Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm sowie die fachkundigen Laienrichter Eveline Umgeher (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Peter Scherz (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Hatice S*****, vertreten durch Mag. László Szabó, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, wegen Witwenpension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. April 2005, GZ 23 Rs 22/05i-20, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.Die außerordentliche Revision wird gemäß Paragraph 508 a, Absatz 2, ZPO mangels der Voraussetzungen des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die am 11. 5. 1950 geborene Klägerin, die seit 1984 österreichische Staatsbürgerin ist, schloss am 28. 9. 1989 vor einem türkischen Standesamt die Ehe mit dem türkischen Staatsangehörigen Bayram S*****. Mit Beschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom 2. 10. 1998 wurde die Ehe gemäß § 55a EheG mit der Wirkung geschieden, dass sie mit Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses aufgelöst ist. Im Zusammenhang mit der Ehescheidung vereinbarten die Ehegatten einen wechselseitigen Unterhaltsverzicht. Zum Zeitpunkt der Ehescheidung war die Klägerin nicht zurechnungsfähig.Die am 11. 5. 1950 geborene Klägerin, die seit 1984 österreichische Staatsbürgerin ist, schloss am 28. 9. 1989 vor einem türkischen Standesamt die Ehe mit dem türkischen Staatsangehörigen Bayram S*****. Mit Beschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom 2. 10. 1998 wurde die Ehe gemäß Paragraph 55 a, EheG mit der Wirkung geschieden, dass sie mit Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses aufgelöst ist. Im Zusammenhang mit der Ehescheidung vereinbarten die Ehegatten einen wechselseitigen Unterhaltsverzicht. Zum Zeitpunkt der Ehescheidung war die Klägerin nicht zurechnungsfähig.
Auch nach der Ehescheidung wohnte die Klägerin mit Bayram S***** im gemeinsamen Haushalt. Beide trugen - wie zuvor während aufrechter Ehe - durch ihr Einkommen zum gemeinsamen Lebensunterhalt bei. Am 23. 3. 2000 verunglückte Bayram S***** tödlich.
Mit Bescheid vom 5. 7. 2000 hat die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter den Antrag der Klägerin auf Zuerkennung der Witwenpension mit der Begründung abgelehnt, dass die Ehe am 2. 10. 1998 geschieden worden sei und ein Unterhaltsanspruch gegenüber dem geschiedenen Ehegatten nicht bestanden habe.
Das Erstgericht wies die dagegen erhobene Klage ab. Da die am 2. 10. 1998 rechtskräftig geschiedene Ehe der Klägerin mit Bayram S***** nicht zumindest 10 Jahre gedauert habe, seien die Voraussetzungen nach § 258 Abs 4 lit d ASVG nicht erfüllt. Dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Ehescheidung zurechnungsunfähig gewesen sei, habe außer Betracht zu bleiben, weil ausschließlich die Tatsache der rechtskräftigen Ehescheidung maßgeblich sei.Das Erstgericht wies die dagegen erhobene Klage ab. Da die am 2. 10. 1998 rechtskräftig geschiedene Ehe der Klägerin mit Bayram S***** nicht zumindest 10 Jahre gedauert habe, seien die Voraussetzungen nach Paragraph 258, Absatz 4, Litera d, ASVG nicht erfüllt. Dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Ehescheidung zurechnungsunfähig gewesen sei, habe außer Betracht zu bleiben, weil ausschließlich die Tatsache der rechtskräftigen Ehescheidung maßgeblich sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Der Ehescheidungsbeschluss vom 2. 10. 1998 samt der Vereinbarung über die Scheidungsfolgen sei in formelle Rechtskraft erwachsen. Die formelle Rechtskraft trete auch dann ein, wenn die Prozessunfähigkeit einer Partei im Verfahren nicht erkannt worden sei. Im Hinblick auf den zwischenzeitig eingetretenen Tod des Ehegatten könne die Unwirksamkeit der Ehescheidung nicht mehr im Wege der Nichtigkeitsklage nach § 529 Abs 1 Z 2 ZPO geltend gemacht werden. Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, da das Berufungsgericht bei der Beurteilung der Rechtswirksamkeit der Ehescheidung nach § 55a EheG der höchstgerichtlichen Judikatur gefolgt sei; die Entscheidung über die begehrte Witwenpension hänge daher nicht von der Lösung einer Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ab.Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Der Ehescheidungsbeschluss vom 2. 10. 1998 samt der Vereinbarung über die Scheidungsfolgen sei in formelle Rechtskraft erwachsen. Die formelle Rechtskraft trete auch dann ein, wenn die Prozessunfähigkeit einer Partei im Verfahren nicht erkannt worden sei. Im Hinblick auf den zwischenzeitig eingetretenen Tod des Ehegatten könne die Unwirksamkeit der Ehescheidung nicht mehr im Wege der Nichtigkeitsklage nach Paragraph 529, Absatz eins, Ziffer 2, ZPO geltend gemacht werden. Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, da das Berufungsgericht bei der Beurteilung der Rechtswirksamkeit der Ehescheidung nach Paragraph 55 a, EheG der höchstgerichtlichen Judikatur gefolgt sei; die Entscheidung über die begehrte Witwenpension hänge daher nicht von der Lösung einer Rechtsfrage iSd Paragraph 502, Absatz eins, ZPO ab.
In ihrer außerordentlichen Revision macht die Klägerin geltend, dass das Berufungsgericht den Unterschied zwischen der formellen Rechtskraft eines in einem streitigen Verfahren ergangenen Urteils und einem Scheidungsbeschluss nicht gebührend beachtet habe. Der wesentliche Unterschied liege darin, dass ein Scheidungsantrag auch noch nach der Entscheidung erster Instanz zurückgenommen werden könne. Dies sei im vorliegenden Fall noch immer möglich, da eine Zustellung des Scheidungsbeschlusses an die Sachwalterin der Klägerin, der die Zurücknahmefrist für den Scheidungsbeschluss ausgelöst hätte, nicht erfolgt sei. Deshalb habe die Ehe der Klägerin mit Bayram S***** bis zu dessen Tod bestanden.
Rechtliche Beurteilung
Nach der ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofes zum AußStrG aF waren im Verfahren über die einvernehmliche Scheidung Nichtigkeitsklage (bzw Nichtigkeitsantrag) und Wiederaufnahmsklage (bzw Wiederaufnahmsantrag) ausgeschlossen (8 Ob 699/86 = JBl 1989, 186; krit dazu etwa Simotta, Zum Nichtigkeitsantrag im Außerstreitverfahren, insb im Verfahren über die einvernehmliche Scheidung, JBl 1989, 154). Es bestand daher keine Möglichkeit mehr, nach Eintritt der formellen Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses die ausgesprochene Scheidung wieder beseitigen zu können. Selbst wenn man die Ansicht vertritt, dass der Verweis in § 220 Abs 1 AußStrG aF (wonach im Verfahren über die Scheidung einer Ehe nach § 55a EheG die für das streitige Eheverfahren geltenden Bestimmungen über die Prozessfähigkeit sinngemäß anzuwenden sind) auch die Geltung des § 529 Abs 1 Z 2 ZPO nach sich zieht (in diesem Sinn Simotta aaO), ist zu bedenken, dass nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofes (1 Ob 6/01s = SZ 74/200; 1 Ob 10/02f = SZ 2002/8) die formelle Rechtskraft einer zivilprozessualen Entscheidung auch dann eintritt, wenn die Prozessunfähigkeit der Partei im Verfahren nicht erkannt wurde. Nach Ablauf der Rechtsmittelfrist und Eintritt der formellen Rechtskraft kann die Partei nur mehr Nichtigkeitsklage aus dem Grund des § 529 Abs 1 Z 2 ZPO erheben. Im vorliegenden Fall ist eine solche Klage aber schon allein deshalb ausgeschlossen, weil nach dem Tod eines Ehegatten keine Entscheidung über eine Nichtigkeits- oder Wiederaufnahmsklage mehr ergehen kann (4 Ob 602/88 = EF 57.779; RIS-Justiz RS0041697).Nach der ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofes zum AußStrG aF waren im Verfahren über die einvernehmliche Scheidung Nichtigkeitsklage (bzw Nichtigkeitsantrag) und Wiederaufnahmsklage (bzw Wiederaufnahmsantrag) ausgeschlossen (8 Ob 699/86 = JBl 1989, 186; krit dazu etwa Simotta, Zum Nichtigkeitsantrag im Außerstreitverfahren, insb im Verfahren über die einvernehmliche Scheidung, JBl 1989, 154). Es bestand daher keine Möglichkeit mehr, nach Eintritt der formellen Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses die ausgesprochene Scheidung wieder beseitigen zu können. Selbst wenn man die Ansicht vertritt, dass der Verweis in Paragraph 220, Absatz eins, AußStrG aF (wonach im Verfahren über die Scheidung einer Ehe nach Paragraph 55 a, EheG die für das streitige Eheverfahren geltenden Bestimmungen über die Prozessfähigkeit sinngemäß anzuwenden sind) auch die Geltung des Paragraph 529, Absatz eins, Ziffer 2, ZPO nach sich zieht (in diesem Sinn Simotta aaO), ist zu bedenken, dass nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofes (1 Ob 6/01s = SZ 74/200; 1 Ob 10/02f = SZ 2002/8) die formelle Rechtskraft einer zivilprozessualen Entscheidung auch dann eintritt, wenn die Prozessunfähigkeit der Partei im Verfahren nicht erkannt wurde. Nach Ablauf der Rechtsmittelfrist und Eintritt der formellen Rechtskraft kann die Partei nur mehr Nichtigkeitsklage aus dem Grund des Paragraph 529, Absatz eins, Ziffer 2, ZPO erheben. Im vorliegenden Fall ist eine solche Klage aber schon allein deshalb ausgeschlossen, weil nach dem Tod eines Ehegatten keine Entscheidung über eine Nichtigkeits- oder Wiederaufnahmsklage mehr ergehen kann (4 Ob 602/88 = EF 57.779; RIS-Justiz RS0041697).
Auch aus dem Umstand, dass ein Scheidungsantrag nach § 224 Abs 1 AußStrG aF bis zum Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses zurückgenommen werden kann, ist für die Revisionswerberin nichts zu gewinnen, weil in dieser Bestimmung die formelle Rechtskraft angesprochen wird (7 Ob 596/79 = JBl 1980, 551; RIS-Justiz RS0008471), die im vorliegenden Fall unzweifelhaft eingetreten ist. Letztlich ist noch darauf hinzuweisen, dass die Bestimmungen über den Abänderungsantrag (§§ 72 ff AußStrG nF) auf das Scheidungsverfahren der Klägerin noch nicht anzuwenden sind (§ 203 Abs 8 AußStrG nF). Die außerordentliche Revision der Klägerin ist daher zurückzuweisen.Auch aus dem Umstand, dass ein Scheidungsantrag nach Paragraph 224, Absatz eins, AußStrG aF bis zum Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses zurückgenommen werden kann, ist für die Revisionswerberin nichts zu gewinnen, weil in dieser Bestimmung die formelle Rechtskraft angesprochen wird (7 Ob 596/79 = JBl 1980, 551; RIS-Justiz RS0008471), die im vorliegenden Fall unzweifelhaft eingetreten ist. Letztlich ist noch darauf hinzuweisen, dass die Bestimmungen über den Abänderungsantrag (Paragraphen 72, ff AußStrG nF) auf das Scheidungsverfahren der Klägerin noch nicht anzuwenden sind (Paragraph 203, Absatz 8, AußStrG nF). Die außerordentliche Revision der Klägerin ist daher zurückzuweisen.
Anmerkung
E78416 10ObS73.05sEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2005:010OBS00073.05S.0809.000Dokumentnummer
JJT_20050809_OGH0002_010OBS00073_05S0000_000