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L94406 Krankenanstalt Spital Steiermark;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde der Ärztekammer für Steiermark, vertreten durch Dr. Nikolaus Kodolitsch, Dr. Wolfgang Nopp und Mag. Alexander Kodolitsch, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Kaiserfeldgasse 1, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 31. März 2005, Zl. FA8A- 87 Ga 49/28-2005, betreffend Errichtungsbewilligung gemäß § 3 KALG (mitbeteiligte Partei: Dr. M in G, vertreten durch Eisenberger und Herzog, Rechtsanwaltssozietät in 8010 Graz, Hilmgasse 10), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Kostenersatzbegehren der Beschwerdeführerin wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde dem Mitbeteiligten auf Grund seines mit Schreiben vom 16. Mai 2002 ergänzten Antrages vom 14. Dezember 2001 gemäß § 3 Abs. 1, 2 und 6 des Steiermärkischen Krankenanstaltengesetzes, LGBl. Nr. 66/1999 (KALG), die Errichtungsbewilligung für eine in der Rechtsform eines selbständigen Ambulatoriums mit der Bezeichnung "Grazer Zentrum für Lebensstilmedizin" betriebene Krankenanstalt - unter Auflagen - erteilt.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen Folgendes aus:
Im Rahmen des von der belangten Behörde durchgeführten Bedarfsprüfungsverfahrens habe die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 15. März 2002 den Bedarf am geplanten Institut verneint, da das geplante Leistungsspektrum von den niedergelassenen Kassenvertragsärzten ausreichend angeboten werde.
Der Landessanitätsrat habe sich am 20. März 2002 gegen das geplante Institut ausgesprochen, da die im Titel und in der Begründung angegebene Bezeichnung "aus dem Bereich der Paramedizin" ("Salute"-Institut für ganzheitliche Ernährungs- und Lebensstilberatung) nicht der gewünschten Wissenschaftlichkeit der ärztlichen Einrichtungen in der Steiermark entspreche. Außerdem würden Leistungen erbracht, die in jeder internen Facharztpraxis erbracht werden könnten, ein Großteil davon sogar in jeder Praxis für Allgemeinmedizin.
Diesen Ausführungen habe sich die Fachabteilung 8B der belangten Behörde angeschlossen und darüber hinaus ausgeführt, dass die vorgesehenen diagnostischen Methoden den Rahmen eines Institutes für Ernährungs- und Lebensstilberatung weit sprengten, schon in Richtung eines kardiologischen bzw. sportmedizinischen Institutes gingen und damit den in der Anstaltsbezeichnung vorgegebenen Anstaltszweck überschritten bzw. nicht richtig wiedergäben.
Demgegenüber habe sich der Magistrat Graz am 15. April 2002 für das geplante Institut ausgesprochen, weil damit die medizinische Versorgung verbessert würde.
Auf die Einwände habe der Mitbeteiligte mit Schreiben vom 16. Mai 2002 dahingehend reagiert, dass er den Namen des geplanten Instituts in "Grazer Zentrum für Lebensstilmedizin" ändere, um es "deutlich von der Paramedizin abzugrenzen"; zwecks Abgrenzung von einem kardiologischen Institut würden spezifisch kardiologischdiagnostische Verfahren, insbesondere Ergometrie, Spiroergometrie, Langzeit-EKG und Langzeitblutdruckmessung aus dem geplanten Leistungskatalog ebenso gestrichen wie die Ultraschall-Osteodensitometrie. "Lebensstilmedizin" sei nach Auffassung des Mitbeteiligten ein wichtiger Aspekt der zukünftigen medizinischen Versorgung und werde zu eigenverantwortlichem Verhalten und dadurch zur Reduktion von Gesundheitskosten beitragen.
Unter Hinweis auf diesen abgeänderten Antrag habe die Ärztekammer mit Schreiben vom 19. Juli 2002 mitgeteilt, dass sie auch hinsichtlich des nunmehr geänderten Antrages keinen Bedarf sehe, weil das verbleibende Leistungsspektrum von niedergelassenen Kassenvertragsärzten ausreichend angeboten werde.
Der Landessanitätsrat hingegen habe mit Schreiben vom 3. Februar 2003 keinen Einwand mehr gegen das Institut erhoben, weil durch die neue Institutsbezeichnung eine "klare Abgrenzung zur Paramedizin" erfolgt sei, die Zielgruppe nicht mit dem "Patientengut einer Facharzt- oder Allgemeinarztpraxis deckungsgleich" sei, sondern (sich) "in Zusammenarbeit mit verschiedenen Fachdisziplinen (Ärzte, Ernährungs- und Sportwissenschaftlern, Lebensmittelchemiker, Hygieniker, Diästassistenten usw.) zu einem Kommunikations- und Kompetenzzentrum entwickeln" solle. Als wesentliche Aufgabe werde die "Beratung und Führung der Patienten unter Berücksichtigung sämtlicher gesundheitlicher Risiken, die durch Ernährung, Bewegung, soziales Umfeld, Stressfaktoren usw. definiert" seien, angeführt. Durch "Einbeziehung aller relevanten akademischen Fachdisziplinen" solle eine "deutliche Abgrenzung zur Paramedizin" erzielt werden. Da somit "die Einwendungen gegen den Erstantrag ausgeräumt" worden seien, habe sich die Fachabteilung 8B den Ausführungen des Landessanitätsrates für Steiermark vollinhaltlich angeschlossen und keine Einwände mehr erhoben.
Auf Grund der den Bedarf weiterhin verneinenden Stellungnahme der Beschwerdeführerin sei eine Befragung aller Ärzte für Allgemeinmedizin sowie aller Fachärzte für interne Krankheiten in Graz und Graz-Umgebung, jeweils mit Kassenvertrag, dahingehend vorgenommen worden, "ob sie jene Leistungen, die im Institut angeboten werden sollen, in ihrer Ordination anbieten, wie lange die durchschnittliche Wartezeit ab Terminvereinbarung pro Leistung sei, und ob der betreffende Arzt über ein ÖAK-Diplom Ernährungsmedizin bzw. Endokrinologie und Stoffwechsel verfüge".
Zum "Ergebnis dieser Umfrage" traf die belangte Behörde folgende Feststellungen:
"Es wurden 189 niedergelassene Ärztinnen und Ärzte in den Bezirken Graz und Graz-Umgebung angeschrieben, die alle einen § 2 Kassenvertrag mit den Österreichischen Krankenkassenversicherungsträgern besitzen. Aufgrund des beantragten Tätigkeitsumfanges des geplanten Ambulatoriums wurden für die Befragung Ärztinnen und Ärzte für Allgemeinmedizin sowie Fachärzte/Innen für Innere Medizin ausgewählt.
Von den 189 Fragebögen haben 186 die Empfänger erreicht, drei Adressaten waren verzogen. Von 186 schriftlich erreichten Ärzten haben 74 den Fragebogen ganz oder teilweise ausgefüllt, was einer Rücklaufquote von 39,8 % entspricht. Ein Arzt antwortete - ohne den Fragebogen auszufüllen - in Form eines Briefes, in dem er zur Gründung des geplanten Institutes positiv Stellung nimmt.
Lediglich 6,7 % der antwortenden Ärzte/innen besitzen die erforderliche formale Qualifikation in Form des ÖAK-Diploms Ernährungsmedizin oder durch das klinische Sonderfach Endokrinologie und Stoffwechsel. Lediglich eine Ärztin (ca. 1%) ist nach eigenen Angaben in der Lage, alle vom Antragsteller projektierten Leistungen in ihrer Praxis abzudecken; alle anderen Ärzte (ca. 99 %) sehen sich dazu nicht oder nur teilweise in der Lage.
Für die einzelnen abgefragten Leistungen wurden zwischen 20 % und 90 % bejahende Antworten gegeben, wobei die Anzahl der positiven Antworten in erster Linie von der Spezifität der Fragestellung abhing.
Insgesamt kann die Darstellung der Ärztekammer für Steiermark, wonach die projektierten Leistungen von der niedergelassenen Ärzteschaft in ausreichender Quantität und Qualität angeboten werden, durch die vorliegende Umfrage als widerlegt betrachtet werden."
Mit Schreiben vom 22. Juli 2004 - so die belangte Behörde weiter - habe sich die Fachabteilung 8B nicht mehr gegen das geplante Institut ausgesprochen, weil "gerade in der heutigen Zeit, in der ein stetiger Zuwachs an ernährungsrelevanten Erkrankungen, wie Adipositas, Diabetes oder Schlaganfall und damit verbunden Folgeerkrankungen zu verzeichnen sei, und auf Grund des wachsenden Gesundheitsbewusstseins der Bevölkerung, ein Institut nicht nur im kurativen, sondern auch im präventiven Bereich zur Verbesserung der medizinischen Versorgung beitragen könne".
Weiters sei noch auf die Stellungnahme von Univ.- Prof. Dr. W., Leiter der Abteilung für Ernährungsmedizin an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde vom 31. März 2004, hingewiesen worden, in der dieser ausgeführt habe, dass das derzeitige System der Kassenhonorierung keine ausreichende, dem Stand der Wissenschaft entsprechende Ernährungsdiagnostik und ernährungstherapeutischen Maßnahmen erlaube, und andererseits viele Ärzte in Fragen der Ernährungsmedizin nicht ausreichend ausgebildet seien.
Zusammenfassend sei daher "zur Frage des Bedarfs Folgendes festzustellen":
"Eine umfangreiche Befragung sämtlicher in Frage kommenden Kassenvertragsärzte im Einzugsbereich der Stadt Graz (189 Ärzte - Ärzte für Allgemeinmedizin bzw. Fachärzte - wovon sich nur 75 geäußert haben) zeigt ein völlig anderes Ergebnis als (das) in dem Schreiben der Steiermärkischen Ärztekammer vom 29.09.2004 wiederholt behauptete, ausreichende Angebot durch niedergelassene Kassenvertragsärzte. Im übrigen ist die Ärztekammer für Steiermark in ihrem Schreiben in keiner Weise auf diese 75 Äußerungen (von 189 Befragten) inhaltlich eingegangen.
Weiters wurde als außenstehender Gutachter Herr Univ.- Prof. Dr. W, Leiter der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, Abteilung Ernährungsmedizin herangezogen, der in seiner fachlichen Stellungnahme eindeutig feststellte, dass die (vom Mitbeteiligten) angebotenen Leistungen von niedergelassenen Kassenvertragsärzten gar nicht oder nur unzureichend angeboten werden. Ursachen dafür liegen einerseits im Fehlen einer fundierten Ausbildung - es wird nicht einmal die von der österreichischen Ärztekammer angebotene Zusatzausbildung eines ÖAK-Diploms für Ernährungsmedizin von den in Frage kommenden Kassenvertragsärzten als Qualifikationsnachweis erbracht. Die Ursachen dafür sind unterschiedlich, eine davon wäre die mangelnde finanzielle Abdeckung (vor allem durch Sozialversicherungsträger) durch die bestehenden Versorgungssysteme in Österreich. Von Sozialversicherungsträgern werden durch niedergelassene Kassenärzte zum Beispiel folgende Leistungen nicht angeboten:
Beratungsgespräch zur Adipositas-Prävention, fachspezifische Diagnose- und Therapieformen der Ernährungsmedizin wie 24h-Recall, Dietary history, Binge-eating-disoder. Weiters fehlt im Leistungsspektrum der Kassenpraxis ein interdisziplinäres Angebot für Prävention von Adipositas-Erkrankungen, wie es in der antragsgegenständlichen Krankenanstalt angeboten wird.
Dieses Gutachten wurde auch seitens der zuständigen Fachabteilung für das Gesundheitswesen fachlicherseits überprüft und vollinhaltlich anerkannt.
Somit ist insgesamt von einem Bedarf für die beantragten Leistungen auszugehen."
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde und den Mitbeteiligten erwogen:
Die Bestimmungen des Steiermärkischen Krankenanstaltengesetzes, LGBl. Nr. 66/1999 idF vor der Novelle LGBl. Nr. 145/2006 (KALG), lauteten (auszugsweise) wie folgt:
"§ 1
Begriff und Einteilung der Krankenanstalten
(1) Unter Krankenanstalten (Heil und Pflegeanstalten) sind Einrichtungen zu verstehen, die
1. zur Feststellung und Überwachung des Gesundheitszustandes durch Untersuchung,
2.
zur Vornahme operativer Eingriffe,
3.
zur Vorbeugung, Besserung und Heilung von Krankheiten durch Behandlung,
...
bestimmt sind.
...
(3) Krankenanstalten im Sinne des Abs. 1 sind:
1. Allgemeine Krankenanstalten, das sind Krankenanstalten für Personen ohne Unterschied des Geschlechtes, des Alters oder der Art der ärztlichen Betreuung;
...
7. selbstständige Ambulatorien (Röntgeninstitute, Zahnambulatorien und ähnliche Einrichtungen), das sind organisatorisch selbstständige Einrichtungen, die der Untersuchung oder Behandlung von Personen dienen, die einer Aufnahme in Anstaltspflege nicht bedürfen. Der Verwendungszweck eines selbstständigen Ambulatoriums erfährt dann keine Änderung, wenn dieses Ambulatorium über eine angemessene Zahl von Betten verfügt, die für eine kurzfristige, 24 Stunden nicht überschreitende Unterbringung zur Durchführung ambulanter, diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen unentbehrlich ist. Die angemessene Zahl von Betten ist im Rahmen der Bedarfsprüfung gemäß § 3 Abs. 3 festzustellen.
(4) Einrichtungen, die eine gleichzeitige Behandlung von mehreren Personen ermöglichen und die in ihrer Organisation wie insbesondere nach den vorhandenen Behandlungsräumen und deren Ausstattung in medizinischer und technischer Hinsicht der Organisation und Ausstattung einer Krankenanstalt entsprechen, sofern sie nicht als Gruppenpraxis, Ordinationsgemeinschaft oder Apparategemeinschaft eingerichtet sind, sind nicht als Ordinationsstätten von Ärzten oder Zahnärzten anzusehen. Sie unterliegen den Bestimmungen dieses Hauptstückes.
...
§ 3
Errichtungsbewilligung
(1) Die Errichtung einer Krankenanstalt bedarf nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen einer Bewilligung der Landesregierung.
(2) Diese kann unbeschadet der nach sonstigen Rechtsvorschriften erforderlichen Voraussetzungen nur erteilt werden, wenn
a) ein Bedarf im Sinne des Abs. 3 nach einer Krankenanstalt hinsichtlich des angegebenen Anstaltszweckes (§ 1 Abs. 3 und § 2 a) und des in Aussicht genommenen Leistungsangebotes gegeben ist;
...
(3) Der Bedarf ist nach dem angegebenen Anstaltszweck und dem in Aussicht genommenen Leistungsangebot sowohl nach dem Landes-Krankenanstaltenplan als auch im Hinblick auf das bereits bestehende Versorgungsangebot öffentlicher, privater gemeinnütziger und sonstiger Krankenanstalten mit Kassenverträgen sowie bei Errichtung einer Krankenanstalt in der Betriebsform eines selbstständigen Ambulatoriums auch im Hinblick auf das Versorgungsangebot durch niedergelassene Kassenvertragsärzte, kasseneigene Einrichtungen und Vertragseinrichtungen der Kassen, bei Zahnambulatorien auch im Hinblick auf niedergelassene Dentisten mit Kassenvertrag zu beurteilen.
...
§ 4
Verfahren zur Errichtungsbewilligung
(1) Der Bewerber hat dem Antrag um die Bewilligung zur Errichtung einer Krankenanstalt maßgerechte Baupläne eines befugten Sachverständigen sowie Bau und Betriebsbeschreibungen in dreifacher Ausfertigung anzuschließen. Aus diesen Unterlagen muss insbesondere der beabsichtigte Verwendungszweck der Anstaltsräume einschließlich einer Aufstellung über die vorgesehenen medizinischen Geräte und bei den für die Behandlung und Unterbringung der Patienten sowie für die Unterbringung und den Aufenthalt des Anstaltspersonals bestimmten Räumen auch die Größe der Bodenfläche und des Luftraumes sowie der Bettenstand zu ersehen sein. Diese Anträge haben den Anstaltszweck (§ 1 Abs. 3 und § 2 a) und das in Aussicht genommene Leistungsangebot genau zu bezeichnen.
(2) Bei Prüfung des Bedarfes (§ 3 Abs. 2 lit. a und Abs. 3) sind neben den Parteien gemäß § 5 a auch die Träger der öffentlichen Krankenanstalten des jeweiligen Versorgungssektors (§ 24) zu hören.
...
§ 5a
Parteistellung im Errichtungsbewilligungsverfahren
für Krankenanstalten
(1) Im Verfahren zur Erteilung der Bewilligung zur Errichtung einer Krankenanstalt haben die gesetzliche Interessenvertretung privater Krankenanstalten und betroffene Sozialversicherungsträger, bei selbstständigen Ambulatorien auch die Ärztekammer für Steiermark sowie bei Zahnambulatorien auch die Österreichische Dentistenkammer hinsichtlich des nach § 3 Abs. 2 lit. a und Abs. 3 zu prüfenden Bedarfes Parteistellung im Sinne des § 8 AVG und das Recht der Beschwerde gemäß Artikel 131 Abs. 2
B VG.
..."
Die Beschwerdeführerin macht zunächst geltend, der vom Mitbeteiligten angestrebte Tätigkeitsbereich im bewilligten Ambulatorium, eine "ganzheitliche Ernährungs- und Lebensstilberatung", schließe die Erteilung einer Errichtungsbewilligung im Sinne des § 3 KALG aus. Unter selbständigen Ambulatorien gemäß § 1 Abs. 1 Z 7 KALG könnten nämlich nur organisatorisch selbständige Einrichtungen, die der Untersuchung oder Behandlung von Personen dienen, die einer Aufnahme in Anstaltspflege nicht bedürfen, verstanden werden. Die vom Mitbeteiligten geplante Errichtung eines Ambulatoriums für Ernährungs- und Lebensstilberatung falle nicht darunter.
Diese Auffassung vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu teilen.
Im Antrag des Mitbeteiligten wird der Tätigkeitsbereich des geplanten Ambulatoriums - auszugsweise - wie folgt beschrieben (AS 410ff):
"Funktionsbeschreibung und Methodik
...
Der folgende Abschnitt soll eine Übersicht über die angewandten Methoden, die geplante medizinische Methodik und apparative Diagnostik sowie über die angewandten Therapieverfahren geben.
...
Medizinische Ernährungsanamnese
Allgemeine medizinische Anamnese
Die detaillierte allgemeine medizinische Anamnese ist erforderlich, um bestehende Risiken, insbesondere in Hinblick auf kardiovaskuläre und onkologische Erkrankungen, oder manifeste Erkrankungen zu erfassen. ...
Strukturierte Ernährungsanamnese
Strukturierte Ernährungsanamnese bedeutet die Erhebung von Daten über Ernährungsgewohnheiten, körperliche Aktivität, Verzehrshäufigkeit, Zusammensetzung der ausgewählten Nahrungsmittel usw. ...
...
Labordiagnostik
Für die Beurteilung der metabolischen Situation inklusive der Risikofaktoren ist eine ausführliche interne Labordiagnostik erforderlich. Über das internistische Routinelabor hinaus kann es erforderlich sein, endokrinologische Spezialdiagnostik, z. B. Schilddrüsenfunktionsparameter, hypophysäre Wachstumsfaktoren, Cortisolspiegel oder Leptinspiegel zu bestimmen, beispielsweise um die Ursachen von Adipositas zu erfassen. Die Notwendigkeit zur Bestimmung spezifischer Laborparameter richtet sich nach der aktuellen klinischen Situation des jeweiligen Patienten oder Probanden.
Allgemeine internistische apparative Diagnostik
Um Risikokonstellationen, beispielsweise für die Durchführung einer spezifischen Diät, zu erfassen, ist neben der allgemeinen internistischen und Labordiagnostik die Möglichkeit zu fundamentaler cardiopulmonaler Diagnostik notwendig. Insbesondere muss hier das EKG und die einfache Spirometrie angeführt werden.
Spezielle ernährungsmedizinische Diagnostik
..."
Vor diesem Hintergrund ist trotz der mit Schreiben des Mitbeteiligen vom 16. Mai 2002 erfolgten Streichung "spezifisch kardiologisch-diagnostischer Verfahren" die Auffassung der belangten Behörde, das in Aussicht genommene Leistungsspektrum beinhalte medizinische Leistungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 und 3 KALG, somit die Untersuchung und Behandlung von Personen, weshalb die geplante - organisatorisch selbständige - Einrichtung, in der sie erbracht werden sollen, als in der Rechtsform eines Ambulatoriums im Sinne des § 1 Abs. 3 Z 7 KALG betriebene Krankenanstalt nach § 3 Abs. 1 KALG bewilligungspflichtig ist, nicht als rechtswidrig zu erkennen.
Die Beschwerdeführerin rügt weiter, dass die belangte Behörde keine ausreichende Bedarfsprüfung durchgeführt und die für die Beurteilung des Bestehens eines Bedarfs notwendigen Feststellungen nicht getroffen habe. Diese Ausführungen sind zielführend.
Sachliche Voraussetzung für die Bewilligung zur Errichtung einer Krankenanstalt ist das Bestehen eines Bedarfs nach § 3 Abs. 3 KALG. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist ein solcher Bedarf im vorliegenden Zusammenhang dann als gegeben anzusehen, wenn durch die Errichtung des Ambulatoriums die ärztliche Betreuung der Bevölkerung wesentlich erleichtert, beschleunigt, intensiviert oder in anderer Weise wesentlich gefördert wird. Als wichtigster Indikator für die Beantwortung der Bedarfsfrage betreffend selbständige Ambulatorien ist nach dieser Rechtsprechung die durchschnittliche Wartezeit anzusehen, die der Patient im Einzugsbereich in Kauf nehmen muss. Eine Wartezeit von etwa zwei Wochen in nicht dringenden Fällen hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Judikatur für durchaus zumutbar gehalten und selbst bei einem Überschreiten dieses Richtwertes in einzelnen Fällen um einige Tage noch kein unzumutbares Versorgungsdefizit gesehen. Von einem Bedarf nach einem beabsichtigten Ambulatorium kann demnach dann nicht die Rede sein, wenn im Großen und Ganzen die Wartezeiten zwei Wochen nicht übersteigen und Akutpatienten noch am selben Tag behandelt werden. Dabei ist jedoch Voraussetzung für die Feststellung des Bedarfs, dass das Einzugsgebiet für das zu bewilligende Ambulatorium klar umrissen ist, wobei eine Bindung an Bezirks- und Landesgrenzen nicht gegeben ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 2007, Zl. 2002/11/0226, mwN).
Bei der Bedarfsprüfung sind die im Einzugsgebiet des Ambulatoriums gelegenen bestehenden Behandlungseinrichtungen zu berücksichtigen. Die Größe des Einzugsgebietes hängt unter anderem wesentlich vom jeweiligen medizinischen Fachgebiet in der Weise ab, dass bei häufig in Anspruch genommenen Leistungen (z.B. allgemein- oder zahnmedizinischen Leistungen) das Einzugsgebiet kleiner ist als bei selten in Anspruch genommenen Facharztleistungen; bei solchen ist einem Patienten eine längere Anreise zuzumuten als bei Inanspruchnahme von allgemeinmedizinischen Leistungen (vgl. das zitierte Erkenntnis vom 22. Februar 2007).
Nicht entscheidend ist, ob die im Einzugsgebiet des geplanten Ambulatoriums niedergelassenen Ärzte bzw. sonstigen Einrichtungen jeweils das gesamte von diesem in Aussicht genommene Leistungsspektrum anbieten (vgl. das hg Erkenntnis vom 11. Juli 2000, Zl. 2000/11/0075); der Hinweis auf die - aus Sicht des Patienten allenfalls angenehmere - Konzentration ärztlicher Leistungen in einem selbständigen Ambulatorium rechtfertigt für sich allein nicht die Annahme eines Bedarfes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 2000, Zl. 99/11/0318).
Vor diesem Hintergrund erfordert die Prüfung der Bedarfslage Feststellungen hinsichtlich des in Frage kommenden Einzugsgebietes des Ambulatoriums des Mitbeteiligten sowie darüber, in welchem Umfang ein Bedarf der in Frage kommenden Bevölkerung nach den angebotenen Untersuchungen besteht und inwieweit er durch das vorhandene Angebot befriedigt werden kann. Dazu sind insbesondere Feststellungen hinsichtlich der Anzahl, der Verkehrslage (Erreichbarkeit) und Betriebsgröße der in angemessener Entfernung gelegenen bestehenden Behandlungseinrichtungen sowie deren Ausstattung und Auslastung (Ausmaß der Wartezeiten) erforderlich.
Die belangte Behörde ist den dargestellten Anforderungen nicht nachgekommen:
So hat sie es schon unterlassen, das vom Mitbeteiligten im geplanten Ambulatorium in Aussicht genommene Leistungsangebot klar festzustellen. Die (auszugsweise) Wiedergabe der Beurteilung des (nicht konkret dargestellten) Leistungsangebotes in eingeholten Stellungnahmen Dritter kann eigene Feststellungen der belangten Behörde schon deshalb nicht ersetzen, weil zur Ermittlung des Bedarfs das bestehende Versorgungsangebot dem geplanten Leistungsangebot gegenüberzustellen ist und es deshalb unerlässlich ist, dessen Inhalt festzustellen.
Deshalb ist auch nicht nachvollziehbar, ob ihre Ermittlungsschritte bezüglich des bestehenden Versorgungsangebotes in räumlicher Hinsicht (die belangte Behörde hat sich mit der Befragung von Ärzten bestimmter Fachrichtungen in den Bezirken Graz und Graz-Umgebung begnügt) ausreichend waren. Welches Einzugsgebiet in Frage kommt, hängt nämlich - wie oben dargestellt - entscheidend von der Art der angebotenen medizinischen Leistungen ab.
In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde die von ihr vorgenommene Einschränkung der Prüfung des bestehenden Versorgungsangebots auf die Leistungen von Ärzten für Allgemeinmedizin und von Fachärzten für interne Krankheiten nicht nachvollziehbar begründet hat. Auch diesbezüglich wäre die konkrete Feststellung, welches Leistungsangebot im geplanten Institut in Aussicht genommen wird, erforderlich gewesen.
Der Umstand, dass bloß einer der die Anfrage beantwortenden Ärzte in der Lage sei, sämtliche vom Mitbeteiligten in Aussicht genommenen Leistungen abzudecken, rechtfertigt entgegen der unzutreffenden Auffassung der belangten Behörde nicht die Annahme, schon deshalb sei ein Bedarf am geplanten Ambulatorium gegeben, weil der Bedarf auch gedeckt sein kann, wenn niedergelassene Ärzte - isoliert betrachtet - nur einen Teil des Bedarfes, in ihrer Gesamtheit aber den Bedarf zur Gänze abdecken. Dafür, dass letzteres zutreffen könnte, sprechen die (nicht weiter konkretisierten) Feststellungen der belangten Behörde, "für die einzelnen abgefragten Leistungen zwischen 20 % und 90 % bejahende Antworten gegeben wurden".
Die belangte Behörde hat auch nicht begründet, warum für die Annahme des gedeckten Bedarfes eine "formale Qualifikation" der niedergelassenen Ärzte in Gestalt "des ÖAK-Diploms Ernährungsmedizin oder durch das klinische Sonderfach Endokrinologie und Stoffwechsel" "erforderlich" sei.
Auch wenn nur ein Teil der im Bedarfsprüfungsverfahren angeschriebenen Ärzte die gestellten Fragen beantwortete, enthob dies die belangte Behörde nicht ihrer Verpflichtung, von Amts wegen - sei es nach Zuziehung eines Sachverständigen, sei es etwa nach Einvernahme der in Betracht kommenden Personen als Zeugen - die notwendigen Feststellungen zum bestehenden Versorgungsangebot aller in den Schutzbereich des § 3 Abs. 3 KALG fallenden Ärzte und Einrichtungen zu treffen.
Aus den dargestellten Gründen war der angefochtene Bescheid wegen - vorrangig aufzugreifender - Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Im gegebenen Zusammenhang sei für das fortzusetzende Verfahren angemerkt, dass die belangte Behörde dem Ersatzbescheid die aktuelle Rechtslage (vgl. insbesondere die Änderung des § 3 Abs. 3 KALG durch die Novelle LGBl. Nr. 145/2006) zu Grunde zu legen haben wird.
Die Abweisung des Aufwandersatzbegehrens der Beschwerdeführerin gründet sich auf § 47 Abs. 4 VwGG.
Wien, am 25. Juli 2007
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteBeweismittel SachverständigenbeweisSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel SachverständigenbeweisBegründungspflicht Manuduktionspflicht MitwirkungspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2005110119.X00Im RIS seit
07.09.2007Zuletzt aktualisiert am
11.07.2013