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E6J;Norm
62001CJ0249 Hackermüller VORAB;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner sowie Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Papst, über die Beschwerde des Bundes, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, gegen den Bescheid des Bundesvergabeamtes vom 19. März 2003, Zl. 13F-8/02-8, betreffend Nachprüfungsverfahren (mitbeteiligte Partei: B- & P GmbH in T, vertreten durch Dr. Walter Anzböck, Dr. Joachim Brait, Rechtsanwälte in 3430 Tulln, Stiegengasse 8), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Antrag des Bundes auf Zuspruch von Aufwandersatz wird abgewiesen.
Begründung
Im Vergabeverfahren "offenes Verfahren - Baumeisterarbeiten, 3100 Mauerbach, Kartäuserplatz 1, Kartause Mauerbach - Generalsanierung ..." der beschwerdeführenden Partei als Auftraggeberin hat das Bundesvergabeamt mit Bescheid vom 19. März 2003 auf Grund der Anträge der mitbeteiligten Partei vom
10. und vom 18. Juni 2002 gemäß § 113 Abs. 3 BVergG 1997 festgestellt, dass wegen eines Verstoßes gegen das BVergG 1997 der Zuschlag nicht dem Bestbieter erteilt wurde. Gleichzeitig wurde der Antrag der beschwerdeführenden Partei vom 11. März 2003 auf Feststellung, dass die mitbeteiligte Partei keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlages gehabt hätte, abgewiesen.
In der Begründung dieses Bescheides heißt es - nach Darstellung der angewendeten Rechtslage - im Erwägungsteil:
"...
Im gegenständlichen Vergabeverfahren wurde als Zuschlagskriterium .02 Struktur und Ressourcen des Bewerbers festgesetzt. Unter .02.01 wird näher ausgeführt, dass damit "Anzahl und Qualifizierung des Personals" gemeint sind. Angaben dazu sagen möglicherweise etwas über die technische Leistungsfähigkeit des jeweiligen Bieters aus. Als Zuschlagskriterium .04 ist die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit genannt. Unter .04.01 wird näher ausgeführt, dass zur Nachweiserbringung Vorlagen von Auszügen des Kreditschutzverbandes, Unbedenklichkeitsbescheinigungen vom Finanzamt usw erwartet werden. Angaben dazu sagen möglicherweise etwas über die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des jeweiligen Bieters aus. Es eignen sich jedoch derartige Angaben nicht für die Ermittlung des technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebotes. Es handelt sich daher eher um Eignungs- und nicht um Zuschlagskriterien.
Angebote von Bietern, bei welchen die wirtschaftliche oder technische Leistungsfähigkeit nicht gegeben ist, hat ein Auftraggeber gemäß Punkt 4.5.1 der ÖNORM A 2050 (1993) auszuscheiden. Aus der in Punkt 4.6 der ÖNORM A 2050 (1993) enthaltenen Wortfolge ' Von den Angeboten, die nach dem Ausscheiden gemäß 4.5 übrig bleiben' ist abzuleiten, dass es dem Auftraggeber verwehrt ist, Zuschlagskriterien vorzusehen, die in Wahrheit als Prüfung der Ausscheidenstatbestände zu beurteilen sind (BVA 3.7.1998, F 5/98-17 = wbl 1999, 282; vgl auch EuGH vom 20.9.1988, Rs C-31/87 Gebroeders Beentjes/Königreich Belgien, Rz 15f). Daher sind die genannten Kriterien nicht als Zuschlagskriterien im Sinne des Gesetzes geeignet und war ihre Festsetzung in der Ausschreibung daher rechtswidrig.
Der Auftraggeber hat den Antrag gemäß § 113 Abs 3 BVergG 1997 gestellt, das Bundesvergabeamt möge feststellen, dass die Antragstellerin keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlages gehabt hätte. Diese Feststellung musste unterbleiben, da auf Grund der rechtswidrigen Zuschlagskriterien nicht festgestellt werden kann, wer Bestbieter ist und umso weniger wer echte Chancen bzw. keine echten Chancen auf Erteilung des Zuschlages gehabt hätte. Umgekehrt konnte jedoch sehr wohl - siehe Spruchpunkt I. - festgestellt werden, dass der Zuschlag nicht dem Bestbieter erteilt wurde, weil ja ein Bestbieter auf Grund der rechtswidrigen Zuschlagskriterien gar nicht feststellbar ist.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Als Aufhebungsgrund der Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde wird in der Beschwerde zunächst - zusammengefasst- geltend gemacht, eine Verletzung von Rechten des Antragstellers durch eine bestimmte Entscheidung des Auftraggebers setze zumindest voraus, dass sein Angebot für die Wahl zum Zuschlag geeignet gewesen sei und für dieses auf Grund seiner Form und seines Inhaltes zumindest die Möglichkeit bestanden habe, für eine Zuschlagserteilung in Betracht gezogen zu werden. Mangle es dem Angebot des Antragstellers in einem Nachprüfungsverfahren schon an dieser grundsätzlichen Eignung, so sei die Antragslegitimation zu verneinen (Hinweis auf VwGH vom 27. September 2000, Zl. 2000/04/0050). Die mitbeteiligte Partei habe sich nicht an die Ausschreibung gehalten. Wie die beschwerdeführende Partei bereits im Nachprüfungsverfahren vor der belangten Behörde ausführlich dargelegt habe, habe die mitbeteiligte Partei die geforderten Angaben und Nachweise nicht erbracht und insbesondere die den Ausschreibungsunterlagen angeschlossenen Formblätter A bis C nicht ausgefüllt. Zuschlagskriterien im gegenständlichen Vergabeverfahren seien Angebotspreis, Struktur und Ressourcen des Bewerbers (Personal), Referenzen sowie wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gewesen. Nach der Ausschreibung seien die Bieter verpflichtet gewesen, die bezughabenden Angaben und Nachweise (Formblätter) im Angebot darzulegen. Die mitbeteiligte Partei sei dieser Verpflichtung nur hinsichtlich des Angebotspreises nachgekommen. Ihr Anbot sei sohin grob unvollständig und mit einem Mangel behaftet gewesen, der einer Verbesserung nicht zugänglich sei. Die belangte Behörde hätte somit den Antrag der mitbeteiligten Partei mangels Antragslegitimation zurückzuweisen gehabt.
In ihrer Gegenschrift vertritt die belangte Behörde - unter Hinweis auf Thienel, Ausgewählte Probleme der Antragstellung im Nachprüfungsverfahren nach dem BVergG 2002 (RPA 2003, 7) - die Auffassung, auch der Umstand, dass ein Bieter zwingend auszuscheiden wäre, nehme ihm nicht grundsätzlich die Antragslegitimation, weil er - solange er vom Auftraggeber nicht ausgeschieden worden sei - am Vergabeverfahren teilnehmen dürfe. Auch das mittlerweile ergangene Urteil des EuGH vom 19. Juni 2003, C-249/01, Hackermüller, spreche nicht gegen die von Thienel oder auch der belangten Behörde hier vertretene Meinung.
Ausgehend vom hg. Erkenntnis vom 27. September 2000, Zl. 2000/04/0050, ist es ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass einem Bieter, dessen Angebot auszuscheiden gewesen wäre (aber nicht ausgeschieden wurde), keine Antragslegitimation im Nachprüfungsverfahren zukommt, weil er für die Zuschlagserteilung ohnehin nicht in Betracht käme und ihm daher durch die behauptete Rechtswidrigkeit kein Schaden entstehen bzw. drohen kann (vgl. auch aus jüngerer Zeit die hg. Erkenntnisse vom 30. November 2006, Zl. 2005/04/0067, und vom 15. Dezember 2006, Zl. 2005/04/0091, jeweils mwN, insbesondere auf das Urteil des EuGH vom 19. Juni 2003 in der Rs C-249/01, Hackermüller).
Von dieser Rechtsprechung abzugehen, sah sich der Verwaltungsgerichtshof - mit ausführlicher Begründung - auch jüngst im Erkenntnis vom 28. März 2007, Zl. 2005/04/0200, nicht veranlasst.
In Verkennung der Rechtslage hat sich die belangte Behörde nicht mit der Frage auseinander gesetzt, ob das Angebot der mitbeteiligten Partei auszuscheiden gewesen wäre.
Schon deshalb - und da die dargelegten Erwägungen auch auf den Abspruch über den Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Feststellung, dass die mitbeteiligte Partei keine echte Chance auf Erteilung des Zuschlages gehabt hätte, durchschlagen - war der angefochtene Bescheid insgesamt wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Antrag des Bundes als beschwerdeführende Partei auf Zuspruch von Kosten war abzuweisen, weil die belangte Behörde funktionell für die beschwerdeführende Partei tätig geworden ist und gedanklich ausgeschlossen erscheint, dass ein und derselbe Rechtsträger sich selbst Kosten ersetzen könne (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Juni 2005, Zl. 2005/04/0048, unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2002, Zl. 97/08/0442).
Wien, am 26. Juli 2007
Gerichtsentscheidung
EuGH 62001J0249 Hackermüller VORABSchlagworte
Besondere RechtsgebieteIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2003040074.X00Im RIS seit
30.08.2007Zuletzt aktualisiert am
31.10.2011