
Hängt der Erfolg der Schadenersatzklage gegen den Rechtsanwalt davon ab, ob dem Kläger durch den Anwaltsfehler ein Schaden entstanden ist, muss das Gericht den mutmaßlichen Verlauf und Ausgang des Vorprozesses unter der Voraussetzung ermitteln, dass sich der Anwalt richtig verhalten hätte. Zu fragen ist, wie der Mandant bei pflichtgemäßem Anwaltsverhalten gestellt wäre. Bei diesem hypothetischen Prozess hat das mit dem Schadenersatzbegehren befasste Gericht (Regressgericht) bei einer behaupteten Unterlassung (unterlassene Beratung, unterlassene Erhebung eines Rechtsmittels, unterlassene Stellung eines Antrags und dergleichen) den Vorprozess hypothetisch nachzuvollziehen und zu beurteilen, wie das Verfahren mit überwiegender Wahrscheinlichkeit geendet hätte. Bei der Frage, wie und mit welchen Mitteln sich das Regressgericht seine Überzeugung vom mutmaßlichen Verlauf des nicht oder jedenfalls so nicht geführten Vorprozesses verschafft, sind zwei Ansätze zur Ermittlung der hypothetischen Entscheidung denkbar: Das Regressgericht prüft, wie das Gericht des Vorprozesses entschieden hätte oder wie richtigerweise zu entscheiden gewesen wäre. Da der Einfluss, den Überlegungen verschiedenster Art auf die Entscheidung der hypothetisch mit der Sache befassten Stellen nehmen können, zu unberechenbar ist, als dass sich in dem späteren Schadenersatzprozess mit der nötigen Sicherheit feststellen ließe, wie das Gericht im Vorprozess wirklich entschieden hätte, und im Übrigen der Geschädigte nur das, worauf er rechtmäßig Anspruch hat, erhalten und nicht durch eine hypothetische Fehlentscheidung begünstigt werden soll, hat das Regressgericht nicht darauf abzustellen, wie das Gericht des Vorprozesses, wären die beanstandeten Unterlassungen unterblieben, seinerzeit entschieden hätte, sondern darauf, wie nach seiner Auffassung der Vorprozess - oder auch nur eine Teilfrage desselben - richtigerweise hätte entschieden werden müssen. Dabei hat sich das Regressgericht am Handeln eines pflichtgemäß handelnden Richters zu orientieren.
Auch im vorliegenden Fall ist daher maßgebend, wie die Gerichte im Vorprozess richtigerweise hätten entscheiden müssen. Nach dem festgestellten Sachverhalt haben die Kläger und die Motorradverkäuferin am 23. November 1999 einen Kommissionsvertrag geschlossen, weil sie sich über die vom Kläger verlangten Gewährleistungsarbeiten nicht einigen konnten. Die Motorradverkäuferin war bereit, die gerügten Mängel zu beheben, allerdings nur entgeltlich. Damit war jedoch der Kläger nicht einverstanden (S 6 des Ersturteils im Vorprozess).
Nach der Rechtsprechung beginnt die Gewährleistungsfrist mit der Ablehnung von (weiteren) Verbesserungsversuchen (neu) zu laufen (1 Ob 595/83; 8 Ob 519/85 = JBl 1986, 107; 7 Ob 642/85 = SZ 58/208; vgl auch RIS-Justiz RS0018614). Die Gewährleistungsfrist hat daher schon im November 1999 und nicht - wie vom Berufungsgericht des Vorprozesses angenommen - mit der Rücknahme des Motorrads im Mai 2000 (neu) zu laufen begonnen. Die Gewährleistungsansprüche des Klägers wären daher auch dann verfristet gewesen, wenn sich die ihm im Vorprozess vertretende Beklagte auf die vereinbarte einjährige Garantiefrist berufen hätte.Nach der Rechtsprechung beginnt die Gewährleistungsfrist mit der Ablehnung von (weiteren) Verbesserungsversuchen (neu) zu laufen (1 Ob 595/83; 8 Ob 519/85 = JBl 1986, 107; 7 Ob 642/85 = SZ 58/208; vergleiche auch RIS-Justiz RS0018614). Die Gewährleistungsfrist hat daher schon im November 1999 und nicht - wie vom Berufungsgericht des Vorprozesses angenommen - mit der Rücknahme des Motorrads im Mai 2000 (neu) zu laufen begonnen. Die Gewährleistungsansprüche des Klägers wären daher auch dann verfristet gewesen, wenn sich die ihm im Vorprozess vertretende Beklagte auf die vereinbarte einjährige Garantiefrist berufen hätte.
Ob tatsächlich - wie die Entscheidung 1 Ob 260/04y ausführt - das Ergebnis der Beurteilung, wie das Vorverfahren mit überwiegender Wahrscheinlichkeit geendet hätte, eine in dritter Instanz unanfechtbare Tatsachenfeststellung ist, braucht hier nicht weiter erörtert werden, weil die Vorinstanzen diesbezüglich keine konkreten Feststellungen getroffen, sondern lediglich (einer rechtlichen Überprüfung zugängliche) Schlüsse gezogen haben.
Damit war aber das das gesamte Klagebegehren abweisende erstgerichtliche Urteil wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO.Die Kostenentscheidung gründet auf Paragraphen 41,, 50 ZPO.
Anmerkung
E77141 4Ob39.05xEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2005:0040OB00039.05X.0426.000Dokumentnummer
JJT_20050426_OGH0002_0040OB00039_05X0000_000