Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf sowie Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Cäcilia O*****, Pensionistin, *****, vertreten durch Dr. Andreas Wippel, Rechtsanwalt in Neunkirchen, gegen die beklagte Partei Josef P*****, Pensionist, *****, vertreten durch Dr. Norbert Lehner, Rechtsanwalt in Neunkirchen, wegen EUR 12.350,53 sA und Feststellung (Gesamtstreitwert EUR 14.600,53) über die Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse EUR 14.100,53) gegen das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 29. Juli 2004, GZ 17 R 143/04g-23, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Neunkirchen vom 28. Jänner 2004, GZ 3 C 693/03z-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 812,52 (darin EUR 135,42 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Klägerin begehrte vom Beklagten Schadenersatz (Schmerzengeld und Pflegekosten) für Verletzungen, welche sie durch einen Angriff des vom Beklagten gehaltenen Widders erlitten hatte. Weiters begehrte sie die Feststellung der Haftung des Beklagten für künftige unfallkausale Schäden. Der Beklagte werde aus seiner Halterhaftung (§ 1320 ABGB) in Anspruch genommen, weil er es unterlassen habe, die Klägerin, welche die eingezäunte Schafweide zum Pflücken von Holunderbeeren betreten habe, davor zu warnen, dass sich in der Herde auch ein Widder befinde. Dieser sei als solcher nicht erkennbar gewesen. Das Geschlecht des Tieres habe sich erst im Laufe des Angriffes herausgestellt.Die Klägerin begehrte vom Beklagten Schadenersatz (Schmerzengeld und Pflegekosten) für Verletzungen, welche sie durch einen Angriff des vom Beklagten gehaltenen Widders erlitten hatte. Weiters begehrte sie die Feststellung der Haftung des Beklagten für künftige unfallkausale Schäden. Der Beklagte werde aus seiner Halterhaftung (Paragraph 1320, ABGB) in Anspruch genommen, weil er es unterlassen habe, die Klägerin, welche die eingezäunte Schafweide zum Pflücken von Holunderbeeren betreten habe, davor zu warnen, dass sich in der Herde auch ein Widder befinde. Dieser sei als solcher nicht erkennbar gewesen. Das Geschlecht des Tieres habe sich erst im Laufe des Angriffes herausgestellt.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er sei seinen Halterpflichten ausreichend nachgekommen. Die Klägerin hätte erkennen müssen, dass auch ein Widder auf der Weide sei, sie habe sich somit freiwillig in die Gefahrensituation begeben. Im Übrigen sei das Tier bislang immer friedlich und unauffällig gewesen, sodass der Angriff auf die Klägerin nicht vorhersehbar gewesen sei. Das Erstgericht verurteilte den Beklagten zur Zahlung von EUR 11.850,53 sA und stellte die Haftung des Beklagten für zukünftige Schäden aus dem Vorfall vom 26. 8. 2002 fest. Ein Mehrbegehren von EUR 500 sA wies es (unangefochten) ab. Es traf im Wesentlichen folgende Feststellungen:
Der Beklagte hält auf einer Weidefläche seit etwa fünfzehn Jahren Schafe, unter anderem auch Widder. Die Weide ist mit einem Maschendrahtzaun, der oben mit einem Stacheldraht begrenzt ist, eingefriedet. Betreten wird das Grundstück durch ein verschließbares Gattertor. Im August 2002 hatte der Beklagte insgesamt neun Schafe auf der Fläche untergebracht, nämlich fünf weibliche Schafe, drei Lämmer und - zu Deckzwecken - einen Widder. Bis zum verfahrensgegenständlichen Vorfall hatte sich der Widder unauffällig verhalten. Die Klägerin kam mit dem Beklagten überein, dass sie die Früchte von auf der Schafweide wachsenden Holundersträuchern pflücken dürfe. Der Beklagte gestattete ihr dies unter der Bedingung, dass sie beim Betreten und Verlassen der Liegenschaft darauf achte, dass das Gatter immer geschlossen ist, damit keine Tiere entweichen können. Am 26. 8. 2002 fragte die Klägerin telefonisch beim Beklagten an, ob sie die Weide an diesem Tag betreten dürfe, erreichte jedoch nur dessen Gattin, welche dies erneut gestattete. Bei keiner dieser Gelegenheiten wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass sich auch ein Deckwidder unter den Schafen befand. Sie selbst hatte die Schafe von außen öfter mit Brot gefüttert, dabei war ihr nicht aufgefallen, dass ein Widder darunter war, weil alle Schafe ein ziemlich langes Wollkleid trugen und der Widder auch keine Hörner hatte. Nachdem die Klägerin die Liegenschaft betreten hatte, verteilte sie zunächst Brot an die Schafe und machte sich dann an ihre Pflückarbeit. Während des Pflückens näherte sich ihr ein Schaf, das sie aber nicht als Widder erkannte. Sie fütterte dieses Tier immer wieder mit Holunderblättern. Als sich die Klägerin nach Anfüllen eines Kübels aufrichtete, senkte das in diesem Zeitpunkt ca 3 m von ihr entfernte Tier plötzlich den Kopf, lief auf sie zu und stieß sie mit dem Kopf in den Bauch, sodass sie rücklings hinfiel. Erst im Liegen erkannte sie, dass es sich bei diesem Tier um einen Widder handelte. Nachdem die Klägerin aufgestanden war, versuchte der Widder erneut, sie niederzustoßen. Die Klägerin versuchte, sich mit einem mitgebrachten Kinderrechen zu wehren, was jedoch erfolglos blieb. Vielmehr stieß sie der Widder erneut nieder. Nach nochmaligem Abwehren des Widders mit dem Rechen gelang es der Klägerin zu entkommen. Durch den Angriff erlitt die Klägerin schwere Verletzungen an der Hand sowie an der Wirbelsäule. Bei Schafen gibt es sowohl saisonale als auch asaisonale Brunstzeiten, in dieser Zeit sind Widder oft unruhig und unduldsam. Die saisonale Brunstzeit beginnt üblicherweise Anfang September, also nahe zum Unfallszeitpunkt. Nicht genau feststellbar ist, ob der Widder die Klägerin nur angriff, um ein Kräftemessen mit einem vermeintlichen Konkurrenten herbeizuführen oder ob die Aggression im Beenden des Fütterns durch die Klägerin ihre Ursache hatte. Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, dass der Beklagte als Tierhalter hafte, weil ihm der Beweis für eine ausreichende Verwahrung nicht gelungen sei.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, dass die Revision zulässig sei. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass der Beklagte als Tierhalter die Gefährlichkeit des Widders erkennen und demzufolge die Klägerin hätte warnen müssen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Beklagten aus dem Grunde der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Klageabweisung abzuändern: hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Revision ist entgegen dem das Revisionsgericht nicht bindenden Zulassungsausspruch (§ 508a Abs 1 ZPO) mangels einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.Die Revision ist entgegen dem das Revisionsgericht nicht bindenden Zulassungsausspruch (Paragraph 508 a, Absatz eins, ZPO) mangels einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Nach der Rechtsprechung hat der Tierhalter bei der Verwahrung und Beaufsichtigung eines Tieres die objektiv erforderliche Sorgfalt einzuhalten. Er hat daher zu beweisen, dass er sich nicht rechtswidrig verhielt; misslingt ihm dieser Beweis, haftet er für sein rechtswidriges, wenn auch schuldloses Verhalten (RIS-Justiz RS0105089). Wie ein Tier zu verwahren oder zu beaufsichtigen ist, richtet sich immer nach den Umständen des Einzelfalles (RIS-Justiz RS0030567). Die Bestimmung des Maßes der erforderlichen Beaufsichtigung und Verwahrung hat in elastischer und den Umständen des Einzelfalls Rechnung tragender Weise zu erfolgen. Damit spielt die Gefährlichkeit des Tieres, die Möglichkeit der Schädigung durch das spezifische Verhalten und die Abwägung der beiderseitigen Interessen eine Rolle (1 Ob 564/89 mwN). Dabei ist aber nicht nur das bisherige Verhalten des Tieres - worauf sich der Beklagte insbesondere stützt -, sondern auch die Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit einer Schadenszufügung durch das Tier zu prüfen (1 Ob 564/89). Es kann dahingestellt bleiben, ob Deckwidder grundsätzlich als gefährlich einzustufen sind (so offenbar 5 Ob 505/83). Nach den Feststellungen ist nämlich nicht auszuschließen, dass sich der Zuchtwidder in der Brunstzeit und daher in einer Phase erhöhter Aggression befand. Insoweit ist der hier vorliegende Sachverhalt dem zu 1 Ob 683/82 judizierten sehr gut vergleichbar. Soweit das Berufungsgericht die Rechtsauffassung vertrat, dass dem Beklagten als Tierhalter ein zeitweise gefährliches Verhalten des Widders bekannt sein hätte müssen und er daher die Klägerin entweder nicht auf die Weide hätte lassen dürfen oder sie vor dem Widder hätte warnen müssen, bewegt sich diese Ansicht jedenfalls im Rahmen der bisherigen Judikatur. Ob und in welchem Umfang einen Tierhalter Warnpflichten treffen können, hängt stets von den Umständen des Einzelfalles ab, sodass die vom Berufungsgericht aufgeworfene - und jedenfalls vertretbar gelöste - Frage der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Erheblichkeit entbehrt.Nach der Rechtsprechung hat der Tierhalter bei der Verwahrung und Beaufsichtigung eines Tieres die objektiv erforderliche Sorgfalt einzuhalten. Er hat daher zu beweisen, dass er sich nicht rechtswidrig verhielt; misslingt ihm dieser Beweis, haftet er für sein rechtswidriges, wenn auch schuldloses Verhalten (RIS-Justiz RS0105089). Wie ein Tier zu verwahren oder zu beaufsichtigen ist, richtet sich immer nach den Umständen des Einzelfalles (RIS-Justiz RS0030567). Die Bestimmung des Maßes der erforderlichen Beaufsichtigung und Verwahrung hat in elastischer und den Umständen des Einzelfalls Rechnung tragender Weise zu erfolgen. Damit spielt die Gefährlichkeit des Tieres, die Möglichkeit der Schädigung durch das spezifische Verhalten und die Abwägung der beiderseitigen Interessen eine Rolle (1 Ob 564/89 mwN). Dabei ist aber nicht nur das bisherige Verhalten des Tieres - worauf sich der Beklagte insbesondere stützt -, sondern auch die Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit einer Schadenszufügung durch das Tier zu prüfen (1 Ob 564/89). Es kann dahingestellt bleiben, ob Deckwidder grundsätzlich als gefährlich einzustufen sind (so offenbar 5 Ob 505/83). Nach den Feststellungen ist nämlich nicht auszuschließen, dass sich der Zuchtwidder in der Brunstzeit und daher in einer Phase erhöhter Aggression befand. Insoweit ist der hier vorliegende Sachverhalt dem zu 1 Ob 683/82 judizierten sehr gut vergleichbar. Soweit das Berufungsgericht die Rechtsauffassung vertrat, dass dem Beklagten als Tierhalter ein zeitweise gefährliches Verhalten des Widders bekannt sein hätte müssen und er daher die Klägerin entweder nicht auf die Weide hätte lassen dürfen oder sie vor dem Widder hätte warnen müssen, bewegt sich diese Ansicht jedenfalls im Rahmen der bisherigen Judikatur. Ob und in welchem Umfang einen Tierhalter Warnpflichten treffen können, hängt stets von den Umständen des Einzelfalles ab, sodass die vom Berufungsgericht aufgeworfene - und jedenfalls vertretbar gelöste - Frage der in Paragraph 502, Absatz eins, ZPO geforderten Erheblichkeit entbehrt.
Auch der Revisionswerber vermag keine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen.
Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, sie liegt nicht vor (Paragraph 510, Absatz 3, ZPO).
Die Revisionbeantwortung der Klägerin diente der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung, weil darin auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen wurde. Sie ist daher gemäß §§ 41, 50 Abs 1 ZPO zu honorieren. Infolge der rechtskräftigen Teilabweisung beträgt der Streitwert jedoch nicht EUR 14.600.53 sondern EUR 14.100,53. Auf dieser Basis hat der Kostenzuspruch zu erfolgen.Die Revisionbeantwortung der Klägerin diente der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung, weil darin auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen wurde. Sie ist daher gemäß Paragraphen 41,, 50 Absatz eins, ZPO zu honorieren. Infolge der rechtskräftigen Teilabweisung beträgt der Streitwert jedoch nicht EUR 14.600.53 sondern EUR 14.100,53. Auf dieser Basis hat der Kostenzuspruch zu erfolgen.
Anmerkung
E77740 9Ob132.04hEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2005:0090OB00132.04H.0606.000Dokumentnummer
JJT_20050606_OGH0002_0090OB00132_04H0000_000