TE OGH 2005/9/1 2Ob40/05d

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Veröffentlicht am 01.09.2005
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Dr. Baumann, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Veith als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Sofia H*****, vertreten durch Dr. Manfred Trentinaglia und Dr. Clemens Winkler, Rechtsanwälte in Kitzbühel, gegen die beklagte Partei Manfred B*****, vertreten durch Dr. Helmut Berger-Kriegler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Einwilligung in die Einverleibung des Eigentumsrechts und Veranlassung der Löschung eines Pfandrechts (Streitwert: EUR 100.000), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 3. Dezember 2004, GZ 4 R 229/04i-26, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 9. Juni 2004, GZ 10 Cg 216/03k-21, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.926,72 (darin EUR 321,12 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die 1917 geborene Klägerin schloss am 8. 4. 2002 mit dem Sohn ihrer Cousine, dem Beklagten, einen in der Form eines Notariatsaktes gefassten Übergabsvertrag, mit dem sie die damals in ihrem Eigentum stehende Liegenschaft EZ ***** Grundbuch *****, bestehend aus dem Grundstück ***** an den Beklagten übertrug. Dieser verpflichtete sich in dem schriftlichen Vertrag, 1. der Klägerin das lebenslängliche und unentgeltliche Fruchtgenussrecht an der gesamten Liegenschaft einzuräumen, 2. innerhalb von 14 Tagen ab Unterfertigung des Vertrages einen Übergabspreis von EUR 100.000 an die Klägerin zu bezahlen, 3. für die Pflege und Betreuung der Klägerin im Alter und im Krankheitsfall zu sorgen, 4. die Liegenschaft zu Lebzeiten der Klägerin weder zu belasten noch zu veräußern und 5. im Ablebensfall der Klägerin die gesamten Begräbnis- und Todfallskosten zu übernehmen und für die Errichtung und Erhaltung einer ortsüblichen und standesgemäßen Grabstätte aufzukommen. Bereits am 20. 3. 2002 hatten die Streitteile eine zusätzliche, vor allem die Benützung des Hauses zu Lebzeiten der Klägerin und die Pflichten des Beklagten nach dem Tod der Klägerin ergänzend regelnde schriftliche „Private und verbindliche Vereinbarung parallel zum notariellen Vertrag" getroffen, an der auch das Ehepaar R***** (die Klägerin war einige Zeit mit dem Vater von Elisabeth R***** verheiratet gewesen) beteiligt waren. Der „Familie R*****" wurde in dieser Zusatzvereinbarung das Recht eingeräumt, im Falle der „tiefgreifenden Vernachlässigung" der eingegangenen Verpflichtungen und aus „triftigen Gründen" die „Schenkung" an den Beklagten „auf der Rechtsgrundlage des groben Undanks" zu widerrufen. In diesem Fall würde die Klägerin ersatzweise ihrer Stieftochter Elisabeth R***** das Anwesen überlassen.

Sowohl das Eigentumsrecht des Beklagten als auch das Fruchtgenussrecht der Klägerin wurden verbüchert. In der Folge wurde entgegen dem vereinbarten (obligatorischen) Belastungs- und Veräußerungsverbot ein exekutives Pfandrecht und ein vertragliches Höchstbetragspfandrecht im Grundbuch einverleibt. Ferner ist das mit der einstweiligen Verfügung des Erstgerichtes vom 17. 9. 2003 angeordnete Belastungs- und Veräußerungsverbot angemerkt.

Die Klägerin begehrt, den Beklagten schuldig zu erkennen, 1. in die Einverleibung des Eigentumsrechts der Klägerin ob der besagten Liegenschaft einzuwilligen und 2. die Löschung des einverleibten Höchstbetragspfandrechts zu veranlassen. Sie erklärte, die „gemischte Schenkung" a) wegen groben Undanks im Sinne des § 948 ABGB und b) aufgrund des in der Vereinbarung vom 20. 3. 2002 „konkludent" und zusätzlich mündlich auch mit ihr vereinbarten Widerrufsrechts zu widerrufen. Dazu brachte sie mehrere „Widerrufsgründe" vor. Sie sei auch bereit, den Übergabspreis zurückzuzahlen, mache jedoch bis zur Löschung der Pfandrechte von ihrem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch. Im Verlaufe des erstinstanzlichen Verfahrens brachte die Klägerin ergänzend vor, Dr. Ernst R***** habe den Beklagten mittlerweile auf Rückzahlung des ihm zur Finanzierung des Übergabspreises und der Vertragskosten gewährten Darlehens in Höhe von EUR 110.000 geklagt. Der (hier wie dort) Beklagte bestreite, je ein Darlehen erhalten und den Übergabspreis bezahlt zu haben und wende ein, der den Übergabspreis betreffende Vertragspunkt sei lediglich aus steuerlichen Gründen in den Vertrag aufgenommen worden. Sollte der Beklagte tatsächlich davon ausgegangen sein, keinen Übergabspreis bezahlen und das von Dr. R***** gewährte Darlehen nicht zurückzahlen zu müssen, wäre der Vertrag wegen Dissenses nicht zustande gekommen und der Beklagte auch aus diesem Grund schuldig, in die Einverleibung des Eigentumsrechts der Klägerin einzuwilligen.

Der Beklagte bestritt das Vorliegen von Widerrufsgründen im Sinne des § 948 ABGB und die Vereinbarung eines Widerrufsrechts zugunsten der Klägerin. Auf das ergänzende Vorbringen zum Dissens entgegnete der Beklagte nichts.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es ging vom eingangs zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalt aus und traf noch folgende weitere für das Revisionsverfahren wesentliche Feststellungen:

Im November 2001 besuchten der Beklagte, seine Gattin und seine Eltern die Klägerin, die er als seine Tante bezeichnete. Bei dieser Gelegenheit fragte die Klägerin die Mutter des Beklagten, ob diese zu ihr ziehen wolle. Sie werde älter und brauche Hilfe und würde ihr dafür das Haus überlassen. Die Mutter des Beklagten lehnte ab, wies die Klägerin aber darauf hin, sie möge doch den Beklagten fragen, der unabhängig sei und in einer Mietwohnung wohne. Am nächsten Morgen wiederholte die Klägerin dem Beklagten gegenüber ihr Angebot und sagte, sie benötige Hilfe und der Beklagte würde für diese Hilfeleistungen das Haus bekommen. Näher besprochen wurde vorerst nichts. Der Beklagte meinte, er werde sich das überlegen. Die Gattin des Beklagten hatte ca ein halbes Jahr zuvor in Traiskirchen eine Schneiderei übernommen und gekauft. Gemeinsam hatten sie auch eine Wohnung in Baden bei Wien übernommen und eingerichtet. Sie hatten daher keine Barreserven mehr zur Verfügung, um die Übersiedlung und die eventuelle Übernahme zu begleichen. Auch aus beruflichen Gründen - der Beklagte ist Nachrichtenelektroniker - hatte der Beklagte Bedenken, nach Tirol zu übersiedeln. Dennoch entschlossen sich der Beklagte und seine Gattin letztlich doch, nach Tirol zu ziehen und das Angebot der Klägerin anzunehmen, wobei vorerst von einer Schenkung die Rede war, dann aber davon, dass ein Kaufvertrag gemacht werden würde. In diesem Zusammenhang fand auch einmal ein Gespräch beim Notar Dr. Josef K*****, der den Notariatsakt letztlich errichtete, statt. Dabei ging es um die Übergabe, ohne dass noch von einem Übergabspreis die Rede war. In der Folge gab es jedoch eine weitere Besprechung der Klägerin mit dem Notar, bei welcher zwar Dr. R*****, nicht aber der Beklagte zugegen war. Nach dieser Besprechung unterrichtete die Klägerin den Beklagten davon, dass ein Übergabsvertrag geplant sei. Dabei war auch das erste Mal die Rede davon, dass der Beklagte EUR 100.000 zu bezahlen habe, wobei die Klägerin aber auch zum Beklagten sagte, er müsse sich über diesen Betrag keine Sorgen machen, das mit den EUR 100.000 werde geregelt. Der Beklagte war schließlich der Meinung, der im Übergabsvertrag genannte Betrag von EUR 100.000 sei nur aus rein formalen Gründen genannt worden. Hätte er gewusst, dass dieser Betrag von ihm tatsächlich zu bezahlen ist, hätte er den Übergabsvertrag nicht geschlossen. Die Klägerin war hingegen keineswegs der Meinung, dass der Betrag von EUR 100.000 ein reiner „Formalakt" war; vielmehr hat sie den Übergabsvertrag nur unter der Bedingung geschlossen, dass der Beklagte diesen Betrag bezahlt. In der Folge überwies Dr. Ernst R***** den im Übergabsvertrag genannten Betrag von EUR 100.000 im Namen des Beklagten an die Klägerin, wobei er dem Beklagten diesen Betrag als Darlehen zur Verfügung stellte. Des weiteren gab er dem Beklagten auch EUR 10.000, um die anfallenden Notar- und Gerichtsgebühren begleichen zu können. Hinsichtlich der Rückzahlung dieser Beträge wurden keine näheren und gesonderten Vereinbarungen getroffen. Dass die Streitteile zusätzlich zum schriftlichen Vertrag mündlich ein weiteres Widerrufsrecht der Klägerin vereinbart haben, konnte nicht festgestellt werden.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den Vertrag als „gemischte Schenkung". Es verneinte das Vorliegen von Widerrufsgründen und verwies hinsichtlich der behaupteten Vereinbarung eines Widerrufsrechts der Klägerin auf seine diesbezügliche Negativfeststellung. Es meinte jedoch, es liege ein gemeinsamer Irrtum über die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung des Übergabspreises vor, der die Klägerin zur Anfechtung des Vertrages berechtige.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge, änderte das Ersturteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens ab und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000 übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und erörterte in rechtlicher Hinsicht, nur der Irrende könne einen Vertrag wegen Irrtums gerichtlich anfechten. Weder die Klägerin noch der Beklagte hätten sich darauf berufen, dass bei ihnen ein Irrtum vorgelegen sei. Soweit sich die Klägerin aber auf einen Irrtum des Beklagten stütze, stehe ihr kein Anfechtungsrecht zu. Auf die Relevanz eines inneren Vorbehalts des Beklagten sei daher nicht einzugehen. Einer Vorgangsweise nach § 473a ZPO habe es im Hinblick auf die gesetzmäßig ausgeführte Rechtsrüge des Beklagten nicht bedurft.

Gegen dieses Berufungsurteil richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig:

Die Klägerin hat das Klagebegehren mit EUR 100.000 (frei) bewertet. Bei einer Klage, die auf Einverleibung des Eigentumsrechts an einer Liegenschaft gerichtet ist, gelangt nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (6 Ob 2326/96v; vgl auch 8 Ob 262/99h; Gitschthaler in Fasching² I § 60 JN Rz 33 mwN) jedoch die Bewertungsvorschrift des § 60 Abs 2 JN zur Anwendung, wonach als Wert einer grundsteuerpflichtigen unbeweglichen Sache jener Betrag anzusetzen ist, welcher als Steuerwert für die Gebührenbemessung in Betracht kommt. Geht es um die Löschung eines Pfandrechts, kommt es auf den Einheitswert der belasteten Liegenschaft an, wenn dieser niedriger ist als die sichergestellten Forderungen (RIS-Justiz RS0046507). Maßgeblich ist der im Normalfall für die Bemessung der Grunderwerbssteuer geltende Betrag. Dies ist nunmehr gemäß § 6 GrEStG idF BGBl I 2000/142 das Dreifache des Einheitswerts (5 Ob 180/02k; 3 Ob 320/02h; RIS-Justiz RS0046526 [T 6]). Diese Bewertungsvorschrift, die gemäß § 500 Abs 3 ZPO beim Ausspruch des Berufungsgerichtes über den Wert des nicht ausschließlich in Geld bestehenden Entscheidungsgegenstandes sinngemäß anzuwenden ist, ist nach herrschender Rechtsprechung zumindest insoweit zwingend, als die vom Kläger vorgenommene Bewertung nicht unter dem (nun dreifachen) Einheitswert liegt. Im vorliegenden Fall beträgt der Einheitswert der streitverfangenen Liegenschaft beträgt EUR 45.202,50, sodass sich der nach § 60 Abs 2 JN ermittelte Streitwert auf das Dreifache, das sind EUR 135.607,50 beliefe. Das Berufungsgericht hat somit seinen Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstandes ohne Verstoß gegen eine zwingende Bewertungsvorschrift auf die Bewertung des Klägers gestützt. Unter diesen Umständen erübrigt es sich, auf die gegen die Bewertungsvorschrift des § 60 Abs 2 JN entgegen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (zuletzt 3 Ob 320/02h) geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken der Lehre (zuletzt Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 502 Rz 159f) einzugehen.Die Klägerin hat das Klagebegehren mit EUR 100.000 (frei) bewertet. Bei einer Klage, die auf Einverleibung des Eigentumsrechts an einer Liegenschaft gerichtet ist, gelangt nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (6 Ob 2326/96v; vergleiche auch 8 Ob 262/99h; Gitschthaler in Fasching² römisch eins § 60 JN Rz 33 mwN) jedoch die Bewertungsvorschrift des § 60 Abs 2 JN zur Anwendung, wonach als Wert einer grundsteuerpflichtigen unbeweglichen Sache jener Betrag anzusetzen ist, welcher als Steuerwert für die Gebührenbemessung in Betracht kommt. Geht es um die Löschung eines Pfandrechts, kommt es auf den Einheitswert der belasteten Liegenschaft an, wenn dieser niedriger ist als die sichergestellten Forderungen (RIS-Justiz RS0046507). Maßgeblich ist der im Normalfall für die Bemessung der Grunderwerbssteuer geltende Betrag. Dies ist nunmehr gemäß § 6 GrEStG in der Fassung BGBl I 2000/142 das Dreifache des Einheitswerts (5 Ob 180/02k; 3 Ob 320/02h; RIS-Justiz RS0046526 [T 6]). Diese Bewertungsvorschrift, die gemäß § 500 Abs 3 ZPO beim Ausspruch des Berufungsgerichtes über den Wert des nicht ausschließlich in Geld bestehenden Entscheidungsgegenstandes sinngemäß anzuwenden ist, ist nach herrschender Rechtsprechung zumindest insoweit zwingend, als die vom Kläger vorgenommene Bewertung nicht unter dem (nun dreifachen) Einheitswert liegt. Im vorliegenden Fall beträgt der Einheitswert der streitverfangenen Liegenschaft beträgt EUR 45.202,50, sodass sich der nach § 60 Abs 2 JN ermittelte Streitwert auf das Dreifache, das sind EUR 135.607,50 beliefe. Das Berufungsgericht hat somit seinen Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstandes ohne Verstoß gegen eine zwingende Bewertungsvorschrift auf die Bewertung des Klägers gestützt. Unter diesen Umständen erübrigt es sich, auf die gegen die Bewertungsvorschrift des § 60 Absatz 2, JN entgegen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (zuletzt 3 Ob 320/02h) geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken der Lehre (zuletzt Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 502 Rz 159f) einzugehen.

Im Übrigen ist die Revision zulässig, weil es zur Wahrung der Rechtssicherheit erforderlich ist, den in der Revision inhaltlich gerügten Verstoß des Berufungsgerichtes gegen die Verpflichtung zur umfassenden Überprüfung der rechtlichen Beurteilung des Ersturteiles aufgrund der Rechtsrüge des Beklagten aufzugreifen. Die Klägerin releviert zu Recht, das Berufungsgericht habe eine Überprüfung ihres Anspruches unter dem von ihr in erster Instanz ausdrücklich geltend gemachten Aspekt des Dissenses unterlassen. Diese Prüfungspflicht wurde nicht etwa dadurch beseitigt, dass die Klägerin in der Berufungsbeantwortung der Rechtsauffassung des Erstgerichtes, wonach sie wegen Irrtums zur Vertragsanfechtung berechtigt sei, beigepflichtet hat. Der in erster Instanz erfolgreichen Partei kann es nämlich nicht zum Nachteil gereichen, wenn sie eine ihr mögliche Rechtsrüge zu aus der Sicht des Erstgerichtes unwesentlichen Aspekten von dessen Urteil in der Berufungsbeantwortung unterlässt. Keinesfalls war aus dem Versäumen einer solchen Rüge der Schluss zu ziehen, dass die Klägerin den Klagegrund „Dissens" nicht weiterhin aufrecht halten wollte (vgl 3 Ob 367/97k mwN).

Die Revision ist aber nicht berechtigt.

Die relevierte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor. Ein Verstoß gegen § 473a ZPO setzte voraus, dass der Berufungswerber die Rechtsrüge oder das Berufungsgericht im Rahmen seiner rechtlichen Prüfung die dem Berufungsgegner nachteilige Entscheidung auf „verborgene" Feststellungen gestützt hat (RIS-Justiz RS0112020). Dies trifft im vorliegenden Fall nicht zu und wird von der Klägerin in ihrer Revision nicht einmal behauptet.

In ihrer Rechtsrüge vertritt die Klägerin die Ansicht, bei der Vereinbarung des Übergabspreises seien die äußerlich übereinstimmenden Willenserklärungen der Streitteile jeweils anders gemeint gewesen. Da diese Nichtübereinstimmung auf der objektiven Mehrdeutigkeit der Formulierung, der Beklagte müsse sich über die Finanzierung keine Sorgen machen, beruhe, sei ein Vertrag wegen versteckten Dissenses nicht zustande gekommen.

Hiezu wurde erwogen:

Dissens liegt vor, wenn weder der Wille noch die Willenserklärungen der Kontrahenten übereinstimmen (SZ 54/111; JBl 1988, 714; 4 Ob 248/97t; Apathy in Schwimann ABGB² § 869 Rz 9). „Versteckter Dissens" bedeutet, dass die Parteien überzeugt sind, sich geeinigt zu haben, dies aber nicht zutrifft, weil jede Partei den äußerlich übereinstimmenden Willenserklärungen ein anderes Verständnis beilegte (SZ 49/142; SZ 49/162; RIS-Justiz RS0014704; Apathy aaO Rz 13). Entscheidend ist dabei, dass die Erklärungen der Parteien in ihrem objektiven Sinn aneinander vorbeigehen, ohne dass dies den Parteien bewusst wird (RdW 1996, 521; RIS-Justiz RS0014702), das heißt also einen unterschiedlichen objektiven Erklärungswert hatten (SZ 54/111; 4 Ob 248/97t). Decken sich die Willenserklärungen äußerlich und umfassen sie alle wesentlichen Vertragspunkte, kann demnach von einem versteckten Dissens nur bei objektiv mehrdeutigen oder unvollständigen Erklärungen bei gleichzeitiger Nichtübereinstimmung des Gewollten gesprochen werden (RdW 1996, 521; 6 Ob 2103/96z mwN), wobei der objektive Erklärungswert unter Umständen mit Hilfe der Auslegungsregeln zu ermitteln ist (JBl 1988, 714; RIS-Justiz RS0014703). Maßgebend sind daher nicht die subjektiven Vorstellungen der Parteien, sondern es ist die Frage zu klären, ob die Willenserklärungen bei Beurteilung ihres objektiven Erklärungswertes taugliche Grundlage für einen Vertragsabschluss sein können (JBl 1988, 714; 6 Ob 2103/96z; 1 Ob 154/02g mwN). Nur wenn die Mehrdeutigkeit einer Erklärung auch im Wege der Auslegung nach den §§ 914f ABGB nicht beseitigt werden kann (1 Ob 634/88; 7 Ob 680/89 uva; RIS-Justiz RS0014704; Apathy aaO Rz 12) und die Abweichung des beiderseitigen Vertragswillens (§ 869 ABGB) einen Hauptpunkt betrifft, kommt von Anfang an kein Vertrag zustande (1 Ob 516/87 mwN; RIS-Justiz RS0014701, RS0014704).

Davon zu unterscheiden ist der Irrtum über die Bedeutung und die Rechtsfolgen der eigenen Erklärung (JBl 1975, 161; JBl 1989, 782; RdW 1996, 521; RIS-Justiz RS0014695z), der die Anfechtung eines (zumindest vorläufig) zustande gekommenen Vertrages betrifft (RIS-Justiz RS0014704). Es liegt also ein allenfalls zur Anfechtung berechtigender Irrtum und nicht Dissens, der gemäß § 869 ABGB einen Vertrag erst gar nicht entstehen ließe, vor, wenn bei nur einer der Parteien das Gewollte mit dem objektiv Erklärten übereinstimmt. Deckt sich das subjektive Verständnis auch nur einer der Vertragsparteien mit dem objektiven Vertragssinn, dann kommt der Vertrag nach Maßgabe dieser objektiven Vertragsinterpretation zustande (RdW 1996, 521; Rummel in Rummel ABGB³ § 871 Rz 7).

Damit ein Vertrag zustande kommt, ist Einigung der Vertragsteile über dessen Inhalt und die ausdrückliche oder stillschweigende Erklärung des Abschlusswillens erforderlich. Ein (zumindest teilweise) synallagmatischer Vertrag erfordert somit jedenfalls Einigung der Parteien über Leistung und Gegenleistung (SZ 49/142; 1 Ob 612/86; 1 Ob 2046/96f; RdW 1996, 521 uva; RIS-Justiz RS0038607).

Die Vereinbarung eines nicht völlig unbedeutenden Übergabspreises betrifft einen Hauptpunkt des Übergabsvertrages. Lag Dissens über die Zahlungspflicht des Übernehmers vor, kam der Vertrag nicht gültig zustande. Im vorliegenden Fall verpflichtete sich der Beklagte in dem in der Form eines Notariatsaktes gefassten Übergabsvertrag vom 8. 4. 2002 als Übernehmer, der Klägerin innerhalb von 14 Tagen ab Unterfertigung des Vertrages einen Übergabspreis von EUR 100.000 zu bezahlen. Durch die beiderseitige Unterfertigung der Vertragsurkunde wurde dieser Text zum Inhalt der rechtsgeschäftlichen Erklärungen beider Streitteile (RIS-Justiz RS0014753, RS0014893). Die Klägerin hat nun vorgebracht und auch bewiesen, dass der Beklagte ihre Erklärung abweichend von deren Wortlaut, nämlich im Sinne einer Scheinerklärung verstanden und selbst eine Scheinerklärung abgegeben hat. Dies begründet aber nach den vorstehenden Rechtsausführungen noch keinen Dissens, weil die subjektiven Vorstellungen des Beklagten insoweit nicht von Bedeutung sind. Es ist vielmehr danach zu fragen, wie die Offerte der Klägerin und die Annahme des Beklagten nach ihrem objektiven Erklärungswert zu verstehen waren.

Dass die in der Vertragsurkunde verwendeten Formulierungen für sich betrachtet objektiv einen mehrdeutigen Erklärungswert hätten, wurde zu Recht von keiner der Parteien behauptet. Bei der Beurteilung von Erklärungen nach ihrem objektiven Erklärungswert kommt es aber darauf an, wie ein redlicher Empfänger einer Erklärung diese unter Berücksichtigung aller den Vertragsabschluss begleitenden Umstände verstehen musste (SZ 59/223; ÖBA 1992, 745; 5 Ob 277/01y mwN; 9 Ob 51/03w uva; RIS-Justiz RS0014160). Es ist daher auch das vor der Vertragsunterfertigung Gesprochene bei der Auslegung der Erklärungen zu berücksichtigen. Nach den maßgeblichen Feststellungen des Erstgerichtes wurde zunächst eine Schenkung, dann ein Kaufvertrag und zuletzt ein Übergabsvertrag ins Auge gefasst. Vor der Vertragsunterzeichnung war „die Rede davon", dass der Beklagte EUR 100.000 zu bezahlen hat. Allerdings fügte die Klägerin bei, er müsse sich „über diesen Betrag keine Sorgen machen, das mit den EUR 100.000 werde geregelt". Auch unter Einbeziehung dieser Umstände führt schon die einfache Auslegung der rechtsgeschäftlichen Erklärung der Klägerin, die nach den Grundsätzen des redlichen Verkehrs zu verstehen ist (RdW 2003, 495), mangels gegenteiliger Anhaltspunkte zu dem Ergebnis, dass ein redlicher Erklärungsempfänger das Verlangen eines Übergabspreises als ernsthafte und nicht bloß zum Schein („pro forma") abgegebene Willenserklärung der Klägerin ansehen musste. Hat sie doch dem Beklagten auch mündlich zu verstehen gegeben, dass er den Übergabspreis von EUR 100.000 „zu bezahlen hat". Eine allenfalls verbleibende Unklarheit konnte sich daher nur auf die in Aussicht gestellte „Regelung" beziehen, die aber - und dies entspricht auch der in der Revisionsbeantwortung unwidersprochenen Auslegung der Klägerin in der Revision - lediglich die Finanzierung des Übergabspreises betraf. Finanzierungsgeschäft und finanziertes Geschäft stellen aber trotz ihrer vielfach engen wirtschaftlichen Verbindung grundsätzlich zwei rechtlich selbständige Verträge dar, sodass ein Einwendungsdurchgriff als besonders zu begründende Ausnahme zu gelten hat (SZ 61/148; SZ 61/166; RIS-Justiz RS0020659). Der Beklagte hat im hier zu beurteilenden Rechtsstreit weder gegen den Übergabsvertrag noch gegen das ihm von Dr. R***** gewährte Darlehen Einwendungen erhoben, weshalb schon aus diesem Grund ein Einwendungsdurchgriff nicht in Betracht kommen kann. Es wurde auch weder von einer der Parteien behauptet noch festgestellt, dass die besagte „Regelung" der Finanzierung des Übergabspreises Gegenstand einer weiteren Erörterung oder gar von Vertragsverhandlungen zwischen den Streitteilen war. Auch geht aus dem Vertragstext nicht hervor, dass der Beklagte die Finanzierbarkeit oder die Art der Finanzierung des Übergabspreises zur Bedingung für das wirksame Zustandekommen des Übergabsvertrages machen wollte. Die „Regelung" der Finanzierung betrifft demnach keinen Vertragspunkt des Übergabsvertrages, sodass selbst eine objektive Mehrdeutigkeit der diesbezüglichen Äußerung der Klägerin nicht zum Scheitern des Übergabsvertrages führen konnte. Es hat vielmehr bei dem Grundsatz zu bleiben, dass die Beschaffung der Mittel für die Gegenleistung eines (teilweise) synallagmatischen Vertrages grundsätzlich Sache des Leistungspflichtigen ist und allein in dessen Risikobereich fällt (SZ 54/4). Wie sich eine Mehrdeutigkeit der Erklärung der Klägerin auf den zwischen Dr. Ernst R***** und dem Beklagten offenbar abgeschlossenen Darlehensvertrag auswirken könnte, braucht hier nicht geprüft zu werden.

Die bisherigen Ausführungen sind somit dahin zusammenzufassen, dass die sich äußerlich deckenden Willenserklärungen der Streitteile hinsichtlich der Bezahlung des Übergabspreises auch nach ihrem objektiven Erklärungswert übereinstimmen und jedenfalls die Klägerin diese Erklärungen auch so verstanden hat. Mangels versteckten Dissenses ist der Übergabsvertrag daher wirksam zustande gekommen.

Der von der Klägerin im Rahmen der Mängelrüge ihres Rechtsmittels vermissten Feststellungen zum erfolgten Widerruf der ihrer Auffassung nach vorliegenden gemischten Schenkung bedurfte es nicht, weil ihre eigene Widerrufserklärung ohnedies in der Klage enthalten ist und zu der behaupteten Vereinbarung eines ihr zustehenden Widerrufsrechts nur eine negative Feststellung getroffen wurde. Auf die - in der Tagsatzung vom 26. 11. 2003 anlässlich seiner Vernehmung als Zeuge abgegebene - Widerrufserklärung des Dr. Ernst R***** wurde das Klagebegehren entgegen der Revisionsbehauptung der Klägerin jedoch nicht gestützt. Im Übrigen lässt die Revision die das Vorliegen eines Widerrufsgrundes nach § 948 ABGB verneinende Rechtsansicht der Vorinstanzen unbekämpft. Da der Grundsatz, dass bei Bekämpfung der rechtlichen Beurteilung die Gesetzmäßigkeit des Urteils nach allen Richtungen zu prüfen ist, dann nicht mehr gilt, wenn der Revisionswerber in seinem Rechtsmittel auf einen in erster Instanz noch ausdrücklich geltend gemachten Rechtsgrund nicht mehr zurückkommt (RIS-Justiz RS0041570 [T 6]), besteht zur Überprüfung dieser Rechtsansicht keine Veranlassung. Es erübrigt sich daher nicht nur die Befassung mit der ein Widerrufsrecht der „Familie R*****" enthaltenden Vereinbarung, sondern auch (und vor allem) die Erörterung der Frage, ob der Übergabsvertrag vom 8. 4. 2002 überhaupt als (teilweise) unentgeltliches, daher als gemischte Schenkung widerrufbares Geschäft zu qualifizieren ist (zur Schenkungsabsicht der insoweit behauptungs- und beweispflichtigen Klägerin [EFSlg 100.679] liegt nur eine Negativfeststellung vor).

Zu dem auf die Veranlassung der Löschung des Höchstbetragspfandrechts abzielenden Teil des Klagebegehrens, den die Klägerin in der Revision gleichfalls nicht mehr erwähnt, ist noch anzumerken, dass die verbotswidrige Verfügung bei einem obligatorisch wirkenden Belastungsverbot nur zu Schadenersatzansprüchen des Verbotsberechtigten führen kann, der Verbotsgegner aber - sofern ihn nicht der Dritte wissentlich zum Vertragsbruch verleitet hat - nicht zur Veranlassung der Löschung des Pfandrechtes eines (hier wohl gutgläubigen) Dritten verhalten werden kann (vgl 1 Ob 195/03p; Oberhammer in Schwimann ABGB³ § 364c Rz 4; Spielbüchler in Rummel ABGB³ § 364c Rz 1).Zu dem auf die Veranlassung der Löschung des Höchstbetragspfandrechts abzielenden Teil des Klagebegehrens, den die Klägerin in der Revision gleichfalls nicht mehr erwähnt, ist noch anzumerken, dass die verbotswidrige Verfügung bei einem obligatorisch wirkenden Belastungsverbot nur zu Schadenersatzansprüchen des Verbotsberechtigten führen kann, der Verbotsgegner aber - sofern ihn nicht der Dritte wissentlich zum Vertragsbruch verleitet hat - nicht zur Veranlassung der Löschung des Pfandrechtes eines (hier wohl gutgläubigen) Dritten verhalten werden kann vergleiche 1 Ob 195/03p; Oberhammer in Schwimann ABGB³ § 364c Rz 4; Spielbüchler in Rummel ABGB³ § 364c Rz 1).

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Textnummer

E78363

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2005:0020OB00040.05D.0901.000

Im RIS seit

01.10.2005

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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