TE Vwgh Erkenntnis 2007/7/27 2006/10/0240

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.07.2007
beobachten
merken

Index

L92059 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Wien;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §67d Abs2;
AVG §68 Abs1;
AVG §73 Abs2;
MRK Art6 Abs1;
SHG Wr 1973 §13 Abs6;
VwGG §39 Abs2 Z6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Köhler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde des WJ in W, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/II/23, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 13. Juli 2006, Zl. UVS-SOZ/58/5519/2006/4, betreffend Zurückweisung eines Devolutionsantrages in Angelegenheiten nach dem Wiener Sozialhilfegesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Devolutionsantrag des Beschwerdeführers vom 28. Juni 2006 als unzulässig zurück. Sie führte aus, der Antragsteller habe am 9. Jänner 2005 beim Magistrat der Stadt Wien, MA 15, den Antrag auf Gewährung einer zusätzlichen Geldaushilfe für Bekleidungsankauf und Wäschebedarf gemäß § 13 Abs. 6 WSHG für seine drei Kinder und sich selbst gestellt. Im Antrag seien zahlreiche Gegenstände aufgelistet. Mit Antrag vom 2. Februar 2005 habe er die Gewährung von Sozialhilfe in Höhe von mindestens EUR 70,-- begehrt, um einen Regenschirm, "festes" Regengewand und Regenstiefel kaufen zu können. Mit Devolutionsantrag vom 28. Juni 2006 habe der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer den Übergang der Entscheidungspflicht auf den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien begehrt. Dort habe er vorgebracht, der Magistrat habe seine Entscheidungspflicht verletzt, da seine Anträge vom 9. Jänner 2005 und 2. Februar 2005 bis zum heutigen Tag unerledigt geblieben seien. Weiters habe der Beschwerdeführer die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung beantragt. Wie dem erstinstanzlichen Verwaltungsakt entnehmbar, sei über die Anträge vom 9. Jänner 2005 und 2. Februar 2005 sowohl von der Erstbehörde mit Bescheid vom 18. April 2005, MA 15-SZ3/11- J19+66, 24, 35, 55, 71, 141/05 (dem Beschwerdeführer laut Rückschein am 22. April 2005 eigenhändig zugestellt), als auch auf Grund der Berufung des Beschwerdeführers mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates (im Folgenden: UVS) Wien vom 20. Dezember 2005, UVS-SOZ/53/4519/2005/3, bereits entschieden worden, weshalb keine Säumigkeit vorliegen könne. Der Devolutionsantrag sei daher unzulässig. Auf Grund des Vorliegens auch einer Entscheidung der Berufungsbehörde sei der Devolutionsantrag geradezu als mutwillige Inanspruchnahme des erkennenden Senates zu werten, sodass für weitere derartige Antragstellungen die Verhängung einer Mutwillensstrafe in Aussicht gestellt werde. Zum Antrag auf Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung sei auf § 67d Abs. 2 Z. 2 AVG zu verweisen, wonach im Fall der Ab- oder Zurückweisung von Devolutionsanträgen unabhängig von Parteianträgen keine Verhandlungspflicht bestehe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer vertritt im Wesentlichen den Standpunkt, ob eine rechtskräftige Entscheidung vorliege, sei auf Grund des Spruchs des Bescheides zu beurteilen, weil nur dieser in Rechtskraft erwachse und zwar mit der Wirkung der Bindung anderer Behörden; nicht entscheidungswesentlich sei hingegen der Inhalt der Begründung. Nach dem unzweideutigen Spruch des Bescheides des Magistrats der Stadt Wien vom 18. April 2005 sei damit dem Beschwerdeführer eine Aushilfe für Bekleidung für seine drei Kinder für das 1. Halbjahr 2005 in Höhe von EUR 110,-- gewährt worden. Mit diesem Bescheid sei daher nicht über seinen eigenen Bekleidungsbedarf abgesprochen worden.

In einem weiteren Schriftsatz vom 9. Jänner 2007 führt der Beschwerdeführer aus, der Verwaltungsgerichtshof habe mittlerweile mit Erkenntnis vom 22. November 2006, Zl. 2005/10/0014, ausgesprochen, lediglich der Spruch des Bescheides sei der Rechtskraft fähig, lediglich jene Anträge des Beschwerdeführers, über die die belangte Behörde im Spruch abgesprochen habe, seien durch den angefochtenen Bescheid einer Entscheidung zugeführt worden. Sämtliche Ausführungen der belangten Behörde in der Bescheidbegründung, die sich auf nicht im Spruch erledigte Anträge bezögen, - mit welcher Absicht sie auch erfolgt sein mögen - könnten daher den Beschwerdeführer nicht in Rechten verletzen.

Mit diesen Ausführungen wird eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufgezeigt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Auslegung eines unklaren Spruches nach der Begründung des Bescheides zulässig. Eine derartige Auslegung des Spruchs aus der Begründung kann jedoch nur in Fällen, in welchen der Spruch für sich allein Zweifel an seinem Inhalt offen lässt, vorgenommen werden (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, § 58 Abs. 1 AVG, E 12b; Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht8, 2003, Rz 419).

Hier geht der Beschwerdeführer davon aus, die erstinstanzliche Verwaltungsbehörde habe über seine Anträge auf Bekleidungsbedarf vom 9. Jänner 2005 und vom 2. Februar 2005 nicht entschieden. Im Antrag vom 9. Jänner 2005 findet sich eine Tabelle an benötigten Kleidungsstücken jeweils für jeden der drei Söhne des Beschwerdeführers und in der vierten Spalte der Tabelle für den Beschwerdeführer selbst. Der vom Beschwerdeführer angesprochene Antrag vom 2. Februar 2005 betrifft lediglich die von der belangten Behörde ohnedies angeführten Bekleidungsgegenstände für ihn selbst. Der Spruch des Bescheides vom 18. April 2005, Zl. MA 15-SZ3/11- J19+66, 24, 35, 55, 71, 141/05, lautet:

"Herrn JW wird auf Grund der Anträge vom 9.1.2005, 17.1.2005, 24.1.2005, 2.2.2005 und 2.2.2005, 7.4.2005, 12.4.2005 und 14.4.2005 eine Aushilfe für Bekleidung für seine drei Kinder für das erste Halbjahr 2005 in Höhe von EUR 110,-- gewährt."

In der Begründung dieses Bescheides wurde unter anderem ausgeführt, auf Grund der im Spruch genannten Anträge habe für die drei minderjährigen Kinder Wilhelm, Manuel und Marcel für das

1. Halbjahr 2005 ein Betrag von EUR 110,-- als angemessen betrachtet und gewährt werden können. Da Herr J der Aufforderung vom 19. November 2004 zum Erscheinen zu einer ärztlichen Untersuchung am 7. Dezember 2004 trotz Hinweis auf die Folgen seines Verhaltens nicht entsprochen habe, sei die Bekleidungsaushilfe für ihn abzulehnen gewesen.

Im Beschwerdefall ergibt sich aus den im Spruch angeführten Antragsdaten im Zusammenhang mit der Bescheidbegründung eindeutig, dass die den Gegenstand des Devolutionsantrages bildenden Anträge des Beschwerdeführers vom 9. Jänner 2005 und 2. Februar 2005 erledigt wurden.

Dieses Ergebnis steht auch nicht im Widerspruch mit den Ausführungen im hg. Erkenntnis vom 22. November 2006, Zl. 2005/10/0014. Dort wurde nämlich im Unterschied zum vorliegenden Fall im angefochtenen Bescheid im Spruch auf zahlreiche Anträge, zu denen in der Begründung Ausführungen getätigt wurden, nicht Bezug genommen. Anders im vorliegenden Fall, in dem die Anträge (mit ihrem Datum) im Spruch genannt sind. Die belangte Behörde ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass der Devolutionsantrag mangels Säumnis zurückzuweisen war.

Soweit der Beschwerdeführer die Ansicht vertritt, die belangte Behörde hätte eine mündliche Verhandlung durchführen müssen, kann darauf verwiesen werden, dass in § 67d Abs. 2 AVG aufgezählt wird, in welchen Fällen eine mündliche Verhandlung entfallen kann. Dies ist nach Z. 2 leg. cit. ua dann der Fall, wenn ein Devolutionsantrag zurückgewiesen wird. Nach den Gesetzesmaterialien (723 BlgNR, 21. GP, S 8-9) wurde Abs. 2 des § 67d AVG dahin abgeändert, dass die mündliche Verhandlung entfallen kann, um dem UVS eine differenzierte Handhabung unter Berücksichtigung des Art. 6 EMRK zu ermöglichen, indem die Pflicht zur Unterlassung der Verhandlung durch eine Ermessensregelung ersetzt wurde.

Eine zurückweisende Entscheidung, in der nur darüber abgesprochen wird, ob ein Rechtsmittel zulässig ist, nicht aber über die Sache selbst, ist aus Sicht des Art. 6 EMRK keine (inhaltliche) Entscheidung "über eine strafrechtliche Anklage" oder "über zivilrechtliche Ansprüche oder Verpflichtungen". Die Verfahrensgarantie des "fair hearing" iSd Art. 6 Abs. 1 EMRK kommt nicht zur Anwendung, wenn einer Entscheidung in der Sache Prozesshindernisse entgegenstehen (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 28. November 2003, B 1019/03, mwN). Aus diesen Erwägungen mussten weder der UVS noch der Verwaltungsgerichtshof eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 27. Juli 2007

Schlagworte

Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde Spruch und Begründung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006100240.X00

Im RIS seit

27.08.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten