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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
ABGB §1332;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, in der Beschwerdesache des W in W, vertreten durch Dr. Alexander Pflaum, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Garnisongasse 7/12A, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 21. Mai 2001, Zl. MA 15-II-J 52/2001, betreffend Sozialhilfe, den Beschluss gefasst:
Spruch
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der mit hg. Verfügung vom 30. April 2002, Zl. 2001/11/0212-4, gesetzten Frist zur Behebung der im ursprünglichen Beschwerdeschriftsatz anhaftenden Mängel wird abgewiesen.
Die Beschwerde wird als gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt.
Begründung
1. Mit hg. Beschluss vom 30. April 2002 bewilligte der Verwaltungsgerichtshof dem Beschwerdeführer gemäß § 61 VwGG in der Beschwerdesache gegen den oben zitierten Bescheid der Wiener Landesregierung vom 21. Mai 2001 die Verfahrenshilfe, ua. durch die Beigebung eines Rechtsanwaltes. Mit hg. Verfügung vom selben Tag, Zl. 2001/11/0212-4, wurde der Beschwerdeschriftsatz gemäß § 34 Abs. 2 VwGG zur Behebung mehrerer, dem Beschwerdeschriftsatz anhaftender Mängel, darunter des Mangels des Fehlens einer Unterschrift eines Rechtsanwaltes, zurückgestellt. Zur Behebung der Mängel wurde eine Frist von vier Wochen vom Tag der Zustellung des Auftrags an gerechnet bestimmt. Dem Beschwerdeführer wurde ausdrücklich eingeräumt, einen neuen, dem Mängelbehebungsauftrag voll Rechnung tragenden Schriftsatz unter Wiedervorlage der zurückgestellten unverbesserten Beschwerde einzubringen.
Mit am 24. Juni 2002 zur Post gegebenen Schriftsatz seines Verfahrenshelfers stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 46 VwGG gegen die Versäumung der Frist zur Ausführung und Verbesserung der Beschwerde. Unter einem wurde die verbesserte Beschwerde in Form eines eigenen Beschwerdeschriftsatzes ausgeführt.
Das Wiedereinsetzungsvorbringen lautet (auszugsweise) wie folgt (teilweise anonymisiert):
"1. Dem Beschwerdeführer wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs, Zahl 2001/11/0212 vom 30. April 2002, die Verfahrenshilfe zur Ausführung und Verbesserung der bereits vom Beschwerdeführer rechtzeitig eingebrachten Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, Zahl 2001/11/0212, bewilligt.
Mit Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom 13.05.2002, Vz 890/2002, wurde Rechtsanwalt Dr. Alexander Pflaum, in der bezeichneten Rechtssache zum Verfahrenshelfer bestellt. Dieser Bescheid wurde dem genannten Rechtsanwalt zusammen mit den bezughabenden Unterlagen am 22.05.2002 zugestellt.
2. In der Kanzlei des Verfahrenshelfers werden sämtliche Gerichts- und Behördentermine in einem Terminkalender vermerkt. Eine dafür entsprechend geschulte Sekretärin trägt die Fristen nach Einlangen der jeweiligen Schriftstücke des Gerichts oder der Behörde in den Terminkalender ein und macht auf dem Schriftstück einen entsprechenden Vermerk. Sodann wird das Schriftstück dem Verfahrenshelfer zur Kontrolle vorgelegt.
3. Im gegenständlichen Fall hat die Sekretärin zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof die gesetzmäßig vorgesehene Frist von sechs Wochen mit 03.07.2002 im Fristenkalender vermerkt und den Akt dem einschreitenden Verfahrenshelfer vorgelegt. Dieser hat den Akt mit dem Ersuchen um Überprüfung der Frist seiner Rechtsanwaltsanwärterin, Mag. B(...) zugeteilt.
Fr. Mag. B(...) hat im Zuge der Überprüfung festgestellt, dass entsprechend des Verbesserungsauftrages des VwGH, Zahl 2001/11/0212-4 vom 30.04.2002, die Frist zur Behebung der Mängel und sohin näheren Ausführung der Beschwerde mit vier Wochen bestimmt wurde.
Fr. Mag. B(...) hat die Vier-Wochen-Frist mit einer Monats-Frist verwechselt und folgerichtig mit 24.06.2002 eingetragen. Hätte sie richtigerweise die Vier-Wochen-Frist eingetragen, wäre sie am 19.05.2002 geendet.
Bei Fr. Mag. B(...) handelt es sich um eine besonders verlässliche und engagierte junge Rechtsanwaltsanwärterin, die laufend im richtigen Verwalten von Fristen geschult wird und der auch nie ein vergleichbarer Fehler unterlaufen ist. Insbesondere ist ihr der Unterschied zwischen einem Monat und vier Wochen bekannt. Trotzdem hat Frau Mag. B(...) die Frist, aus heute nicht mehr erklärbaren Gründen, falsch eingetragen.
4. Fr. Mag. B(...) bereitete die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde - in ihren Augen fristgerecht - vor und legte sie dem Verfahrenshelfer am 24.06.2002, somit nach der am 19.06.2002 abgelaufenen Beschwerdefrist, vor.
Vereinbart zwischen Mag. B(...) und Dr. Pflaum war, dass sie die Beschwerde im Entwurf vorbereitet und dann alle relevanten Fragen mit dem Ausbildungs-Rechtsanwalt bespricht. Für diese Besprechung war der 10.06.2002 vorgesehen. Dabei wäre auch die Frist angesprochen worden. Tatsächlich haben sich aber die Recherchen zum Sachverhalt und zu den Rechtsfragen hingezogen, sodass Mag. B(...) zu diesem Zeitpunkt noch nicht berichtsbereit war. Jedenfalls hat Mag. B(...) die hier gegenständliche Beschwerde dem Ausbildungsanwalt erst am 24.06.2002 vorgelegt.
Der Verfahrenshelfer hat sodann erstmals Gelegenheit gehabt, die gegenständliche Frist zu überprüfen."
Dem Wiedereinsetzungsbegehren angeschlossen war ua. folgende eidesstättige Erklärung des Verfahrenshelfers (im Folgenden teilweise anonymisiert):
"Ich, Dr. Alexander Pflaum, Rechtsanwalt gebe an Eides statt an, dass mein Kanzleibetrieb folgendermaßen organisiert ist:
Fristen sind von der Sekretärin zu überprüfen und im Fristenkalender einzutragen. Sodann werden mir die Akten vorgelegt. Gegenständlichen Akt habe ich an meine RAA Mag. B(...) zur Überprüfung der Frist und Ausführung der Beschwerde weitergeleitet. Dabei hat Mag. B(...) die vier-Wochen-Frist irrtümlich als eine ein-Monats-Frist eingetragen.
Mag. B(...) hat sich als RAA ausgezeichnet in meiner Kanzlei bewährt und sämtliche ihr übertragenen Angelegenheiten immer zu meiner vollsten Zufriedenheit erledigt. Ich konnte mich bisher voll und ganz auf sie verlassen, insbesondere auf ihr pflichtbewusstes und genaues Arbeiten. Gegenständlicher Akt wurde mir aber erst am letzten Tag der (vermeintlichen) Frist, d.h. am 24.5.2002, samt der bereits ausgearbeiteten Beschwerde vorgelegt. Dabei ist mir das Fristversäumnis aufgefallen."
2.1. Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - unter anderem - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Ein Verschulden des Vertreters wird nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einem Verschulden des Vertretenen gleichgesetzt und somit der Partei zugerechnet (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 2001, Zl. 2000/20/0436, mwN, das auch auf die Besonderheiten des Asylverfahrens Bedacht nimmt). Eine Fristversäumung auf Grund eines Versehens von Kanzleiangestellten - oder von Rechtsanwaltsanwärtern - beruht auf einem Verschulden des Rechtsanwaltes, wenn dieser die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle gegenüber dem Angestellten unterlassen hat, wobei ein dabei unterlaufenes Versehen minderen Grades nicht schadet. Insbesondere muss der Rechtsanwalt die Organisation seines Kanzleibetriebes so einrichten, dass die erforderliche und fristgerechte Setzung von Prozesshandlungen sichergestellt ist. Zu beurteilen ist demnach das Verhalten des Rechtsanwaltes selbst. Dieser darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht grob schuldhaft außer Acht gelassen haben (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 16. Mai 2002, Zlen. 2002/20/0226, 0227, mwN). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Wiedereinsetzungsantrag in Ansehung der Erfüllung der nach der Sachlage gebotenen Sorgfalts- und Überwachungspflicht zu substanziieren, widrigenfalls eine Beurteilung dahin, dass dem Rechtsanwalt bloß ein Versehen minderen Grades zur Last liegt, nicht möglich ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. April 2001, Zl. 2000/08/0214, mwN).
Schon die Schilderung der Organisation des Kanzleibetriebes des Verfahrenshelfers lässt erkennen, dass diesem eine den Grad des minderen Versehens übersteigende Fahrlässigkeit zur Last fällt.
Wie im oben wiedergegebenen Wiedereinsetzungsantrag ausgeführt wird, habe die Sekretärin im Beschwerdefall "zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof die gesetzmäßig vorgesehene Frist von sechs Wochen ... im Fristenkalender vermerkt und den Akt dem einschreitenden Verfahrenshelfer vorgelegt". Dieser habe den Akt "mit dem Ersuchen um Überprüfung der Frist" seiner Rechtsanwaltsanwärterin zugeteilt. Dieses Vorbringen lässt nicht erkennen, welche Vorkehrungen der Verfahrenshelfer getroffen hat, um zu verhindern, dass - wie im vorliegenden Fall - eine sechswöchige Beschwerdefrist in den Fristenkalender eingetragen wird, obwohl der Verwaltungsgerichtshof für die Verbesserung der dem ursprünglichen Beschwerdeschriftsatz anhaftenden Mängel eine Frist von nur vier Wochen gesetzt hat. Wenn der Verfahrenshelfer ausführt, er habe den Akt "mit dem Ersuchen um Überprüfung der Frist" seiner Rechtsanwaltsanwärterin zugeteilt, so bringt er damit nicht vor, die das Fristende determinierende Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes überhaupt gelesen zu haben. Er bringt aber auch nicht vor, wie er anlässlich der Zuteilung des Aktes an seine Rechtsanwaltsanwärterin sicherstellen konnte, dass ihm die Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes noch fristgerecht, mithin vor Ablauf einer vom Rechtsanwalt selbst gar nicht zur Kenntnis genommenen Frist, würde vorgelegt werden. Selbst wenn man berücksichtigt, dass im Beschwerdefall im Zeitpunkt der für den 10. Juni 2002 in Aussicht genommenen Besprechung des Aktes durch die Rechtsanwaltswärterin und den Verfahrenshelfer noch keine Verfristung vorlag, fehlt es an jeglichem substanziierten Vorbringen, wie der Verfahrenshelfer die Einhaltung dieses Besprechungstermins, von dem die Kenntnis des Fristendes abhing, sicherstellen wollte. Auch der Umstand, dass in der eidesstättigen Erklärung des Rechtsanwaltes davon die Rede ist, dass er den gegenständlichen Akt an seine Rechtsanwaltsanwärterin "zur Überprüfung der Frist und Ausführung der Beschwerde weitergeleitet" hätte, zeigt zumindest nicht auf, dass dem Verfahrenshelfer aus Anlass der Weiterleitung überhaupt klar geworden war, dass im vorliegenden Fall nicht eine sechswöchige Beschwerdefrist, sondern eine sich aus der Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes ergebende vierwöchige Mängelverbesserungsfrist einzuhalten war.
Aus diesen Erwägungen war der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Mängelbehebungsfrist abzuweisen.
2.2. Im Wiedereinsetzungsantrag wird ausgeführt, dem Verfahrenshelfer sei der Bescheid, womit er zum Verfahrenshelfer bestellt wurde, "zusammen mit den bezughabenden Unterlagen", und damit auch der Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes (des Mängelbehebungsauftrags) am 22. Mai 2002 zugestellt worden. Vor dem Hintergrund dieses Vorbringens erweist sich die erst am 24. Juni 2002 und damit nach Ablauf der vierwöchigen Mängelbehebungsfrist zur Post gegebene Mängelbehebung als verfristet.
Gemäß § 34 Abs. 2 erster Satz (letzter Halbsatz) VwGG gilt die Versäumung der Mängelbehebungsfrist als Zurückziehung der Beschwerde.
Die Beschwerde war daher in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.
Wien, am 25. Juli 2007
Schlagworte
FristEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2001110212.X00Im RIS seit
16.10.2007