Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann, Dr. Hurch, Dr. Kalivoda und Dr. Höllwerth als weitere Richter in der Pflegschaftssache 1.) der Magdalena S*****, 2.) des Tobias S*****, 3.) des mj Raphael S*****, 4.) des mj Florentin S*****, über die Revisionsrekurse der Kinder, alle vertreten durch Dr. Hildegard Wanka, Rechtsanwältin in Wien, sowie des Vaters Dr. Clemens S*****, vertreten durch Mag. Andreas Stolz, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 12. Jänner 2005, GZ 43 R 678/04f-264, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Hietzing vom 11. August 2004, GZ 3 P 2305/95s-235, teils aufgehoben, teils abgeändert und teils bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
1.) Der Revisionsrekurs der Kinder wird zurückgewiesen.
2.) Dem Revisionsrekurs des Vaters wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden im angefochtenen Umfang aufgehoben. Die Pflegschaftssache wird insoweit zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Text
Begründung:
Die Kinder beantragten, ihren Vater ab 1. 7. 1995 zur Zahlung monatlicher Unterhaltsbeträge in unterschiedlicher Höhe für verschiedene Unterhaltsperioden zu verpflichten.
Im ersten Rechtsgang wurde der Vater rechtskräftig zur monatlichen Zahlung von je EUR 297,96 für die beiden älteren Kinder und von EUR 261,62 für die beiden jüngeren Kinder verpflichtet, im zweiten Rechtsgang zur Zahlung weiterer Beträge in unterschiedlicher Höhe ab 1. 7. 1995 (bzw 1. 10. 1995); das Mehrbegehren wurde abgewiesen.
Das Rekursgericht hob anlässlich der Rekurse von Kindern und Vater einen Teil der Unterhaltsfestsetzung als nichtig bzw ersatzlos auf, wies den Rekurs der Kinder teilweise zurück, gab dem Rekurs der Kinder im Übrigen nicht Folge und dem Rekurs des Vaters teilweise (durch teilweise Abänderung) Folge. Gegen den bestätigenden und abändernden Teil der Rekursentscheidung wurde der ordentliche Revisionsrekurs zugelassen, weil im Zuge der Unterhaltsbemessung auch Fragen ausländischen Steuerrechtes zu beantworten gewesen seien.
Gegen diese Rekursentscheidung richten sich die Revisionsrekurse der Kinder und des Vaters. Die Kinder streben die Zuerkennung weiterer Unterhaltsbeträge an; der Vater behauptet Nichtigkeit hinsichtlich der beiden älteren Kinder und beantragt im Übrigen die Abweisung des Begehrens auf Zuspruch von Unterhaltsleistungen, die das Ausmaß der in Teilrechtskraft erwachsenen Entscheidung des ersten Rechtsganges übersteigen; hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt.
In den Revisionsrekursbeantwortungen wird jeweils beantragt, dem Revisionsrekurs der Gegenseite nicht Folge zu geben. Der Vater stellt auch einen Zurückweisungsantrag.
Rechtliche Beurteilung
1.) Zum Revisionsrekurs der Kinder:
Selbst wenn das Rekursgericht zu Recht ausgesprochen hat, der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, das Rechtsmittel dann aber - wie hier - nur solche Gründe geltend macht, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt, ist der Revisionsrekurs trotz des Zulässigkeitsausspruches der zweiten Instanz zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0102059). Die von den Kindern relevierte Anwendung des Anspannungsgrundsatzes richtet sich jeweils nach den besonderen Umständen des Einzelfalles und hat regelmäßig keine darüber hinausgehende, erhebliche Bedeutung (RIS-Justiz RS0007096, RS0113751). Die einschlägigen Ausführungen des Rekursgerichtes halten sich im Rahmen der Judikatur des Obersten Gerichtshofes. Auch zur Frage der Wohnsitzverlegung des Unterhaltspflichtigen ins Ausland (hier von Österreich nach Deutschland) existiert eine ausreichende Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0047599).
2.) Zum Revisionsrekurs des Vaters:
Der Rechtsmittelwerber behauptet Nichtigkeit wegen Unzulässigkeit des außerstreitigen Rechtsweges infolge zwischenzeitiger Volljährigkeit der beiden älteren Kinder. Abgesehen davon, dass die Zulässigkeit des außerstreitigen Rechtsweges von beiden Vorinstanzen implicite konform bejaht wurde, hat das Außerstreitgericht trotz Erreichung der Volljährigkeit auch dann zu entscheiden, wenn der Unterhalt vorher begehrt wurde; auch eine Ausdehnung des Begehrens ist zulässig (RIS-Justiz RS0047381). Im Übrigen hat das Rekursgericht bloß telefonische Sachdispositionen ohnehin als unerheblich angesehen und den Rekurs der Kinder, soweit darin erstmals ein Begehren gestellt wurde, zurückgewiesen.
Zur unterbliebenen Anrechnung der Familienbeihilfe hat bereits das Rekursgericht darauf hingewiesen, dass der Vater sein diesbezügliches Begehren wieder zurückgezogen hat. Im Hinblick auf diese Disposition ist es ihm verwehrt, im Rechtsmittelverfahren neuerlich darauf zurückzukommen. Es erübrigt sich daher auf die Kritik des Rechtsmittelwerbers an der Rechtsprechung im Fall von in Österreich nicht steuerpflichtigen Unterhaltspflichtigen (2 Ob 86/02i, 6 Ob 43/03x, 7 Ob 207/03x) einzugehen.
Die Anwendung des Anspannungsgrundsatzes im vorliegenden Fall steht mit der Rechtsprechung im Einklang (vgl die Nachweise bei Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht3 67 ff). Der Rechtsmittelwerber, der hiezu in seinem Rekurs nichts vorgebracht hatte, vermag dem nichts Stichhaltiges entgegenzuhalten.Die Anwendung des Anspannungsgrundsatzes im vorliegenden Fall steht mit der Rechtsprechung im Einklang vergleiche die Nachweise bei Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht3 67 ff). Der Rechtsmittelwerber, der hiezu in seinem Rekurs nichts vorgebracht hatte, vermag dem nichts Stichhaltiges entgegenzuhalten.
Zur vermissten Berücksichtigung laufender Zahlungen von EUR 300,-- bzw EUR 260,-- wird auf die Ausführungen des Rekursgerichtes verwiesen. Zutreffend bemerken die Kinder in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, dass über die Höhe des Unterhaltsrückstandes nicht abgesprochen wurde. Die nunmehrige Urkundenvorlage ist unbeachtlich, weil der Oberste Gerichtshof nicht Tatsachen- sondern nur Rechtsinstanz ist.
Lediglich mit seinen Ausführungen zur Berechnung des Nettoeinkommens ist es dem Rechtsmittelwerber gelungen, Bedenken gegen die Richtigkeit der vorinstanzlichen Entscheidungen zu wecken. Ob hiebei die richtige oder - wie der Rechtsmittelwerber schon in erster und zweiter Instanz geltend gemacht hat - die falsche Steuerklasse herangezogen wurde, ist anhand des berufskundlichen Sachverständigengutachtens trotz vorgenommener Ergänzungen nicht ausreichend nachvollziehbar. Zwar können Ergebnisse eines Sachverständigengutachtens in dritter Instanz grundsätzlich nicht mehr angefochten werden, weil die Beweiswürdigung nicht revisibel ist (RIS-Justiz RS0043163, RS0043320, vgl RS0043404). Jedoch liegt hier in der Frage der für die Berechnung des Nettoeinkommens maßgeblichen (deutschen) Steuerklasse eine Rechtsfrage, die - bei (möglicherweise) groben Beurteilungsfehlern trotz der fehlenden Leitfunktion des Obersten Gerichtshofes in (überdies ausländischen) Steuersachen (RIS-Justiz RS0113455) - auch in dritter Instanz geltend gemacht werden kann. Da für deren Beantwortung eine Klärung der ausländischen Rechtslage (allenfalls mit Hilfe eines auf dem Gebiet des Steuer- und Rechnungswesens kundigen Sachverständigen) erforderlich ist, war die Pflegschaftssache - unter Aufhebung der vorinstanzlichen Beschlüsse im angefochtenen Umfang - an das Erstgericht zurückzuverweisen.Lediglich mit seinen Ausführungen zur Berechnung des Nettoeinkommens ist es dem Rechtsmittelwerber gelungen, Bedenken gegen die Richtigkeit der vorinstanzlichen Entscheidungen zu wecken. Ob hiebei die richtige oder - wie der Rechtsmittelwerber schon in erster und zweiter Instanz geltend gemacht hat - die falsche Steuerklasse herangezogen wurde, ist anhand des berufskundlichen Sachverständigengutachtens trotz vorgenommener Ergänzungen nicht ausreichend nachvollziehbar. Zwar können Ergebnisse eines Sachverständigengutachtens in dritter Instanz grundsätzlich nicht mehr angefochten werden, weil die Beweiswürdigung nicht revisibel ist (RIS-Justiz RS0043163, RS0043320, vergleiche RS0043404). Jedoch liegt hier in der Frage der für die Berechnung des Nettoeinkommens maßgeblichen (deutschen) Steuerklasse eine Rechtsfrage, die - bei (möglicherweise) groben Beurteilungsfehlern trotz der fehlenden Leitfunktion des Obersten Gerichtshofes in (überdies ausländischen) Steuersachen (RIS-Justiz RS0113455) - auch in dritter Instanz geltend gemacht werden kann. Da für deren Beantwortung eine Klärung der ausländischen Rechtslage (allenfalls mit Hilfe eines auf dem Gebiet des Steuer- und Rechnungswesens kundigen Sachverständigen) erforderlich ist, war die Pflegschaftssache - unter Aufhebung der vorinstanzlichen Beschlüsse im angefochtenen Umfang - an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Textnummer
E77477European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2005:0050OB00102.05V.0524.000Im RIS seit
23.06.2005Zuletzt aktualisiert am
24.11.2011