Index
L85007 Straßen Tirol;Norm
AVG §52;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde 1. des BH und 2. des AF, beide in G, beide vertreten durch Rechtsanwaltskanzlei Dr. Heitzmann GmbH in 6020 Innsbruck, Müllerstraße 3, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 20. Oktober 2005, GZ. IIb1-L-2763/2-2005, betreffend straßenbaurechtliche Bewilligung (mitbeteiligte Partei: Land Tirol, vertreten durch den Landeshauptmann von Tirol, Landesstraßenverwaltung, Abteilung Straßenbau, 6020 Innsbruck, Herrengasse 1),
Spruch
1. den Beschluss gefasst:
Die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers wird für gegenstandslos erklärt und das Verfahren (diesen Beschwerdeführer betreffend) eingestellt; im Übrigen
2. zu Recht erkannt:
Die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers wird als unbegründet abgewiesen.
3. Die Beschwerdeführer haben dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 je zu gleichen Teilen binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
Das verfahrensgegenständliche Projekt der mitbeteiligten Partei sieht nach der Beschreibung des eingereichten Straßenprojektes die umweltgerechte Umgestaltung der B 178 L Straße im Bereich von km 20,045 bis km 22,000 vor. Der Trassenverlauf orientiert sich auf dem gesamten Bauabschnitt am Bestand. Die neue Trasse der B 178 erhält neben der bestehenden höhenfreien Anschlussstelle G-West eine weitere höhenfreie Halbanschlussstelle G-Ost. Südlich der B 178 von km 20,185 bis km 20,775 und entlang der Gemeindestraße im Bereich G-Ost bis zum Anschluss an die B 178 entsteht ein 2,0 m breiter selbständig geführter Gehweg. Zwischen dem R-Wirt und dem P-Weg wird eine neue Fußgängerunterführung mit 2,5 m lichter Weite und Höhe errichtet. Auf Grund des Ergebnisses lärmtechnischer Untersuchungen sollen in mehreren Abschnitten Schallschutzwände errichtet werden.
Grundstücke des Erstbeschwerdeführers bzw. ein Grundstück des Zweitbeschwerdeführers sind von der vorliegenden Trassenführung betroffen.
Der Zweitbeschwerdeführer nahm in der mündlichen Verhandlung zu dem Straßenbauprojekt in der Weise Stellung, dass er ausdrücklich feststellte, keinen Quadratmeter Grund abzutreten. Es müsse an dieser Stelle möglich sein, die Einfahrt anders zu planen, sodass sein Grund nicht beansprucht werde.
Der straßenbautechnische Amtssachverständige führte in der Verhandlung nach Hinweis auf den "Technischen Bericht" des Einreichprojektes im Gutachten im engeren Sinne aus, dass es durch die geplanten Maßnahmen zu einer wesentlichen Erhöhung der Verkehrssicherheit komme und sie alle in § 37 Tir. Straßengesetz angeführten Erfordernisse eines modernen Straßenbauvorhabens erfüllten. Die Trassenführung orientiere sich im gesamten Bauabschnitt am Bestand, wodurch eine grundschonende Trasse gewählt worden sei. Im Zuge der neuen Trasse unterbrochene Verkehrsverbindungen würden ersetzt, wobei sich infolge von Lageverschiebungen eventuell ergebende Umwege im zumutbaren Bereich bewegten. Die Entwurfselemente der Lage und Höhe entsprächen den Erfahrungen der Praxis und dem Stand der Wissenschaft. In den einschlägigen Richtlinien vorgegebene Mindestwerte würden eingehalten. Bei der zu erwartenden Verkehrsbelastung entsprächen die gewählten Fahrbahnbreiten den Anforderungen der RVS 3.31. Dies gelte bei den Querschnitten "für die freie Strecke, Brückenbauwerke sowie Verbindungs- und Anschlussstraßen bzw. Rampen". Die "Rampe 2" des Knotens Ost des Projektes sei bereits mit den näher angeführten Mindestparametern nach RVS 3.23 geplant. Die daraus für den Zweitbeschwerdeführer resultierende Grundbeanspruchung sei eine absolut notwendige. Eine Steinschlichtung bzw. Stützmauer an der Hangseite zur Vermeidung einer Grundbeanspruchung beim Zweitbeschwerdeführer müsste 12 m hoch errichtet werden (bei einer Wandneigung von 3:1). Aus technischer und wirtschaftlicher Sicht sei die Verwirklichung einer solchen Mauer nicht möglich. Zur Durchführung des vorliegenden Projektes würden die von der Landesstraßenverwaltung beanspruchten Flächen unbedingt benötigt. Bei fach- und sachgerechter Ausführung bestünden gegen das vorliegende Straßenbauprojekt keine Bedenken. Die technische Ausführung entspräche den bestehenden und voraussehbaren Bedürfnissen und sei geeignet, von dem auf ihr bestimmten Verkehr unter Beachtung der straßenpolizeilichen Vorschriften benützt zu werden.
Die belangte Behörde bewilligte der mitbeteiligten Partei in Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides das beantragte Straßenbauvorhaben nach Maßgabe des vorliegenden Projektes.
Die Einwendungen u.a. des Zweitbeschwerdeführers wurden abgewiesen (Spruchpunkt III.).
Zum Vorbringen des Zweitbeschwerdeführers wird im angefochtenen Bescheid ausgeführt, er wende sich dagegen, dass sein Grund durch das vorliegende Vorhaben beansprucht werde. Nach den Aussagen des straßenbautechnischen Sachverständigen sei jedoch die Rampe 2 gemäß dem Mindestparameter der entsprechenden Richtlinie geplant worden und die daraus resultierende Beanspruchung sei absolut notwendig. Nachdem die Straße gemäß § 37 Tir. Straßengesetz nach den Erfahrungen der Praxis und den Erkenntnissen der Wissenschaft geplant und gebaut werden müsse, wäre es nicht zu verantworten, einen geringeren Radius als den ohnehin möglichen Mindestradius zu wählen. Diesen Einwendungen habe daher kein Erfolg zukommen können.
In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.
Der Erstbeschwerdeführer hat die Beschwerde mit Schriftsatz vom 30. Mai 2007 (eingelangt beim Verwaltungsgerichtshof am 31. Mai 2007) zurückgezogen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Das Beschwerdeverfahren betreffend den Erstbeschwerdeführer wird im Hinblick auf die angeführte Zurückziehung gemäß § 33 Abs. 1 VwGG eingestellt.
2. Zur Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers:
Im vorliegenden Fall kommt das Tiroler Straßengesetz, LGBl. Nr. 13/1989 in der Fassung LGBl. Nr. 3/2004 (im Folgenden: Tir. StrG), zur Anwendung.
Gemäß § 37 Abs. 1 leg. cit. müssen Straßen nach den
Erfahrungen der Praxis und den Erkenntnissen der Wissenschaft so
geplant und gebaut werden, dass
"a) sie für den Verkehr, dem sie gewidmet sind, bei
Beachtung der straßenpolizeilichen und der kraftfahrrechtlichen
Vorschriften sowie bei Bedachtnahme auf die durch die Witterung
oder Elementarereignisse hervorgerufenen Verhältnisse ohne
besondere Gefahr benützt werden können,
b) sie im Hinblick auf die bestehenden und die
abschätzbaren künftigen Verkehrsbedürfnisse den Erfordernissen der
Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs entsprechen,
c) Beeinträchtigung der angrenzenden Grundstücke durch
den Bestand der Straße sowie Gefährdungen oder Beeinträchtigungen der Nachbarn durch den Verkehr auf der Straße oder durch Erhaltungsarbeiten an der Straße, soweit solche Beeinträchtigungen nicht nach den örtlichen Verhältnissen und der Widmung des betreffenden Grundstückes zumutbar sind, so weit herabgesetzt werden, wie dies mit einem im Verhältnis zum erzielbaren Erfolg wirtschaftlich vertretbaren Aufwand möglich ist,
d) sie mit den Zielen der überörtlichen und der örtlichen Raumordnung im Einklang stehen.
(2) Durch Abs. 1 lit. c werden subjektive Rechte der Nachbarn nicht begründet."
Gemäß § 40 Abs. 1 Tir. StrG bedürfen der Neubau einer Straße und jede bauliche Änderung einer Straße, die geeignet ist, die im § 37 Abs. 1 genannten Interessen wesentlich zu beeinträchtigen, einer Bewilligung der Behörde (Straßenbaubewilligung).
§ 43 leg. cit. sieht betreffend die Rechte der betroffenen Grundeigentümer Folgendes vor:
"(1) Die Eigentümer der von einem Bauvorhaben betroffenen Grundstücke sowie jene Personen, denen an einem solchen Grundstück ein im Privatrecht begründetes dingliches Recht, das zum Gebrauch oder zur Nutzung des Grundstückes berechtigt, oder als Teilwaldberechtigten ein öffentlich-rechtliches Nutzungsrecht zusteht, können eine Änderung des Bauvorhabens hinsichtlich der Straßentrasse - unbeschadet des § 44 Abs. 4 - und der technischen Ausgestaltung der Straße beantragen, sofern dadurch die Beanspruchung ihrer Grundstücke vermieden oder verringert werden kann.
(2) Die Behörde hat bei der Erteilung der Straßenbaubewilligung einem Antrag nach Abs. 1 Rechnung zu tragen, soweit die beantragte Änderung
a)
den Erfordernissen nach § 37 Abs. 1 entspricht und
b)
mit einem im Verhältnis zum erzielbaren Erfolg wirtschaftlich vertretbaren Aufwand durchgeführt werden kann.
Die Behörde hat bei der Beurteilung eines Antrages nach Abs. 1 die aus der beantragten Änderung sich ergebende Beanspruchung anderer Grundstücke angemessen zu berücksichtigen."
Gemäß § 44 Abs. 1 Tir. StrG hat die Behörde über ein Ansuchen nach § 41 mit schriftlichem Bescheid zu entscheiden.
Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung ist das Ansuchen abzuweisen, wenn das Bauvorhaben den Erfordernissen nach § 37 Abs. 1 nicht entspricht.
Der Zweitbeschwerdeführer macht geltend, dass seine Rechte nach § 43 Tir. StrG verletzt worden seien, da er einen Antrag auf Änderung des Bauvorhabens hinsichtlich der Straßentrasse und der technischen Ausgestaltung der Straße gestellt habe, der unberücksichtigt gelassen worden sei. Die belangte Behörde habe sich mit dieser Einwendung überhaupt nicht auseinander gesetzt, sondern seine Behandlung sogar ausdrücklich abgelehnt. Jeder Antragsteller habe nach § 43 leg. cit. ein Recht auf Behandlung und Erledigung seiner Anträge. Der Zweitbeschwerdeführer habe unmissverständlich zu erkennen gegeben, dass er überzeugt sei, eine andere Planung, die seinen Grund nicht in Anspruch nehme, sei möglich.
Mit diesem Vorbringen ist der Zweitbeschwerdeführer nicht im Recht. Zu seinem Vorbringen, er sei gegen die vorliegende Trassenführung und es müsse im Bereich seines Grundstückes eine andere Trassenführung möglich sein, die eine Grundinanspruchnahme vermeide, hat die belangte Behörde gestützt auf das straßenbautechnische Gutachten zutreffend ausgeführt, dass die in diesem Zusammenhang relevante Rampe 2 mit den Mindestparametern der entsprechenden Richtlinie (mit dem Mindestradius) geplant sei. Der straßenbautechnische Sachverständige hat dazu auch noch darauf hingewiesen, dass eine Steinschlichtung bzw. Stützmauer an der Hangseite zur Vermeidung einer Grundbeanspruchung des Grundes des Zweitbeschwerdeführers nicht möglich sei, da eine solche 12 m hoch errichtet werden müsste. Aus technischer und wirtschaftlicher Hinsicht sei die Verwirklichung einer solchen Mauer nicht möglich. Dem ist der Zweitbeschwerdeführer im Verfahren weder auf gleicher fachlicher Ebene noch sonst entgegengetreten.
Weiters meint der Zweitbeschwerdeführer, die belangte Behörde hätte ihre Manuduktionspflicht verletzt und damit § 13a AVG.
Dem ist entgegenzuhalten, dass sich die sogenannte Manuduktionspflicht der Behörde nach § 13a AVG auf die zur Vornahme von Verfahrenshandlungen nötigen Anleitungen und auf die Belehrung über die mit diesen Handlungen oder Unterlassungen unmittelbar verbundenen Rechtsfolgen bezieht. Sie bezieht sich aber nicht darauf, ob und welches materielle Vorbringen die Partei zur Wahrung ihrer Rechte zu machen hat (vgl. die in Walter - Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I2, S. 362 in E 8. und 9. zu § 13a AVG angeführten hg. Erkenntnisse).
Soweit dieser Beschwerdeführer einen Begründungsmangel des angefochtenen Bescheides geltend macht, weil die Voraussetzungen nach § 37 Abs. 1 Tir. StrG nicht vorliegen, ist ihm zu entgegnen, dass der straßenbautechnische Amtssachverständige in dem im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Gutachten zu den Erfordernissen des § 37 leg. cit. Stellung genommen hat. Der Umstand allein, dass die belangte Behörde in ihrer Begründung die Aussagen dieses Gutachtens zu § 37 Abs. 1 Tir. StrG nicht wiederholt hat, führt zu keinem wesentlichen Verfahrensmangel. Der Zweitbeschwerdeführer führt selbst auch gar nicht aus, gegen welche Erfordernisse des § 37 Abs. 1 leg. cit. das vorliegende Straßenbauvorhaben verstoßen soll.
Die Beschwerde betreffend den Zweitbeschwerdeführer war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 5. Juli 2007
Schlagworte
Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Gutachten rechtliche BeurteilungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2005060360.X00Im RIS seit
03.08.2007