Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Dr. Christian Kuhn und Dr. Wolfgang Vanis, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei I*****, vertreten durch Ferner Hornung & Partner Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 36.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 9. Februar 2005, GZ 6 R 19/05i-8, womit der Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 4. Jänner 2005, GZ 12 Cg 254/04g-4, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung wie folgt zu lauten hat:
„Einstweilige Verfügung
Der beklagten Partei wird aufgetragen, es bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs die irreführende Behauptung aufzustellen, dass Interspar nach dem Ergebnis der Konsumentenbefragung 'LEH-Monitor 2004' bei den Kriterien 'immer frische Waren', 'saubere Geschäfte', 'klare Preisauszeichnung' und/oder 'sehr gute Qualität' einen Vorsprung habe."
Die klagende Partei hat die Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen vorläufig selbst zu tragen.
Die beklagte Partei hat die Kosten des Sicherungsverfahrens endgültig selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Das Institut Fessel hat für das Jahr 2004 eine Verbraucherbefragung durchgeführt und nach den Gesamtergebnissen dieser nach einer Reihe von Einzelkriterien durchgeführten Befragung eine Reihung der Anbieter des Lebensmittelhandels vorgenommen. Nach dieser Reihung nehmen die Beklagte und Unternehmen ihrer Unternehmensgruppe den ersten und zweiten, die Klägerin den dritten Rang ein. In österreichweit erscheinenden Tageszeitungen und in eigenen Prospekten nahm die Beklagte auf die Ergebnisse dieser Befragung (sie war unter der Bezeichnung „LEH-Monitor 2004" veröffentlicht worden), wie folgt Bezug:
„Österreichs größte jährliche Konsumentenbefragung beweist es: Spar und Eurospar sind Österreichs beliebteste Supermärkte! Interspar ist Österreichs beliebtester Verbrauchermarkt". Zugleich führte sie 10 der für das Gesamtergebnis der Befragung ausschlaggebenden Kriterien an. An der ersten bis vierten Stelle ihrer Aufzählung finden sich die Kriterien „immer frische Waren", „saubere Geschäfte", „klare Preisauszeichnung" und „sehr gute Qualität".
Die Klägerin begehrt zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, es bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs die irreführende Behauptung aufzustellen, dass Interspar nach dem Ergebnis der Konsumentenbefragung „LEH-Monitor 2004" bei den Kriterien „immer frische Waren", „saubere Geschäfte", „klare Preisauszeichnung" und/oder „sehr gute Qualität" einen Vorsprung habe. Die Werbebehauptung sei so zu verstehen, dass die Beklagte bei diesen vier erstgereihten Kriterien einen Vorsprung vor der Klägerin habe. Die Werbeaussage sei insoweit unrichtig und verstoße gegen § 2 UWG.Die Klägerin begehrt zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, es bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs die irreführende Behauptung aufzustellen, dass Interspar nach dem Ergebnis der Konsumentenbefragung „LEH-Monitor 2004" bei den Kriterien „immer frische Waren", „saubere Geschäfte", „klare Preisauszeichnung" und/oder „sehr gute Qualität" einen Vorsprung habe. Die Werbebehauptung sei so zu verstehen, dass die Beklagte bei diesen vier erstgereihten Kriterien einen Vorsprung vor der Klägerin habe. Die Werbeaussage sei insoweit unrichtig und verstoße gegen Paragraph 2, UWG.
Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsantrags. Ihre Werbeaussage gebe das Gesamtergebnis der Verbraucherbefragung richtig wieder. Sie habe die 10 wichtigsten Kriterien der Befragung in absteigender Reihenfolge ihrer Wichtigkeit (nach Angabe der Befragten) angeführt, wobei der Hinweis „etc" am Ende der Auflistung erkennen lasse, dass diese nicht alle abgefragten Kriterien enthalte. Sie habe weder einen Vorsprung bei allen Einzelkriterien behauptet, noch lasse sich dies der beanstandeten Aussage entnehmen.
Das Erstgericht wies das Sicherungsbegehren ab. Es stellte noch fest, die Umfrage „LEH-Monitor 2004" habe die Klägerin bei den erstgenannten Kriterien jeweils vor der Beklagten ausgewiesen.
Rechtlich führte das Erstgericht aus, die Beklagte habe weder direkt behauptet noch sei ihrer Werbeaussage nach dem Verbraucherverständnis zu entnehmen, dass sie bei den vier erstgenannten Kriterien eine Spitzenstellung in Anspruch nehme oder vorgebe, nach den Umfrageergebnissen insoweit jeweils besser als die Klägerin zu sein.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil der Entscheidung keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme. Die Beklagte leite ihre Behauptung deutlich erkennbar aus den Gesamtergebnissen der nach Einzelkriterien erfolgten Konsumentenbefragung ab. Selbst ein flüchtiger Leser werde nicht den Eindruck erhalten, dass die Beklagte bei den einzelnen Kriterien einen Vorsprung für sich in Anspruch nehme. Die Aussage würde nicht so verstanden, dass der nach den Gesamtergebnissen insgesamt Bestplatzierte auch bei jedem der in die Bewertung einbezogenen Einzelkriterien erstgereiht sei. Der Anführung von Einzelkriterien komme auch nicht der Charakter einer Rangliste zu, die eine Spitzenstellung der Beklagten bei einzelnen Kriterien zum Ausdruck bringen könnte.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin ist zulässig, weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach der Werbende stets die ungünstigste Auslegung seiner Aussage gegen sich gelten lassen muss, abgewichen ist. Er ist auch berechtigt.
Die Rechtsmittelwerberin beruft sich auf die Entscheidung 4 Ob 84/94 (= ÖBl 1995, 67 - Führerschein auf Anhieb). Ihr liege ein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde. Gegenstand dieser Entscheidung war die Werbung einer Fahrschule mit der Behauptung, ihre Absolventen würden bei der Fahrprüfung überdurchschnittlich gut abschneiden. Diese Behauptung war insoweit richtig, als die Durchfallsquote von Schülern des werbenden Unternehmens rein rechnerisch geringfügig unter dem Durchschnitt anderer Fahrschulen lag. Aus dem Gesamtzusammenhang und unter Anwendung der Unklarheitenregel erweckte die Behauptung jedoch den irreführenden Eindruck, die Erfolge des Werbenden würden den Durchschnitt anderer Fahrschulen ganz beträchtlich übertreffen, sodass der Unterlassungsanspruch bejaht wurde. Die im Rechtsmittel zitierte Entscheidung verweist auf die nach ständiger Rechtsprechung bei Beurteilung des Eindrucks einer Ankündigung anzuwendende Unklarheitenregel. Danach muss der Ankündigende bei Mehrdeutigkeit seiner Aussage die für ihn ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen, wenn ein nicht unbeträchtlicher Teil des angesprochenen Publikums die Äußerung tatsächlich in diesem ungünstigen Sinn verstehen kann (4 Ob 276/00t = ÖBl 2001, 228 - Vollschutzversicherung; 4 Ob 290/00a = ÖBl 2001, 262 - NET@LINE; RIS-Justiz RS0043590 und RS0078024).
Legt man die beanstandete Werbeaussage der Unklarheitenregel entsprechend im für die Beklagte ungünstigsten Sinn aus, ist die Irreführungseignung zu bejahen. Die Beklagte wirbt damit, „Österreichs beliebtester Verbrauchermarkt" zu sein und führt im Anschluss an diese Behauptung „wichtige Kriterien aus der Sicht der Österreicherinnen und Österreicher" an, die Gegenstand der Konsumentenbefragung waren. Sie brachte selbst vor, sie habe die (nach Angabe der befragten Konsumenten) 10 wichtigsten Kriterien der Befragung in (absteigender) Reihenfolge ihrer Wichtigkeit angeführt. Wenngleich die angesprochenen Verkehrsteilnehmer auch bei ungünstigster Auslegung nicht annehmen werden, dass die Beklagte bei allen Kriterien den Spitzenplatz erreicht hat, so liegt für sie doch die Annahme nahe, dass dies jedenfalls für die an der Spitze der Aufzählung angeführten (und erkennbar nach Wichtigkeit gereihten) Kriterien zutrifft. Wirbt nämlich jemand damit, dass sein Supermarkt „Österreichs beliebtester Verbrauchermarkt" ist und zählt er zugleich (nur) einige der für die Bewertung maßgeblichen Kriterien gereiht nach ihrer Wichtigkeit auf, so lässt dies aus der Sicht der von der Werbung angesprochenen Verkehrsteilnehmer vermuten, dass die an die Spitze gestellten Kriterien jene sind, bei denen sein Supermarkt so erfolgreich war, dass die Bezeichnung als „beliebtester Verbrauchermarkt" gerechtfertigt ist. Dass ein nicht unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise die Ankündigung in diesem - für die Beklagte ungünstigen - Sinn verstehen kann, ist nicht zweifelhaft. Die Werbung der Beklagten ist daher insoweit zur Irreführung geeignet, als sie bei den vier Erstgenannten „wichtigen" Kriterien nach den Ergebnissen der von ihr bezeichneten Konsumentenbefragung den Spitzenplatz nicht einnimmt.
Die Beklagte macht geltend, der von der Klägerin begehrte Zuspruch verstieße gegen § 405 ZPO. Dieses Vorbringen ist in sich widersprüchlich. Nach § 405 ZPO ist das Gericht, wie die Beklagte auch selbst ausführt, nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Wird - wie hier - die einstweilige Verfügung antragsgemäß erlassen, so kann ein Verstoß gegen § 405 ZPO von vornherein nicht vorliegen. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob der Antrag nach materiellem Recht gerechtfertigt ist. Nach materiellem Recht berechtigt, und zwar - wie oben dargelegt - insbesondere auf Grund der bei der Auslegung des § 2 UWG anzuwendenden Unklarheitenregel, kann auch das Verbot von Angaben sein, die der beanstandeten Aussage nicht wörtlich, sondern ihrem Sinngehalt nach zu entnehmen sind.Die Beklagte macht geltend, der von der Klägerin begehrte Zuspruch verstieße gegen Paragraph 405, ZPO. Dieses Vorbringen ist in sich widersprüchlich. Nach Paragraph 405, ZPO ist das Gericht, wie die Beklagte auch selbst ausführt, nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Wird - wie hier - die einstweilige Verfügung antragsgemäß erlassen, so kann ein Verstoß gegen Paragraph 405, ZPO von vornherein nicht vorliegen. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob der Antrag nach materiellem Recht gerechtfertigt ist. Nach materiellem Recht berechtigt, und zwar - wie oben dargelegt - insbesondere auf Grund der bei der Auslegung des Paragraph 2, UWG anzuwendenden Unklarheitenregel, kann auch das Verbot von Angaben sein, die der beanstandeten Aussage nicht wörtlich, sondern ihrem Sinngehalt nach zu entnehmen sind.
Dem Revisionsrekurs der Klägerin war Folge zu geben und die begehrte einstweilige Verfügung antragsgemäß zu erlassen.
Dem Revisionsrekurs der Klägerin war Folge zu geben und die begehrte einstweilige Verfügung antragsgemäß zu erlassen.
Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 402, 78 EO iVm §§ 40, 50 ZPO.Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf Paragraph 393, Absatz eins, EO; jene über die Kosten der Beklagten auf Paragraphen 402,, 78 EO in Verbindung mit Paragraphen 40,, 50 ZPO.
Textnummer
E77146European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2005:0040OB00062.05D.0426.000Im RIS seit
26.05.2005Zuletzt aktualisiert am
15.11.2011