TE OGH 2005/8/2 1Ob71/05f

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Veröffentlicht am 02.08.2005
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Kinder Lukas E*****, geb. 5. April 1995, und Sophia E*****, geb. 20. August 1997, vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie für den 17. 18. und 19. Bezirk, Wien 19, Gatterburggasse 14, infolge Revisionsrekurses des Vaters Mag. Günther E*****, vertreten durch Mag. Manuela Prohaska, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 7. Oktober 2004, GZ 43 R 535/04a-81, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Döbling vom 16. Juni 2004, GZ 10 P 15/03a-68, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Auf Grund des Scheidungsvergleichs vom 26. 7. 2000 war der Vater der minderjährigen Lukas und Sophia E***** zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von je S 4.500 (= 327,03 EUR) verpflichtet. Als Bemessungsgrundlage wurde sein Einkommen in Höhe von S 30.000 monatlich netto herangezogen.

Mit Antrag vom 7. 2. 2003 begehrte der Vater die Herabsetzung seiner monatlichen Unterhaltsleistung ab August 2000 für den minderjährigen Lukas auf EUR 136 und für die minderjährige Sophia auf EUR 120. Das von ihm betriebene Unternehmen dessen Komplementär er sei, habe in der zweiten Jahreshälfte 2000 massive Einbrüche erlitten. Auch im Jahr 2001 habe sich die Lage des Unternehmens nicht verbessert. Zwar sei 2002 eine gewisse Stabilisierung der Geschäftslage eingetreten, ungeachtet dessen verfüge er laut Steuerbescheid für 2000 nur mehr über ein tatsächliches Einkommen von monatlich S 10.000. Der Jugendwohlfahrtsträger sprach sich gegen die beantragte Unterhaltsherabsetzung aus und begehrte nach Vorliegen des Gutachtens einer Buchsachverständigen ab 1. 9. 2003 die Unterhaltserhöhung auf monatlich EUR 487 je Kind. Unter Aufrechterhaltung seines Herabsetzungsantrags sprach sich der Unterhaltspflichtige gegen diesen Erhöhungsantrag aus.

Da die Differenz zwischen seinen Privatentnahmen aus dem Unternehmen und dem „Nettoverdienst" durch Kredite finanziert worden sei, bemesse sich der Unterhalt überdies nur vom Reingewinn des Unternehmens.

Gegenüber der Sachverständigen legte der Vater dar, er habe einem anderen Unternehmen 2002, aber auch in den Vorjahren, ein Darlehen von etwa 9.051 EUR gewährt. Tatsächlich sei dieses Darlehen aber von dem von ihm betriebenen Unternehmen gewährt worden, weshalb eine entsprechende Umbuchung erfolgen werde.

Das Erstgericht erhöhte die Unterhaltsverpflichtung des Vaters ab 1. 9. 2003 auf monatlich EUR 445 je Kind und wies das Mehrbegehren ebenso ab wie den Herabsetzungsantrag des Vaters. Für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen sei die tatsächliche Verfügbarkeit der diesem zufließenden Mittel maßgeblich. Für die Unterhaltsausmessung ab dem Jahr 2003 seien daher die durchschnittlichen monatlichen Nettoprivatentnahmen in den letzten drei Wirtschaftsjahren von Euro 2.610,19 heranzuziehen, wobei unbeachtlich sei, ob der Unterhaltspflichtige die Entnahmen „erwirtschaftet oder durch Kredite finanziert" habe. Den Minderjährigen stünden in deren Altersstufe (6 bis 10 Jahre) grundsätzlich je 17 Prozent der ermittelten Unterhaltsbemessungsgrundlage zu.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und ließ den Revisionsrekurs ursprünglich nicht zu. Maßgeblich seien die Privatentnahmen, selbst wenn diese - wie im vorliegenden Fall - den Reingewinn überstiegen. Mangels Präzisierung der Anrechenbarkeit der Kreditverbindlichkeiten seien die zur Kredittilgung dienenden Beträge von der Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht abzugsfähig. Ein Nachweis, die Privatentnahmen des Unterhaltspflichtigen hätten betrieblichen Zwecken gedient, sei nicht erbracht worden.

Erstmals im Revisionsrekurs machte der Vater geltend, die Judikatur „zur teilweisen Anrechung der Transferleistungen (Familienbeihilfe)" wäre vom Rekursgericht zu berücksichtigen gewesen, was zu einer Verminderung seiner Unterhaltspflicht geführt hätte. Über Antrag des Vaters sprach das Rekursgericht daraufhin aus, der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der amtswegigen Berücksichtigung der steuerlichen Transferleistungen uneinheitlich sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Nach nunmehr einhelliger Rechtsprechung ist die Anrechnung von Teilen der dem anderen Elternteil zukommenden Transferleistungen auf die Geldunterhaltspflicht unmittelbar aus dem Gesetz ableitbar. Tritt daher der geldunterhaltspflichtige Elternteil einem Erhöhungsantrag des Unterhaltspflichtigen mit dem Gegenantrag entgegen, das Erhöhungsbegehren abzuweisen, und sind die für eine Anrechnung maßgeblichen Umstände, nämlich der Bezug der Familienbeihilfe durch den anderen Elternteil sowie die Höhe des Bruttoeinkommens des Unterhaltspflichtigen unstrittig oder aktenkundig, bedarf die Berücksichtigung von Transferleistungen bei der Unterhaltsbemessung keines gesonderten Vorbringens des Geldunterhaltspflichtigen (1 Ob 208/03z = JBl 2004, 306; 4 Ob 254/03m; 10 Ob 4/04t; 2 Ob 153/04w; 6 Ob 140/04p). Diese Judikatur ist aber auf den vorliegenden Fall schon deshalb nicht anwendbar, da zum Bezug der Familienbeihilfe durch die Mutter weder ein Vorbringen erstattet wurde, noch sich dieser Umstand aus dem Akteninhalt ergibt. Wenngleich gemäß § 2 Abs 2 Familienlastenausgleichsgesetz der Anspruch auf Familienbeihilfe jener Person zukommt, zu deren Haushalt das Kind gehört, und dies - wie sich aus dem Akteninhalt ergibt - die Mutter ist, so bedarf es doch einer Antragstellung auf Gewährung (§ 13 Familienlastenausgleichsgesetz), um in den Genuss der Familienbeihilfe zu kommen. In dieser Richtung fehlt jegliches Vorbringen oder eine entsprechende Feststellung. Im Unterschied zu den zitierten Vorentscheidungen ist deshalb im vorliegenden Fall die Tatsache des Bezugs der Familienbeihilfe durch die Mutter keinesfalls als unstrittig oder aktenkundig anzusehen. Da die Kundmachung der Aufhebung eines Wortteils des § 12a Familienlastenausgleichsgesetz schon am 13. 9. 2002 erfolgte und der erstinstanzliche Beschluss (erst) am 16. 6. 2004 erlassen wurde, wäre dem Revisionsrekurswerber zudem genügend Zeit verblieben, sein Vorbringen im Hinblick auf diese Aufhebung schon im Verfahren erster Instanz zu ergänzen. Unter den gegebenen Vorraussetzungen hatte daher eine amtswegige Anrechnung der Transferleistungen zu unterbleiben. Die vom Revisionsrekurswerber vermisste „Manuduktion zu entsprechendem Vorbringen" wird erstmals im Revisionsrekurs - und damit verspätet (10 Ob 223/00t mwN) - releviert.Nach nunmehr einhelliger Rechtsprechung ist die Anrechnung von Teilen der dem anderen Elternteil zukommenden Transferleistungen auf die Geldunterhaltspflicht unmittelbar aus dem Gesetz ableitbar. Tritt daher der geldunterhaltspflichtige Elternteil einem Erhöhungsantrag des Unterhaltspflichtigen mit dem Gegenantrag entgegen, das Erhöhungsbegehren abzuweisen, und sind die für eine Anrechnung maßgeblichen Umstände, nämlich der Bezug der Familienbeihilfe durch den anderen Elternteil sowie die Höhe des Bruttoeinkommens des Unterhaltspflichtigen unstrittig oder aktenkundig, bedarf die Berücksichtigung von Transferleistungen bei der Unterhaltsbemessung keines gesonderten Vorbringens des Geldunterhaltspflichtigen (1 Ob 208/03z = JBl 2004, 306; 4 Ob 254/03m; 10 Ob 4/04t; 2 Ob 153/04w; 6 Ob 140/04p). Diese Judikatur ist aber auf den vorliegenden Fall schon deshalb nicht anwendbar, da zum Bezug der Familienbeihilfe durch die Mutter weder ein Vorbringen erstattet wurde, noch sich dieser Umstand aus dem Akteninhalt ergibt. Wenngleich gemäß § 2 Abs 2 Familienlastenausgleichsgesetz der Anspruch auf Familienbeihilfe jener Person zukommt, zu deren Haushalt das Kind gehört, und dies - wie sich aus dem Akteninhalt ergibt - die Mutter ist, so bedarf es doch einer Antragstellung auf Gewährung (Paragraph 13, Familienlastenausgleichsgesetz), um in den Genuss der Familienbeihilfe zu kommen. In dieser Richtung fehlt jegliches Vorbringen oder eine entsprechende Feststellung. Im Unterschied zu den zitierten Vorentscheidungen ist deshalb im vorliegenden Fall die Tatsache des Bezugs der Familienbeihilfe durch die Mutter keinesfalls als unstrittig oder aktenkundig anzusehen. Da die Kundmachung der Aufhebung eines Wortteils des Paragraph 12 a, Familienlastenausgleichsgesetz schon am 13. 9. 2002 erfolgte und der erstinstanzliche Beschluss (erst) am 16. 6. 2004 erlassen wurde, wäre dem Revisionsrekurswerber zudem genügend Zeit verblieben, sein Vorbringen im Hinblick auf diese Aufhebung schon im Verfahren erster Instanz zu ergänzen. Unter den gegebenen Vorraussetzungen hatte daher eine amtswegige Anrechnung der Transferleistungen zu unterbleiben. Die vom Revisionsrekurswerber vermisste „Manuduktion zu entsprechendem Vorbringen" wird erstmals im Revisionsrekurs - und damit verspätet (10 Ob 223/00t mwN) - releviert.

Auch mit seinem weiteren Vorbringen zeigt der Revisionsrekurswerber keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 14 AußStrG aF auf:

Für das Einkommen selbstständig Erwerbstätiger ist nach einhelliger Lehre und Rechtsprechung nicht der steuerliche, sondern der tatsächlich verbleibende Reingewinn maßgeblich. Da die tatsächliche Verfügbarkeit entscheidet, treten an die Stelle des Betriebsergebnisses die Privatentnahmen, wenn diese den Reingewinn übersteigen oder die Betriebsbilanz einen Verlust aufweist (Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht3, 46 mwN.) Sind die Privatentnahmen höher als der Reingewinn, greift der Unterhaltsschuldner also die Vermögenssubstanz an, stellt ein solches Verhalten zur Befriedigung der eigenen Bedürfnisse eine privatautonome Gestaltung der Lebensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen dar, an denen auch die angemessenen Bedürfnisse seiner Kinder zu messen sind (EvBl 1997/175; RdW 1993, 146 ua). Diese Grundsätze haben die Vorinstanzen ihren Entscheidungen zu Grunde gelegt. Der Umstand der Kreditfinanzierung der Privatentnahmen kann daher nicht zur Verminderung der Unterhaltsbemessungsgrundlage führen.

Nur jene Entnahmen, die nicht der privaten Lebensführung, sondern zur Sicherung und Erhaltung der wirtschaftlichen Existenz des Unterhaltsschuldners dienen oder sonstige betrieblich veranlasste Aufwendungen darstellen, sind nicht in voller Höhe der Unterhaltsbemessung zu Grunde zu legen, sondern vermindern - wie sonstige Betriebsausgaben - diese (5 Ob 564/93; 6 Ob 119/98p). Derartige Umstände, die zu einer Verminderung der Unterhaltsbemessungsgrundlage führen könnten, lassen sich aus dem mehrmals vom Unterhaltspflichtigen ergänzten Vorbringen in erster Instanz (ON 18, 41, 61 und 67) jedoch nicht ableiten. Nie wurde nachvollziehbar dargelegt, dass die Darlehensgewährung an ein Unternnehmen zur Erhaltung oder Sicherung der wirtschaftlichen Existenz des Rechtsmittelwerbers erforderlich gewesen wäre. Ebensowenig wurde die betriebliche Bedingtheit der Kreditaufnahmen dargetan, etwa dass vom Vater betriebene Unternehmen trotz vorübergehender - nur mittels der Darlehen überbrückbarer - finanzieller Engpässe in naher Zukunft erhebliche Gewinne erzielt hätte, sodass daran die Kinder mit ihrem Unterhaltsanspruch hätten teilhaben können. Nur unter dieser oder der sonstig konkret begründeten betrieblichen Bedingtheit, es handle sich um einen notwendigen Aufwand zur Sicherung und Erhaltung der wirtschaftlichen Existenz des Revisionsrekurswerbers, wären die Darlehen nicht in voller Höhe in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzurechnen gewesen. Aus dem im erstinstanzlichen Verfahren erstatteten Vorbringen ist dies jedoch nicht ableitbar, noch ergeben sich ausreichende Anhaltspunkte in dieser Richtung.

Erstmals im Revisionsrekurs behauptet der Rechtsmittelwerber eine Verletzung der Anleitungspflicht im Zusammenhang mit seinem Vorbringen zur Kreditfinanzierung der Privatentnahmen und der Abzugsfähigkeit der einem anderen Unternehmen gewährten Darlehen. Im Rekurs an die zweite Instanz wurde dieser angebliche Verfahrensmangel erster Instanz jedoch nicht gerügt. Auch im Verfahren außer Streitsachen können aber (angebliche) Mangelhaftigkeiten des erstinstanzlichen Verfahrens, die beim Rekursgericht nicht beanstandet wurden, nicht zum Gegenstand der Bekämpfung der rekursgerichtlichen Entscheidung gemacht werden (10 Ob 223/00t mwN).

Entgegen dem Zulassungsausspruch des Rekursgerichts - an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 16 Abs 4 AußStrG aF) - ist daher der Revisionsrekurs mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG (aF) als unzulässig zurückzuweisen.Entgegen dem Zulassungsausspruch des Rekursgerichts - an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (Paragraph 16, Absatz 4, AußStrG aF) - ist daher der Revisionsrekurs mangels der Voraussetzungen des § 14 Absatz eins, AußStrG (aF) als unzulässig zurückzuweisen.

Textnummer

E78132

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2005:0010OB00071.05F.0802.000

Im RIS seit

01.09.2005

Zuletzt aktualisiert am

26.11.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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