TE Vwgh Erkenntnis 2007/7/5 2006/06/0323

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Veröffentlicht am 05.07.2007
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Index

L82000 Bauordnung;
L82007 Bauordnung Tirol;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

BauO Tir 2001 §38 Abs1;
BauO Tir 2001 §38 Abs2;
BauO Tir 2001 §38 Abs3;
BauRallg;
VwGG §42 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde des Dr. RL in A, vertreten durch Dr. Peter Greil, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Südtiroler Platz 8/IV, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 9. Juni 2006, GZ. Ve1-8-1/288-1, betreffend baupolizeiliche Aufträge gemäß § 38 Tir. Bauordnung 2001 (mitbeteiligte Partei: Gemeinde A, vertreten durch Dr. Klaus Gürtler, Rechtsanwalt in 6060 Hall in Tirol, Stadtgraben 25), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit mit ihm die Vorstellung betreffend Bauteil C des verfahrensgegenständlichen Gebäudes abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben, im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde erteilte dem Beschwerdeführer als Eigentümer des verfahrensgegenständlichen Gebäudes auf einem Grundstück (Bauplatzfläche) in der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 9. August 2005 den Auftrag zu u.a. folgenden Maßnahmen betreffend den Abbruch und die Instandsetzung der bezeichneten baulichen Anlagenteile:

     "2. ABBRUCHMASSNAHMEN

     2.1        Der Bauteil A (Mitteltrakt) ist bis auf die Decke

über dem Erdgeschoss (Tonnengewölbe) unter Einhaltung

nachstehender Auflagen komplett abzutragen.

     ...

     2.2        Der Bauteil C (Osttrakt) ist bis zum

Hauptstiegenhaus hin zur Gänze abzutragen.

Für die ordnungsgemäße und vollständige Durchführung der o. a. Abbrucharbeiten unter Pkt. 2.1. + 2.2. bei den Bauteilen A (Mitteltrakt) und C (Osttrakt) wird eine Frist bis spätesten 01.12.2005 festgesetzt.

ALLGEMEINE ABBRUCHAUFLAGEN

.....

     3. INSTANDSETZUNGSMASSNAHMEN

     3.1        Der Bauteil B (Nordtrakt) ist wie nachstehend

beschrieben und unter Einhaltung angeführter Auflagen

instandzusetzen.

3.1.1 In diesem Bauteil ist das Stiegenhaus und die

gesamte Dachkonstruktion zu sanieren bzw. dem Stand und den Regeln

der Technik entsprechend instandzusetzen.

3.1.2 Für die Tragfähigkeit der bestehenden Decken

und Wände ist der rechnerische Nachweis der Standsicherheit durch

einen hierzu befugten und konzes-sionierten Statiker

(Zivilingenieur für Bauwesen) in schriftlicher Form der Behörde

unaufgefordert zu übergeben.

3.1.3 Die nordseitig im Erdreich liegenden

Außenwände sind fachmännisch trockenzulegen und gegen

Erdfeuchtigkeit ausreichend zu isolieren.

3.1.4 Die westseitige Giebelwand ist standsicher zu

ergänzen bzw. nach statischen Erfordernissen im Bedarfsfall neu

aufzumauern.

3.1.5 Der ehemalige Heizraum im Bereich des

Hauptstiegenhauses ist bautechnisch einwandfrei zu sanieren.

     3.2        Bezüglich des Bauteiles D (Kraftwerkshaus) sind

nachstehend angeführte Auflagen durchzuführen:

3.2.1 Bei diesem Bauteil ist die Decke des

Kraftwerkraumes über dem Kellergeschoss (derzeit

Schaltafelabdeckung) fachtechnisch richtig herzustellen

(z.B. Stahlrahmentragkonstruktion mit Metallgitterrostabdeckung).

3.2.2 Der Zugang zum Kellergeschoss

(Kraftwerksraum) ist mit einem entsprechendem abgesichertem Abgang

herzustellen (z.B. Metallleiter mit fixmontierter

Rückensicherung).

Für die ordnungsgemäße und vollständige Durchführung der o. a. Instandsetzungsarbeiten unter Pkt. 3.1 + 3.2. bei den Bauteilen B (Nordtrakt) und D (Kraftwerkshaus) wird eine Frist bis spätestens 30.06.2006 festgesetzt.

4. ALLGEMEINE AUFLAGEN

4.1 Für die erforderlichen Sanierungsmassnahmen ist getrennt nach Bauvorhaben bzw. Baustufen ein schriftlicher Nachweis der Finanzierung bestätigt durch ein Bankinstitut oder durch einen Wirtschaftstreuhänder der Behörde unaufgefordert vorzulegen.

4.2 Der Nachweis der Wirtschaftlichkeit ist unter

Berücksichtigung des künftig geplanten Verwendungszweckes zu

erbringen.

4.3 Für jegliche Änderung des Verwendungszweckes

bei den besagten baulichen Anlagen ist bei der Behörde schriftlich

die baubehördliche Genehmigung gem. § 21 TBO 2001

LGBl. Nr. 94/2001 idgF. zu beantragen.

4.4 Sämtliche Gebäude sind nach der Instandsetzung

in einem solchen Zustand zu bringen und zu erhalten, dass sie den Erfordernissen der Sicherheit entsprechen und das Orts-, Straßen- und Landschaftsbild nicht erheblich beeinträchtigen (Fenstereinbau, Fassadenputz etc.).

4.5 ......"

Nach den Ausführungen in diesem Bescheid habe am 5. Juli 2005 eine behördliche Überprüfung des Bauzustandes des Bestandsgebäudes auf der vorliegenden Liegenschaft stattgefunden. Zum Sachverständigen sei Architekt Dr. G.C. gemäß § 52 Abs. 2 AVG bestellt worden. Die überprüften Gebäudeteile seien vom nicht amtlichen Sachverständigen in seiner Stellungnahme zur Überprüfung mit A bis D wie folgt näher bezeichnet worden.

"A - bezeichnet den Mitteltrakt, also das westliche Gebäude mit der vorhandenen Brandruine im Norden.

B - bezeichnet den abgewinkelten Nordtrakt.

C - bezeichnet den Osttrakt ab dem Stiegenhaus Richtung Süden und

D - bezeichnet den Krafthausanbau."

Betreffend die Bauteile B, C und D ist aus der Stellungnahme des angeführten Sachverständigen im Bescheid Folgendes wiedergegeben:

"Besichtigung des Bauteiles B (Nordtrakt):

Beginnend im Erdgeschoss wird hier festgestellt, dass bis vor kurzer Zeit hier ein Tischlereibetrieb aufrecht erhalten wurde. Fußboden, Decke und Wände scheinen in diesem Bereich in einem guten Zustand zu sein. Darüber liegend im 1. und 2. Obergeschoss blieben die Außenwände stehen und wurden diese Räume mit Fertigteilbetondecken im Jahre 1974 neu errichtet. Die darüber liegende Dachkonstruktion im Dachgeschoss ist als stark einsturzgefährdet zu bezeichnen. Der Dachstuhl wurde wegen der drohenden Einsturzgefahr mehrfach unterstellt, provisorisch ausgekeilt und die Dachfläche nach Norden hin teilweise mit einer neuen Sparschalung und Eindeckung versehen. Nach Westen hin ist die Giebelwand teilweise abgebrochen und das Gebäude auf dieser Seite offen. Die vorhandenen Wände sind teilweise noch verputzt. Sie sind nach Norden hin stark durchfeuchtet, nachdem zwei Geschosse unter dem anschließenden Gelände liegen. Das ostseitige Vordach ist stark beschädigt und drohen Bauteile des Daches jederzeit abzustürzen.

Besichtigung des Bauteiles C (Osttrakt):

Über alle Geschosse gehend sind die Decken schwer beschädigt und durch provisorische Holzstützen unterstellt. Im 2. Obergeschoss ist die Dachgeschossdecke teilweise eingebrochen und ist bis zum Dachraum hin dieser Bereich offen. Die vorhandenen Holzunterzüge sind teilweise mit Holzstehern unterstellt und weisen dennoch große Durchbiegungen auf. Dieser gesamte Trakt ist schwer einsturzgefährdet. Jedenfalls hinsichtlich der Deckenkonstruktionen. Auch in den Außenwänden sind zahlreiche Risse feststellbar. Das ostseitige Vordach droht mit seinen Bestandteilen abzustürzen.

Besichtigung des Bauteiles D (Krafthaus):

Dieser Bauteil ist jüngerem Baudatums und befindet sich in einem guten Bauzustand. Die Decke des neuen Kraftwerksraumes ist derzeit provisorisch mit Schaltafeln abgedeckt. Eine Zugangsleiter führt in den darunter liegenden Kraftwerksraum. Dieser Raum wurde 2004 errichtet. Dieser Bereich wurde nach dem Wasserrechtsgesetz behördlich genehmigt und im Wesentlichen adaptiert, da ursprünglich schon eine Versorgungsanlage durch den Bestand gegeben war."

In den rechtlichen Erwägungen stützte sich die erstinstanzliche Behörde auf § 38 Abs. 1 bis 3 Tir. Bauordnung 2001 (TBO 2001) und stellte fest, es ergebe sich aus dem durchgeführten Lokalaugenschein und dem daraus gezogenen Befund eindeutig, dass die gegenständliche bauliche Anlage nicht den notwendigen Erfordernissen der Sicherheit entspreche. Weiters liege eine massive Beeinträchtigung des Orts-, Straßen- und Landschaftsbildes vor. Werde den Verpflichtungen gemäß § 38 Abs. 1 TBO 2001 nicht entsprochen, so habe die Behörde gemäß § 38 Abs. 2 TBO 2001 dem Eigentümer der baulichen Anlage deren Instandsetzung innerhalb einer angemessen festzusetzenden Frist aufzutragen. Lägen jedoch Baugebrechen vor, die eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen bewirkten und deren Behebung technisch nicht möglich oder wirtschaftlich nicht vertretbar sei, so habe die Behörde dem Eigentümer der baulichen Anlage den gänzlichen oder teilweisen Abbruch aufzutragen. Daher habe die erstinstanzliche Behörde - wie im Spruch angeführt - nach Dringlichkeit das vorliegende Verfahren nach Bauteilen getrennt in Sofortmaßnahmen, Abbruch- und Instandsetzungsmaßnahmen aufgeteilt. Zu dem Ergebnis der Überprüfung vom 5. Juli 2004 habe der Beschwerdeführer in der Weise Stellung genommen, dass er selbstverständlich die Liegenschaft für den Eigenbedarf erhalten und die erforderlichen Instandsetzungsarbeiten durchführen lassen wolle. Es sei sinnvoll, auf Grund der hohen Kosten (90 cm starke Mauern - Abbruch und Deponie) die Abbrucharbeiten nur im unbedingt erforderlichen Ausmaß vorzunehmen und das Geld besser für die Instandsetzung zu verwenden. Die Finanzierung sei durch den Verkauf der zwei S. Kraftwerke in N. an die I.K. gesichert. Der Beschwerdeführer als Eigentümer wolle die Sanierung, wie in nachstehender Reihenfolge beschrieben, veranlassen:

"Bauteil B + C

Fortsetzung der Dachsanierung

Bauteil A

Abbruch der Brandruine und Wiederherstellung laut vorliegender Pläne

Bauteil C

neue Betondecken auf eigenem Tragwerk
Tragfähigkeit 1. Stock 500 kg/m2, 2. Stock 250 kg/m2."

 

 

Die erstinstanzliche Behörde stellte dazu fest, dass sie die in der Stellungnahme gestellten Forderungen des Beschwerdeführers zur Gänze abweise.

In der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers wurde betreffend die Abbruchsmaßnahmen geltend gemacht, dass dazu das Gutachten des Dipl Ing. B. vom 24. August 2005 betreffend Instandsetzungsmaßnahmen als Beilage vorgelegt worden sei. Zu den Instandsetzungsmaßnahmen führte der Beschwerdeführer aus, dass im Bauteil B 1974 neue Fertigteildecken der Firma L. entsprechend einem Gutachten eingebaut worden seien, die daher keiner neuerlichen Begutachtung bedürften. Die übrigen erforderlichen Instandsetzungen fielen unter § 20 Abs. 3 TBO 2001 und bedürften weder einer Baubewilligung noch einer Bauanzeige. Diese Instandsetzungen würden selbstverständlich ausgeführt.

Der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde wies diese Berufung mit Bescheid vom 6. Dezember 2005 als unbegründet ab.

Der Beschwerdeführer erhob dagegen Vorstellung und machte insbesondere geltend, dass das Gutachten des Dipl. Ing. B. betreffend vorgeschlagene Instandsetzungsmaßnahmen für Bauteil C übergangen worden sei.

Die mitbeteiligte Gemeinde holte im Vorstellungsverfahren eine ergänzende Stellungnahme des Arch. Dr. G.C. zu der Frage ein, ob die vom Beschwerdeführer betreffend Bauteil C vorgelegten Instandsetzungsmaßnahmen nicht nur technisch möglich, sondern auch wirtschaftlich vertretbar seien. In diesem Gutachten vom 21. Februar 2006 wird u.a. die Ansicht vertreten, dass die angeführten Instandsetzungsarbeiten zwar technisch möglich sein mögen, sie aber wirtschaftlich sicherlich nicht vertretbar seien. Dies deshalb, da auch mit der bautechnischen Sanierung dennoch die alte Bausubstanz der vorhandenen Außenwände bestehen bliebe. Diese Wände seien 70 cm bis 80 cm stark, seien mit Steinen aufgemauert, durchfeuchtet und besäßen keine Wärmedämmung.

Die belangte Behörde wies die Vorstellung mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Sie führte dazu im Wesentlichen aus, es sei aktenkundig, dass sich das anlässlich eines Großbrandes am 3. März 1972 in Mitleidenschaft gezogene Areal in einem desolaten Bauzustand befinde und auf Grund akuter Absturz- und Einsturzgefahr Sofortmaßnahmen zum Schutz von Leben und Gesundheit im Sinne des § 38 Abs. 2 TBO 2001 erforderlich seien. Die vollinhaltliche Richtigkeit der gutachterlichen Äußerungen werde selbst in der vom Beschwerdeführer vorgelegten Stellungnahme des staatlich befugten und beeideten Zivilingenieurs für Bauwesen Dipl. Ing. G.B. bestätigt, der ausführe, dass der Zustand des Gebäudes den Ausführungen des Gutachtens des Dr. C. vom 7. Juli 2005 entspreche. Strittig erscheine auf Grund des vorgelegten Privatgutachtens lediglich die Tatsache, ob hinsichtlich des Bauteiles C (Osttrakt) neben dem Abbruch auch eine Instandsetzungsmaßnahme möglich sei. Diesbezüglich sei in dem Gutachten des Dipl. Ing. G.B. ausgeführt, dass sich durch die Vornahme diverser baulicher Maßnahmen auch im Bauteil C ein Bauzustand ähnlich dem des Bauteiles B bewerkstelligen ließe. Gemäß § 38 Abs. 2 TBO 2001 käme eine Instandsetzung nach dem Wortlaut des Gesetzes lediglich dann in Betracht, wenn die Behebung technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar sei. Die belangte Behörde zweifle nicht an der technischen Möglichkeit der von diesem Sachverständigen vorgeschlagenen Instandsetzungsmöglichkeit. Es seien folgende Sanierungsmaßnahmen vorgeschlagen worden:

"Die bestehenden und einsturzgefährdeten Holztramdecken sind zu entfernen und durch neue Betondecken zu ersetzen.

Dabei müssten die Holzdecken vorher komplett abgetragen werden, um eine Gefährdung beim Einbau der neuen Decken zu vermeiden.

Die Außenmauern müssten im Bereich der obersten Geschossdecke durch Stahlzugbänder zusammengehalten werden, auch um den Horizontalschub aus der Dachkonstruktion aufnehmen zu können.

Um die Deckenspannweiten auf ein wirtschaftliches Maß zu verkürzen und um die Außenwände zu entlasten, ist ein Raster aus Betonsäulen und Unterzügen im Inneren des Gebäudes einzuziehen.

Die Außenmauern, die sich in einem relativ guten und stabilen Zustand zeigen, sind zu entfeuchten und geschoßweise durch Stahlschleudern in die neuen Betondecken bzw. Unterzüge zurückzuhängen.

Der Dachstuhl ist nach statischen Erfordernissen entsprechend zu verstärken bzw. teilweise zu ersetzen.

Das Holzstiegenhaus ist durch Stahlbetontreppen zu ersetzen."

Bereits aus dieser Vielzahl teils diffiziler und überaus kostspieliger baulicher Maßnahmen könne gefolgert werden, dass eine Instandsetzung aus wirtschaftlicher Sicht nicht vertretbar erscheine. Schließlich stelle eine Instandsetzung keinen Selbstzweck dar, sondern es gehe letztendlich darum, den sanierten Bauteil einer sinnvollen Nachnutzung zuzuführen. Eine beabsichtigte Nachnutzung des Bauteiles C sei vom Beschwerdeführer in keiner Lage des Verfahrens behauptet worden und es sei daher davon auszugehen, dass die gegenständliche Instandsetzung lediglich den Zweck verfolge, den seit dem Großbrand vor mittlerweile nahezu 35 Jahren unveränderten Bauzustand zu perpetuieren.

Die Behandlung der dagegen zunächst beim Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde lehnte dieser mit Beschluss vom 5. Oktober 2006, B 1370/06-9, gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG ab und trat mit weiterem Beschluss vom 7. Dezember 2006, B 1370/06-11, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

In der nach Aufforderung ergänzten Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete - wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der im vorliegenden Fall anzuwendende § 38 Abs. 1 bis Abs. 3 Tir. Bauordnung 2001 (TBO 2001), LGBl. Nr. 94 in der Stammfassung, lautet wie folgt:

"§ 38

Baugebrechen

(1) Bewilligungspflichtige bauliche Anlagen sind in einem der Baubewilligung entsprechenden Zustand zu erhalten. Sonstige bauliche Anlagen sind in einem solchen Zustand zu erhalten, dass den Erfordernissen der Sicherheit entsprochen und das Orts-, Straßen- und Landschaftsbild nicht erheblich beeinträchtigt wird. Treten an einer baulichen Anlage Baugebrechen auf, durch die allgemeine bautechnische Erfordernisse beeinträchtigt werden, so sind sie ehestens zu beheben.

(2) Wird den Verpflichtungen nach Abs. 1 nicht entsprochen, so hat die Behörde dem Eigentümer der baulichen Anlage deren Instandsetzung innerhalb einer angemessen festzusetzenden Frist aufzutragen. Liegen jedoch Baugebrechen vor, die eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen bewirken und deren Behebung technisch nicht möglich oder wirtschaftlich nicht vertretbar ist, so hat die Behörde dem Eigentümer der baulichen Anlage deren gänzlichen oder teilweisen Abbruch aufzutragen.

(3) In den Fällen des Abs. 2 hat die Behörde mit schriftlichem Bescheid die vorläufige Weiterbenützung der baulichen Anlage an Auflagen oder Bedingungen zu knüpfen oder überhaupt zu untersagen, soweit dies zum Schutz des Lebens oder der Gesundheit von Menschen erforderlich ist. Der Bescheid ist an den Eigentümer der baulichen Anlage zu richten."

Der Beschwerdeführer stellt zunächst klar, dass der Abbruchauftrag in Punkt 2.1. nicht mehr Anfechtungsgegenstand sei, weil der Bauteil A (Mitteltrakt) bereits abgetragen worden sei. Es bestehe im Übrigen der gesamte Bauteil A nicht mehr.

Zu den Abbruchmaßnahmen betreffend den Bauteil C (Osttrakt; Pkt. 2.2. des Spruches) macht der Beschwerdeführer geltend, dass der Behörde der Instandsetzungsvorschlag des Dipl. Ing. G.B. vom 24. August 2005 betreffend diesen Bauteil vorgelegt worden sei. Diesen Vorschlag hätte die Behörde einer Beurteilung durch einen Sachverständigen zu unterziehen gehabt. Die Einholung eines Gutachtens bei Architekt Dr. G.C. nach Ergehen des Berufungsbescheides stelle einen wesentlichen Verfahrensverstoß dar. Es sei weiters unzulässig gewesen, dass die belangte Behörde plötzlich Wirtschaftlichkeitsüberlegungen angestellt habe. Derartige wirtschaftliche Überlegungen würden weiters eine Gegenüberstellung bzw. einen Vergleich von konkreten Kosten, einerseits der von Dipl. Ing. G.B. vorgeschlagenen Baumaßnahmen und andererseits des Abtragens und eines Neubaues, erfordern. Dies wäre Aufgabe der Unterbehörden gewesen. Die belangte Behörde hätte in Stattgebung der Vorstellung den Unterbehörden entsprechende Verfahrensschritte und -ergänzungen auftragen müssen.

Diesem Vorbringen kommt insoweit Berechtigung zu, als sich schon die Berufungsbehörde mit dem vorgelegten Instandsetzungsvorschlag des Dipl. Ing. G.B. betreffend Bauteil C nicht entsprechend auseinander gesetzt hat. Im Berufungsbescheid wird diesbezüglich lediglich festgestellt, dass die Voraussetzungen für eine Instandsetzung nicht vorlägen. Die belangte Behörde hätte daher diesen Berufungsbescheid aufzuheben gehabt und der Berufungsbehörde auftragen müssen, sich mit diesem vorgeschlagenen Instandsetzungsvorschlag, insbesondere auch mit der Frage der Wirtschaftlichkeit dieser Instandsetzungsmaßnahmen, auseinander zu setzen.

Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die im Vorstellungsverfahren erfolgte Erstattung eines Gutachtens von Architekt Dr. G.C. wendet, war darauf nicht näher einzugehen, weil dieses Gutachten zwar eingeholt wurde, aber als Grundlage zur Entscheidung dann nicht herangezogen wurde.

Der angefochtene Bescheid erweist sich somit insoweit, als die Vorstellung in Bezug auf den mit dem Berufungsbescheid bestätigten Spruchpunkt 2.2. des erstinstanzlichen Bescheides abgewiesen wurde, als inhaltlich rechtswidrig.

Hinsichtlich der betreffend Bauteil B vorgeschriebenen Instandsetzungsmaßnahmen führt der Beschwerdeführer aus, er hätte bereits in der Berufung darauf hingewiesen, dass die Fertigteilbetondecke der Firma L. keiner neuerlichen Begutachtung bedürfte und für die übrigen geforderten Instandsetzungen weder eine Baubewilligung noch eine Bauanzeige erforderlich seien. Die Berufungsbehörde hätte sich daher von der Berechtigung der einzelnen baulichen Anordnungen an Ort und Stelle überzeugen müssen, ebenso über die Ausführung der sonstigen Maßnahmen, wie dies in der Berufung bzw. im Schreiben des Beschwerdeführers vom 27. Juli 2005 an die Baubehörde dargestellt worden sei.

Dazu ist Folgendes festzustellen:

In Punkt 3.1.1. wurde dem Beschwerdeführer aufgetragen, in Bauteil B das Stiegenhaus und die gesamte Dachkonstruktion zu sanieren bzw. dem Stand und den Regeln der Technik entsprechend instandzusetzen. In Punkt 3.1.2. wurde ihm aufgetragen, für die Tragfähigkeit der bestehenden Decken und Wände den rechnerischen Nachweis der Standsicherheit durch einen hiezu befugten und konzessionierten Statiker in schriftlicher Form der Behörde unaufgefordert zu übergeben. Bei der Überprüfung im Hinblick auf diesen Bauteil wurde in Bezug auf die Dachkonstruktion festgestellt, dass sie als stark einsturzgefährdet zu bezeichnen sei. Es wurde festgehalten, dass die Decke des Erdgeschoßes in einem guten Zustand sei und die Fertigteilbetondecken im ersten und zweiten Obergeschoß im Jahre 1974 errichtet worden seien. Dass diese Decken mangelhaft seien, wurde bei der Überprüfung nicht festgestellt. Der angefochtene Bescheid erweist sich daher auch insoweit, als mit ihm die Vorstellung in Bezug auf Punkt 3.1.2. des Spruches des Berufungsbescheides abgewiesen wurde, als inhaltlich rechtswidrig.

Wenn der Beschwerdeführer weiters meint, dass die übrigen geforderten Instandsetzungen weder einer Baubewilligung noch einer Bauanzeige bedürften, bezieht er sich offensichtlich auf die allgemeine Auflage 4.3. des mit dem Berufungsbescheid bestätigten erstinstanzlichen Bescheides, nach dem für jegliche Änderung des Verwendungszweckes bei den besagten baulichen Anlagen bei der Behörde schriftlich die baubehördliche Genehmigung gemäß § 21 TBO 2001 zu beantragen sei. Daraus ergibt sich nicht, dass die geforderten Instandsetzungen nach Ansicht der Behörden einer Baubewilligungspflicht unterlägen. Dies träfe nur bei einer Änderung des Verwendungszweckes des betreffenden Bauteiles zu. Diesem Vorbringen kommt somit keine Berechtigung zu.

Der Beschwerdeführer macht erstmals in der Beschwerde gegen die Instandsetzungsmaßnahmen betreffend den Bauteil D (Kraftwerkshaus) in Punkt 3.2. des Spruches des von der Berufungsbehörde bestätigten erstinstanzlichen Bescheides geltend, dass die Luftabzugsmöglichkeit durch die bestehende Schaltafelabdeckung in gleicher Weise gewährleistet sei, die Zugangsleiter in den Kraftwerksraum vom Sachverständigen nicht besonders kritisiert worden und derart sei, dass eine Gefährdung des die Leiter Benützenden nicht gegeben sei. Diese Zugangsmöglichkeit werde nur in Ausnahmefällen benützt, sodass vom jeweiligen Benützer ein entsprechend sorgfältiges und aufmerksames Vorgehen zu erwarten sei und eine weitere Absicherung der Zugangsmöglichkeit unwirtschaftlich wäre. Es handelt sich dabei um ein erstmals vor dem Verwaltungsgerichtshof erstattetes Tatsachenvorbringen, das im Hinblick auf das aus § 41 Abs. 1 VwGG abgeleitete Neuerungsverbot nicht mehr berücksichtigt werden kann.

Auch wenn die in Bezug auf Punkt 3.1.2. des erteilten Auftrages festgestellte Rechtswidrigkeit nur die in Bauteil B bestehenden Decken im Erdgeschoß, ersten und zweiten Obergeschoß betrifft und nicht auch die in dieser Anordnung angeführten Wände, war die in 3.1.2. getroffene Anordnung wegen ihres untrennbaren Zusammenhanges insgesamt rechtswidrig.

Da die belangte Behörde die angeführte Rechtswidrigkeit des Berufungsbescheides in Bezug auf Spruchpunkt 2.2. und 3.1.2. nicht aufgegriffen hat, belastete sie ihrerseits den angefochtenen Bescheid insoweit mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes und der angefochtene Bescheid war - soweit mit ihm die Vorstellung diesbezüglich abgewiesen wurde - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Abschließend ist anzumerken, dass es dem Eigentümer einer baulichen Anlage im Falle eines Abbruchsauftrages unbenommen bleibt, durch die Vornahme entsprechender - wenngleich unter Umständen auch unwirtschaftlicher Instandsetzungsmaßnahmen - innerhalb der im Abbruchsauftrag gesetzten Frist der Vollstreckung eines Abbruchsauftrages zu entgehen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 5. Juli 2007

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006060323.X00

Im RIS seit

09.08.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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