TE Vfgh Erkenntnis 2002/11/26 B1374/02

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Veröffentlicht am 26.11.2002
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Index

L2 Dienstrecht
L2400 Gemeindebedienstete

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
Wr PensionsO 1995 §3 ff
Wr Ruhe- und VersorgungsgenußzulageG 1995 §3 ff

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Festsetzung einer Ruhegenusszulage; Festsetzung einer Zulage und deren Höhe im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 1. Februar 2001 wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer ein Ruhegenuss sowie eine Ruhegenusszulage - in jeweils näher bestimmter Höhe - gebühre.

Die dagegen mit Schriftsatz vom 6. April 2001 erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Dienstrechtssenates der Stadt Wien vom 16. Juli 2001 als unbegründet abgewiesen.

2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung der verfassungswidrigen Bestimmungen des §5 Abs2 und 3 RVZG behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragt wird.

3. Die belangte Behörde erstattete - unter Vorlage der Verwaltungsakten - eine Gegenschrift, in der sie beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II. Die im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Bestimmungen des Wiener Ruhe- und Versorungsgenusszulagengesetzes lauten auszugsweise wie folgt:

"Anspruch auf die Ruhegenußzulage

§3. (1) Dem Beamten des Ruhestandes gebührt zum Ruhegenuß eine monatliche Ruhegenußzulage, wenn er nach Vollendung des 18. Lebensjahres in einem öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt Wien mindestens 60 Nebengebührenbezugsmonate aufweist.

(2) Als Nebengebührenbezugsmonat gilt jeder Kalendermonat, in dem mindestens eine im Sinn des §2 für die Ruhegenußzulage anrechenbare Nebengebühr bezogen wurde.

Bemessungsgrundlage der Ruhegenußzulage

§4. (1) Die Bemessungsgrundlage der Ruhegenußzulage ist die Summe der nach Vollendung des 18. Lebensjahres in einem öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt Wien bezogenen, im Sinn des §2 für die Ruhegenußzulage anrechenbaren Nebengebühren.

(2) Ändert sich das Gehalt eines Beamten des Dienststandes der Gehaltsstufe 2 der Dienstklasse V, so ändert sich für die Berechnung der Bemessungsgrundlage die bis zum Ablauf des 30. November des Vorjahres des Wirksamkeitsbeginnes der Gehaltsänderung bezogene Summe der im Sinn des §2 für die Ruhegenußzulage anrechenbaren Nebengebühren jeweils um den gleichen Prozentsatz. Mit 1. Jänner 1998 beträgt die Erhöhung 1,7%.

Ausmaß der Ruhegenußzulage

§5. (1) Die Ruhegenußzulage beträgt den vierzehnten Teil von 3,2 % der Bemessungsgrundlage.

(2) Bei Beamten, die mehr als 300 Nebengebührenbezugsmonate aufweisen, ist für die Ermittlung der Ruhegenußzulage an Stelle des Prozentsatzes 3,2 ein nach Abs3 zu ermittelnder Prozentsatz anzuwenden; es gebührt jedoch mindestens die Ruhegenußzulage, die bei 300 Nebengebührenbezugsmonaten gebührt hätte.

(3) Bei Beamten, die mehr als 300 Nebengebührenbezugsmonate aufweisen, ergibt sich der Prozentsatz durch die Division der Zahl 960 durch die Anzahl der Nebengebührenbezugsmonate.

..."

Übergangsbestimmungen

§9. (1) Dem Beamten des Dienststandes, der sich am 1. Dezember 1965 in einem öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt Wien befunden hat und im Jahr 1966 mindestens eine im Sinn des §2 für die Ruhegenußzulage anrechenbare Nebengebühr bezogen hat, gebührt nach Maßgabe der folgenden Absätze für die Zeit vor dem 1. Jänner 1967 für die Ruhegenußzulage eine Gutschrift.

(2) Die Gutschrift beträgt für jedes Kalenderjahr, das nach Vollendung des 18. Lebensjahres in einem öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt Wien zurückgelegt wurde,

von 1942 bis 1946 0,8 %,

von 1947 bis 1956 1,2 % und

von 1957 bis 1966 2,4 %

des vierzehnten Teiles der Summe der im Jahr 1966 bezogenen, im Sinn des §2 für die Ruhegenußzulage anrechenbaren Nebengebühren.

(3) War die Höhe der mit den Bezügen in den Monaten Jänner bis Dezember 1966 zur Auszahlung gelangten Nebengebühren durch Dienstabwesenheit von mehr als 27 Kalendertagen vermindert, so ist die Summe der im Jahr 1966 für die Ruhegenußzulage anrechenbaren Nebengebühren so zu ermitteln, daß zunächst die Summe der im Jahr 1966 bezogenen, im Sinn des §2 für die Ruhegenußzulage anrechenbaren Nebengebühren durch die Zahl, die sich nach Abzug der Anzahl aller Tage der Dienstabwesenheit von 365 ergibt, zu teilen ist. Die so erhaltene Zahl ist mit 338 zu multiplizieren. Die so ermittelte Summe bleibt so weit unberücksichtigt, als sie jene Summe, die sich ohne Dienstabwesenheit von mehr als 27 Kalendertagen ergeben hätte, übersteigt. Als Dienstabwesenheit gilt Abwesenheit wegen Krankheit, Heilstätten- oder Kuraufenthalt, Unfall, Ableistung des ordentlichen oder außerordentlichen Präsenzdienstes, Karenzurlaub im öffentlichen Interesse, Beschäftigungsverbot und Karenzurlaub im Sinn des Gesetzes LGBl. für Wien Nr. 21/1957 oder Verkehrsbeschränkung im Sinn des Epidemiegesetzes 1950.

(4) Die nach §5 zu ermittelnde Ruhegenußzulage erhöht sich um die Gutschrift. Bezieht der Beamte des Dienststandes nach dem 31. Dezember 1966 keine im Sinn des §2 für die Ruhegenußzulage anrechenbare Nebengebühr, so gilt die Gutschrift als Ruhegenußzulage.

(5) §4 Abs2 und §5 Abs3a gelten sinngemäß.

(6) Jeder vor dem 1. Jänner 1967 in einem öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt Wien zurückgelegte Kalendermonat gilt als Nebengebührenbezugsmonat im Sinn des §3.

(7) Für die Nebengebührenbezugsmonate gemäß §5 Abs2 sind von jedem zur Gutschrift herangezogenen Jahr

von 1942 bis 1946 3 Monate,

von 1947 bis 1956 4 Monate und

von 1957 bis 1966 9 Monate

zu berücksichtigen."

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

1. Der Beschwerdeführer bringt auf das Wesentliche zusammengefasst vor:

1.1. Die Bestimmungen des §5 Abs2 und 3 RVZG stellten eine sachwidrige Regelung dar, da sie jene Beamten, die mehr als 300 Nebengebührenbezugsmonate erworben hätten, gegenüber solchen Beamten, benachteiligten, die diese 300-Monats-Grenze nicht überschritten hätten. Sobald nämlich mehr als 300 Nebengebührenbezugsmonate erworben worden seien, errechne sich die Ruhegenusszulage unter Anwendung eines immer geringeren Prozentsatzes, zwischen 60 und 300 Bezugsmonaten erhöhe sich aber der Prozentsatz entsprechend der Erhöhung der vorliegenden Bezugsmonate. Diese Regelung führe dazu, dass Beamte, die über einen längeren Zeitraum (nämlich bei mehr als 300 Nebengebührenmonaten) eine höhere Leistung erbracht hätten, schlechter gestellt würden als "jene Beamte, die über einen kürzeren Zeitraum betrachtet, eine geringere Leistung erbringen" müssten.

Darüber hinaus ergebe sich aus §3 Abs1 RVZG, dass längere Dienstzeiten gegenüber kürzeren begünstigt werden sollten. Der Gesetzgeber sei zwar an ein einmal gewähltes Ordnungssystem nicht schrankenlos gebunden, Abweichungen davon müssten jedoch sachlich begründet sein; diese Voraussetzung sei im vorliegenden Fall nicht gegeben.

1.2. Überdies habe die belangte Behörde dem Gesetz einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt, da sie (unter Berufung auf §5 Abs2 zweiter Halbsatz RVZG) chronologisch die ersten 300 Nebengebührenbezugsmonate zur Berechnung herangezogen habe. Der Gesetzestext gebe aber keinen Anlass zu einer solchen Interpretation, vielmehr sei vom Gegenteil auszugehen: Der zweite Halbsatz des §5 Abs2 RZVG ziele nämlich darauf ab, eine Schlechterstellung von Beamten mit mehr als 300 Nebengebührenbezugsmonaten gegenüber jenen, die nur weniger Bezugsmonate erworben hätten, hintanzuhalten. Dieser Absicht des Gesetzgebers könne nur entsprochen werden, wenn entweder jene 300 Monate der Berechnung zu Grunde gelegt würden, in denen die höchsten Nebengebühren erhalten worden seien oder zumindest die letzten 300 Nebengebührenbezugsmonate.

1.3. Schließlich lägen auch grobe Verstöße gegen die Grundsätze eines rechtsstaatlichen Verfahrens vor. Die belangte Behörde habe dem Beschwerdeführer - in näher bestimmter Hinsicht - kein Parteiengehör gewährt und überdies ihre Begründungspflicht verletzt.

2. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 11.682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

2.1. Der Beschwerdeführer ist mit seinen Bedenken, die von der belangten Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendeten Bestimmungen seien unter dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes verfassungswidrig, nicht im Recht.

Das Gleichheitsgebot gebietet, wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Judikatur ausgesprochen hat, lediglich, das System des Dienst-, Besoldung- und Pensionsrechtes derart zu gestalten, dass es im Großen und Ganzen in angemessenem Verhältnis zu den den Beamten obliegenden Pflichten steht. Der Gesetzgeber ist jedoch durch das Gleichheitsgebot nicht verhalten, jede über dem Durchschnitt liegende Leistung eines Beamten Zug um Zug finanziell abzugelten und schon gar nicht ist er gezwungen, hiefür eine (bestimmte) Zulage vorzusehen. Ebenso liegt es aber im Rahmen des dem Gesetzgeber durch den Gleichheitssatz offen gelassenen Gestaltungsspielraumes zu bestimmen, ob, und unter welchen Voraussetzungen und in welchem Ausmaß sich gesetzlich vorgesehene Nebengebühren auf die Höhe des dem Beamten gebührenden Ruhebezuges auswirken (vgl. zB VfSlg. 11.998/1989).

Der Gerichtshof hält es im Hinblick auf diese Vorjudikatur für zulässig, wenn Beamte, die mehr als 300 Nebengebührenbezugsmonate erworben haben, einer anderen Regelung unterworfen sind, als Beamte, die diese Grenze nicht überschritten haben, zumal durch den zweiten Halbsatz des §5 Abs2 RVZG sichergestellt ist, dass in jedem Fall mindestens die Ruhegenusszulage gebührt, die bei 300 Bezugsmonaten gebührt hätte (s. dazu VfGH 11.6.2002 B383/01).

Selbst wenn die Regelung unter Umständen zu unbefriedigenden Ergebnissen und Härten führte, berührte das ihre Sachlichkeit nicht (VfSlg. 11.998/1989).

2.2. Aus den gleichen Erwägungen ist es aber auch verfehlt, wenn der Beschwerdeführer meint, die belangte Behörde habe §5 Abs2 und 3 RVZG dadurch einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt, dass sie zur Berechnung der Ruhegenusszulage die ersten 300 Nebengebührenbezugsmonate herangezogen hat (vgl. dazu auch VwGH 16.12.1992 91/12/0127).

2.3. Auch ein willkürliches Vorgehen der belangten Behörde im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer gerügte Verletzung des Parteiengehörs sowie die fehlende Begründung des bekämpften Bescheides ist nicht erkennbar, denn mit dieser Behauptung werden nur allfällige Vollzugsfehler geltend gemacht, die nicht in die Verfassungssphäre reichen. Ob das Gesetz von der belangten Behörde in jeder Hinsicht richtig angewendet wurde, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde, wie hier, gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (VfSlg. 13.513/1993).

3. Das Beschwerdeverfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer sonst in einem sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt worden wären.

4. Die Beschwerde erweist sich deshalb als unbegründet, sie war daher abzuweisen.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz ohne vorangehende mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Dienstrecht, Ruhegenuß, Zulage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:B1374.2002

Dokumentnummer

JFT_09978874_02B01374_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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