TE OGH 2005/7/12 4Ob137/05h

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Veröffentlicht am 12.07.2005
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Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der betroffenen Person Günter P*****, vertreten durch Dr. Fritz Miller, Rechtsanwalt in Schruns, infolge Revisionsrekurses der betroffenen Person gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 10. Mai 2005, GZ 3 R 135/05h-20, womit der Rekurs der betroffenen Person gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Montafon vom 26. April 2005, GZ 2 P 56/04d-17, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Antrag auf Zuspruch von Kosten des Revisionsrekurses wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht bestellte nach Erstanhörung die Tochter der betroffenen Person zum Verfahrenssachwalter (Beschluss vom 16. 9. 2004). Die betroffene Person scheine nach den Ergebnissen der Erstanhörung nicht in der Lage zu sein, alle ihre Angelegenheiten ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen. Den dagegen - verspätet - erhobenen Rekurs der betroffenen Person - sie ist nunmehr durch einen Rechtsanwalt vertreten - wies das Rekursgericht aus der Überlegung zurück, das verspätete Rechtsmittel sei auch in der Sache nicht berechtigt. Nach dem vom Rechtsmittelwerber vorgelegten ärztlichen Attest könnten Anhaltspunkte für eine psychische Krankheit oder geistige Behinderung nicht ausgeschlossen werden, sodass die Einholung eines weiteren ärztlichen Gutachtens erforderlich sei. Bedenken gegen die Einleitung und Fortsetzung des Sachwalterschaftsverfahrens bestünden nicht.

Mit dem nun angefochtenen Beschluss bestellte das Erstgericht Dr. Wilhelm J***** zum Sachverständigen mit dem Auftrag, Befund und Gutachten darüber zu erstatten, ob die betroffene Person an einer psychischen Krankheit oder an einer geistigen Behinderung leidet und dadurch allenfalls nicht in der Lage ist, alle oder einzelne bzw welche ihrer Angelegenheiten selbstständig zu besorgen.

Das Rekursgericht wies den dagegen erhobenen Rekurs der betroffenen Person zurück. Nach § 45 AußStrG nF könne der Beschluss über die Bestellung des Sachverständigen nicht selbstständig, sondern nur mit Rekurs gegen die Entscheidung in der Sache angefochten werden. Eine davon abweichende Sonderregelung für verfahrensleitende Beschlüsse im Sachwalterschaftsverfahren bestehe nicht. Der bekämpfte Beschluss sei auch nicht als (selbstständig bekämpfbarer) Einleitungsbeschluss zu verstehen, weil die Voraussetzungen für die Einleitung bzw Fortsetzung des Verfahrens bereits mit Beschluss vom 16. 9. 2004 inhaltlich geprüft worden seien.Das Rekursgericht wies den dagegen erhobenen Rekurs der betroffenen Person zurück. Nach Paragraph 45, AußStrG nF könne der Beschluss über die Bestellung des Sachverständigen nicht selbstständig, sondern nur mit Rekurs gegen die Entscheidung in der Sache angefochten werden. Eine davon abweichende Sonderregelung für verfahrensleitende Beschlüsse im Sachwalterschaftsverfahren bestehe nicht. Der bekämpfte Beschluss sei auch nicht als (selbstständig bekämpfbarer) Einleitungsbeschluss zu verstehen, weil die Voraussetzungen für die Einleitung bzw Fortsetzung des Verfahrens bereits mit Beschluss vom 16. 9. 2004 inhaltlich geprüft worden seien.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Anfechtbarkeit verfahrensleitender Beschlüsse, insbesondere von Sachverständigenbestellungsbeschlüssen in Sachwalterschaftsverfahren, auf die bereits das Außerstreitgesetz nF anzuwenden sei, fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der betroffenen Person ist aus den vom Rekursgericht angeführten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.

Das erstgerichtliche Verfahren wurde vor dem 31. 12. 2004 eingeleitet, die Entscheidung des Erstgerichts erging nach dem 31. 12. 2004. Auf das Rechtsmittelverfahren sind daher die Bestimmungen des Außerstreitgesetzes nF anzuwenden (§ 203 Abs 7 AußStrG nF). Auf das bereits vor Inkrafttreten des Außerstreitgesetzes nF anhängig gemachte Verfahren selbst sind - mit hier nicht maßgeblichen Ausnahmen - die neuen Bestimmungen gleichfalls anzuwenden (§ 199 AußStrG nF).Das erstgerichtliche Verfahren wurde vor dem 31. 12. 2004 eingeleitet, die Entscheidung des Erstgerichts erging nach dem 31. 12. 2004. Auf das Rechtsmittelverfahren sind daher die Bestimmungen des Außerstreitgesetzes nF anzuwenden (Paragraph 203, Absatz 7, AußStrG nF). Auf das bereits vor Inkrafttreten des Außerstreitgesetzes nF anhängig gemachte Verfahren selbst sind - mit hier nicht maßgeblichen Ausnahmen - die neuen Bestimmungen gleichfalls anzuwenden (Paragraph 199, AußStrG nF).

Gemäß § 45 AußStrG nF sind verfahrensleitende Beschlüsse - soweit nicht ihre selbstständige Anfechtbarkeit angeordnet ist, nur mit Rekurs gegen die Entscheidung über die (Haupt-)Sache anfechtbar. Demnach können verfahrensleitende Beschlüsse nur dann selbstständig angefochten werden, wenn dies ausdrücklich, dh im allgemeinen oder besonderen Teil des Außerstreitgesetzes oder einer sonstigen gesetzlichen Bestimmung angeordnet ist.Gemäß Paragraph 45, AußStrG nF sind verfahrensleitende Beschlüsse - soweit nicht ihre selbstständige Anfechtbarkeit angeordnet ist, nur mit Rekurs gegen die Entscheidung über die (Haupt-)Sache anfechtbar. Demnach können verfahrensleitende Beschlüsse nur dann selbstständig angefochten werden, wenn dies ausdrücklich, dh im allgemeinen oder besonderen Teil des Außerstreitgesetzes oder einer sonstigen gesetzlichen Bestimmung angeordnet ist.

Die Materialien zu § 45 führen dazu aus (Erläut RV zu § 47 abgedruckt in Fucik/Kloiber, AußStrG 175), verfahrensleitende Entscheidungen seien grundsätzlich nicht mit einem selbstständigen Rekurs überprüfbar. Ihre inhaltliche Überprüfung finde erst aus Anlass eines Rekurses gegen die Hauptsache statt, wobei die unrichtige Lösung der dem verfahrensleitenden Beschluss zugrundeliegenden Rechtsfragen zu einer Mangelhaftigkeit des Verfahrens führen könne. Eine Definition des Begriffs „verfahrensleitende Beschlüsse" enthalten die Materialien bewusst nicht; sie verweisen dazu auf die „zivilprozessuale Praxis" (Fucik/Kloiber aaO 176).Die Materialien zu Paragraph 45, führen dazu aus (Erläut RV zu Paragraph 47, abgedruckt in Fucik/Kloiber, AußStrG 175), verfahrensleitende Entscheidungen seien grundsätzlich nicht mit einem selbstständigen Rekurs überprüfbar. Ihre inhaltliche Überprüfung finde erst aus Anlass eines Rekurses gegen die Hauptsache statt, wobei die unrichtige Lösung der dem verfahrensleitenden Beschluss zugrundeliegenden Rechtsfragen zu einer Mangelhaftigkeit des Verfahrens führen könne. Eine Definition des Begriffs „verfahrensleitende Beschlüsse" enthalten die Materialien bewusst nicht; sie verweisen dazu auf die „zivilprozessuale Praxis" (Fucik/Kloiber aaO 176).

Die Rechtsprechung zählt zu den verfahrensleitenden Beschlüssen seit jeher im Rahmen eines Beweisverfahrens gefällte Entscheidungen, die der Stoffsammlung dienen und deren Ziel es ist, die Sachverhaltsgrundlage für die gerichtliche Sachentscheidung zu klären; so etwa auch Sachverständigenbestellungsbeschlüsse (7 Ob 578/84 = SZ 57/124; 6 Ob 277/00d; 6 Ob 329/00a; 6 Ob 321/01a; 7 Ob 64/05w). Die Anfechtbarkeit von Sachverständigenbestellungsbeschlüssen im außerstreitigen Verfahren wurde in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bisher nicht einheitlich beurteilt. So wurden zwar die Rechtsmittelbeschränkungen der ZPO auch für Beschlüsse im außerstreitigen Verfahren angewendet, mit denen Beweisaufnahmen angeordnet und Sachverständige bestellt wurden. Ein Teil der Rechtsprechung schränkte die Anwendbarkeit der ZPO aber auf Fälle ein, in denen nur die Auswahl des Sachverständigen, nicht aber die Einholung des Sachverständigenbeweises an sich bekämpft wurde. Ein Rekurs, durch den geklärt werden soll, ob ein Sachverständiger zu bestellen ist, wird in vielen Entscheidungen für zulässig erachtet (zur Darstellung der Judikaturdivergenz s 4 Ob 171/03f mwN; RIS-Justiz RS0006284 und RS0040607). In seiner Entscheidung 6 Ob 277/00d vertrat der Oberste Gerichtshof schließlich die Auffassung, die Bestellung eines Sachverständigen und die Festlegung des Umfangs der Begutachtung diene der im Verfahren außer Streitsachen von Amts wegen vorzunehmenden Stoffsammlung und greife als Beweisaufnahme (noch) nicht in die Rechtssphäre der Parteien ein. Erst die Gutachtenserstattung und ihre rechtliche Verwertung durch das Gericht führe zu einem anfechtbaren Ergebnis.

§ 45 zweiter Satz AußStrG nF löst diese in der Rechtsprechung divergent beantwortete Frage der Anfechtbarkeit von Sachverständigenbestellungsbeschlüssen in Bezug auf die nach dem 31. 12. 2004 gefassten Beschlüsse: Als verfahrensleitende Beschlüsse sind sie erst mit dem Rekurs gegen die Entscheidung über die Hauptsache anfechtbar (s auch Fucik/Kloiber aaO § 35 Rz 2 und § 45 Rz 2). Die Einschränkung des Gesetzgebers „soweit nicht ihre selbstständige Anfechtung angeordnet ist" kommt im Zusammenhang mit Sachverständigenbestellungsbeschlüssen im Sachwalterschaftsverfahren nicht zum Tragen. Derartige Anordnungen finden sich nämlich weder in den allgemeinen noch in den besonderen Bestimmungen des Außerstreitgesetzes nF. § 35 AußStrG nF sieht eine sinngemäße Anwendung der Bestimmungen der Zivilprozessordnung über die einzelnen Beweismittel nur insoweit vor, als das Außerstreitgesetz keine andere Anordnung trifft. Einer sinngemäßen Anwendung des § 514 Abs 1 ZPO (wonach der Rekurs gegen Beschlüsse grundsätzlich zulässig ist, sofern das Gesetz eine Anfechtung nicht ausschließt), kommt bei der Anfechtbarkeit von Sachverständigenbestellungsbeschlüssen wegen der für die verfahrensleitende Beschlüsse geltenden Sonderbestimmung des § 45 zweiter Satz AußStrG nicht in Betracht.Paragraph 45, zweiter Satz AußStrG nF löst diese in der Rechtsprechung divergent beantwortete Frage der Anfechtbarkeit von Sachverständigenbestellungsbeschlüssen in Bezug auf die nach dem 31. 12. 2004 gefassten Beschlüsse: Als verfahrensleitende Beschlüsse sind sie erst mit dem Rekurs gegen die Entscheidung über die Hauptsache anfechtbar (s auch Fucik/Kloiber aaO Paragraph 35, Rz 2 und Paragraph 45, Rz 2). Die Einschränkung des Gesetzgebers „soweit nicht ihre selbstständige Anfechtung angeordnet ist" kommt im Zusammenhang mit Sachverständigenbestellungsbeschlüssen im Sachwalterschaftsverfahren nicht zum Tragen. Derartige Anordnungen finden sich nämlich weder in den allgemeinen noch in den besonderen Bestimmungen des Außerstreitgesetzes nF. Paragraph 35, AußStrG nF sieht eine sinngemäße Anwendung der Bestimmungen der Zivilprozessordnung über die einzelnen Beweismittel nur insoweit vor, als das Außerstreitgesetz keine andere Anordnung trifft. Einer sinngemäßen Anwendung des Paragraph 514, Absatz eins, ZPO (wonach der Rekurs gegen Beschlüsse grundsätzlich zulässig ist, sofern das Gesetz eine Anfechtung nicht ausschließt), kommt bei der Anfechtbarkeit von Sachverständigenbestellungsbeschlüssen wegen der für die verfahrensleitende Beschlüsse geltenden Sonderbestimmung des Paragraph 45, zweiter Satz AußStrG nicht in Betracht.

Der Rechtsmittelwerber macht schließlich noch geltend, der Beschluss des Erstgerichts sei nicht nur verfahrensleitender Natur im Sinn des § 45 AußStrG. Das von ihm beigebrachte Privatgutachten habe klargestellt, dass die Voraussetzungen für die Bestellung eines Sachwalters nicht gegeben seien. Das Verfahren hätte daher eingestellt werden müssen. Mit seinem Beschluss auf Bestellung eines weiteren Sachverständigen habe das Erstgericht zu erkennen gegeben, dass es dem Privatgutachten nicht folgen und das beauftragte weitere Gutachten Grundlage seiner Entscheidung sein werde. Die Sachverständigenbestellung sei daher Teil seiner Sachentscheidung über die Sachwalterschaft.Der Rechtsmittelwerber macht schließlich noch geltend, der Beschluss des Erstgerichts sei nicht nur verfahrensleitender Natur im Sinn des Paragraph 45, AußStrG. Das von ihm beigebrachte Privatgutachten habe klargestellt, dass die Voraussetzungen für die Bestellung eines Sachwalters nicht gegeben seien. Das Verfahren hätte daher eingestellt werden müssen. Mit seinem Beschluss auf Bestellung eines weiteren Sachverständigen habe das Erstgericht zu erkennen gegeben, dass es dem Privatgutachten nicht folgen und das beauftragte weitere Gutachten Grundlage seiner Entscheidung sein werde. Die Sachverständigenbestellung sei daher Teil seiner Sachentscheidung über die Sachwalterschaft.

Dem ist entgegenzuhalten, dass die Bestellung des Sachverständigen und der an ihn erteilte Gutachtensauftrag lediglich der Verbreiterung der Sachverhaltsgrundlage dient, um dem Gericht die in § 13 Abs 1 AußStrG angeordnete „erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung des Verfahrensgegenstands" zu ermöglichen (6 Ob 277/00d zu § 2 Abs 2 Z 5 AußStrG aF). Dass das Erstgericht das mit einem früheren, rechtskräftig gewordenen Beschluss eingeleitete Verfahren nach Vorlage des Privatgutachtens nicht sofort eingestellt, sondern ein Gerichtsgutachten in Auftrag gegeben hat, enthält schon deshalb keine in die Rechtssphäre des Betroffenen eingreifende formale Ablehnung der Verfahrenseinstellung, weil es dabei nicht über einen Antrag entschieden hat, sondern vielmehr nur seiner amtswegigen Prüfpflicht nachgekommen ist.Dem ist entgegenzuhalten, dass die Bestellung des Sachverständigen und der an ihn erteilte Gutachtensauftrag lediglich der Verbreiterung der Sachverhaltsgrundlage dient, um dem Gericht die in Paragraph 13, Absatz eins, AußStrG angeordnete „erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung des Verfahrensgegenstands" zu ermöglichen (6 Ob 277/00d zu Paragraph 2, Absatz 2, Ziffer 5, AußStrG aF). Dass das Erstgericht das mit einem früheren, rechtskräftig gewordenen Beschluss eingeleitete Verfahren nach Vorlage des Privatgutachtens nicht sofort eingestellt, sondern ein Gerichtsgutachten in Auftrag gegeben hat, enthält schon deshalb keine in die Rechtssphäre des Betroffenen eingreifende formale Ablehnung der Verfahrenseinstellung, weil es dabei nicht über einen Antrag entschieden hat, sondern vielmehr nur seiner amtswegigen Prüfpflicht nachgekommen ist.

Das Rekursgericht hat zutreffend die Zulässigkeit des selbstständig erhobenen Rekurses gegen die Sachverständigenbestellung verneint. Dem unberechtigten Revisionsrekurs der betroffenen Person war nicht Folge zu geben.

Ein Ersatz der Kosten des Rechtsmittelverfahrens kommt nicht in Betracht, weil die Sachwalterschaftssache vor dem 1. 1. 2005 anhängig gemacht wurde (§ 203 Abs 9 Satz 1 AußStrG nF).Ein Ersatz der Kosten des Rechtsmittelverfahrens kommt nicht in Betracht, weil die Sachwalterschaftssache vor dem 1. 1. 2005 anhängig gemacht wurde (Paragraph 203, Absatz 9, Satz 1 AußStrG nF).

Textnummer

E77960

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2005:0040OB00137.05H.0712.000

Im RIS seit

11.08.2005

Zuletzt aktualisiert am

16.11.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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