Index
E000 EU- Recht allgemein;Norm
32000L0013 Etikettierungs-RL Art9;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Köhler und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde des Mag. KH in Wartberg, vertreten durch Haslinger/Nagele & Partner Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Roseggerstraße 58, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Salzburg vom 19. August 2004, Zl. UVS-18/10239/3-2004, betreffend Übertretung des § 7 Abs. 1 lit. c Lebensmittelgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 20. November 2003 abgewiesen und das erstinstanzliche Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass der Tatvorwurf wie folgt zu lauten habe:
"Sie haben es (als) handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma W (Firma und Adresse) zu verantworten, dass die Firma am 6.11.2002 das Lebensmittel 'W-S Eckerl Kräuter' mindestens haltbar bis 13. 3. 2003, L 29 06:23, an die Firma S (Firma und Adresse) ausgeliefert und somit in Verkehr gebracht hat, obwohl das Lebensmittel nach den Begriffsbestimmungen des § 8 lit. f LMG falsch bezeichnet ist und somit dem Verbot des Inverkehrbringens nach § 7 (1) lit. c LMG unterliegt. Auf der Verpackung ist der irreführende Lagerhinweis 'gekühlt mindestens haltbar bis: siehe Boden Kühlunterbrechung im Einzelhandel bis max. 21 Tage möglich.', obwohl dieser Hinweis auf eine mögliche Kühlunterbrechung § 4 Z. 6 lit. b Lebensmittelhygieneverordnung, BGBl. II 31/1998, idgF widerspricht und zu Missverständnissen bei Verbrauchern führen kann."
Dadurch habe der Beschwerdeführer eine Verwaltungsübertretung nach § 8 lit. f in Verbindung mit § 7 Abs. 1 lit. c Lebensmittelgesetz 1975 in Verbindung mit § 9 VStG begangen. Deshalb wurde über ihn eine Verwaltungsstrafe gemäß § 74 Abs. 1 LMG in der Höhe von EUR 72,00 (Ersatzfreiheitsstrafe: 48 Stunden) verhängt.
Die belangte Behörde führte hiezu begründend aus, der Beschwerdeführer sei handelsrechtlicher Geschäftsführer der W GesmbH. Diese habe am 6. November 2002 das Lebensmittel "W, mindestens haltbar bis 13. März 2003" an die Firma S ausgeliefert. Auf der Verpackung des Produktes habe sich der Hinweis befunden "Mindestens haltbar bis: siehe Boden Kühlunterbrechung im Einzelhandel bis max. 21 Tage möglich".
Nach dem Anhang zur Lebensmittelhygieneverordnung, Abschnitt IX Z 4, müssten Rohstoffe, Zutaten, Zwischenerzeugnisse und Enderzeugnisse, die das Wachstum pathogener Mikroorganismen oder das Entstehen von Giften fördern könnten, bei Temperaturen aufbewahrt werden, die zu keiner Gefährdung der Gesundheit führten. Sofern die Lebensmittelsicherheit gewahrt bleibe, dürfe während begrenzter Zeitabschnitte von der Temperaturregelung abgesehen werden, sofern dies aus Gründen der Zweckmäßigkeit bei der Zubereitung, Beförderung und Lagerung sowie bei der Auslage und beim Servieren von Lebensmitteln erforderlich sei.
Zur vorliegenden Rechtsfrage habe die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH (im Folgenden: AGES), Lebensmitteluntersuchung in Innsbruck, im Verwaltungsverfahren erster Instanz mit Schreiben vom 23. September 2003 eine Stellungnahme abgegeben.
Danach sei im Beschwerdefall eine bestimmte Temperatur (in Form der Angabe "gekühlt" - worunter nach allgemeiner Verkehrsauffassung eine Temperatur von 0 Grad C bis + 4 Grad C, jedenfalls aber unter + 6 Grad C verstanden werde), die nach der Lebensmittelhygieneverordnung einzuhalten sei, deklariert worden. Gleichzeitig finde sich aber der diesen Lagerbedingungen klar widersprechende Hinweis "Kühlunterbrechung im Einzelhandel bis max. 21 Tage möglich". Wenn nun damit argumentiert werde, dass in der 23. Plenarsitzung der Kodexkommission am 6. Juli 1994 der Beschluss der Unterkommission "Milch und Milcherzeugnisse", wonach mangels kodifizierter Lagerbedingungen für Schmelzkäse Kühlunterbrechungen bis zu 21 Tagen nicht im Widerspruch zur Verkehrsauffassung stünden, zur Kenntnis genommen worden sei, so sei dem entgegenzuhalten, dass zum damaligen Zeitpunkt die nunmehr klare Regelung auf Basis der Lebensmittelhygieneverordnung noch nicht getroffen gewesen sei. Es verwundere daher auch nicht, wenn damals in der zur Untermauerung der Argumentation der Unterkommission eingeholten Anfragebeantwortung seitens des Bundesministeriums für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz lediglich die Vereinbarkeit eines derartigen Hinweises mit der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung (BGBl. Nr. 72/1993) bejaht worden sei. Es sei aber bereits damals in der Antwort des Ministeriums auch darauf hingewiesen worden, dass es in der Verantwortlichkeit desjenigen liege, der die Ware in Verkehr bringe, ob beziehungsweise wie Lagerbedingungen angegeben werden müssten und dass diese Angaben grundsätzlich "leicht verständlich" zu sein hätten. Im Übrigen sei das Ministerium in seiner Antwort davon ausgegangen, dass die Information "Kühlunterbrechung im Einzelhandel bis maximal 21 Tage möglich" nicht für den Letztverbraucher bestimmt sei. Angesichts der nunmehr mit Inkrafttreten der Lebensmittelhygieneverordnung 1998 geänderten beziehungsweise erweiterten Rechtslage, insbesondere der konkretisierten Anforderungen bei der Lagerung von Lebensmitteln, sei der Beschluss der Codexunterkommission von 1994 zu relativieren. Es sei jedenfalls festzuhalten, dass einander widersprechende - und damit nicht leicht verständliche Angaben - zur Irreführung geeignet seien und somit nach § 8 lit. f Lebensmittelgesetz zu beanstanden seien. Ob eine Angabe irreführend sei, hänge davon ab, wie ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher diese Angabe wahrscheinlich auffassen werde. Die Beanstandung sei somit vollinhaltlich aufrechtzuerhalten.
Die in der Stellungnahme der AGES zum Ausdruck gebrachte Rechtsmeinung werde von der belangten Behörde geteilt. Die in der vom Beschwerdeführer vorgelegten Stellungnahme des Verbandes der Schmelzkäseindustrie geäußerte Rechtsauffassung, dass gemäß Abschnitt IX Z 4 des Anhanges der Lebensmittelhygieneverordnung während begrenzter Abschnitte bei der Zubereitung, Beförderung und Lagerung von der Temperaturregelung abgesehen werden könne, sofern die Lebensmittelsicherheit gewahrt bleibe, sei in der Form nicht richtig. Die genannte Bestimmung erlaube eine Unterbrechung der Kühlung nur für den Fall, dass dies bei der Zubereitung, Beförderung und Lagerung sowie bei der Auslage und beim Servieren von Lebensmitteln erforderlich sei. Wenn bei dem vorliegenden Schmelzkäseprodukt der Lagerhinweis "gekühlt lagern" enthalten sei, so bedeute dies, wie die AGES ausgeführt habe, eben eine Lagerung zwischen 0 Grad und + 6 Grad Celsius. Aus § 4 Abs. 1 Z 6 lit. b Lebensmittelhygieneverordnung ergebe sich, dass in diesem Fall das Produkt grundsätzlich auch auf dieser Temperatur zu halten sei. Ein Unterbrechen der Kühlkette sei gemäß Art. IX Z 4 des Anhanges nur dann zulässig, wenn dies aus Gründen der Zweckmäßigkeit erforderlich sei.
Es könne zwar durchaus sein, dass die Lagerung von Schmelzkäseprodukten bei Zimmertemperatur während eines Zeitraumes von 21 Tagen erfahrungsgemäß noch nicht dazu führe, dass das Produkt vor Ablauf der Mindesthaltbarkeitsfrist seine spezifischen Eigenschaften verliere. Ein allgemeiner Hinweis auf dem Produkt (auch nur an den Einzelhandel gerichtet), dass eine Kühlunterbrechung von 21 Tagen ohne weiteres zulässig sei, entspreche aber nicht der Rechtslage. Damit seien der genannte Lagerungshinweis als irreführend und folglich das Produkt als falsch bezeichnet zu bewerten gewesen. Der (neutrale) Hinweis, dass eine Kühlunterbrechung (Lagerung bei Zimmertemperatur) bis 21 Tage keine Verkürzung der Mindesthaltbarkeit zur Folge habe, hätte daher nicht auf dem Produkt selbst erfolgen dürfen, sondern nur separat auf den Begleitpapieren für den Handel. In diesem Zusammenhang müsste allerdings sichergestellt sein, dass eine allfällige Kühlunterbrechung nur in einer von mehreren Handelsstufen stattfinde.
Abgesehen davon erweise sich der Hinweis auf eine mögliche Kühlunterbrechung auch insofern als problematisch, als dieser keine nähere Erläuterung zu den deklarierten Lagerbedingungen, sondern eine logisch nicht nachvollziehbare Ausnahme von diesen enthalte. Weder sei für den Verbraucher verständlich, wieso nur der Einzelhandel von einer Kühlung absehen könne, noch sei davon auszugehen, dass jeder Kunde den Hinweis auch so verstehe wie er gemeint war. Es habe doch bereits die Sachbearbeiterin der Erstbehörde in der Begründung ihres Bescheides von einer Kühlunterbrechung im "Einzelfall" gesprochen. Der Konsument könne daher durch diesen Hinweis verleitet werden, ebenfalls auf eine Kühlung des Schmelzkäseprodukts zu verzichten.
Der Umstand, dass vom Unternehmen des Beschuldigten Schmelzkäseprodukte angeblich schon jahrelang ohne Beanstandung mit dieser Information über die Kühlunterbrechung in Verkehr gebracht worden seien, sei festzuhalten, dass dieser Umstand im Beschwerdefall nicht relevant sei, weil es sich um ein österreichisches Produkt handle, das in Verkehr gebracht worden sei und demgemäß auch den österreichischen lebensmittelrechtlichen Vorschriften zu entsprechen habe. Dass diese Bestimmungen (insbesondere § 4 Z 6 Lebensmittelhygieneverordnung) nicht im Einklang mit den einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften - hier vor allem mit der Lebensmittelhygienerichtlinie (RL 93/43/EWG) - stehen sollten, habe sich nicht ergeben. Damit stelle sich im Beschwerdefall auch gar nicht die Frage, ob das Produkt im Sinne des "Cassis-de-Dijon-Prinzips" verkehrsfähig sei, weil dieses Prinzip nur besage, dass es einem Mitgliedsstaat verwehrt sei, ein in einem anderen Mitgliedsstaat rechtmäßig hergestelltes und in Verkehr gebrachtes Produkt vom eigenen Markt auszuschließen.
Das Versehen des Beschwerdeführers erweise sich als Rechtsirrtum. Ein solcher sei gemäß § 5 Abs. 2 VStG nur dann unverschuldet, wenn er erwiesenermaßen unverschuldet sei und der Täter das Unrecht seines Verhaltens ohne Kenntnis des Gesetzes nicht einsehen habe können. Ein verantwortliches Organ in der Lebensmittelbranche habe sich in diesem Zusammenhang laufend über die einschlägigen Vorschriften zu informieren und gegebenenfalls entsprechende Rechtsauskünfte einzuholen. Unverschuldet sei ein Rechtsirrtum in der Regel nur dann, wenn eine unrichtige Rechtsauskunft von einer zuständigen Behörde erteilt werde. Im vorliegenden Zusammenhang habe der Beschwerdeführer nicht vorgebracht, dass er bei einer Behörde (insbesondere dem zuständigen Bundesministerium) angefragt hätte, ob die vorliegende Form der Kennzeichnung zulässig sei. Es sei dem Beschwerdeführer daher zumindest fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Beschwerdeführer übermittelte eine Äußerung zur Gegenschrift der belangten Behörde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall ist das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz - LMSVG, BGBl. I Nr. 13/2006, noch nicht anwendbar.
Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 23. Jänner 1975 über den Verkehr mit Lebensmitteln einschließlich Nahrungsergänzungsmittel, Zusatzstoffen, kosmetischen Mitteln und Gebrauchsgegenständen (Lebensmittelgesetz 1975 - LMG 1975), BGBl. Nr. 86/1975 (Stammfassung), § 74 idF BGBl. I Nr. 98/2001, lauteten auszugsweise:
"II. ABSCHNITT
Lebensmittelverkehr
§ 7. (1) Es ist verboten, Lebensmittel, Verzehrprodukte und Zusatzstoffe in Verkehr zu bringen, die
...
c) falsch bezeichnet sind
...
Begriffsbestimmungen
§ 8. Lebensmittel, Verzehrprodukte und Zusatzstoffe sind
...
f) falsch bezeichnet, wenn sie mit zur Irreführung geeigneten Angaben über Umstände, die nach der Verkehrsauffassung, insbesondere nach der Verbrauchererwartung, wesentlich sind, wie über Art, Herkunft, Verwendbarkeit, Haltbarkeit, Zeitpunkt der Herstellung, Beschaffenheit, Gehalt an wertbestimmenden Bestandteilen, Menge, Maß, Zahl oder Gewicht, oder in solcher Form oder Aufmachung oder mit verbotenen gesundheitsbezogenen Angaben (§ 9) in Verkehr gebracht werden;
...
Verwaltungsstrafen
§ 74. (1) Wer Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe, kosmetische Mittel oder Gebrauchsgegenstände der im § 6 lit. a, b oder e bezeichneten Art falsch bezeichnet, oder Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe, kosmetische Mittel, die falsch bezeichnet sind, oder solche falsch bezeichneten Gebrauchsgegenstände in Verkehr bringt, macht sich, sofern die Tat nicht nach § 63 Abs. 2 Z 1 einer strengeren Strafe unterliegt, einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 7 300 Euro zu bestrafen."
Der Beschwerdeführer bestreitet, dass das gegenständliche Schmelzkäseprodukt im Sinne von § 7 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit § 8 lit. f LMG 1975 falsch bezeichnet gewesen sei. Der auf dem Produkt angebrachte an den Einzelhandel adressierte Kühlungshinweis würde von einem des Lesens kundigen, mündigen, aufmerksamen Verbraucher niemals als an sich gerichtet verstanden werden.
Dem ist Folgendes zu entgegnen:
Gemäß § 8 lit. f LMG 1975 kommt es nach dem Wortlaut hinsichtlich der Umstände, auf die sich die Angaben, die nicht irreführend sein dürfen, beziehen können, auf die Verkehrsauffassung, insbesondere die Verbrauchererwartung, darüber an, welche Angaben wesentlich sind. Das Gesetz nennt hiefür beispielsweise Angaben über Art, Herkunft, Verwendbarkeit, Haltbarkeit, Zeitpunkt der Herstellung, Beschaffenheit, Gehalt an wertbestimmenden Bestandteilen, Menge, Maß, Zahl oder Gewicht. Es erfasst damit jedenfalls Angaben über die "Haltbarkeit" und erstreckt sich im Hinblick auf die demonstrative Aufzählung in § 8 lit. f LMG 1975 auch auf andere Umstände, die nach der Verkehrsauffassung wesentlich sind (vgl. Barfuß, ua., Österreichisches Lebensmittelrecht, Teil I A, Komm zu § 8, 20). Zu diesen sind im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Gewährleistung der einwandfreien Qualität innerhalb der Haltbarkeitsdauer auch die (im Übrigen in Art. 9 der Richtlinie 2000/13/EG auch ausdrücklich genannten) Angaben über die Aufbewahrungsbedingungen zu zählen.
Das Lebensmittelgesetz 1975 setzt nicht zuletzt die einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften, wie insbesondere die Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. März 2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hiefür ("Etikettierungsrichtlinie") um. Die Etikettierungsrichtlinie kodifizierte die Richtlinie 79/112/EWG des Rates vom 18. Dezember 1978 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hiefür, die mehrfach geändert worden war (vgl. den ersten Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/13/EG). Das LMG 1975 ist grundsätzlich nach Wortlaut und Zweck des Gemeinschaftsrechts zu interpretieren (vgl. Barfuß ua., Österreichisches Lebensmittelrecht, Teil II A, 1.1., 3 f), wobei bei der Auslegung von Straftatbeständen abgesehen von der schon nach dem B-VG gegebenen Gesetzesbindung die sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (im Folgenden: EuGH) ergebenden Grenzen zu beachten sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Juli 2005, Zl. 2001/10/0247, und die dort zitierte Rechtsprechung des EuGH).
(Schon) die Auslegung des § 8 lit. f LMG 1975 führt somit dazu, dass Angaben über die Aufbewahrungsbedingungen eines Lebensmittels von dieser Bestimmung umfasst sind. Diese Auslegung wird überdies durch die Richtlinie 2000/13/EG gestützt.
Hinsichtlich des in Rede stehenden Hinweises auf die Möglichkeit einer 21-tägigen Kühlunterbrechung hat die belangte Behörde daher zutreffend angenommen, dass diese Angabe nach der Verbrauchererwartung "wesentlich" im Sinne von § 8 lit. f LMG 1975 ist. Die gegenständliche Angabe über die Aufbewahrungsbedingungen fällt somit grundsätzlich in den Anwendungsbereich von § 8 lit. f LMG 1975.
Was die Frage der Eignung der Angabe zur Irreführung anlangt, ist auf Folgendes zu verweisen:
Wie auch in der Literatur (vgl. Barfuß ua., Österreichisches Lebensmittelrecht, Teil I A, Kommentar zu § 8 LMG 1975, 19) zu § 8 LMG 1975 vertreten wird, liegt der Tatbestand der Irreführung bzw. der Eignung zur Irreführung im Sinne der Judikatur zu § 2 UWG dann vor, wenn ein nicht unerheblicher Teil der Betroffenen durch bestimmte Angaben irregeführt werden kann (vgl. zum Abstellen auf die Rechtsprechung zu § 2 UWG auch im Zusammenhang mit dem Begriff der Irreführung nach dem LMG 1975 beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 18. Mai 2004, Zl. 2003/10/0028). Nach Rechtsprechung und Lehre zu § 2 UWG kann eine Werbeaussage zur Irreführung auch dann geeignet sein, wenn ihr die beteiligten Verkehrskreise trotz objektiver Richtigkeit etwas Unrichtiges entnehmen können (vgl. den Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 7. Oktober 2003, 4 Ob 198/03a, mwN sowie das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 18. Mai 2004).
Für diese Beurteilung haben auch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (im Folgenden: EuGH) die Gerichte auf die mutmaßliche Wahrnehmung des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers abzustellen (vgl. das Urteil des EuGH vom 19. April 2007, C-381/05, De Landtsheer Emmanuel SA, Rz 23, sowie das Urteil des EuGH vom 4. April 2000, C-465/98, Verein gegen Unwesen im Handel und Gewerbe Köln, Rz 20).
Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es grundsätzlich Sache der nationalen Gerichte, sich unter Berücksichtigung der mutmaßlichen Erwartung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers eine Überzeugung zu bilden, ob bestimmte Angaben irreführen können (vgl. u.a. die Urteile vom 4. April 2000, C-465/98, Verein gegen Unwesen im Handel und Gewerbe Köln, Rz 20, sowie vom 23. Jänner 2003, C-421/00, C-426/00 und C-16/01, Renate Sterbenz und Paul Dieter Haug, Rz 43).
Davon ausgehend ist die Auffassung der belangten Behörde, die in Rede stehende Angabe sei zur Irreführung der Verbraucher geeignet, schon deshalb nicht als rechtswidrig zu beanstanden, weil der unmittelbar auf die (durch § 4 Z. 5 LMKV vorgeschriebene) datumsmäßige Angabe des Mindesthaltbarkeitsdatums folgende Hinweis auf eine mögliche "Kühlunterbrechung" geeignet ist, beim Verbraucher Zweifel über die Bedeutung dieses Hinweises für die Haltbarkeit des Lebensmittels und somit über die Verlässlichkeit der Angabe des Mindesthaltbarkeitsdatums selbst hervorzurufen.
Die Auffassung der Beschwerde, die Angabe sei nicht zur Irreführung geeignet, beruht offenbar auf der Annahme, der Hinweis werde beim Verbraucher keine Unsicherheit hervorrufen, weil sie als "ausschließlich an den Einzelhandel gerichtet" aufgefasst werde. Dem kann schon deshalb nicht gefolgt werden, weil nicht gesagt werden kann, dass beim Verbraucher durch Angaben der (zur Information des Letztverbrauchers bestimmten) Etikettierung eines Lebensmittels Zweifel über wesentliche Eigenschaften des Lebensmittels deshalb nicht geweckt werden könnten, weil die Angaben auf eine Vorgangsweise des "Einzelhandels" (oder anderer Produktions- bzw. Vertriebsstufen) Bezug nähmen. Es besteht kein Grund zur Annahme, dass der Verbraucher solche Angaben gewissermaßen "ausblenden", ihnen keinen Informationsgehalt beimessen und sie nicht zum Ansatzpunkt für Überlegungen nehmen werde, die Eigenschaften des Lebensmittels betreffen. Die belangte Behörde ist daher mit ihrer Auffassung, der Hinweis auf die mögliche "Kühlunterbrechung" könne beim Verbraucher zu Missverständnissen über die Haltbarkeit des Lebensmittels führen, und sei somit zur Irreführung im Sinne des § 7 Abs. 1 lit. c LMG geeignet, im Recht.
Auf die Frage, ob eine "Kühlunterbrechung" unter lebensmittelhygienischen Gesichtspunkten zulässig ist (wie in dem vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Beschluss der Codexkommission vertreten wurde), braucht daher nicht eingegangen zu werden. Für die Frage, ob die Angabe für den Verbraucher irreführend sein konnte, ist diese Frage nicht von Bedeutung.
An die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates Vorarlberg vom 26. Februar 2004, welche in einem anderen Verfahren ergangen ist, ist der Verwaltungsgerichtshof nicht gebunden. Die Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates Vorarlberg gründet sich auf ein Gutachten, dessen Schlussfolgerungen der Verwaltungsgerichtshof im Lichte der oben dargelegten Ausführungen nicht folgt.
Die Beschwerde zeigt somit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 27. Juli 2007
Gerichtsentscheidung
EuGH 61998J0465 Darbo VORABSchlagworte
Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4Gemeinschaftsrecht Richtlinie Umsetzungspflicht EURallg4/2Gemeinschaftsrecht Auslegung des Mitgliedstaatenrechtes EURallg2Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2004100172.X00Im RIS seit
13.11.2007Zuletzt aktualisiert am
22.08.2013