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L37039 Lustbarkeitsabgabe Vergnügungssteuer Wien;Norm
ABGB §1151;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kinsky, über die Beschwerde der "E GmbH in Wien, vertreten durch Borth & Müller, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Landhausgasse 4, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission Wien, vom 25. Februar 2005, ABK - 44/04, betreffend u.a. Haftung für Vergnügungssteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 1.171,20 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
OR hat im Zeitraum November 1989 bis März 1990 im Lokal der Beschwerdeführerin in Wien, P-Platz, vergnügungssteuerpflichtige Publikumstanzveranstaltungen durchgeführt. Strittig ist, ob die Beschwerdeführerin für durch die Publikumsveranstaltungen des OR ausgelöste Vergnügungssteuer in Höhe von 3.990,10 Euro (vormals 54.905 S) nach der Bestimmung des § 13 Abs 4 VGSG zur Haftung herangezogen werden durfte.
Der angefochtene Bescheid ist im fortgesetzten Verfahren ergangen, nachdem der Verwaltungsgerichtshof die Berufungsentscheidung der belangten Behörde mit Erkenntnis vom 21. Oktober 1999, 97/15/0087, auf welches zur weiteren Sachverhaltsdarstellung verwiesen wird, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben hat. In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichthof ausgesprochen, die Beschwerdeführerin habe im Verwaltungsverfahren stets vorgebracht, sie habe OR die Räumlichkeiten für die Abhaltung von Publikumstanzveranstaltungen vermietet. § 13 Abs 4 VGSG normiere die uneingeschränkte Haftung des Inhabers der für die Vergnügung benützten Räume und andererseits, soweit die Steuerpflicht in einem Pachtbetrieb entstehe, die mehrfach eingeschränkte Haftung des Verpächters. Mit dem Inhaber spreche § 13 Abs 4 VGSG den Fall der unmittelbaren Innehabung (im Wesentlichen die Möglichkeit der Bestimmung des im Raum ausgeübten faktischen Geschehens) an. Der Vermieter sei kein Inhaber iSd § 13 Abs 4 VGSG. Dem seinerzeit angefochtenen Bescheid fehle die Darstellung jenes Sachverhaltes, aufgrund dessen die belangte Behörde die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals "Inhaber der für die Vergnügung benützten Räume oder Grundstücke" angenommen habe. Zudem habe die belangte Behörde die Ermessensentscheidung, die Beschwerdeführerin zur Haftung heranzuziehen, nicht begründet.
Mit dem Spruchpunkt II des nunmehr angefochtenen Bescheides hat die belangte Behörde die Berufung erneut abgewiesen und damit die Beschwerdeführerin im Instanzenzug zur Haftung nach § 13 Abs 4 VGSG herangezogen. Die Innehabung im Sinne einer Sachherrschaft sei nach Ansicht der belangten Behörde auch gegeben, sollten vom Inhaber sozial abhängige Personen, zB Angestellte, die Sache innehaben. Im Beschwerdefall seien orts- und sachkundige Mitarbeiter der Beschwerdeführerin, wie zB Techniker, für den Primärschuldner der Vergnügungssteuer OR tätig gewesen. Zwar seien diese Arbeitnehmer der Beschwerdeführerin bloß in ihrer Freizeit für OR tätig geworden, dies ändere aber nichts an der dadurch bewirkten unmittelbaren Innehabung durch die Beschwerdeführerin. In der Freizeit entfalle nämlich die Hauptpflicht des Arbeitnehmers zur Arbeitsleistung, nicht aber die Treuepflicht. Die faktische Einflussmöglichkeit der Beschwerdeführerin ergebe sich somit aus der Beschäftigung der Arbeitnehmer der Beschwerdeführerin in ihren Räumlichkeiten, mit ihrem Wissen und Willen und der Treuepflicht dieser Arbeitnehmer, welche die Obsorge über ihr Eigentum sowie die Weisungsgebundenheit ihr gegenüber selbst während der Freizeit umfasse. Durch die Anwesenheit der Arbeitnehmer der Beschwerdeführerin bei den Veranstaltungen im Zusammenhang mit der jederzeit möglichen faktischen Einflussnahme durch Weisungen der Beschwerdeführerin an ihre Arbeitnehmer - selbst in ihrer Freizeit - sei der Beschwerdeführerin die Möglichkeit der Bestimmung des ausgeübten faktischen Geschehens zugekommen. Die Arbeitnehmer wären notfalls berechtigt, ja auf Grund ihrer Treuepflicht sogar verpflichtet gewesen, entgegen dem Willen des Veranstalters die Interessen der Arbeitgeberin zu vertreten. Damit unterscheide sich die Position der Beschwerdeführerin von jener einer bloßen Vermieterin. Sohin erübrigten sich Feststellungen darüber, ob die Beschwerdeführerin die Räumlichkeiten OR entgeltlich oder unentgeltlich zur Verfügung gestellt habe.
Der Magistrat habe am 27. Februar 1996 Einbringungsmaßnahmen gegenüber dem Primärschuldner OR gesetzt, welche erfolglos gewesen seien. Überdies sei zwischenzeitig ein Schuldenregulierungsverfahren über den Primärschuldner eröffnet worden. Solcherart sei der Abgabenrückstand bei OR nicht oder nur erschwert einbringlich. Mangels Einbringungsmöglichkeit sei die Heranziehung zur Haftung mit den Grundsätzen der Zweckmäßigkeit und Billigkeit vereinbar. Bei der Abstandnahme von der Haftung könnte der Abgabengläubiger seinen Abgabenanspruch nicht realisieren.
Über die gegen den Spruchpunkt II dieses Bescheides erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
§ 13 Abs 4 des im Beschwerdefall anzuwendenden VGSG 1987 lautet:
"Der Inhaber der für die Vergnügung benützten Räume oder Grundstücke haftet neben dem Unternehmer für die Vergnügungssteuer, sofern er nicht selbst steuerpflichtig ist. Entsteht die Steuerpflicht in einem Pachtbetrieb, so haftet der Verpächter für die Steuerbeträge, die auf die Zeit seit dem Beginn des letzten vor der Beendigung der Betriebsführung durch den Pächter liegenden Kalenderjahres entfallen, mit folgenden Einschränkungen:
1. Der Verpächter haftet für jedes Kalenderjahr bis zu 110 vH des Steuerbetrages, der im zweitvorangegangenen Kalenderjahr im verpachteten Betrieb angefallen ist; hat der Betrieb nicht das ganze Vergleichsjahr bestanden, so ist der im Vergleichsjahr angefallene Steuerbetrag auf ein ganzes Jahr hochzurechnen, hat er überhaupt nicht bestanden, so ist ein vergleichbarer Betrieb heranzuziehen. In den Fällen des § 1 Abs. 1 Z. 3 haftet der Verpächter jedoch jedenfalls für die Steuer für die veranstaltungsrechtlich höchstzulässige Anzahl von Apparaten zusätzlich einer Musikbox.
2. Der Verpächter haftet aber immer bis zur Höhe des Pachtschillings, der für den Zeitraum, für den die Haftpflicht besteht, vereinbart wurde.
3. In den Fällen des § 1 Abs. 1 Z. 3 ist die Haftung des Erwerbers nach § 12 WAO abweichend von den dort genannten Einschränkungen begrenzt mit der Steuer für die veranstaltungsrechtlich höchstzulässige Anzahl von Apparaten zusätzlich einer Musikbox."
Wie der Verwaltungsgerichthof im zitierten Erkenntnis vom 21. Oktober 1999, 97/15/0087, zum Ausdruck gebracht hat, ist der Vermieter nicht Inhaber iSd § 13 Abs 4 VGSG. Diese Bestimmung stellt vielmehr auf den unmittelbaren Inhaber, also auf denjenigen ab, dem die Möglichkeit der Bestimmung des im Raum ausgeübten faktischen Geschehens zukommt.
Wird ein Raum vermietet und werden Dienstnehmer des Vermieters in ihrer Freizeit, also außerhalb des Dienstverhältnisses, für den Mieter, etwa als Techniker, tätig, so bewirkt dies nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht die Innehabung durch den Vermieter (vgl das hg Erkenntnis vom 30. Juni 2005, 2002/15/0006). Der Umstand, dass Dienstnehmer auch in ihrer Freizeit eine Treuepflicht dem Dienstgeber gegenüber treffen kann, ändert nichts daran, dass sie auf Grund eines Rechtsverhältnisses mit dem Mieter tätig werden, zeigt doch die belangte Behörde in keiner Weise auf, dass die Nutzung der Räume durch den Mieter für Publikumstanzveranstaltungen in irgendeiner Weise in Konflikt mit der Treuepflicht der Dienstnehmer des Vermieters stehen könnte.
Ein Dienstverhältnis erschöpft sich nicht in der Erfüllung der Hauptpflichten, es sind auch Nebenpflichten, insbesondere die Fürsorgepflicht des Dienstgebers und die Treuepflicht (Interessenwahrungspflicht) des Dienstnehmers, damit verbunden. Letztere verpflichtet den Dienstnehmer zur Respektierung des unternehmerischen Tätigkeitsbereichs und zum Schutz betrieblicher Interessen. Der Dienstnehmer darf auch außerdienstlich kein Verhalten setzen, das erkennbaren Betriebsinteressen widerspricht (vgl etwa OGH 27. September 2006, OGH 9 Ob A 82/06h). Entgegen den Ausführungen im angefochtenen Bescheid ergibt sich jedoch aus der Treuepflicht nicht eine außerdienstliche Weisungsberechtigung des Arbeitgebers.
In der Gegenschrift führt die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe darauf vertrauen können, dass durch die Orts- und Sachkenntnis und die Loyalität ihrer - in ihrer Freizeit tätigen - Dienstnehmer das Risiko einer unsachgemäßen Verwendung oder Beschädigung von Anlagen und Einrichtungen deutlich vermindert werde. Dieser Umstand ändert aber nichts daran, dass im Rahmen des in einem Mietvertrag festgelegten bestimmungsgemäßen Gebrauches durch den Mieter der Beschwerdeführerin keine Einflussmöglichkeit zukommt.
Solcherart hat die belangte Behörde, indem sie bei dem von ihr festgestellten Sachverhalt angenommen hat, die Beschwerdeführerin sei in Bezug auf die Publikumstanzveranstaltungen unmittelbare Inhaberin der Räume (eine Voraussetzung für die Haftung nach § 13 Abs 4 VGSG) gewesen, die Rechtslage verkannt.
Der Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides ist somit mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet und war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der Verordnung BGBl II Nr 2003/333.
Wien, am 26. Juli 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2005150042.X00Im RIS seit
22.08.2007