Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dr. Georg S*****, und 2. Dr. Peter H*****, beide vertreten durch Hoffmann-Ostenhof Rechtsanwalts GmbH in Wien, wider die beklagte Partei Ing. Gerlinde L*****, vertreten durch Mag. Dr. Dirk Just, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung des Bestandes einer Dienstbarkeit (Streitwert EUR 5.000) und Einverleibung (Streitwert EUR 21.000), infolge außerordentlicher Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 15. Dezember 2003, GZ 11 R 100/03m-16, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 3. März 2003, GZ 26 Cg 28/02a-12, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
1. Die außerordentliche Revision der klagenden Parteien wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
2. Der Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird in seinem klagsstattgebenden Teil und in der Kostenentscheidung (Punkte I. 1. und 2. sowie III. des Berufungsurteils) aufgehoben. Die Rechtssache wird im Umfang der Aufhebung zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.2. Der Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird in seinem klagsstattgebenden Teil und in der Kostenentscheidung (Punkte I. 1. und 2. sowie römisch III. des Berufungsurteils) aufgehoben. Die Rechtssache wird im Umfang der Aufhebung zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Kosetn des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Der Erstkläger ist nach einer im Jahr 2001 durchgeführten Teilung Alleineigentümer einer Liegenschaft mit insgesamt sechs Bauparzellen und gemeinsam mit dem Zweitkläger Miteigentümer der westlich unmittelbar angrenzenden Nachbarliegenschaft, auf der sich ein vom Rechtsvorgänger des Erstklägers vor dem Jahre 1966 erbautes Haus befindet. Alle Liegenschaften bildeten ursprünglich eine Einheit. Die Teilung erfolgte, weil der Erstkläger etwa im Jahr 2000 den Plan fasste, auf den neu geschaffenen Bauparzellen zwei Einfamilienhäuser und vier Zweifamilienhäuser zu errichten. Dieses Bauvorhaben wird in einem Prospekt beworben.
Das auf dem westlich der neu geschaffenen Bauparzellen angrenzenden Grundstück vom Rechtsvorgänger des Erstklägers erbaute Haus war nicht an das öffentliche Kanalnetz angeschlossen, weshalb die Abwässer in eine Senkgrube und eine Sickeranlage entsorgt wurden. Auf dem nun in Bauflächen unterteilten Grundstück bzw im Bereich der nun zu diesen Parzellen führenden Stichstraße war ein Swimmingpool errichtet, dessen Wasser längere Zeit auf die umliegende Grundfläche abgeleitet wurde.
Das Grundstück der Beklagten grenzt östlich an die aus den neu geschaffenen Bauparzellen bestehende Liegenschaft. Etwa im Jahr 1966 wurde dort ein Wohnhaus errichtet. Wegen der Anlage der Kanalisation fanden mehrere Bauverhandlungen statt, bei denen jeweils die Beklagte anwesend war. Über Antrag der Beklagten und ihres Ehegatten wurde am 26. 9. 1966 eine Bauverhandlung abgeführt, deren Niederschrift als geplantes Bauvorhaben „die Errichtung eines Hauskanals für Regen- und Schmutzwasser zwecks Anschluss der Liegenschaft an den öffentlichen Fäkalien- bzw Regenwasserkanal der S...Str. laut vorliegendem Plan" nennt. Über Antrag des Rechtsvorgängers des Erstklägers und anderer Miteigentümer fand am 3. 11. 1966 eine weitere Bauverhandlung statt, deren Niederschrift als geplantes Bauvorhaben die „Herstellung eines Kanals für Fäkalien und Schmutzwasser bis zur S....Straße" anführt. Die S. Straße grenzt östlich an das Grundstück der Beklagten.
Gegen dieses Kanalbauvorhaben des Rechtsvorgängers des Erstklägers erhob die Beklagte keine Einwendungen. Ebensowenig beeinspruchte sie das Vorhaben des Erstklägers, auf den neu geschaffenen Bauparzellen Ein- bzw Zweifamilienhäuser zu errichten.
Die westliche Grenze des Grundstücks der Beklagten ist rund 50 m von dem Platz entfernt, wo sich der - nun wegen des Bauvorhabens des Erstklägers abgerissene - Swimmingpool befand. Die Entfernung des vom Rechtsvorgänger des Erstklägers errichteten Wohnhauses zu dieser Grenze beträgt rund 100 m.
Das auf dem Grundstück der Beklagten verlaufende Kanalrohr ist so dimensioniert, dass es zusätzlich auch das Schmutzwasser bzw die Fäkalien von vier Zwei- und zwei Einfamilienhäusern im geplanten Umfang aufnehmen könnte. Die Putzschächte dieses Kanals liegen jedoch nach den Bestimmungen der Ö-Norm zu weit voneinander entfernt. Für den Betrieb des Kanals ist es einerseits günstig, wenn mehr Abwässer eingeleitet werden, weil der Verdünnungsgrad derselben dann größer ist. Andererseits kann bei einer Vielzahl von Mitbenützern eine unsachgemäße Benützung des Kanals - insbesondere durch Einleiten von Fetten, von Textilien und grobem Material - nur in geringerem Umfang ausgeschlossen werden. Pro Haushalt gibt es zwei Kanalsysteme, und zwar eines für Fäkalien und Schmutzwasser und ein weiteres für Regenwasser. Die Begriffe „Schmutzwasser" und „Fäkalien" sind zum Teil ident.
Mit ihrer am 18. 8. 2002 beim Erstgericht eingelangten Klage stellten die Kläger zuletzt das Hauptbegehren, es werde gegenüber der Beklagten festgestellt, dass dem Erstkläger als Eigentümer der herrschenden, neu geschaffenen Baugrundstücke und beiden Klägern als Eigentümern des westlich angrenzenden herrschenden Grundstücks und deren Rechtsnachfolgern im Eigentum dieser Grundstücke gegenüber der Beklagten als Eigentümerin des östlich an die Bauflächen anschließenden Grundstücks und ihren Rechtsnachfolgern im Eigentum dieses Grundstücks die Dienstbarkeit des Kanals, sohin das Recht, von der Westgrenze des Grundstücks der Beklagten bis zu dessen Ostgrenze gemäß der einen integrierenden Teil des Spruches bildenden Skizze einen Kanal zur Ableitung des Regenwassers, des Schmutzwassers und der Fäkalien von diesen Grundstücken zu errichten und zu erhalten, dies unentgeltlich als Dienstbarkeit im Sinn der Bestimmungen des § 475 ABGB und mit der Verpflichtung, diesen Kanal auf unbestimmte Zeit auf diesem Grundstück zu dulden, zustehe; die Beklagte sei schuldig, in die Einverleibung dieser Dienstbarkeit einzuwilligen.
Eventualiter begehrten die Kläger, dass ihnen als Eigentümern des herrschenden, westlich an die neu geschaffenen Bauflächen angrenzenden Grundstücks und deren Rechtsnachfolgern im Eigentum dieses Grundstücks gegenüber der Beklagten als Eigentümerin des dienenden, östlich an die neu geschaffenen Bauflächen angrenzenden Grundstücks und deren Rechtsnachfolgern im Eigentum dieses Grundstücks die Dienstbarkeit des Kanals, sohin des Rechts, von der Westgrenze des Grundstücks der Beklagten bis zu dessen Ostgrenze entsprechend der einen integrierenden Bestandteil der Klage bildenden Skizze einen Kanal zur Ableitung des Regenwassers, des Schmutzwassers und der Fäkalien zu errichten und zu erhalten, dies unentgeltlich als Dienstbarkeit im Sinn der Bestimmung des § 475 ABGB mit der Verpflichtung, diesen Kanal auf unbestimmte Zeit auf diesem Grundstück zu dulden, zustehe; die Beklagte sei schuldig, in die Einverleibung dieser Dienstbarkeit einzuwilligen.
Ein zweites Eventualbegehren der Kläger hatte die Errichtung und Duldung eines Kanals hinsichtlich der im ersten Eventualbegehren genannten Grundstücke, jedoch nur zur Ableitung des Schmutzwassers des Schwimmbades zum Gegenstand und die Verpflichtung der Beklagten, in die Einverleibung dieser Dienstbarkeit einzuwilligen.
Die Kläger brachten im Wesentlichen vor, mit Zustimmung der Beklagten und nach Durchführung eines Bauverfahrens, insbesondere der Bauverhandlung vom 3. 11. 1966, bei der seitens der Beklagten keine Einwendungen erhoben worden seien, sowie aufgrund des sodann ergangenen Baubewilligungsbescheides sei im Jahr 1967 dem damaligen Eigentümer des noch ungeteilten Grundstücks, dem Rechtsvorgänger des Erstklägers, die Errichtung eines Hauswasserkanals zur Ableitung des Regen- und Schmutzwassers sowie der Fäkalien und der Anschluss an den öffentlichen Schmutzwasserkanal in der S. ... Straße genehmigt worden. Der Kanal sei in Steinzeugrohren ausgeführt und mehr als 30 Jahre lang von den jeweiligen Eigentümern des herrschenden Grundstücks mit jedenfalls konkludenter Zustimmung der Beklagten benützt worden. Er diene der vorteilhaften und bequemeren Benützung des herrschenden Grundstücks sowie nunmehr auch der abgeschriebenen Teilflächen. Für den Anschluss der neu geschaffenen Bauparzellen an die Kanalleitung sei der Hauswasserkanal nur im Bereich der Liegenschaften der Kläger versetzt worden, münde danach jedoch in den seit Jahrzehnten unverändert bestehenden Kanalstrang auf der Liegenschaft der Beklagten. Mit rechtskräftigen Bescheiden der zuständigen Marktgemeinde sei im Jahr 2001 die Errichtung von Ein- bzw Zweifamilienhäusern auf den Bauparzellen bewilligt worden, ohne dass die Beklagte als Nachbarin dagegen Einwendungen erhoben habe. Durch die Ableitung des Schmutzwassers und der Fäkalien aus den Neubauten im Wege des auf dem Grund der Beklagten bestehenden Kanals werde dieses Grundstück nicht in größerem Umfang belastet. Die Beklagte habe dem vormaligen Eigentümer der herrschenden Liegenschaft kurz vor Errichtung der Kanalanlage auf ihrem Grundstück die Dienstbarkeit des Kanals insbesondere zur Errichtung und Benützung derselben zur Ableitung des Regen- und Schmutzwassers sowie von Fäkalien und deren Anschluss an den öffentlichen Schmutzwasserkanal eingeräumt. Dies jedenfalls konkludent, weil in den die Errichtung des Kanals betreffenden Bauverhandlungen von ihr keine Einwendungen erhoben worden seien. Auch habe die Beklagte der Benützung des Kanals nicht widersprochen. Die Dienstbarkeit sei im Hinblick auf die umfangreichen Kanalanlagen offenkundig. Der Umstand, dass nunmehr mehrere Haushalte an die Kanalanlage angeschlossen werden, stelle nur eine unbedeutende Veränderung dar, und müsse der Weiterbestand der Dienstbarkeit auch nach Teilung des herrschenden Grundstücks von der Beklagten geduldet werden. Die gegenständliche Servitut sei über einen Zeitraum von mehr als 30 Jahren mit Wissen und Zustimmung der Beklagten unwidersprochen ausgeübt worden, sodass auch Ersitzung vorliege.
Die Beklagte wendete im Wesentlichen ein, ihr Ehegatte habe dem Rechtsvorgänger des Erstklägers nur erlaubt, das Wasser des Schwimmbeckens über den im Grundstück der Beklagten installierten Kanal abzuleiten. Dabei habe es sich um ein persönliches Recht gehandelt, das mit dem Ableben des Rechtsvorgängers des Erstklägers erlöschen sollte. Keinesfalls sei die Beklagte damit einverstanden gewesen, dass andere Abwässer in ihren Kanal abgeleitet werden. Ihr sei nicht bekannt gewesen, dass eine derartige Ableitung dennoch erfolgte sei. Durch Schaffung neuer Bauparzellen und Anschluss einer Vielzahl von Haushalten werde die Servitut erweitert. Hätte die Beklagte davon Kenntnis gehabt, dass von allen Bauparzellen und sohin von einer Vielzahl von Familien die Abwässer über ihre Liegenschaft abgeleitet werden sollen, hätte sich die Beklagte auch gegen die Errichtung der Ein- und Zweifamilienhäuser ausgesprochen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt fest und traf darüber hinaus noch folgende weitere Feststellungen:
Anlässlich des Baus des Hauses auf dem Grundstück der Beklagten habe der Rechtsvorgänger des Erstklägers ersucht, das Wasser von seinem Schwimmbecken über die Kanalanlage „der Beklagten bzw ihres Ehegatten" ableiten zu dürfen. Der Gatte der Beklagten habe sich beim Architekten erkundigt, ob Derartiges zulässig sei und habe erfahren, dass er zustimmen könne, wenn nur das Wasser des Schwimmbeckens abgeleitet werde. Der Gatte der Beklagten habe sohin dem Rechtsvorgänger des Erstklägers die Erlaubnis erteilt, das Wasser aus dem Swimmingpool über den Kanal abzuleiten. Bei diesem Gespräch sei die Beklagte anwesend gewesen. Der Beklagten sei allerdings nicht bewusst gewesen, dass etwa ab dem Jahr 1966 auch alle Schmutzwässer und Fäkalien aus dem Haus des Rechtsvorgängers des Erstklägers über ihre Kanalanlage abgeleitet worden seien. Ungefähr Anfang des Jahres 1980 habe es durch Wurzeln oder Äste in der Kanalanlage der Beklagten einen Rückstau gegeben. Der von der Beklagten verständigte Rechtsvorgänger des Erstklägers habe betont, dass er nicht der Verursacher sein könne, weil er nur Wasser aus dem Schwimmbecken in den Kanal der Beklagten fließen lasse. Im Lageplan Beilage ./D über die Errichtung einer Hauskanalanlage für den Rechtsvorgänger des Erstklägers und dessen Gattin aus dem Jahr 1966 sei ein Kanal vom Haus des Rechtsvorgängers des Erstklägers zum Swimmingpool und von dort bis zum Grundstück der Beklagten eingezeichnet. Allerdings seien dort auch eine Senk- und eine Sickergrube eingetragen.
Rechtlich folgerte das Erstgericht, dass von einer dem Rechtsvorgänger des Erstklägers durch die Beklagte und deren Ehegatten eingeräumten Erlaubnis, das Wasser des Schwimmbeckens über die Kanalanlage der Beklagten ableiten zu dürfen, auszugehen sei. Für das Hauptbegehren des Anschlusses sämtlicher zu errichtender Häuser an die Kanalanlage sowie für das erste Eventualbegehren des Anschlusses des ursprünglich bestehenden Hauses fehle es an einer Rechtsgrundlage, weil es für die Ersitzung am guten Glaube mangle. Diesem stehe die ausdrückliche Vereinbarung zwischen dem Rechtsvorgänger des Erstklägers und der Beklagten bzw deren Ehegatten entgegen. Dies gelte auch für die Annahme einer konkludenten Vereinbarung, umso mehr als § 863 ABGB die Anlegung eines besonders strengen Maßstabes erfordere. Hinsichtlich des zweiten Eventualbegehrens sei davon auszugehen, dass das Schwimmbad wegen der Schaffung von Bauparzellen abgerissen worden sei und daher nicht mehr existiere. Dadurch wäre selbst eine bestehende Servitut erloschen, da auf dem gleichen Platz ein Schwimmbad wegen der dort zu errichtenden Stichstraße nicht mehr gebaut werden könne und sich schon aus der Bestimmung des § 915 ABGB ergebe, dass ein unentgeltliches Rechtsgeschäft restriktiv auszulegen sei. Die begehrte Einräumung der Dienstbarkeit für das gesamte herrschende Grundstück würde bedeuten, dass ein noch nicht einmal geplantes Schwimmbecken an einem völlig anderen Ort errichtet werden solle, ohne dass dessen Umfang feststünde oder klar sein, welche Chemikalien für dieses Schwimmbecken verwendet würden. Durch den Abbruch des bestehenden Schwimmbeckens sei daher die von der Beklagten eingeräumte Erlaubnis, das Wasser des Schwimmbeckens über die Kanalanlage abzuleiten, erloschen.
Das Gericht zweiter Instanz gab mit dem angefochtenen Urteil der dagegen erhobenen Berufung der Kläger teilweise Folge. Es bestätigte das Ersturteil in der Abweisung des Feststellungs- und Verbücherungsbegehrens in der Hauptsache sowie hinsichtlich des ersten Eventualbegehrens im Umfang der Ableitung von Regenwasser. Darüber hinaus gab es dem ersten Eventualbegehren, somit betreffend die Ableitung von Schmutzwasser und Fäkalien von der westlich der neu geschaffenen Bauparzellen befindlichen Liegenschaft und der Einverleibung dieser Dienstbarkeit statt. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000 übersteige und dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Das Berufungsgericht behandelte die Tatsachenrüge der Kläger hinsichtlich der Feststellungen im Zusammenhang mit der Ableitung des Wassers aus dem Schwimmbecken des Rechtsvorgängers des Erstklägers nicht, weil es diese Feststellungen als für eine abschließende rechtliche Beurteilung nicht relevant erachtete. Aus einer Zusage des damaligen Miteigentümers, des Ehegatten der Beklagten, über seinen Kanal das Wasser des Schwimmbeckens abzuleiten, könne im Hinblick auf die nachmaligen Bauverhandlungen über die Errichtung eines Kanals zur Ableitung von Schmutzwasser, bei der die Beklagte anwesend gewesen sei und zugestimmt habe, keine Einschränkung auf Ableitung (nur) des Abwassers aus dem Schwimmbecken entnommen werden. Die Beklagte sei nicht nur bei der Bauverhandlung, die die Errichtung des Kanals auf dem Grundstück des Rechtsvorgängers des Erstklägers betroffen habe, dabei gewesen, sondern habe dort auch die Niederschrift unterfertigt, aus welcher die Planung der Herstellung eines Kanals für Fäkalien und Schmutzwasser hervorgegangen sei. Diese Niederschrift enthalte auch den Antrag der Bewilligungswerber, Regenwasser in eine Sickergrube abzuleiten. Festgehalten sei weiters worden, dass die Beklagte und deren Ehemann der Herstellung des Kanals auf ihrem Grundstück zustimmten und für diesen Teil einen eigenen Antrag als Bauwerber stellen müssten. Erst nach Vorliegen dieser Zustimmung und Erteilung der Kanalbefunde könnten die bestehende Sickergrube und der Seifenabscheider aufgelassen werden. Gegenstand der Bauverhandlung, bei der die Beklagte anwesend gewesen sei, sei daher auch die Auflassung der Senkgrube auf der Liegenschaft des Rechtsvorgängers des Erstklägers gewesen. Das nö Kanalgesetz 1954, das 1977 wiederverlautbart worden sei, enthalte keine Begriffsbestimmung von Schmutzwasser. Da im allgemeinen Sprachgebrauch unter Schmutzwasser auch die Ableitung von Fäkalien zu verstehen sei, umfasse der Umfang der von der Beklagten eingeräumten Servitut auch die Ableitung von Fäkalien aus dem Haus des Rechtsvorgängers des Erstklägers. Der Klage sei daher, insoweit sie den Bestand und die Einverleibung der Dienstbarkeit der Ableitung von Schmutzwasser und Fäkalien aus dem vom Rechtsvorgänger des Erstklägers erbauten Haus betreffe, stattzugeben.
Dagegen sei das Klagebegehren hinsichtlich der Duldung einer Dienstbarkeit zur Ableitung des Regenwassers und der Duldung der Ableitung der Schmutzwässer der neu errichteten Ein- und Zweifamilienhäuser nicht berechtigt. Durch Teilung des herrschenden Grundstücks dürfe die Dienstbarkeit nicht beschwerlicher werden. Die Einleitung von Regenwasser würde die Errichtung eines weiteren Kanals erfordern. Bei der Bauverhandlung zur Errichtung des Schmutzwasserkanals auf dem Grundstück des Rechtsvorgängers des Erstklägers sei die Errichtung eines Regenwasserkanals nicht beantragt und daher auch nicht bewilligt worden. Auch wäre der Durchmesser für einen „Mischkanal" ein größerer. Bei der ungemessenen Dienstbarkeit, deren Art und Umfang durch den Erwerbstitel nicht eindeutig bestimmt sei, seien im Rahmen der ursprünglichen oder vorgesehenen Art ihrer Ausübung die jeweiligen Bedürfnisse des Berechtigten für den Umfang des Rechts maßgeblich. Die Grenzen ergäben sich jedoch aus den ursprünglichen Bestand und der ursprünglichen Benützungsart, wobei eine unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit in einer erheblich schwereren Belastung des dienenden Guts zu sehen sei. Aufgrund der Feststellungen des Erstgerichts, dass (nunmehr) die Abstände der Putzschächte nicht mehr der Ö-Norm entsprächen und dass bei einer Vielzahl von Anschlüssen eine unsachgemäße Benützung des Kanals wahrscheinlicher sei, sei eine Ausweitung der Dienstbarkeit gegeben, die die Beklagte nicht hinnehmen müsse. Die Ausweitung des Risikos sei der Beklagten nicht zumutbar. Der Kanal verlaufe teilweise unter ihrem Haus. Das Aufgraben ihres Kellers, um zu Stellen einer möglichen Verstopfung zu gelangen, die bei alten, schon über 30 Jahre in Verwendung stehenden Steingutrohren wahrscheinlicher als bei neuen Polokalrohren sei, sei nicht zumutbar.
Rechtliche Beurteilung
Zu 1.:
Die dagegen erhobene außerordentliche Revision der Kläger ist mangels Geltendmachung von Rechtsfragen der in § 502 Abs 1 ZPO beschriebenen Qualität unzulässig:
Die geltend gemachte Aktenwidrigkeit liegt ebenso wenig vor wie die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens (§ 510 Abs 3 ZPO).Die geltend gemachte Aktenwidrigkeit liegt ebenso wenig vor wie die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens (§ 510 Absatz 3, ZPO).
Gemäß § 484 ABGB kann der Besitzer des herrschenden Guts zwar sein Recht auf die ihm gefällige Art ausüben, doch dürfen Servituten nicht erweitert, sie müssen vielmehr, insoweit es ihre Natur und der Zweck der Bestellung gestatten, eingeschränkt werden. Zwar orientiert sich der Inhalt einer ungemessenen Servitut an den jeweiligen Bedürfnissen des herrschendes Guts, doch findet ein solches Recht seine Grenzen in dessen ursprünglichem Bestand und der ursprünglichen und vorhersehbaren Benützungsart. Mehrbelastungen infolge Widmungsänderung muss der Dienstbarkeitsbelastete nicht dulden (SZ 42/10; SZ 52/99; SZ 56/60; 2 Ob 194/00v; 1 Ob 276/02y; 1 Ob 12/04b; RIS-Justiz RS0097856; Hofmann in Rummel ABGB³ Rz 1 zu § 484). Die Servitut soll zwar der fortschreitenden technischen Entwicklung angepasst, nicht aber wegen Vergrößerung des herrschenden Guts oder Änderung der Betriebsart ausgedehnt werden. Ungemessene Servituten sind demnach auf den Zweck ihrer Bestellung einzuschränken (RIS-Justiz RS0011725; 1 Ob 276/02y; Hofmann aaO).
Das Ausmaß bzw der Umfang einer Dienstbarkeit ist stets eine Frage der Auslegung des Servitutstitels im Einzelfall und stellt daher ebensowenig wie die Frage der Grenzen zulässiger Erweiterung eine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO dar (1 Ob 31/01t; 1 Ob 113/01a; 1 Ob 276/02y ua). Eine grobe Fehlbeurteilung dieser Rechtsfragen vermögen die Revisionswerber nicht aufzuzeigen. Es ist keineswegs unvertretbar, wenn die Vorinstanzen die aufgrund des geplanten zusätzlichen Anschlusses von vier Zwei- und zwei Einfamilienhäusern erhöhte Gefahr der unsachgemäßen Nutzung des Kanals als Mehrbelastung des dienenden Gutes angesehen haben, zumal auch die Behebung einer Verstopfung oder die Reinigung des Kanals durch die Putzschächte ungeachtet der Frage der Kostentragung jedenfalls das Betreten des Grundstücks oder gar des Kellers des Hauses der Beklagten durch Professionisten erforderlich machte. Abgesehen davon ist das Klagebegehren - entgegen den Ausführungen der Revisionswerber - nicht bloß auf Nutzung des bestehenden Kanalstrangs gerichtet, sondern auf die Errichtung und Erhaltung eines durch das Grundstück der Beklagten - entsprechend einem angeschlossenen Plan - verlaufenden Kanals, sodass davon auch etwa ein erforderlich werdendes Anbringen weiterer Putzschächte oder der Austausch von nicht für ausreichend befundenen Kanalrohren umfasst wäre.
Die außerordentliche Revision der Kläger ist zurückzuweisen.
Zu 2.:
Die Revision der Beklagten ist zulässig; es kommt ihr im Sinn des gestellten Aufhebungsantrags auch Berechtigung zu.
Das Berufungsgericht hat die erstinstanzlichen Feststellungen über die die Ableitung des Wassers aus dem Schwimmbecken betreffende Vereinbarung als für seine Entscheidung irrelevant nicht übernommen, sondern seine rechtliche Beurteilung auf den Inhalt der beiden Niederschriften in den Bauverhandlungen über die Errichtung der Kanalanlagen auf dem Grundstück des Rechtsvorgängers des Erstklägers einerseits und der Beklagten andererseits gegründet. Es hat dabei ohne Vorliegen entsprechender Beweisergebnisse einfließen lassen, dass im damaligen Zeitpunkt die Beklagte und ihr Ehemann Miteigentümer der nun unstrittig im Alleineigentum der Beklagten stehenden Liegenschaften gewesen seien (Seite 18 des Berufungsurteils), um sodann die Teilnahme der Beklagten an den Bauverhandlungen als ausreichend für die konkludente Begründung der Dienstbarkeit der nur dort genannten Ableitung von Schmutzwasser und Fäkalien aus dem Haus des Rechtsvorgängers des Erstklägers anzusehen.
Erwerbstitel einer Dienstbarkeit ist - neben den im § 480 ABGB genannten anderen Fällen - ein Vertrag, der nicht nur ausdrücklich, sondern auch konkludent (§ 863 ABGB) geschlossen werden kann (JBl 1963, 377; 9 Ob 52/97f; RIS-Justiz RS0114010). Allerdings ist - wie das Berufungsgericht einleitend selbst ausgeführt hat - für die Begründung einer Dienstbarkeit die Zustimmung aller Miteigentümer des dienenden Grundstücks erforderlich (SZ 41/30; RIS-Justiz RS0114010). Hinweise darauf, der Ehegatte der Beklagten habe diese mit seiner Vertretung bei den Bauverhandlungen bevollmächtigt oder habe sonst dem Inhalt der Niederschriften zugestimmt oder nachträglich die Einleitung von Schmutzwasser und Fäkalien aus dem Haus des Rechtsvorgängers des Erstklägers gebilligt, sind dem Akt nicht zu entnehmen. Die Tatsache des Bestandes der Kanalanlage allein vermag nach den bisherigen Feststellungen eine Kenntnis der Natur der Einleitungen nicht zu indizieren, zumal nach den Behauptungen der Beklagten der Rechtsvorgänger des Erstklägers noch zu Beginn der 80er-Jahre versichert haben soll, eine Verstopfung des Kanals sei nicht auf seine Einleitungen zurückzuführen, weil er nur Wasser des Schwimmbeckens durch den Kanal fließen lasse. Ebensowenig kann aus dem Umsatnd, dass die Beklagte nunmehr offenkundig Rechtsnachfolgerin ihres Ehegatten ist, abgeleitet werden, ihr damaliges Verhalten könne nun die Zustimmung des zweiten Miteigentümers ersetzen.
Ohne Feststellungen derartigen konkludenten oder ausdrücklichen Verhaltens des Ehegatten der Beklagten - sollte dieser tatsächlich Miteigentümer der nun im Alleineigentum der Beklagten stehenden Liegenschaft gewesen sein - kann aber nicht davon ausgegangen werden, die Beklagte habe ihren Ehegatten bei den Bauverhandlungen vertreten bzw habe dieser eine Servitut eingeräumt. Da die Einräumung einer Dienstbarkeit zweifellos kein Rechtsgeschäft des täglichen Lebens darstellt, ist - ohne auf das Vorliegen der übrigen Voraussetzungen eingehen zu müssen - die Anwendbarkeit des § 96 ABGB zu verneinen. Diese Bestimmung lässt auch keinerlei Rückschluss darauf zu, dass der Gesetzgeber die allgemeinen Regeln über die Stellvertretung für das Verhältnis der Ehegatten untereinander außer Kraft setzen wollte. Selbst wenn der Handelnde erklärt, ein Rechtsgeschäft im Namen seines Ehegatten abzuschließen, ist daher nach allgemeinen Grundsätzen das Vorliegen von Vertretungsmacht, die ausdrücklich oder konkludent, insbesondere auch gemäß § 1029 ABGB, vorliegen kann, zu prüfen (RIS-Justiz RS0009510). Da die Einräumung von Benützungsrechten an Liegenschaften die Übernahme einer erheblichen Last durch die Liegenschaftseigentümer bewirkt, umfasst die vermutete Vertretungsmacht des Ehegatten jedenfalls nicht die Übernahme derartiger Verpflichtungen (vgl RIS-Justiz RS0019353).Ohne Feststellungen derartigen konkludenten oder ausdrücklichen Verhaltens des Ehegatten der Beklagten - sollte dieser tatsächlich Miteigentümer der nun im Alleineigentum der Beklagten stehenden Liegenschaft gewesen sein - kann aber nicht davon ausgegangen werden, die Beklagte habe ihren Ehegatten bei den Bauverhandlungen vertreten bzw habe dieser eine Servitut eingeräumt. Da die Einräumung einer Dienstbarkeit zweifellos kein Rechtsgeschäft des täglichen Lebens darstellt, ist - ohne auf das Vorliegen der übrigen Voraussetzungen eingehen zu müssen - die Anwendbarkeit des § 96 ABGB zu verneinen. Diese Bestimmung lässt auch keinerlei Rückschluss darauf zu, dass der Gesetzgeber die allgemeinen Regeln über die Stellvertretung für das Verhältnis der Ehegatten untereinander außer Kraft setzen wollte. Selbst wenn der Handelnde erklärt, ein Rechtsgeschäft im Namen seines Ehegatten abzuschließen, ist daher nach allgemeinen Grundsätzen das Vorliegen von Vertretungsmacht, die ausdrücklich oder konkludent, insbesondere auch gemäß § 1029 ABGB, vorliegen kann, zu prüfen (RIS-Justiz RS0009510). Da die Einräumung von Benützungsrechten an Liegenschaften die Übernahme einer erheblichen Last durch die Liegenschaftseigentümer bewirkt, umfasst die vermutete Vertretungsmacht des Ehegatten jedenfalls nicht die Übernahme derartiger Verpflichtungen vergleiche RIS-Justiz RS0019353).
Im fortgesetzten Verfahren wird daher zu klären sein, ob und in welchem Zeitraum der Ehegatte der Beklagten Miteigentümer der Liegenschaft war und wann und in welcher Form er allenfalls der Einleitung von Schmutzwasser und Fäkalien aus dem Haus des Rechtsvorgängers des Erstklägers, sei es auch konkludent, zugestimmt hat. Trotz der Ausführungen des Berufungsgerichts zur weitgehenden terminologischen Gleichstellung der Begriffe „Schmutzwasser" und „Fäkalien" kann jedenfalls von der von der Beklagten behaupteten Zustimmung nur zur Einleitung von Wasser aus dem Swimmingpool nicht die Entsorgung des Abwassers eines ganzes Hauses umfasst sein.
Der Revision der Beklagten ist Folge zu geben.
Der Kostenvorbehalt gründet auf § 52 Abs 1 ZPO.Der Kostenvorbehalt gründet auf § 52 Absatz eins, ZPO.
Textnummer
E77232European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2005:0010OB00192.04Y.0510.000Im RIS seit
09.06.2005Zuletzt aktualisiert am
13.01.2011