TE Vfgh Beschluss 2002/11/29 G346/01

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Veröffentlicht am 29.11.2002
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Index

86 Veterinärrecht
86/01 Veterinärrecht allgemein

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art140 Abs1 / Sachentscheidung Wirkung
FleischuntersuchungsG-Nov BGBl I 73/2001 Art2 Abs3
FleischuntersuchungsG §6 Abs3 idF BGBl I 73/2001

Leitsatz

Zurückweisung der Individualanträge auf Aufhebung des Verbots der Bestellung von Amtstierärzten zu Fleischuntersuchungstierärzten infolge Zumutbarkeit des Verwaltungsrechtsweges im Hinblick auf bestehende Ausnahmetatbestände sowie auf Aufhebung einer Bestimmung der FleischuntersuchungsG-Novelle 2001 wegen entschiedener Sache; Bedenken hinsichtlich der Berufsausübungsfreiheit jenen der bereits abgehandelten Erwerbsausübungsfreiheit gleichzuhalten

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Der Einschreiter ist Amtstierarzt in der Fachabteilung für Veterinärwesen beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung.

Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 (letzter Satz) B-VG gestützten Individualantrag begehrt er mit näherer Begründung die Aufhebung des §6 Abs3 des Fleischuntersuchungsgesetzes, BGBl. 522/1982, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 73/2001 (im Folgenden: FleischUG).

2. Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes, mit dem das Fleischuntersuchungsgesetz geändert wird, BGBl. I Nr. 73/2001, haben folgenden Wortlaut:

"Artikel 1

Das Fleischuntersuchungsgesetz, BGBl. Nr. 522/1982, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 66/1998, wird wie folgt geändert:

1. ...

2. §6 Abs3 lautet:

'(3) Amtstierärzte dürfen nicht zu Fleischuntersuchungstierärzten bestellt werden. Ausgenommen von diesem Verbot sind

1.

Fleischuntersuchungstierärzte gemäß §4 Abs3 und

2.

Amtstierärzte, wenn andere, geeignete Tierärzte nicht zur Verfügung stehen und die Bestellung nicht für den Bereich des Amtssprengels des Amtstierarztes erfolgt und der Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen der Bestellung zustimmt.'

              3.              ...

              7.              Nach dem §51 Abs1 wird folgender Abs1a eingefügt:

'(1a) §1 Abs3, §6 Abs3 [...] treten in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 73/2001 mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft.'

Artikel 2

..."

Das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 73/2001 wurde am 10. Juli 2001 kundgemacht.

(Anm.: In der Folge wurde mit den Bundesgesetzen BGBl. I Nr. 98/2001 [1. Euro-Umstellungsgesetz - Bund] und BGBl. I Nr. 96/2002 das Fleischuntersuchungsgesetz geändert. Die mit dem vorliegenden Antrag bekämpfte Bestimmung ist davon jedoch nicht berührt.)

3. Die Bundesregierung gab in diesem Verfahren keine (gesonderte) Äußerung ab, sondern verwies auf jene Äußerung, die sie in dem zu G325/01 protokollierten verfassungsgerichtlichen Verfahren erstattet hatte.

Der Einschreiter führt zur Begründung der Zulässigkeit seines Antrags folgendes aus:

"1. Der Antragsteller ist Amtstierarzt in der Fachabteilung für Veterinärwesen beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung.

Das neue Verbot der Bestellung von Amtstierärzten zu Fleischuntersuchungstierärzten betrifft den Antragsteller daher insofern direkt, als es ihm eine Bestellung zum Fleischuntersuchungsorgan, die vorher unter gewissen Einschränkungen (§6 Abs3 a.F. FlUG) rechtlich zulässig gewesen wäre, unmöglich macht.

[...]

2. Aufgrund der Bestimmungen der Novelle besteht keine Möglichkeit, einen beim Verfassungsgerichtshof anfechtbaren Bescheid zu erlangen:

2.1. Eine Antragstellung im Sinn des novellierten §6 Abs3 Zif. 2 ist nicht sinnvoll und daher auch nicht zumutbar. Der Antragsteller - als Amtstierarzt im Bereich des gesamten Landes Steiermark - verliert durch die Novelle sofort jede Möglichkeit, eine Beauftragung mit der Fleischuntersuchung zu erlangen. Eine Ausnahme laut §6 Abs3 Zif. 2 FlUG kommt für ihn aufgrund des Wortlauts dieser Bestimmung nicht in Frage. Der Gesetzeswortlaut verbietet jede Beleihung, obwohl dies zuvor, unter dem Regime der vorausgegangenen gesetzlichen Regelung, durchaus möglich war.

2.2. Im übrigen wäre im Verfahren über eine Beschwerde gegen einen Bescheid, der aufgrund eines Antrages gem. §6 Abs3 Zif. 2 FlUG ergeht, nur diese Bestimmung der Novelle, nicht aber §6 Abs3 1. Satz präjudiziell.

2.3. Es steht dem Antragsteller daher kein zumutbarer Weg zur Geltendmachung seiner Bedenken und zur Wahrung seiner Rechte offen."

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

Der Antrag ist nicht zulässig.

1. Gemäß Art140 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Voraussetzung der Antragslegitimation ist sohin einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein; dann aber auch, dass das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides, wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.

Ein derartiger Eingriff ist jedoch nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteter Weise - rechtswidrigen Eingriffs zur Verfügung steht (vgl. VfSlg. 13.870/1994 m.w.H.).

2. Ein solcher anderer zumutbarer Weg besteht für den Antragsteller im vorliegenden Fall:

Gemäß §4 Abs6 erster Satz FleischUG hat die Beauftragung der Fleischuntersuchungsorgane (dazu zählen auch die Fleischuntersuchungstierärzte - vgl. §4 Abs2 FleischUG) mit deren Zustimmung durch Bescheid des Landeshauptmannes zu erfolgen.

§6 Abs3 erster Satz FleischUG (in der angefochtenen Fassung) normiert zwar, dass Amtstierärzte grundsätzlich nicht zum Fleischuntersuchungstierarzt bestellt werden dürfen. Die Bestimmung sieht jedoch auch vor, dass bei Vorliegen näher umschriebener Voraussetzungen Amtstierärzte von diesem Verbot ausgenommen sind (Z1 in §6 Abs3 zweiter Satz FleischUG) oder ausgenommen werden können (Z2 in §6 Abs3 zweiter Satz leg.cit.).

Somit würde erst in einem Verfahren zur Bestellung als Fleischuntersuchungsorgan (§4 FleischUG) konkret darüber entschieden werden, ob trotz der Verbotsnorm des §6 Abs3 erster Satz FleischUG der Antragsteller zum Fleischuntersuchungstierarzt bestellt werden kann, da erst dabei zu klären wäre, ob allenfalls die Voraussetzungen der in §6 Abs3 zweiter Satz (Z1 und 2) FleischUG normierten Ausnahmen von diesem Verbot vorliegen.

Der Verfassungsgerichtshof geht also davon aus, dass das in §6 Abs3 erster Satz FleischUG normierte Verbot mit Blick auf die eben erwähnten, im zweiten Satz (Z1 und 2) des §6 Abs3 vorgesehenen Ausnahmen nicht mit Sicherheit Wirkung für den Antragsteller entfaltet (vgl. auch schon VfGH 27.6.2002, G325/01, Pkt. II.2.a).

Der Einschreiter hätte die Möglichkeit, einen Bescheid, mit dem die Beauftragung als Fleischuntersuchungsorgan - mangels Erfüllung eines der beiden Ausnahmetatbestände - unter Verweis auf das Verbot nach §6 Abs3 erster Satz FleischUG versagt wird, nach Ausschöpfung des Instanzenzuges beim Verfassungsgerichtshof mit Beschwerde nach Art144 B-VG zu bekämpfen und auf diese Weise seine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die von ihm angefochtene Gesetzesbestimmung an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen (vgl. z. B. VfSlg. 14.017/1995, 14.673/1996, 15.163/1998).

Der Antrag war daher zurückzuweisen.

3. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Gesundheitswesen, Fleischbeschau, res iudicata, Veterinärwesen, Fleischuntersuchung, VfGH / Bedenken, VfGH / Individualantrag, VfGH / Sachentscheidung Wirkung, Erwerbsausübungsfreiheit, Berufsausübungsfreiheit, Rechtskraft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:G346.2001

Dokumentnummer

JFT_09978871_01G00346_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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