TE Vwgh Erkenntnis 2007/7/31 2005/05/0102

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Veröffentlicht am 31.07.2007
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde

1.) der Helga Schäffer und 2.) des Dr. Gerhard Schäffer, beide in Sigmundsherberg, beide vertreten durch Dr. Engelbert Reis, Rechtsanwalt in 3580 Horn, Florianigasse 5, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 14. Februar 2005, Zl. RU1-BR-258/001-2004, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Helmut Steffl, Missingdorf 37, 3751 Sigmundsherberg; 2. Marktgemeinde Sigmundsherberg, Hauptstraße 50, 3751 Sigmundsherberg), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Erstmitbeteiligte ist Eigentümer des Grundstücks Nr. 107/11 der KG Missingdorf. Dieses Grundstück grenzt im Süden an eine Gemeindestraße. An der gegenüberliegenden Straßenseite befindet sich (punktuell westlich vis a vis des Grundstückes Nr. 107/11) das Grundstück Nr. 100 der KG Missingdorf, welches im Eigentum der Beschwerdeführer steht. Die genannten Grundstücke liegen im ungeregelten Baulandbereich.

Mit Ansuchen vom 11. Mai 2004 beantragte der Erstmitbeteiligte als Bauwerber bei der mitbeteiligten Marktgemeinde die Baubewilligung für die Errichtung eines überdachten Lagerplatzes auf dem Grundstück Nr. 107/11. Die Beschwerdeführer erhoben gegen dieses Ansuchen mit Schreiben vom 2. Juni 2004 Einwendungen, wobei sie im Wesentlichen vorbrachten, dass es sich bei dem geplanten Zubau um keinen Erstantrag handle, sondern um eine Erweiterung bereits bestehender Hallen. Da ein rechtskräftiger Bewilligungsbescheid vom 10. Jänner 1974 vorliege, der die Nachbarrechte insbesondere hinsichtlich der Gebäudehöhe sichere, müsse nach der alten Bauordnung verhandelt werden. Eine geschlossene Bauweise liege nur zwischen den im Eigentum des Erstmitbeteiligten stehenden Grundstücken vor. Die Nachbargebäude hielten einen Abstand zu diesen Gebäuden ein. Ein Anrainergrundstück sei unbebaut. Zudem würde das Ortsbild gestört werden. Die Abflussverhältnisse seien bereits durch das bestehende Bauwerk beeinträchtigt und würden weiter verschlechtert. Des Weiteren brachten die Beschwerdeführer eine Belästigung durch den zunehmenden Verkehr vor.

Bei der über dieses Bauansuchen durchgeführten mündlichen Verhandlung vom 4. Juni 2004 hielten die Beschwerdeführer ihre schriftlichen Einwendungen aufrecht.

Über Ersuchen der mitbeteiligten Marktgemeinde wurde von der Amtssachverständigen Dipl.-Ing. M. am 6. Juli 2004 ein Befund und Gutachten erstellt (siehe den Wortlaut im dasselbe Bauvorhaben betreffenden hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2005/05/0101).

Mit Bescheid vom 25. August 2004 erteilte der Bürgermeister unter Zugrundelegung des bautechnischen Gutachtens vom 6. Juli 2004 gemäß § 23 Abs. 1 und 2 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 (BO) die beantragte Bewilligung.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Berufung. Darin wurden im Wesentlichen dieselben Einwände wie im Schreiben vom 2. Juni 2004 vorgebracht. Zudem wurde eine Verschlechterung der Abflussverhältnisse eingewendet, insbesondere dass die Abflussbreite für Oberflächenwässer nach Starkregen von über 80 m am Dorfanger auf 9 m reduziert werde. Es fehle auch ein Gutachten bezüglich des Ortsbildes. Des weiteren wurden mehrere Verfahrensmängel gerügt.

Mit Berufungsvorentscheidung des Bürgermeisters vom 20. Oktober 2004 wurde der Berufung nicht stattgegeben. Nach einem Vorlageantrag der Beschwerdeführer wurde mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 30. November 2004 der Berufung gleichfalls nicht stattgegeben und im Wesentlichen auf das bautechnische Gutachten verwiesen, das aufgrund Unterbleibens eines Gegengutachtens seitens der Beschwerdeführer als Grundlage für den Bewilligungsbescheid herangezogen werde. Zudem würden die von den Beschwerdeführern geltend gemachten Einwände bezüglich der Umweltverträglichkeit im Hinblick auf Starkregenereignisse, der Gestaltung des Ortsbildes, der Bebauung des Dorfangers, der Lebens- und Wohnqualität, der Dorferneuerung und der Begriffsdefinition "überdachter Lagerplatz-Hallenerweiterung" nicht von den in § 6 Abs. 2 BO taxativ aufgezählten Rechten umfasst.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die dagegen erhobene Vorstellung der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass im Bereich der betroffenen Marktgemeinde weder ein Bebauungsplan noch ein vereinfachter Bebauungsplan rechtswirksam sei und daher die Bestimmung des § 54 BO von Bedeutung sei. Die Frage, ob ein Bauvorhaben zur bestehenden Bebauung in einem auffallenden Widerspruch stehe, sei aufgrund eines schlüssigen Gutachtens eines bautechnischen Sachverständigen zu beurteilen. Ein solches liege auch vor, wobei die Gutachterin darin zum Ergebnis komme, dass der geplante Bau hinsichtlich der Bebauungsweise, der Bebauungshöhe und des Lichteinfalls vollinhaltlich den Bestimmungen des § 54 BO entspreche. Das Gutachten sei zudem widerspruchsfrei und entspreche den logischen Denkgesetzen, sodass der Berufungsbehörde nicht entgegengetreten werden könne, wenn sie dieses Gutachten ihrer Entscheidung zugrunde gelegt habe. Die Beschwerdeführer hätten das Gutachten mit der Vorlage eines Gegengutachtens bekämpfen können, was sie jedoch unterlassen hätten. Die Vorschriften über die Konfiguration des Bauplatzes und die Bauplatzeignung würden nur dem öffentlichen Interesse dienen und würden somit keine subjektiv-öffentlichen Rechte der Anrainer begründen. Mit dem Vorbringen der Beschwerdeführer, die Verbindung zum öffentlichen Verkehrsweg sei nicht ausreichend, würden ebenfalls keine subjektiv-öffentlichen Anrainerrechte geltend gemacht werden. Der Nachbar besitze keinen Rechtsanspruch darauf, dass sich die Verkehrsverhältnisse auf einer öffentlichen Verkehrsfläche nicht ändern, und müsse hinnehmen, dass ein Bauwerk einen entsprechenden Verkehr auslöse. Des Weiteren führte die belangte Behörde aus, dass die Vorschriften über den Schutz des Ortsbildes nicht zu jenen gehören, die auch dem Nachbarschutz dienten. Ein eventueller Wertverlust sei von den Behörden nicht zu berücksichtigen, ebenso wenig die Einschränkung der Lebensqualität. Der Nachbar besitze auch keinen Rechtsanspruch darauf, dass Planunterlagen in objektiver Hinsicht den gesetzlichen Forderungen völlig gerecht werden, weshalb es sich erübrige zu prüfen, ob ein Zubau, eine Erweiterung oder ein überdachter Lagerplatz errichtet werde. Weiters könne die Prüfung unterbleiben, welche Fassung der BO anzuwenden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Soweit die Beschwerdeführer in der Beschwerde Vorbringen hinsichtlich des Lichteinfalls, des fehlenden Bebauungsplanes, des Ortsbildes, zu erwartender Immissionen durch den Bau und seine Benützung und des steigenden Straßenverkehrs sowie der fehlenden Einhaltung von Reichen und Bauwichen erstatten, wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2005/05/0101, verwiesen. Dies gilt auch in Bezug auf die Zulässigkeit der Erhebung von Einwendungen nach der mündlichen Verhandlung.

Hinsichtlich der Ausführungen der Beschwerdeführer, dass sich das Bauvorhaben auf die Abwässerverhältnisse bei Starkregen auswirke, ist festzuhalten, dass den Nachbarn in Bezug auf das Abfließen atmosphärischer Niederschläge, insbesondere der bei Regenfällen auftretenden Oberflächenwässer, kein subjektivöffentliches Recht zukommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Juli 2004, Zl. 2003/05/0249).

Der angefochtene Bescheid war jedoch aus den im zitierten Erkenntnis vom heutigen Tag genannten Erwägungen wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 31. Juli 2007

Schlagworte

Baurecht Nachbar Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Vorschriften, die keine subjektiv-öffentliche Rechte begründen BauRallg5/1/9

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2005050102.X00

Im RIS seit

22.08.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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