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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §62 Abs4;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2006/10/0169Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Köhler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde des MR in T, vertreten durch Offer & Partner KEG, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Museumstraße 16,
1) gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 16. Februar 2006, Zl. U-13.895/7 (in der Fassung des Berichtigungsbescheides der Tiroler Landesregierung vom 27. Juni 2006, Zl. U-13.895/11), betreffend naturschutzbehördlicher Auftrag, und
2) gegen den unter 1) genannten Berichtigungsbescheid vom 27. Juni 2006, zu Recht erkannt, bzw. den Beschluss gefasst:
Spruch
Der erstangefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
I.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck (BH) vom 20. Oktober 2005 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 17 Abs. 1 lit. b Tiroler Naturschutzgesetz 2005 (Tir NatSchG) der Auftrag erteilt, zur Wiederherstellung des früheren Zustandes eine von ihm ohne die erforderliche naturschutzrechtliche Bewilligung vorgenommene Schüttung binnen festgesetzter Frist zu entfernen und das Ufer des - näher bezeichneten - Baches mit tiefwurzelnden Baumarten zu bepflanzen.
Begründend wurde zunächst die Stellungnahme eines Amtssachverständigen für Wildbach- und Lawinenverbauung wiedergegeben, wonach die Schüttung, die ein Ausmaß von unter 1.000 m2 und wahrscheinlich knapp unter 500 m3 aufweise, den orographisch rechten Einhang des Baches betreffe und vom Bach durchwegs einen Abstand von ca. 4 m habe. Durch die zusätzliche Auflast von rund 500 m3 Schüttmaterial an der Hangkante werde die bereits als ungünstig erkannte Hangstabilität weiter beeinträchtigt, sodass sich für die Unterlieger eine Verschlechterung ergebe. Die ohne Vorliegen einer naturschutzrechtlichen Bewilligung vorgenommene Schüttung sei dem Beschwerdeführer daher samt der zur Wiederherstellung des früheren Zustandes erforderlichen Bepflanzung zur Entfernung vorzuschreiben gewesen.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung, in der er unter Hinweis auf eine von ihm gleichzeitig vorgelegte "geologische Beurteilung" des Technischen Büros für Geologie und Hydrogeologie Dr. M. u. a. bestritt, dass die Schüttung im 5-Meter-Bereich des Baches vorgenommen worden sei. In der "geologischen Beurteilung" sei festgehalten, dass der Abstand der Schüttung vom Bach "mehr als 5 Meter" betrage.
Die Berufungsbehörde holte eine Stellungnahme des Forsttechnischen Dienstes für Wildbach- und Lawinenverbauung u. a. zur Frage des Abstandes der Schüttung zum Bach ein.
In seiner Stellungnahme führte der Forsttechnische Dienst aus, der Amtssachverständige für Wildbach- und Lawinenverbauung habe den Abstand vom Fuß der Schüttung bis zum Bach mit ca. 4,0 m "angeschätzt". Die geologische Beurteilung durch Dr. M. sei demgegenüber zum Ergebnis gelangt, dass der Abstand zum Bach mehr als 5 m betrage. Diese Diskrepanz lasse sich am leichtesten durch eine Vermessung des gegenständlichen Bereiches durch ein befugtes Vermessungsbüro klären. Bei der zu ermittelnden Distanz handle es sich um die Horizontaldistanz (projizierte Länge).
Über Vorhalt erklärte der Beschwerdeführer unter Hinweis auf eine Stellungnahme des erwähnten Technischen Büros, die Einschaltung eines Vermessungsbüros sei kostenintensiv und nur für die Messung einer Strecke gerechtfertigt, die nicht gerade sei. Im vorliegenden Fall könne der relevante Abstand jedoch bei einem Lokalaugenschein mit Hilfe eines Maßbandes mit ausreichender Genauigkeit ermittelt werden. Aus dem Gesetz ergebe sich nicht, dass die Horizontaldistanz (projizierte Länge) maßgeblich sei. Entscheidend seien die in der Natur am natürlichen Gelände zu messenden Entfernungen.
Mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 16. Februar 2006 wurde die Berufung des Beschwerdeführers mit der Maßgabe abgewiesen, dass ihm gemäß § 17 Abs. 1 lit. b Tir NatSchG im Einzelnen genannte Maßnahmen zur Wiederherstellung des früheren Zustandes aufgetragen wurden. Ua wurde dem Beschwerdeführer aufgetragen, das auf den "Gst. Nr. 1661 und 1663, KG T."
geschüttete Material abzutransportieren. Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften im Wesentlichen ausgeführt, die Schüttung sei im 5 m Uferschutzbereich des erwähnten Baches ohne die gemäß § 7 Abs. 1 Tir NatSchG erforderliche Bewilligung vorgenommen worden. Der Beschwerdeführer habe zwar gestützt auf eine geologische Beurteilung in seiner Berufung vorgebracht, dass der Abstand der Schüttung zum Bach mehr als 5 m betrage. Der Amtssachverständige für Wildbach- und Lawinenverbauung habe jedoch in seiner Stellungnahme bekräftigt, dass der Abstand vom Fuß der Schüttung bis zum Bach (Uferböschungskrone) geschätzte 4 m Horizontaldistanz (projizierte Länge) betrage. Da der vom Beschwerdeführer vorgelegten geologischen Beurteilung weder zu entnehmen sei, auf Grund welcher Messung der Abstand von mehr als 5 m bestimmt worden sei, noch zwischen welchen Punkten welcher Abstand bestehe, sei das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht geeignet, die Aussagen des Amtssachverständigen in Zweifel zu ziehen. Zusammenfassend sei daher festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung des naturschutzbehördlichen Auftrages erfüllt seien.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die zur hg. Zl. 2006/10/0080, protokollierte Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
II.
Mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 27. Juni 2006 wurde der Spruch des erstangefochtenen Bescheides dahin berichtigt, dass das auf den "Gst. Nr. 1361 und 1363, KG T."
geschüttete Material abzutransportieren sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die zur
hg. Zl. 2006/10/0169, protokollierte Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des
Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
III.
Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die beiden Beschwerden zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden. Er hat sodann erwogen:
Gemäß § 17 Abs. 1 lit. b Tiroler Naturschutzgesetz 2005 (Tir NatSchG) hat die Bezirksverwaltungsbehörde, wenn ein nach diesem Gesetz, einer Verordnung auf Grund dieses Gesetzes oder einem der in der Anlage zu § 48 Abs. 1 genannten Gesetze bewilligungspflichtiges Vorhaben, ausgenommen Werbeeinrichtungen, ohne naturschutzrechtliche Bewilligung oder entgegen einem in diesen Vorschriften enthaltenen Verbot, ohne dass hiefür eine Ausnahmebewilligung vorliegt, ausgeführt wird, demjenigen, der dies veranlasst hat, oder wenn dieser nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand festgestellt werden kann, dem Grundeigentümer oder dem sonst über das Grundstück Verfügungsberechtigten mit Bescheid die zur Wiederherstellung des früheren Zustandes erforderlichen Maßnahmen auf seine Kosten aufzutragen; ist die Wiederherstellung des früheren Zustandes nicht möglich oder kann der frühere Zustand nicht oder nur mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand festgestellt werden, so ist dieser zu verpflichten, den geschaffenen Zustand auf seine Kosten so zu ändern, dass den Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 bestmöglich entsprochen wird.
Gemäß § 7 Abs. 2 lit. a Z. 2 Tir NatSchG bedürfen außerhalb geschlossener Ortschaften im Bereich der Uferböschung von fließenden natürlichen Gewässern und eines 5 m breiten, von der Uferböschungskrone landeinwärts zu messenden Geländestreifens Geländeabtragungen und Geländeaufschüttungen außerhalb eingefriedeter bebauter Grundstücke einer naturschutzrechtlichen Bewilligung.
Dem erstangefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, der Beschwerdeführer habe im 5 m-Uferschutzbereich eines bestimmten Baches eine Schüttung vorgenommen, ohne im Besitz der dafür gemäß § 7 Abs. 2 lit. a Z. 2 Tir NatSchG erforderlichen Bewilligung zu sein. Es seien ihm daher Maßnahmen zur Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes aufzutragen gewesen.
Der Beschwerdeführer wendet ein, es sei die Annahme, die Schüttung befinde sich im 5 m-Uferschutzbereich, unzutreffend. Sie beruhe auch nicht auf einem mängelfreien Ermittlungsverfahren. Der Amtssachverständige habe zugestandenermaßen die gemäß § 7 Abs. 2 lit. b "zu messende" Entfernung lediglich "angeschätzt", während der vom Beschwerdeführer beigezogene Sachverständige in seinem Gutachten eindeutig festgehalten habe, dass der Abstand zum Bach mehr als 5 m betrage. Es sei auch keineswegs so, dass der Amtssachverständige in seiner Stellungnahme zum Gutachten, das der Beschwerdeführer vorgelegt habe, die Richtigkeit seiner Entfernungsschätzung bekräftigt habe. Vielmehr habe er zur Klärung der Frage, in welchem Abstand zum Bach die Schüttung nun tatsächlich vorgenommen worden sei, eine Vermessung des betreffenden Bereiches angeregt. Der Beschwerdeführer habe es demgegenüber für ausreichend erachtet, wenn die Behörde eine Messung mit Maßband vornehme. Die belangte Behörde jedoch habe weder eine Vermessung des Bereiches veranlasst, noch die vom Beschwerdeführer angeregte Messung vorgenommen.
Der Beschwerdeführer ist bereits mit diesem Vorbringen im Recht:
Wie dargelegt hat die belangte Behörde auf Grund einer Schätzung des beigezogenen Amtssachverständigen angenommen, die vom Beschwerdeführer vorgenommene Schüttung befinde sich innerhalb des Uferschutzbereiches im Sinne des § 7 Abs. 2 lit. a Tir NatSchG. Dem ist der Beschwerdeführer mit dem von ihm eingeholten Gutachten eines Technischen Büros entgegen getreten, in welchem der Abstand der - näher beschriebenen - Schüttung zum Bach mit mehr als 5 m angegeben wird.
Der ergänzenden Stellungnahme des Forsttechnischen Dienstes für Wildbach- und Lawinenverbauung ist - wie der Beschwerdeführer zu Recht hervorhebt - nicht zu entnehmen, dass die Schätzung eines Abstandes von ca. 4 m durch den Amtssachverständigen bekräftigt worden wäre. Vielmehr wird hier - ausgehend von der Notwendigkeit, die Diskrepanz in den sachverständigen Auffassungen aufzuklären - eine Vermessung des fraglichen Bereiches angeregt. Die belangte Behörde hat allerdings weder diese Vermessung vorgenommen, noch sonstige Schritte gesetzt, um Klarheit über den zwischen der Schüttung und dem Bach bestehenden Abstand zu gewinnen.
Die Annahme, dieser Abstand betrage (lediglich) ca. 4,0 m, beruht daher nicht auf einer mängelfrei ermittelten Sachverhaltsgrundlage. Vielmehr kann auf Grund der der belangten Behörde vorliegenden Ermittlungsergebnisse nicht zweifelsfrei gesagt werden, welchen Abstand die Schüttung zum Bach nun tatsächlich aufweist. Auf Grund der der belangten Behörde vorliegenden Ermittlungsergebnisse kann daher auch nicht beurteilt werden, ob die in Rede stehende Schüttung im Grunde des § 7 Abs. 2 lit. a Z. 1 Tir NatSchG bewilligungspflichtig ist. Dass die Schüttung aus anderen Gründen naturschutzrechtlich bewilligungspflichtig wäre, ist weder von der belangten Behörde behauptet worden, noch aus den vorgelegten Verwaltungsakten ersichtlich.
Der erstangefochtene Bescheid erweist sich somit als mit einem im Sinn des § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG wesentlichen Verfahrensmangel belastet, was - ohne auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen - zu seiner Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften zu führen hatte.
Mit der spruchgemäßen Aufhebung des erstangefochtenen Bescheides fällt allerdings die Möglichkeit einer Rechtsverletzung des Beschwerdeführers durch den (zweitangefochtenen) Berichtigungsbescheid weg (vgl. zB. den hg. Beschluss vom 20. November 2006, Zl. 2003/09/0085, und die dort zitierte Judikatur). Die Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid war daher gemäß § 33 Abs. 1 VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 4 VwGG gebildeten Senat als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren hierüber einzustellen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das die Umsatzsteuer betreffende Mehrbegehren war abzuweisen, weil diese im zuerkannten Pauschbetrag bereits enthalten ist. Betreffend das eingestellte Beschwerdeverfahren waren keine Kosten zuzusprechen, weil nicht von vorneherein und daher nicht im Sinne des § 58 Abs. 2 VwGG ohne unverhältnismäßigen Aufwand beurteilt werden kann, welchen Ausgang das Verfahren genommen hätte, wäre Gegenstandslosigkeit nicht eingetreten.
Wien, am 27. Juli 2007
Schlagworte
AllgemeinEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006100080.X00Im RIS seit
28.08.2007