TE OGH 2005/6/24 1Ob49/05w

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Veröffentlicht am 24.06.2005
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Kurt P*****, vertreten durch Wille & Brandstätter Rechtsanwälte KEG in Wien, wider die beklagte Partei Land Wien, vertreten durch Dr. Wolfgang Heufler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 26.100 EUR), infolge ordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 22. November 2004, GZ 14 R 107/04i-98, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 10. März 2004, GZ 31 Cg 18/98i-91, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

1. Das angefochtene Urteil wird insofern als Teilurteil bestätigt, als mit ihm die Abweisung des unter Punkt 1. 2. erhobenen Klagebegehrens bestätigt wurde.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten aller Instanzen, die auf den mit Teilurteil erledigten Teil des Klagebegehrens entfallen, bleibt dem Endurteil vorbehalten.

2. Im Übrigen wird das angefochtene Urteil aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang - demnach Punkt 1. 1. des Klagebegehrens betreffend - zur neuerlichen Entscheidung über die Berufung der klagenden Partei an das Gericht zweiter Instanz zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind insoweit weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 26. 4. 1995 zeigte die MA 11 der Stadt Wien - Amt für Jugend und Familie für den 13. und 14. Bezirk - (im Folgenden nur: MA 11) den Kläger bei der Staatsanwaltschaft Wien wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs seiner am 22. 11. 1988 geborenen Adoptivtochter Katharina an. Dieser Anzeige war ein psychologisches Gutachten der MA 11 vom 12. 4. 1995 angeschlossen. Dort war zusammenfassend festgehalten, dass die Angaben Katharinas über ihren sexuellen Missbrauch durch den Kläger "durchaus glaubhaft" seien. In einem der Anzeige ferner beigeschlossenen kindergynäkologischen Befund vom 20. 4. 1995 wurde ausgeführt, dass das äußere Genitale der Adoptivtochter "vollkommen unauffällig erschien und keinerlei entzündlichen Veränderungen feststellbar waren". Auf Grund dieser Anzeige beantragte die Staatsanwaltschaft Wien am 4. 5. 1995 Vorerhebungen gegen den Kläger wegen des Verdachts gerichtlich strafbarer Handlungen nach § 207 und § 212 StGB. Bereits am 10. 4. 1995 hatte sich der Kläger gegenüber der MA 11 mit einer räumlichen Trennung von seiner Adoptivtochter einverstanden erklärt und seinen Wohnsitz vorübergehend verlegt. Die Mutter der Minderjährigen und Ehegattin des Klägers willigte in die vorübergehende Unterbringung ihrer Tochter in der psychologischen Beobachtungsstation der MA 11 ein. Dort hielt sich die Minderjährige vom 21. 4. bis zum 9. 6. 1995 auf. Sie wurde von einer Jugendpsychologin betreut, die seit 1994 als Amtssachverständige der MA 11 in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur beklagten Partei steht. Diese unterwarf die Minderjährige einer Vielzahl an Tests. In der Folge erstattete sie - gestützt auf den persönlichen Eindruck über das Verhalten des Kindes und auf die Testergebnisse - ein psychologisches Gutachten. Dieses wurde am 14. 7. 1995 der MA 11 und der Staatsanwaltschaft Wien übermittelt. Darin führte die Sachverständige u. a. aus:

"Katharina erzählt sowohl im direkten Gespräch, als auch indirekt in Spiel- und Testsituationen immer wieder von erlebten sexuellen Übergriffen durch den Vater. Aus der Art der Darstellungen und Erzählungen, sowie der dabei sichtbaren emotionellen Betroffenheit Katharinas und der in sich immer 'logischen' Argumentationsketten und Gedankenabfolgen des Kindes, muss der Vorwurf des sexuellen Missbrauchs durch den Vater aus psychologischer Sicht als unbedingt glaubwürdig beurteilt werden. Die Verantwortung des Vaters, die Großmutter mütterlicherseits habe Katharina 'alles nur eingeredet', muss angesichts der detaillierten Aussagen des Kindes, immer wieder auch eingebunden in nicht suggerierbare situative und emotionale Zusammenhänge, in jeder Hinsicht in Abrede gestellt werden.

Katharina berichtet direkt von sexuellen Übergriffen in Abwesenheit der Mutter ('... der Papa greift mir immer mit den Fingern in die Scheide, so [zeigt vor], und mit dem Daumen reibt er so und das tut weh; das ist so unangenehm, ehrlich!'), erklärt die mögliche unterschiedliche Beschaffenheit männlicher Genitalien - am Beispiel des Vaters - und gibt indirekt immer wieder Hinweise auf orale Übergriffe.

...

Katharina ist ein für ihr Alter sehr reifes und intelligentes Mädchen und weiß instinktiv, dass sie durch ihre Aussagen derzeit wesentlich zur Instabilität der Familie und zum mangelnden Wohlbefinden der Eltern beiträgt. Gleichzeitig erahnt sie auch, dass durch einen Widerruf ihrer Aussagen viel Belastung von der Familie weichen könnte und sie dadurch vielleicht 'alles ungeschehen machen' könnte.

Seit der Entlassung zur Mutter am 9. Juni d. J. steht Katharina unter massivem Druck. ... Aus psychologischer Sicht muss dazu angemerkt werden, dass Katharina dem erlebten Druck der 'Großfamilie' und insbesondere auch den zunehmenden Zweifeln der Mutter verständlicherweise nicht länger standhalten kann.

... Sollte die Bereitschaft der Mutter zum künftigen Schutz des Kindes sowie zur Gewährleistung einer ambulanten therapeutischen Betreuuung Katharinas weiterhin in Frage gestellt scheinen, werden aus jugendpsychologischer Sicht pflegschaftsrechtliche Schritte seitens des zuständigen Amtes für Jugend und Familie zum Schutz des Kindeswohles empfohlen."

Am 31. 7. 1995 erstattete der vom Landesgericht für Strafsachen Wien bestellte Sachverständige für Kinderneuropsychiatrie ein Gutachten zu den Behauptungen Katharinas über sexuelle Übergriffe ihres Adoptivvaters und schlug vor, "im Rahmen des weiteren Verfahrens - etwa im Rahmen einer kontradiktorischen Vernehmung - eine weitere sachverständige Person hinzuzuziehen, wobei empfohlen wird, hier nach Möglichkeit eine Frau beizuziehen, um ein zusätzlich verhalten agierendes Mädchen einem Mann gegenüber (was in dieser Situation nachvollziehbar wäre) tunlichst zu vermeiden."

Die Amtssachverständige der MA 11 wiederholte bei ihrer Einvernahme als Zeugin vor dem Untersuchungsrichter im Kern das Ergebnis ihrer Begutachtung. Der Kläger bestritt die ihm angelastete sexuelle Misshandlung seiner Adoptivtochter. Am 1. 12. 1995 wurde Katharina "im Zuge des Strafverfahrens kontradiktorisch vernommen". Am 2. 1. 1996 wurde das Strafverfahren gegen den Kläger gemäß § 90 StPO eingestellt.

Der Kläger, ein Mittelschullehrer, ist eine intellektuell sehr begabte Persönlichkeit mit neurotischen Zügen, einer Tendenz zum Perfektionismus, anankastischen Zügen und einer verminderten Konfliktbewältigungsfähigkeit. Die von der Amtssachverständigen der MA 11 "geäußerten Verdächtigungen" sind für den Kläger "eine erhebliche psychische Belastung" und verursachten psychosomatische Störungen. Das Weiterbestehen oder das Wiederauftreten solcher behandlungsbedürftiger Störungen, die die Leistungsfähigkeit des Klägers mindern könnten, sind "in Zukunft nicht auszuschließen".

Der Kläger begehrte, das Land Wien aus dem Titel der Amtshaftung schuldig zu erkennen, ihm zukünftige Schäden zu ersetzen, die er wegen bestimmter Aussagen der Amtssachverständigen der MA 11 in deren Gutachten und als Zeugin im Strafverfahren über behauptete sexuelle Misshandlungen seiner Adoptivtochter erleiden werde. Er brachte vor, die apodiktischen Aussagen der Amtssachverständigen, die eine allfällige Unrichtigkeit der Anschuldigungen seiner Adoptivtochter völlig ausgeschlossen hätten, seien als schwerer Kunstfehler einzustufen.

Die beklagte Partei wendete ein, die Amtssachverständige habe nicht hoheitlich gehandelt. Deren Beurteilung sei überdies nicht fehlerhaft gewesen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte - abgesehen vom eingangs wiedergegebenen Sachverhalt - u. a. noch fest:

Das Gutachten der Amtssachverständigen der MA 11 und ihre Angaben als Zeugin im Strafverfahren gegen den Kläger hätten "inhaltlich dem wissenschaftlichen Standard des Jahres 1995" entsprochen. Das gelte vor allem für die Darstellung der Verdachtsmomente, die "einen sexuellen Missbrauch durch den Kläger" indiziert hätten.

In rechtlicher Hinsicht rechnete das Erstgericht das Verhalten der Amtssachverständigen dem Bereich der schlichten Hoheitsverwaltung des Landes Wien in Wahrnehmung von Aufgaben der Jugendfürsorge zu. Vor dem Hintergrund des § 1299 ABGB mangle es allerdings an einem Organverschulden, weil die der beklagten Partei zuzurechnenden hoheitlichen Realakte der Amtssachverständigen dem damaligen wissenschaftlichen Standard entsprochen hätten. Diese habe auch ihr Ermessen nicht grob sachwidrig ausgeübt.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Nach dessen Ansicht stimmen Rechtsprechung und Lehre "darin überein, dass innerhalb des Rahmens der öffentlichen Jugendwohlfahrt sowohl hoheitliche als auch nicht hoheitliche Vorgangsweisen vorgesehen" seien. Nicht hoheitlich wahrzunehmende Aufgaben der öffentlichen Jugendwohlfahrt ergäben sich "auch direkt" aus dem Gesetz. Der bloße Umstand, dass die Erstattung des den Klagegrund bildenden Gutachtens "in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen vorgesehen" gewesen sei, lasse noch keinen Schluss "auf den hoheitlichen Charakter dieser Gutachtenserstattung" zu. Die beklagte Partei sei als Jugendwohlfahrtsträger durch ein "Beratungsgespräch auf den Fall Katharinas aufmerksam" geworden. Die folgende Unterbringung des Kindes in der kinderpsychologischen Station der MA 11 zur Abklärung des Missbrauchsverdachts sei eine vorbeugende und therapeutische Hilfe auf freiwilliger Basis gewesen. Bereits das spreche gegen eine hoheitliche Tätigkeit der Gutachterin. Diese Einschätzung werde untermauert, wenn "man die vorübergehende Unterbringung Katharinas unter dem Aspekt der 'freiwilligen Erziehungshilfe'" nach § 29 JWG und § 35 WrJWG beurteile. Diese Erziehungshilfe bedürfe der "Rechtsform des privatrechtlichen Vertrages" zwischen dem Erziehungsberechtigten und dem Jugendwohlfahrtsträger. Das belege "ohne jeden Zweifel den nicht hoheitlichen Charakter solcher Maßnahmen". Demnach könne das nicht hoheitliche Verhalten der Sachverständigen nach Amtshaftungsrecht nicht der beklagten Partei zugerechnet werden. Die beklagte Partei hafte dem Kläger jedoch auch dann nicht, wenn das Verhalten der Sachverständigen als solches einer Erfüllungsgehilfin der beklagten Partei anzusehen wäre. Die beklagte Partei habe den Vertrag über die Unterbringung Katharinas in der kinderpsychologischen Station der MA 11 nicht mit dem Kläger, sondern mit deren Mutter geschlossen. Der Kläger sei nicht geschützter Dritter dieses Vertrags. Deshalb sei die beklagte Partei auch insofern nicht passiv legitimiert. Die Entscheidung hänge von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage ab, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dazu bekannt sei, "ob die Erstattung eines Gutachtens zur Abklärung des Verdachts des sexuellen Missbrauches an einem Kind durch eine beim Jugendwohlfahrtsträger beschäftigte Psychologin im Rahmen der 'sozialen Dienste' bzw 'freiwilligen Erziehungshilfe' hoheitlich" erfolge oder nicht.

Die Revision ist zulässig und zum Teil berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Jugendwohlfahrtsbehörde - Hoheitsakte

1. 1. Nach Schragel (AHG³ § 1 Rz 108) hat die öffentliche Jugendwohlfahrt gemäß § 2 Abs 1 JWG 1989 im Allgemeinen die Funktion, die Familie bei der Erfüllung ihrer Aufgaben in der Pflege und Erziehung Minderjähriger zu beraten und zu unterstützen. Sie habe „jedoch 'einzugreifen', wenn dies zum Wohl der Minderjährigen notwendig" sei, nach § 2 Abs 3 JWG besonders dann, wenn zur Durchsetzung von Erziehungszielen Gewalt angewendet oder körperliches oder seelisches Leid zugefügt werde. Der Jugendwohlfahrtsträger habe dann nach § 30 JWG 1989 das Erforderliche zu veranlassen. Bei „Gefahr im Verzug" habe er die notwendigen Maßnahmen gemäß § 215 Abs 1 zweiter Satz ABGB selbst zu treffen. Er sei daher „zu hoheitlichen Anordnungen und Vollzugsmaßnahmen ermächtigt", sodass nach § 4 Abs 1 JWG 1989 die „Amtshaftung des Rechtsträgers Land ... eintreten" könne.

1. 2. Die Gerichtshöfe öffentlichen Rechts teilen Schragels Ansicht nicht. Der Verwaltungsgerichtshof erläuterte in seinem Erkenntnis 93/11/0221 (= VwSlg 14.326 A/1995) - insbesondere auch unter Berufung auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs G 47/87 (= VfSlg 11.492/1987) -, dass der Jugendwohlfahrtsträger gerade bei dem von Schragel ohne Nachweis und Erörterung der gegenteiligen herrschenden Auffassung als hoheitlich qualifizierten - auch hier relevanten - Einschreiten keine hoheitlichen Akte der Vollziehung setze, habe doch der Verfassungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis zu § 26 Abs 2 JWG 1954, der „Vorgängerbestimmung des § 215 Abs 1 zweiter Satz ABGB", ausgesprochen, § 26 Abs 2 JWG 1954 habe nicht zu hoheitlichem Einschreiten ermächtigt. Maßnahmen der Erziehungshilfe fielen vielmehr im Fall der Ausübung von Zwang seitens der „Bezirksverwaltungsbehörde als Amtsvormund oder gesetzlicher Amtskurator (unter nachfolgender Genehmigung des Gerichts)" in einen besonderen „Bereich staatlicher Tätigkeit auf privatrechtlichem Gebiet". Als Stütze für dieses - im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs zusammengefasste - Ergebnis führte der Verfassungsgerichtshof im Wesentlichen ins Treffen, die „Ausübung unmittelbaren Zwanges" sei „auch dem Privatrecht nicht ganz fremd". Als Maßnahme des Besitzschutzes dürfe unter der in § 344 ABGB genannten Voraussetzung Gewalt mit angemessener Gewalt begegnet werden. Nach § 146b ABGB hätten die Behörden und Organe der öffentlichen Aufsicht auf Ersuchen eines berechtigten Elternteils notfalls auch bei der Zurückholung eines Kindes mitzuwirken und der Ausübung von Zwang durch die Eltern „den allenfalls nötigen Nachdruck zu verleihen". In diesen Rahmen füge „sich ein Recht des Vormundes (Kurators), das seiner Sorge unterstellte Kind bei Gefahr im Verzug den ihre Erziehungsgewalt missbrauchenden oder die damit verbundenen Pflichten nicht erfüllenden Eltern mit behördlicher Hilfe eigenmächtig wegzunehmen, ohne Weiteres ein". Einer privatrechtlichen Einordnung stehe „nicht im Wege, dass gerade die in Prüfung stehende Maßnahme nur der Bezirksverwaltungsbehörde, nicht aber sonstigen Vormündern oder Kuratoren eingeräumt" sei. Das Privatrecht kenne „eben vorläufige Maßnahmen dieser Art in Gestalt der Selbsthilferechte, und die Beschränkung auf die Behörde" ergebe „sich hier aus der Natur der Sache, weil zur Gewährung von Erziehungshilfe im Sinne des Gesetzes allein sie in Betracht" komme; es sei „daher nur geboten, ihr die eigenmächtige Inangriffnahme der Maßnahme bei Gefahr im Verzug zu gestatten". Diese werde „deshalb nicht zur Ausübung hoheitlicher Zwangsgewalt". Dass „der Bezirksverwaltungsbehörde zur Durchsetzung ihrer Maßnahme eine vergleichsweise stärkere Macht zur Verfügung" stehe, ändere nichts. Soweit „sie sich der Organe der öffentlichen Aufsicht" bediene, gelte „für deren Einschreiten ohnehin nichts anderes als für ihre Mitwirkung bei ähnlichen Maßnahmen der Eltern nach § 146b ABGB". Soweit ein bestimmter Autor ausführe, „es könne 'außerdem .... Abhilfe mit den Mitteln des Verwaltungsrechts im Instanzenzug gesucht und wegen Verletzung subjektiver Rechte nach Erschöpfung des Instanzenzuges Beschwerde beim VwGH erhoben werden'", sei „das nur auf jenen Teil der Tätigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde" zu beziehen, „der mit hoheitlichen Mitteln besorgt" werde. Die in Prüfung gezogene Vorschrift - § 26 Abs 2 JWG 1954 - enthalte jedenfalls keine Ermächtigung zum hoheitlichen Einschreiten (ebenso VfGH B 1874/88 = VfSlg 12.073; B 750/87 = VfSlg 11.498; Stabentheiner in Rummel, ABGB³ § 215 Rz 3; Schwimann in Schwimann, ABGB² § 215 Rz 2; aM noch VfGH B 419/80 = VfSlg 9.152).

1. 3. Der Kläger setzt sich in der Revision weder mit der Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts noch mit dem deren Praxis folgenden Schrifttum auseinander. Er hebt jedoch zutreffend hervor, ein "Schwerpunkt der Jugendwohlfahrt" liege in der Vermeidung von "Fehlentwicklungen bei Kindern und Jugendlichen", die einen "verheerenden Einfluss" auf nachwachsende Generationen bei "der Erziehung der Nachkommen der jetzt Jugendlichen", aber auch "im Sozialverhalten ... gegenüber Dritten" haben könnten. Dass solche Fehlentwicklungen gerade auch durch einen sexuellen Missbrauch von Minderjährigen verursacht werden können, liegt auf der Hand. Es verdeutlichen auch die strafrechtlichen Sanktionen gegen die sexuelle Ausbeutung von Unmündigen und sonstiger Minderjähriger nach §§ 206 ff und § 212 StGB das dringende öffentliche Interesse, dem Verdacht des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen sofort auf den Grund zu gehen. Minderjährige vor sexuellem Missbrauch zu schützen, ist eine Aufgabe, die gerade auch im Interesse der Allgemeinheit - und daher im Bereich der Vollziehung öffentlichen Rechts - wahrzunehmen ist. Die große Bedeutung des Schutzes Minderjähriger vor sexuellem Missbrauch wird nunmehr ferner durch § 2 Abs 4 JWG 1989 idF BGBl I 1999/53 und § 2a WrJWG 1990 idgF betont. Danach hat der Jugendwohlfahrtsträger u. a. Meldungen über den Verdacht des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen, die gemäß § 37 JWG 1989 oder auf Grund berufsrechtlicher Ermächtigungen oder Verpflichtungen an ihn erstattet werden, personenbezogen zu erfassen und unverzüglich zu überprüfen. In § 37 JWG 1989 sind Mitteilungspflichten - auch für den Fall des Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen unter Hintanstellung sonst bestehender beruflicher Verschwiegenheitspflichten - geregelt. Die öffentliche Jugendwohlfahrt hat somit eine Doppelfunktion. Sie erschöpft sich nicht in der Mitwirkung an der Vollziehung eines bestimmten Teils des privatrechtlichen Obsorgerechts im Interesse bestimmter Minderjähriger und Familien, sondern entspricht auch dem gesellschaftlichen Interesse an einer gedeihlichen Entwicklung nachwachsender Generationen. Offenkundig deshalb wurde in der Entscheidung 1 Ob 560/89 (= SZ 62/74) betont, die „Regelungen der Jugendwohlfahrt" dienten „auch dem Wohl der gesamten inländischen Bevölkerung".1. 3. Der Kläger setzt sich in der Revision weder mit der Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts noch mit dem deren Praxis folgenden Schrifttum auseinander. Er hebt jedoch zutreffend hervor, ein "Schwerpunkt der Jugendwohlfahrt" liege in der Vermeidung von "Fehlentwicklungen bei Kindern und Jugendlichen", die einen "verheerenden Einfluss" auf nachwachsende Generationen bei "der Erziehung der Nachkommen der jetzt Jugendlichen", aber auch "im Sozialverhalten ... gegenüber Dritten" haben könnten. Dass solche Fehlentwicklungen gerade auch durch einen sexuellen Missbrauch von Minderjährigen verursacht werden können, liegt auf der Hand. Es verdeutlichen auch die strafrechtlichen Sanktionen gegen die sexuelle Ausbeutung von Unmündigen und sonstiger Minderjähriger nach §§ 206 ff und § 212 StGB das dringende öffentliche Interesse, dem Verdacht des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen sofort auf den Grund zu gehen. Minderjährige vor sexuellem Missbrauch zu schützen, ist eine Aufgabe, die gerade auch im Interesse der Allgemeinheit - und daher im Bereich der Vollziehung öffentlichen Rechts - wahrzunehmen ist. Die große Bedeutung des Schutzes Minderjähriger vor sexuellem Missbrauch wird nunmehr ferner durch § 2 Abs 4 JWG 1989 in der Fassung BGBl I 1999/53 und § 2a WrJWG 1990 idgF betont. Danach hat der Jugendwohlfahrtsträger u. a. Meldungen über den Verdacht des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen, die gemäß § 37 JWG 1989 oder auf Grund berufsrechtlicher Ermächtigungen oder Verpflichtungen an ihn erstattet werden, personenbezogen zu erfassen und unverzüglich zu überprüfen. In § 37 JWG 1989 sind Mitteilungspflichten - auch für den Fall des Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen unter Hintanstellung sonst bestehender beruflicher Verschwiegenheitspflichten - geregelt. Die öffentliche Jugendwohlfahrt hat somit eine Doppelfunktion. Sie erschöpft sich nicht in der Mitwirkung an der Vollziehung eines bestimmten Teils des privatrechtlichen Obsorgerechts im Interesse bestimmter Minderjähriger und Familien, sondern entspricht auch dem gesellschaftlichen Interesse an einer gedeihlichen Entwicklung nachwachsender Generationen. Offenkundig deshalb wurde in der Entscheidung 1 Ob 560/89 (= SZ 62/74) betont, die „Regelungen der Jugendwohlfahrt" dienten „auch dem Wohl der gesamten inländischen Bevölkerung".

1. 4. Bei der - herrschender Meinung entsprechenden - Qualifikation der Maßnahmen der Jugendwohlfahrtsbehörde nach § 215 Abs 1 zweiter Satz ABGB als privatwirtschaftliches Verhalten werden die Interessen der Allgemeinheit übergangen, ist doch etwa die Hintanhaltung des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen und die Klärung einer entsprechenden Verdachtslage durch Maßnahmen der öffentlichen Jugendwohlfahrt in ihrer Bedeutung - wie bereits erörtert - nicht auf die Wahrnehmung der Interessen bestimmter Individuen in Vollziehung des privatrechtlichen Obsorgerechts beschränkt. Wird Interessen der Allgemeinheit mit behördlichem Zwang zum Durchbruch verholfen, so besteht - außerhalb der öffentlichen Jugendwohlfahrt - gewöhnlich kein Zweifel am Einsatz dieses Zwangs als hoheitliches Mittel. Soweit der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis G 47/87 für seine Ansicht ins Treffen führt, "die Ausübung unmittelbaren Zwanges" sei "auch dem Privatrecht nicht ganz fremd", überzeugen die von ihm ins Treffen geführten Beispiele nicht:

Verteidigt etwa jemand die Sachherrschaft über sein Eigentum "mit angemessener Gewalt" im Sinne des § 344 ABGB gegen einen Einbruchsdieb, demnach durch den Einsatz privatrechtlich erlaubter Gewalt, so wird man im Allgemeinen nicht auf die Idee kommen, dass Polizisten, wenn sie einen Einbruchsdieb in Wahrnehmung einer Aufgabe der Sicherheitspolizei im Dienste der Allgemeinheit unter Anwendung von Gewalt an der Tatausführung hindern, privatwirtschaftlich einschreiten, nur weil sich auch der betroffene Sacheigentümer - nach privatrechtlichen Grundsätzen - gegen einen Einbruchsdieb mit dem gleichen Maß an Gewalt hätte zur Wehr setzen dürfen. Der Umfang der Befugnis einer Behörde - so etwa der Jugendwohlfahrtsbehörde - nach § 146b ABGB bleibt nach den Erwägungen des Verfassungsgerichtshofs im Dunkeln, ist doch letztlich bloß die Rede davon, es gehe darum, "der Ausübung von Zwang durch die Eltern ... den allenfalls nötigen Nachdruck zu verleihen". Gleiches gilt für das "Recht des Vormundes (Kurators), das seiner Sorge unterstellte Kind bei Gefahr im Verzug den ihre Erziehungsgewalt missbrauchenden oder die damit verbundenen Pflichten nicht erfüllenden Eltern mit behördlicher Hilfe eigenmächtig wegzunehmen". In beiden Fällen handelt es sich nicht um unmittelbare Zwangsmaßnahmen durch eine Behörde, sondern um einen Zwang durch Eltern oder Vormünder, dem die Behörde durch ihre Mitwirkung entweder bloß "Nachdruck" verleiht oder bei dem die Behörde lediglich - in nicht näher beschriebener Weise - assistiert. Der Zwang nach § 215 Abs 1 zweiter Satz ABGB beruht dagegen auf einer - vor allem auch im Interesse der Allgemeinheit gelegenen - anderen Qualität staatlicher Machtausübung.

1. 5. Auch die Unterbringung eines Minderjährigen in einer psychologischen Beobachtungsstation des Jugendwohlfahrtsträgers zur Klärung des Verdachts sexuellen Missbrauchs auf Grund einer Maßnahme nach § 215 Abs 1 zweiter Satz ABGB ist bereits eine - die vorübergehende Pflege und Erziehung betreffende - Maßnahme der Erziehungshilfe; diese wird nach den nunmehr geltenden Bestimmungen der §§ 29 f JWG 1989 - hier iVm §§ 32 ff WrJWG 1990 - entweder freiwillig oder gegen den Willen der Erziehungsberechtigten gewährt. Sollten obsorgeberechtigte Personen in unaufschiebbare vorläufige Maßnahmen, die zur Klärung des Verdachts des sexuellen Missbrauchs eines Minderjährigen unvermeidlich sind, nicht einwilligen, so könnten sie vom Jugendwohlfahrtsträger nach § 215 Abs 1 zweiter Satz ABGB auch gegen den Willen der Erziehungsberechtigten angeordnet werden.1. 5. Auch die Unterbringung eines Minderjährigen in einer psychologischen Beobachtungsstation des Jugendwohlfahrtsträgers zur Klärung des Verdachts sexuellen Missbrauchs auf Grund einer Maßnahme nach § 215 Abs 1 zweiter Satz ABGB ist bereits eine - die vorübergehende Pflege und Erziehung betreffende - Maßnahme der Erziehungshilfe; diese wird nach den nunmehr geltenden Bestimmungen der §§ 29 f JWG 1989 - hier in Verbindung mit §§ 32 ff WrJWG 1990 - entweder freiwillig oder gegen den Willen der Erziehungsberechtigten gewährt. Sollten obsorgeberechtigte Personen in unaufschiebbare vorläufige Maßnahmen, die zur Klärung des Verdachts des sexuellen Missbrauchs eines Minderjährigen unvermeidlich sind, nicht einwilligen, so könnten sie vom Jugendwohlfahrtsträger nach § 215 Abs 1 zweiter Satz ABGB auch gegen den Willen der Erziehungsberechtigten angeordnet werden.

Auf dem Boden aller bisherigen Erwägungen gelangt der erkennende Senat zu folgendem Ergebnis:

Nimmt der Jugendwohlfahrtsträger seine Kompetenz zur Ergreifung vorläufiger Maßnahmen der Pflege und Erziehung gemäß § 215 Abs 1 zweiter Satz ABGB durch die Unterbringung eines Minderjährigen in einer psychologischen Beobachtungsstation in Anspruch, um den Verdacht des sexuellen Missbrauchs eines Minderjährigen durch einen Obsorgeberechtigten zu klären, so handelt er hoheitlich.

Dieses Ergebnis entspricht der Ansicht Schragels (aaO), der sich indes mit der gegenteiligen Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts nicht auseinandersetzte. Diese Rechtsprechung beruht auf einer verkürzten Perspektive bei der Beurteilung der für Hoheitsakte maßgebenden Voraussetzungen (vgl 1 Ob 306/98a = SZ 72/5). Das gilt hier für die - die Abgrenzung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts letztlich tragende - Vernachlässigung des massiven öffentlichen Interesses, dem Verdacht der sexuellen Misshandlung eines Kindes sogleich auf den Grund zu gehen und dabei unverzüglich die zur Erreichung dieses Zieles allenfalls erforderlichen Zwangsmaßnahmen zu setzen.Dieses Ergebnis entspricht der Ansicht Schragels (aaO), der sich indes mit der gegenteiligen Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts nicht auseinandersetzte. Diese Rechtsprechung beruht auf einer verkürzten Perspektive bei der Beurteilung der für Hoheitsakte maßgebenden Voraussetzungen vergleiche 1 Ob 306/98a = SZ 72/5). Das gilt hier für die - die Abgrenzung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts letztlich tragende - Vernachlässigung des massiven öffentlichen Interesses, dem Verdacht der sexuellen Misshandlung eines Kindes sogleich auf den Grund zu gehen und dabei unverzüglich die zur Erreichung dieses Zieles allenfalls erforderlichen Zwangsmaßnahmen zu setzen.

1. 6. Bediente sich die Jugendwohlfahrtsbehörde im Rahmen einer vorläufigen Maßnahme nach § 215 Abs 1 zweiter Satz ABGB eines Amtssachverständigen zur Klärung des Verdachts des sexuellen Missbrauch eines Minderjährigen, so wird dadurch die weitere Frage aufgeworfen, ob das Verhalten des Sachverständigen hoheitlich und als solches dem Jugendwohlfahrtsträger zuzurechnen ist.

2. Amtssachverständiger

2. 1. Weder die beklagte Partei noch das Berufungsgericht ziehen in Zweifel, dass das den Verdacht der sexuellen Misshandlung der minderjährigen Katharina durch ihren Adoptivvater, den Kläger, untermauernde Gutachten von einer Amtssachverständigen in Erfüllung ihrer Amtspflicht erstattet wurde.

2. 2. Der Oberste Gerichtshof befasste sich in der - u. a. an 1 Ob 75/72 (= EvBl 1972/315) anknüpfenden - Entscheidung 1 Ob 7/85 (= SZ 58/42) näher (auch) mit der Rechtsstellung des Amtssachverständigen und bezeichnete ihn als Teil der hoheitlich tätigen Behörde, weil ihn der Gesetzgeber nach § 53 Abs 1 erster Satz AVG den Verwaltungsorganen gleichgestellt habe; beide könnten gemäß § 7 AVG nicht abgelehnt werden. Das sei „nicht nur eine Folge der Nahebeziehung des Amtssachverständigen zur Behörde", sondern habe „auch einen Ausschluss der Einflussnahme des Betroffenen auf die Qualität des Sachverständigen zur Folge, der durch die unmittelbare Zuordnung der Tätigkeit des Amtssachverständigen zum Rechtsträger auszugleichen" sei. Der Amtssachverständige sei „auch nicht im Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung tätig, sodass nur die Zuordnung zur Hoheitsverwaltung in Betracht" komme. Das „Zurücktreten der Person und die Wesentlichkeit der Amtsfunktion" sprächen „jedenfalls für die haftungsrechtlich unterschiedliche Behandlung des Amtssachverständigen und des gerichtlich bestellten Sachverständigen". Der Erstere sei „der Behörde (schon vor Behandlung eines konkreten Falles) 'beigegeben'" oder stehe „ihr (zumindest aus dem Bereich der Bediensteten) 'zur Verfügung'". Sein „Wissen (oder Nichtwissen)" gelte „als das der Behörde, für das dann der Rechtsträger, in dessen Vollziehungsbereich er tätig" sei, ebenso einzustehen habe „wie für das rechtsanwendende Organ selbst". In der späteren Entscheidung 1 Ob 679/86 (= SZ 60/2) wurden jene Leitlinien nur mehr in der kurzen Wendung zusammengefasst, dass „nur der Amtssachverständige, der auch nach herrschender Ansicht Organ iS des § 1 Abs 2 AHG" sei, ein „hoheitlich handelnder Beamter" sei und „dann bei vorsätzlich falscher Gutachtenerstattung das Verbrechen des Amtsmissbrauches nach § 302 Abs 1 StGB" begehe.

2. 3. Die soeben referierte Rechtsprechung leitet die Organstellung des Amtssachverständigen nach § 1 Abs 2 AHG aus seiner spezifischen Einbindung in das Gefüge der Verwaltungsbehörde und der darauf aufbauenden Autorität seiner Gutachten ab. Es ging dabei immer um Fälle, bei denen die Beiziehung des Amtssachverständigen - wie hier - eine hoheitlich zu vollziehende Verwaltungsmaterie betraf. Deshalb wurde in der Entscheidung 1 Ob 7/85 betont, der Amtssachverständige sei „Teil der hoheitlich tätigen Behörde". Es wurde demnach das Verhalten des Amtssachverständigen in Erfüllung seiner Amtspflicht nicht per se als hoheitlich eingestuft. Diese Auffassung referiert offenkundig auch Schragel (aaO § 1 Rz 41). Daraus folgt:

Erstattet der Amtssachverständige eines Rechtsträgers ein Gutachten in Erfüllung seiner Amtspflicht, so ist diese Tätigkeit nur dann als Hoheitsakt zu qualifizieren, wenn sie einer hoheitlich wahrzunehmenden Verwaltungsmaterie zuzuordnen ist.

2. 4. Nach Meinung des Klägers soll die beklagte Partei überdies für den zukünftigen Schaden aus der Zeugenaussage der Amtssachverständigen in dem gegen ihn geführten Strafverfahren einzustehen haben. Diese Aussage ist indes jedenfalls nur der Zeugin selbst zuzurechnen. Nach der Rechtsordnung kann ein Rechtsträger in der Regel keinen Hoheitsakt durch eine in einem gerichtlichen Verfahren abgelegte Zeugenaussage, die ihm zuzurechnen wäre, setzen. Daran kann selbst der Umstand nichts ändern, dass die hier relevante Aussage auf einem Gutachten aufbaute, das als Hoheitsakt der beklagten Partei anzusehen ist. Soweit mangelt es überdies an einem hinreichend engen Sachkonnex mit einer durch die Jugendwohlfahrtsbehörde hoheitlich zu vollziehenden Aufgabe, ist doch Gegenstand des Strafverfahrens der Strafanspruch des Staates für strafgesetzwidriges Verhalten. Besondere Tatsachen, die allenfalls den vom Kläger verfochtenen Zurechnungskonnex rechtfertigen könnten, wurden nicht behauptet.

3. Ergebnis

3. 1. Das von der Amtssachverständigen im Anlassfall in Erfüllung einer Amtspflicht erstattete, den Klagegrund bildende Gutachten ist nach allen bisherigen Erwägungen - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - dem Land Wien als Hoheitsakt der öffentlichen Jugendwohlfahrt zuzurechnen.

3. 2. Der weiteren Ansicht des Berufungsgerichts, die Einwilligung der Mutter in die vorübergehende Unterbringung ihrer Tochter in der psychologischen Beobachtungsstation sei als Vertrag mit der beklagten Partei zu interpretieren, ist gleichfalls nicht zu folgen. Die Mutter willigte lediglich in eine Maßnahme ein, die sonst nach § 215 Abs 1 zweiter Satz ABGB erzwingbar gewesen wäre, bedurfte doch der Verdacht des sexuellen Missbrauchs der Minderjährigen durch den Adoptivvater jedenfalls einer sofortigen Klärung. Diese Einwilligung ist nicht mehr als eine Begleiterscheinung der Ausübung des dem Jugendwohlfahrtsträger gemäß § 215 Abs 1 zweiter Satz ABGB ermöglichten hoheitlichen Zwangs. In diesem Kontext ist maßgebend, dass den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen keine schriftliche Vereinbarung nach § 35 Abs 1 WrJWG 1990 zwischen "dem Magistrat" und den "Erziehungsberechtigten" - demnach der Mutter und dem Adoptivvater - über die Unterbringung der Minderjährigen in der psychologischen Beobachtungsstation des Landes Wien zu entnehmen ist.

3. 3. Das Gericht zweiter Instanz unterließ - ausgehend von seiner durch den Obersten Gerichtshof nicht gebilligten Rechtsansicht - eine Erledigung der in der Berufung des Klägers erstatteten Mängel- und Beweisrüge. Somit ist eine Teilaufhebung des angefochtenen Urteils unvermeidlich. Das Berufungsgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren über die Berufung des Klägers unter Erledigung der erwähnten Rügen neuerlich zu entscheiden haben. Soweit der Kläger sein Begehren ferner auf eine Zeugenaussage der Amtssachverständigen in dem gegen ihn geführten Strafverfahren stützte, mangelt es wegen der bereits ausgeführten Gründe an einem Hoheitsakt, der einem Amtshaftungsanspruch gegen die beklagte Partei als taugliche Grundlage dienen könnte.

3. 4. Die Kostenvorbehalte gründen sich auf § 52 Abs 1 und 2 ZPO.

Textnummer

E77801

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2005:0010OB00049.05W.0624.000

Im RIS seit

24.07.2005

Zuletzt aktualisiert am

24.11.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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