TE OGH 2005/7/12 4Ob135/05i

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Veröffentlicht am 12.07.2005
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Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen Claudia R*****, geboren am 21. September 1987, vertreten durch die Mutter Edith Theresia R*****, diese vertreten durch Dr. Christian Nurschinger, Rechtsanwalt in Wien, über den Revisionsrekurs der Minderjährigen gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 4. April 2005, GZ 43 R 144/05b-21, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 7. Februar 2005, GZ 7 P 237/04m-11, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung wird zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Im Hinblick auf das Entscheidungsdatum des Erstgerichts sind die Bestimmungen des AußStrG 2003, BGBl I 2003/111, über den Rekurs und den Revisionsrekurs (§§ 45 bis 71) bereits anzuwenden (§ 203 Abs 7). Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) - Ausspruch des Rekursgerichts ist der ordentliche Revisionsrekurs jedoch nicht zulässig.Im Hinblick auf das Entscheidungsdatum des Erstgerichts sind die Bestimmungen des AußStrG 2003, BGBl römisch eins 2003/111, über den Rekurs und den Revisionsrekurs (Paragraphen 45 bis 71) bereits anzuwenden (Paragraph 203, Absatz 7,). Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (Paragraph 71, Absatz eins, AußStrG) - Ausspruch des Rekursgerichts ist der ordentliche Revisionsrekurs jedoch nicht zulässig.

1. Das Rekursgericht hat keine Rechtsfragen im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG aufgezeigt, sondern lediglich darauf hingewiesen, dass „im Hinblick auf das erst am 1. Jänner 2005 erfolgte Inkrafttreten des AußStrG 2003" eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 16 (Sammlung der Entscheidungsgrundlagen) und § 49 Abs 2 AußStrG (Zulässigkeit von Neuerungen) fehlt. Das Fehlen höchstgerichtlicher Rechtsprechung allein reicht aber nicht aus, wenn eine klare Rechtslage besteht (vgl 2 Ob 16/99p).1. Das Rekursgericht hat keine Rechtsfragen im Sinne des Paragraph 62, Absatz eins, AußStrG aufgezeigt, sondern lediglich darauf hingewiesen, dass „im Hinblick auf das erst am 1. Jänner 2005 erfolgte Inkrafttreten des AußStrG 2003" eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu Paragraph 16, (Sammlung der Entscheidungsgrundlagen) und Paragraph 49, Absatz 2, AußStrG (Zulässigkeit von Neuerungen) fehlt. Das Fehlen höchstgerichtlicher Rechtsprechung allein reicht aber nicht aus, wenn eine klare Rechtslage besteht vergleiche 2 Ob 16/99p).

2. Die Minderjährige vertritt im Revisionsrekurs die Auffassung, die Vorinstanzen wären im Hinblick auf § 16 Abs 1 AußStrG gehalten gewesen, die Einkommensverhältnisse ihres Vaters ohne Rücksicht auf ihr Vorbringen und ihre Beweisanträge zu ermitteln und sie zu vernehmen; im Übrigen gebiete der Schutz von minderjährigen Antragstellern (auch) die Zulassung von Neuerungen.2. Die Minderjährige vertritt im Revisionsrekurs die Auffassung, die Vorinstanzen wären im Hinblick auf Paragraph 16, Absatz eins, AußStrG gehalten gewesen, die Einkommensverhältnisse ihres Vaters ohne Rücksicht auf ihr Vorbringen und ihre Beweisanträge zu ermitteln und sie zu vernehmen; im Übrigen gebiete der Schutz von minderjährigen Antragstellern (auch) die Zulassung von Neuerungen.

Die Minderjährige war im gesamten Verfahren rechtsfreundlich vertreten. Ihrem Vertreter wurde das gerichtliche Protokoll vom 14. Dezember 2004 mit der Aussage des Vaters über seine Einkommensverhältnisse „zur Äußerung" zugestellt (AS 51). Erst nach Abgabe der schriftlichen Abfassung des erstinstanzlichen Beschlusses zur Ausfertigung (§ 40 AußStrG) berief sich die Minderjährige auf weiteres Einkommen des Vaters. Weder zu diesem Zeitpunkt noch in ihrem Rekurs legte sie allerdings dar, weshalb dieses Vorbringen nicht bereits vor Beschlussfassung erster Instanz erstattet worden ist. Auch im Revisionsrekurs führt sie dazu lediglich aus, „Minderjährige haben eben typischerweise keinen vollständigen Überblick über die Einkommenssituation ihrer Eltern". Wann konkret und auf welche Weise sie vom (angeblichen) weiteren Einkommen des Vaters erfahren haben will, legt sie jedoch nicht dar.Die Minderjährige war im gesamten Verfahren rechtsfreundlich vertreten. Ihrem Vertreter wurde das gerichtliche Protokoll vom 14. Dezember 2004 mit der Aussage des Vaters über seine Einkommensverhältnisse „zur Äußerung" zugestellt (AS 51). Erst nach Abgabe der schriftlichen Abfassung des erstinstanzlichen Beschlusses zur Ausfertigung (Paragraph 40, AußStrG) berief sich die Minderjährige auf weiteres Einkommen des Vaters. Weder zu diesem Zeitpunkt noch in ihrem Rekurs legte sie allerdings dar, weshalb dieses Vorbringen nicht bereits vor Beschlussfassung erster Instanz erstattet worden ist. Auch im Revisionsrekurs führt sie dazu lediglich aus, „Minderjährige haben eben typischerweise keinen vollständigen Überblick über die Einkommenssituation ihrer Eltern". Wann konkret und auf welche Weise sie vom (angeblichen) weiteren Einkommen des Vaters erfahren haben will, legt sie jedoch nicht dar.

Aus § 49 Abs 2 AußStrG ergibt sich - jedenfalls für rechtsfreundlich vertretene - Parteien die Pflicht, die Zulässigkeit von Neuerungen (neu vorgebrachte Tatsachen und angebotene Beweismittel) zu behaupten und schlüssig darzulegen (Fucik/Kloiber aaO § 49 Rz 3 am Ende), insbesondere also auszuführen, weshalb es sich bei der Verspätung (Unterlassung) des Vorbringens um eine entschuldbare Fehlleistung gehandelt hat. § 16 Abs 2 AußStrG enthält eine Wahrheits- und Vollständigkeits- sowie eine Mitwirkungspflicht der Parteien. Diese sind nämlich angehalten, vollständig und wahrheitsgemäß alle ihnen bekannten, für die Entscheidung des Gerichts maßgebenden Tatsachen und Beweise vorzubringen bzw anzubieten.Aus Paragraph 49, Absatz 2, AußStrG ergibt sich - jedenfalls für rechtsfreundlich vertretene - Parteien die Pflicht, die Zulässigkeit von Neuerungen (neu vorgebrachte Tatsachen und angebotene Beweismittel) zu behaupten und schlüssig darzulegen (Fucik/Kloiber aaO Paragraph 49, Rz 3 am Ende), insbesondere also auszuführen, weshalb es sich bei der Verspätung (Unterlassung) des Vorbringens um eine entschuldbare Fehlleistung gehandelt hat. Paragraph 16, Absatz 2, AußStrG enthält eine Wahrheits- und Vollständigkeits- sowie eine Mitwirkungspflicht der Parteien. Diese sind nämlich angehalten, vollständig und wahrheitsgemäß alle ihnen bekannten, für die Entscheidung des Gerichts maßgebenden Tatsachen und Beweise vorzubringen bzw anzubieten.

Vor dem Hintergrund dieser - ihrem Wortlaut nach klaren - Bestimmungen begegnet die Auffassung des Rekursgerichts, das erstinstanzliche Verfahren sei mängelfrei geblieben, keinen Bedenken. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass § 66 AußStrG 2003 über die Revisionsrekursgründe im Wesentlichen § 15 AußStrG 1854 entspricht (Fucik/Kloiber, AußStrG [2005] § 66 Rz 1). Ein vom Rekursgericht verneinter Mangel des Verfahrens erster Instanz kann im Revisionsrekurs daher (weiterhin) grundsätzlich nicht mehr geltend gemacht werden (vgl RIS-Justiz RS0030748, RS0050037; Fucik/Kloiber aaO Rz 3). Die diesen Grundsatz einschränkende, von der Rechtsprechung entwickelte Negativvoraussetzung, „sofern eine Durchbrechung dieses Grundsatzes nicht aus Gründen des Kindeswohls erforderlich ist", ist im Regelfall nur in Obsorge- und Besuchsrechtsverfahren von Bedeutung. In Unterhaltsverfahren müssen besondere Umstände vorliegen, die es rechtfertigen, sowohl das grundsätzliche Neuerungsverbot des § 49 als auch die sich aus § 16 Abs 2 AußStrG ergebenden Parteienpflichten zu unterlaufen. Dass im vorliegenden Verfahren solche Umstände gegeben wären, ist nicht ersichtlich.Vor dem Hintergrund dieser - ihrem Wortlaut nach klaren - Bestimmungen begegnet die Auffassung des Rekursgerichts, das erstinstanzliche Verfahren sei mängelfrei geblieben, keinen Bedenken. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass Paragraph 66, AußStrG 2003 über die Revisionsrekursgründe im Wesentlichen Paragraph 15, AußStrG 1854 entspricht (Fucik/Kloiber, AußStrG [2005] Paragraph 66, Rz 1). Ein vom Rekursgericht verneinter Mangel des Verfahrens erster Instanz kann im Revisionsrekurs daher (weiterhin) grundsätzlich nicht mehr geltend gemacht werden vergleiche RIS-Justiz RS0030748, RS0050037; Fucik/Kloiber aaO Rz 3). Die diesen Grundsatz einschränkende, von der Rechtsprechung entwickelte Negativvoraussetzung, „sofern eine Durchbrechung dieses Grundsatzes nicht aus Gründen des Kindeswohls erforderlich ist", ist im Regelfall nur in Obsorge- und Besuchsrechtsverfahren von Bedeutung. In Unterhaltsverfahren müssen besondere Umstände vorliegen, die es rechtfertigen, sowohl das grundsätzliche Neuerungsverbot des Paragraph 49, als auch die sich aus Paragraph 16, Absatz 2, AußStrG ergebenden Parteienpflichten zu unterlaufen. Dass im vorliegenden Verfahren solche Umstände gegeben wären, ist nicht ersichtlich.

Damit war der Revisionsrekurs der Minderjährigen aber zurückzuweisen.

Gemäß § 101 Abs 2 AußStrG findet in Verfahren über Unterhaltsansprüche eines minderjährigen Kindes ein Kostenersatz nicht statt. Dies gilt auch für das Revisionsrekursverfahren, obwohl § 6 Abs 1 AußStrG dort grundsätzlich Vertretungspflicht vorsieht.Gemäß Paragraph 101, Absatz 2, AußStrG findet in Verfahren über Unterhaltsansprüche eines minderjährigen Kindes ein Kostenersatz nicht statt. Dies gilt auch für das Revisionsrekursverfahren, obwohl Paragraph 6, Absatz eins, AußStrG dort grundsätzlich Vertretungspflicht vorsieht.

Textnummer

E77959

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2005:0040OB00135.05I.0712.000

Im RIS seit

11.08.2005

Zuletzt aktualisiert am

16.11.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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