Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Christine H*****, 2. Kurt A*****, und 3. Dr. Eugen A*****, sämtliche vertreten durch Dr. Anton Weber, Rechtsanwalt in Bregenz, gegen die beklagte Partei Gemeinde Hörbranz, vertreten durch Dr. Josef Michael Fitz, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen EUR 327.000 sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 14. Dezember 2004, GZ 1 R 247/04i-37, womit das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 16. August 2004, GZ 9 Cg 44/02h-30, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision der klagenden Parteien wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1) Ob etwas (hier: die Äußerung des Bürgermeisters, die beklagte Partei wolle „kein Geschäft machen") Vertragsinhalt geworden ist, kann jeweils nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden: Dies verhindert in der Regel das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage. Die Ansicht der Vorinstanzen, die Äußerung des Bürgermeisters sei nur als Absichtserklärung zu verstehen, nicht aber als eine Vertragsbestandteil gewordene Verzichtserklärung auf jegliche Gewinnerzielung im Zusammenhang mit der Umwidmung und der Weiterveräußerung der Liegenschaft, ist jedenfalls vertretbar. Diese Auslegung steht im Einklang zum Vorbringen der klagenden Parteien, der Bürgermeister habe die Äußerung getätigt, als sie bei den Vertragsverhandlungen die Frage zur Sprache gebracht hätten, bis zu welcher Umwidmungsfläche der Kaufpreis noch als angemessen gelten könne. Eine wahrzunehmende Fehlbeurteilung zeigt die Revision damit nicht auf.
Richtig ist, dass das, was Vertragsinhalt geworden ist, nicht Geschäftsgrundlage sein kann (JBl 1989, 264; RIS-Justiz RS0017480; RS0017451). Von dieser Rechtsansicht ist das Berufungsgericht ohnedies ausgegangen: Mangels vertraglicher Zusicherung wurde die Frage des (von den Rechtsmittelwerbern behaupteten) Wegfalls der Geschäftsgrundlage geprüft und mit der Begründung verneint, die Kläger hätten von Anfang an gewusst, dass nach Abschluss des Kaufvertrags Umwidmungen in Bauflächen und der Weiterverkauf der umgewidmeten Flächen erfolgen würden, wenngleich deren genaues Ausmaß nicht bekannt war. Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung, wonach sich der Vertragspartner nicht auf eine Änderung der Sachlage berufen kann, wenn mit der Möglichkeit einer Änderung gerechnet werden musste: Wenn im vorliegenden Fall abweichend von den subjektiven Vorstellungen der Kläger ein größerer Teil der Liegenschaft in Bauland umgewidmet oder mit mehr Gewinn als erwartet weiterverkauft wurde, können sie sich auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht berufen, da die Änderung nicht unvorhersehbar war und sie den Kaufvertrag dennoch vorbehaltlos (ohne Nachverhandlungspflichten im Fall von ein bestimmtes Ausmaß übersteigenden Umwidmungen) abgeschlossen hatten (SZ 43/63; RIS-Justiz RS0017593). Lediglich die Freihaltung eines bestimmten Liegenschaftsteils wurde im Vertrag als „Geschäftsgrundlage für den Kaufpreis" genannt (Punkt VI des Vertrags); auch die Auslegung dieser Vertragsbestimmung durch die Vorinstanzen (S 48 f des Ersturteils) ist nicht zu beanstanden.Richtig ist, dass das, was Vertragsinhalt geworden ist, nicht Geschäftsgrundlage sein kann (JBl 1989, 264; RIS-Justiz RS0017480; RS0017451). Von dieser Rechtsansicht ist das Berufungsgericht ohnedies ausgegangen: Mangels vertraglicher Zusicherung wurde die Frage des (von den Rechtsmittelwerbern behaupteten) Wegfalls der Geschäftsgrundlage geprüft und mit der Begründung verneint, die Kläger hätten von Anfang an gewusst, dass nach Abschluss des Kaufvertrags Umwidmungen in Bauflächen und der Weiterverkauf der umgewidmeten Flächen erfolgen würden, wenngleich deren genaues Ausmaß nicht bekannt war. Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung, wonach sich der Vertragspartner nicht auf eine Änderung der Sachlage berufen kann, wenn mit der Möglichkeit einer Änderung gerechnet werden musste: Wenn im vorliegenden Fall abweichend von den subjektiven Vorstellungen der Kläger ein größerer Teil der Liegenschaft in Bauland umgewidmet oder mit mehr Gewinn als erwartet weiterverkauft wurde, können sie sich auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht berufen, da die Änderung nicht unvorhersehbar war und sie den Kaufvertrag dennoch vorbehaltlos (ohne Nachverhandlungspflichten im Fall von ein bestimmtes Ausmaß übersteigenden Umwidmungen) abgeschlossen hatten (SZ 43/63; RIS-Justiz RS0017593). Lediglich die Freihaltung eines bestimmten Liegenschaftsteils wurde im Vertrag als „Geschäftsgrundlage für den Kaufpreis" genannt (Punkt römisch VI des Vertrags); auch die Auslegung dieser Vertragsbestimmung durch die Vorinstanzen (S 48 f des Ersturteils) ist nicht zu beanstanden.
2) Die Revisionswerber vertreten die Ansicht, eine Sittenwidrigkeit ergebe sich aus dem „Zusammenspiel" privatwirtschaftlicher und hoheitlicher Tätigkeiten der beklagten Gemeinde beim Ankauf und bei der Umwidmung der Liegenschaft. Dabei lassen sie schon außer Acht, dass sie zwar die nach Kaufvertragsabschluss erfolgte Umwidmung als sittenwidrig ansehen, aber genau diese Umwidmung vor Kaufvertragsabschluss mit der Absicht für berechtigt erachten, den daraus resultierenden Effekt der Wertsteigerung der Liegenschaft zur Gänze für sich zu lukrieren und nicht der Gemeinde zu Gute kommen zu lassen. Nach den Feststellungen ist im Übrigen ein grobe Verletzung rechtlich geschützter Interessen oder ein grobes Missverhältnis zwischen den Interessen der Beteiligten nicht erkennbar. Solches wäre nur dann vorgelegen, wenn die Umwidmung bereits vor Kaufvertragsabschluss im Gemeinderat abgesprochen gewesen und die Kläger allein deshalb darüber nicht informiert worden wären, um den Kaufpreis niedrig zu halten. Zusammenfassend hat das Berufungsgericht bei der - regelmäßig im Einzelfall zu beantwortenden - Frage, ob Sittenwidrigkeit zu bejahen ist (RIS-Justiz RS0042881), die Grenze des ihm eingeräumten Ermessens nicht überschritten.
3) Gemäß § 2 Abs 2 des Vorarlberger Raumplanungsgesetzes (kurz: RPG) das als Schutzgesetz iSd § 1311 ABGB anzusehen ist, sind Ziele der Raumplanung „ ... die nachhaltige Sicherung der räumlichen Existenzgrundlagen der Menschen ... für Wohnen und Arbeiten, die Erhaltung der Vielfalt von Natur und Landschaft sowie der bestmögliche Ausgleich der sonstigen Anforderungen an das Gebiet". Bei der Planung sind gemäß § 2 Abs 3 PrG ua insbesondere folgende Ziele zu beachten: Bauflächen sind bodensparend zu nutzen; die verschiedenen Möglichkeiten der Raumnutzung sind möglichst lange offen zu halten; die natürlichen und naturnahen Landschaftsteile sollen erhalten bleiben.
Nach § 3 PrG sind bei der Raumplanung alle berührten Interessen unter Berücksichtigung der im § 2 angeführten Ziele so gegeneinander abzuwägen, dass sie dem Gesamtwohl der Bevölkerung am besten entspricht; die Planung ist unter Möglichster Schonung des Privateigentums durchzuführen.
Gemäß § 23 PrG darf der Flächenwidmungsplan nur aus wichtigem Grund geändert werden. Zu ändern ist er bei Änderung der maßgebenden Rechtslage oder bei wesentlicher Änderung der für die Raumplanung bedeutsamen Verhältnisse. Dadurch ist dem Flächenwidmungsplan im Interesse der Rechtssicherheit erhöhte Bestandkraft verliehen (VfSlg 11.990). Die Behörde darf daher eine Ermessensentscheidung nur dann treffen, wenn die gebotene Grundlagenforschung und eine die besonderen Verhältnisse des Einzelfalls berücksichtigende Interessenabwägung vorgenommen wurde (SZ 55/ 36). Ein Recht auf Abänderung des Flächenwidmungsplans kommt den Liegenschaftseigentümern nicht zu.
Die Beurteilung der Vorinstanzen, die Behörde habe den ihr durch diese Bestimmungen eingeräumten Ermessensspielraum weder vor noch nach Kaufvertragsabschluss missbraucht und das Ermessen jeweils pflichtgemäß und im Sinne der oben dargelegten Bestimmungen ausgeübt, ist nicht zu beanstanden: Zwingende Gründe, weshalb die beklagte Gemeinde die in Frage stehende Umwidmung bereits früher hätte durchführen müssen, werden von den Klägern nicht aufgezeigt; allein aus dem Umstand der später erfolgten Umwidmung, lässt sich im Hinblick auf § 2 Abs 3 lit b RPG und § 23 RPG nicht ableiten, die Umwidmung hätte schon vor Kaufvertragsabschluss erfolgen müssen. Wie bereits die Vorinstanzen ausführten, ist das subjektive Interesse der Liegenschaftseigentümer an einer wertsteigernden Umwidmung gegenüber anderen Zielen abzuwägen. Nun hat die beklagte Gemeinde den Klägern aus Steuerersparnisgründen sogar eine Umwidmung in Bauland vor Kaufvertragsabschluss in Aussicht gestellt, sodass ein "direkter" Verkauf an Baulandinteressenten durch die Kläger erfolgen hätte können. Diese Möglichkeit wurde von den Klägern aber im Hinblick auf den gewünschten „Gesamtverkauf" und den angestrebten Zeithorizont abgelehnt. Nach Kaufvertragsabschluss nahm die beklagte Gemeinde eine Grundlagenforschung durch Inauftraggabe einer Bebauungsstudie vor. Festgestellt ist ferner, dass die gefundene Lösung eines „konzentrierten Weilers" - auf Vorschlag der Bebauungsstudie - „bei geringem Unterschied hinsichtlich des Bedarfs an Bauflächen verglichen mit anderen Varianten nicht nur die Widmung von Bauland mit sich brachte, sondern in erheblichem Umfang auch die Widmung von Bauerwartungsland und Sondergebiet- Fremdenverkehr in Freihaltefläche" (S 45 des Ersturteils). Die Revisionsausführungen entfernen sich von den getroffenen Feststellungen, wenn sie eine Situation unterstellen, nach der die Organe der Gemeinde unter der Vorspiegelung, eine Umwidmung komme nicht in Betracht, mit dem Kaufpreis nur Grünland bzw Freihalteflächen abgegolten und die Kläger mit der nachträglichen Umwidmung in Bauland überrascht hätten. Dabei lassen die Revisionswerber die Feststellungen zu den Vorverhandlungen betreffend die Kalkulation des Kaufpreises unter Bedachtnahme auf die bereits geplanten Umwidmungen gänzlich außer Acht.
Auch der Einwand, es könne nicht darauf ankommen, ob die Organe der beklagten Partei in Schädigungsabsicht die Umwidmung vor Kaufvertragsabschluss unterlassen hätten, ist nicht stichhaltig. Nach ständiger Rechtsprechung ist aus Unterlassungen eine Ersatzpflicht nach dem AHG nur dann ableitbar, wenn die Organe zum positiven Handeln verpflichtet gewesen wären und pflichtgemäßes Handeln der Schaden abgewendet hätte (Schragel, AHG³ RZ 141 mwN). Bei Vermögensschäden begründet unterlassenes Tätigwerden ua dann eine Ersatzpflicht wenn die Unterlassung schikanös oder in Schädigungsabsicht geschah. In solchen Fällen kommt dieser sehr wohl maßgebliche Bedeutung zu. Fehlt sie - so wie hier -, ist ein Ersatzanspruch zu verneinen. Darüber hinaus scheitert im vorliegenden Fall der Ersatzanspruch aus der mangelnden Umwidmung schon mangels der Pflicht der Organe zu einem derartigen Handeln.
4. Das Berufungsgericht hat im Sinne der ständigen OGH-Judikatur entschieden; Die Kläger zeigen keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf. Die Revision ist daher zurückzuweisen.
Einer weiteren Begründung bedarf diese Entscheidung nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
Textnummer
E77929European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2005:0010OB00047.05A.0624.000Im RIS seit
24.07.2005Zuletzt aktualisiert am
24.11.2010